Obwohl die Bezeichnung Anarch bereits in der älteren Literatur zum Anarchismus (z.B. bei Gustav Landauer) nachweisbar ist, erhielt sie erst durch den Roman Eumeswil, den der nicht-anarchistische Schriftsteller Ernst Jünger als Spätwerk (mit ca. 80 Jahren) schrieb und 1977 veröffentlichte, größere Bekanntheit.
Die Figur des Anarchen ist eine Weiterentwicklung der Figur des Waldgängers, die Jünger in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg entworfen hatte. Nach dem Bankrott aller Politik sollte der Waldgänger „eine neue Konzeption der Freiheit“ symbolisieren. Er „lässt sich durch keine Macht das Gesetz vorschreiben, weder propagandistisch noch durch Gewalt; er ist „entschlossen, Widerstand zu leisten.“
Während Jünger, der in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg für seine begeisterte Schilderung des Soldatentums berühmt geworden war, nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem individualistischen Anarchismus zu liebäugeln schien, wandte er sich schließlich in Eumeswil gegen jedweden Anarchismus: „Der Anarchist ist abhängig - einmal von seinem unklaren Wollen, zweitens von der Macht. Er folgt dem Mächtigen als sein Schatten... Die positive Entsprechung des Anarchisten ist der Anarch.“ Jünger hat sich, Interviews und Briefen zufolge, in seinen späten Jahren mit dieser Figur weitgehend identifiziert.
Bei der Konzeption des Anarchen bezieht sich Jünger ausdrücklich und ausschließlich auf Max Stirner. Er deutet dabei, der Analyse von Laska zufolge, Stirners „Eigner“ auf eine verkürzte und im Grunde triviale Weise: als extremen, aristokratischen Individualisten, sozusagen als Nietzsche'schen Übermenschen, aber abgeklärt und nicht auf Macht aus.
„Anarchismus von rechts“
Als erster „Anarchist von rechts“ gilt Ernst Jünger. „Der Begriff 'A. v. r.'“ erscheint zunächst paradox, ja sinwidrig, aufgrund der Annahme, daß alle 'rechten' politischen Weltanschauungen dem Ordnungsprinzip einen besonders hohen Stellenwert einräumen und deshalb mit 'anarchistischen' nicht verbunden sein können. Tatsächlich tritt der A. v. r. auch nur in Ausnahmesituationen auf, in denen die sonst verborgene Affinität zwischen dem A. und dem Konservatismus erkennbar werden.“[1] Jünger schreibt zu dieser Beziehung: „Der Anarchist in seiner reinen Form ist derjenige, dessen Erinnerung am weitesten zurückreich: in vorgeschichtliche, ja vormythische Zeiten, und er glaubt, daß der Mensch damals seine eigentliche Bestimmung erfüllt habe [...] In diesem Sinne ist Anarchist der Urkonservative, der Heil und Unheil der Gesellschaft an der Wurzel sucht.“[2]
Jünger bezeichnete den Typus des „preußischen“[3], bzw. „konservativen Anarchisten“ als Anarchen. Seine eigene désinvolture deutete er dementsprechend. Jünger steht für ein extremes Einzelgängertum, das sich genießt und in Grenzsituationen gefährdet, zur Welt aber nur in einem beobachtenden Verhältnis steht. Alle Momente echter Ordnung aufgelöst oder noch nicht neu hergestellt sehend nahm Jünger Züge des Dandies an. Als solcher pflegte Jünger einen individuell-existenzialisitischen Konservatismus, der dem Fortschrittsglauben den Kult des Heroischen und des Vitalismus entgegensetzt. Die Ablehnung der geltenden sittlichen Ordnung legen die Berührungspunkte des Dandies zum Anarchismus offen, seine Wertschätzung, sein aristokratischer Anspruch begründen seine Nähe zur politischen Rechten. Daher ist auch die Tendenz der politisierenden Dandies zu erklären, sich den Strömungen der Konservative Revolution anzuschließen. Dazu gehören z.B. Maurice Barrès, Stefan George, Gabriele d'Annunzio oder Arthur Moeller van den Bruck.
Neben diesem gibt es noch einen älteren, davon unabhängigen Entwicklungsstrang in Frankreich. Hier bildete sich bereits gegen Ende des 18. Jahrunderts ein anarchisme de droite.
Literatur
- Jünger, Ernst: Eumeswil. Stuttgart: Klett-Cotta 1977
eine kritische Analyse dazu:
- Laska, Bernd A.: "Katechon" und "Anarch". Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner. Nürnberg: LSR-Verlag 1997 ISBN 3-922058-63-9 (Leseprobe)
- ↑ Karlheinz Weißmann: Anarchie von rechts, in Caspar von Schrenck-Notzing: Lexikon des Konservatismus; Graz/Stuttgart 1996, (Leopold Stocker Verlag) S.36
- ↑ Ernst Jünger: Der Weltstaat, 1960; zit. nach Weißmann S.36
- ↑ So in der ersten Fassung von seinem Werk Das abenteuerliche Herz