1. Klavierkonzert (Tschaikowski)

Werk von Pjotr Iljitsch Tschaikowski
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Das 1. Klavierkonzert op. 23 in b-Moll von Peter Tschaikowski entstand 1874.

Hintergrund

 
Der junge Tschaikowski

Ursprünglich wollte Tschaikowski das Klavierkonzert seinem Freund und Mentor Nicolaj Rubinstein widmen, dem er viel zu verdanken hatte, hatte dieser ihm doch nicht nur eine musikalische Ausbildung ermöglicht, sondern dem mittellosen Tschaikowski auch ein paar Jahre kostenlos Logie und Verpflegung geboten. Doch als er es Rubinstein am Klavier vorspielte, äußerte dieser lediglich maßlose Kritik und Verachtung, hielt das Werk für unrettbar, aber riet Tschaikowski schließlich, es gründlich umzuarbeiten. Rubinsteins Reaktion ging Tschaikowski so sehr zu Herzen, dass er noch Jahre später in einem Brief an seine Gönnerin Nadeschda Filaretowna von Meck (*1831, † 1894) sich mit Entsetzen an diese Begebenheit erinnerte:

"Ich spielte den ersten Satz. Nicht ein Wort, nicht eine Bemerkung... Ich fand die Kraft, das Konzert ganz durchzuspielen. Weiterhin Schweigen. 'Nun?' fragte ich, als ich mich vom Klavier erhob. Da ergoss sich ein Strom von Worten aus Rubinsteins Mund. Mein Konzert sei wertlos, bruchstückhaft, unzusammenhängend und armselig komponiert, dass es nicht einmal mit Verbesserungen getan sei. Die Komposition selbst sei schlecht, trivial, vulgär. ..."

Tschaikowski änderte an dem Konzert nicht eine Note, sondern schickte es dem Pianisten und Dirigenten Hans von Bülow zu mit der Bitte, sich ein Urteil zu bilden. Dieser hatte an dem Konzert nichts auszusetzen, ließ es vom Orchester einstudieren und saß bei der Uraufführung 1875 in Boston persönlich am Klavier. Von dort trat das Werk einen regelrechten Siegeszug an, denn es wurde zu dem am häufigsten eingespielten Klavierkonzert überhaupt und ist bis heute darin von keinem anderen Konzert übertroffen.

Das Werk

Welch großer Beliebtheit sich das Konzert nicht nur unter Fans der sog. Klassischen Musik erfreut, zeigt auch die Tatsache, dass seine Einspielung durch den Pianisten Van Cliburn als Schallplatte Ende 1961 mehr als eine Million Mal verkauft war, ein bis dahin von keinem anderen klassischen Werk erreichter Rekord. Die Begeisterung hierfür dürfte maßgeblich geprägt sein durch das Eingangsthema des ersten Satzes, das vom Klavier mit wuchtigen, über die 7 ½ Oktaven reichenden Akkorden begleitet wird.

Die Satzbezeichnungen des Konzerts lauten:

  • Andante non troppo e molto maestoso
  • Andantino semplice
  • Allegro con fuoco

Der Kopfsatz

Der Kopfsatz des Konzerts weicht von der in der Wiener Klassik geprägten starren Form des Sonatenkopfsatzes ab. Er beginnt in der Tonart Des-Dur (der Paralleltonart zu b-Moll) mit einer weit ausgebreiteten Einleitung, die fast schon als eigenes Thema gelten kann und anfänglich den Eindruck erweckt, hier handele es sich um ein Konzert in Des-Dur, nur: Dieses Anfangsthema wird im späteren Verlauf und auch in den anderen Sätzen des Konzerts nicht wieder aufgegriffen. Geprägt ist die Einleitung durch eine vom Orchester intonierte Melodie, die vom Klavier mit wuchtigen, sich über die 7 1/2 Oktaven der Klaviatur erstreckenden Akkorden begleitet wird. Bereits in diesem Teil gibt es eine dem Charakter einer Kadenz ähnelnde Passage, in welcher das Klavier einen solistischen Part hat.

Der Einleitung folgen nacheinander die zwei Kopfsatztypischen Themen: Das dynamische Thema in b-Moll ist unisono in rechter wie linker Hand gehalten, beginnt triolisch und erfährt eine erste Durchführung durch Auflösung der Triolen in Sechzehntel-Bewegungen noch vor Einsatz des zweiten, lyrischen Themas. Dieses wiederum ist verwoben mit dritten Thema, eigentlich eher einem Themenbruchstück, das aber in der Durchführung gleichwertig neben den zwei Hauptthemen behandelt wird. Die Reprise kommt etwas überraschend im Wiederaufgreifen des ersten, zu Sechzehntel-Noten aufgelösten ersten Themas. Die solistische Kadenz hat das dritte und schließlich das zweite Thema zum Schwerpunkt.

Der 2. Satz

Der zweite Satz in Des-Dur beginnt mit einer solistischen Melodie in der Querflöte, die vom Klavier aufgegriffen wird. Im Kontrast zu diesem lyrischen Thema steht in der Mitte des 2. Satzes ein dazu scharf kontrastierender schneller Abschnitt über die französische Chansonette "Il faut s'amuser, danser et rire“ (Man muss sich vergnügen, tanzen und lachen). Dieses Lied im Satzmittelpunkt bildet gleichsam die Spiegelachse einer Symmetrie, denn am Ende wird das Eingangsthema wieder aufgegriffen und von Klavier und Oboe zu Ende geführt.

Der 3. Satz

Der dritte Satz ist in Form eines Rondos angelegt, seine Themen haben ihren Ursprung in ukrainischen Volkstänzen. Das erste Thema kehrt im Wechselspiel zwischen Klavier und Orchester immer wieder. Dazwischenliegende Passagen von Läufen und akkordischen Sprüngen verlangen dem Solisten einiges an Können ab und verleihen dem Schlusssatz seine Brillanz.

Die Einspielungen

Fast jeder Pianist hat sich dem 1. Klavierkonzert von Tschaikowski einmal gewidmet, so dass eine Aufzählung ausufern würde und hier nur beispielhaft erfolgen kann:

Die meisten Pianisten gehen den ersten und den dritten Satz des Konzerts in einem sehr hohen Tempo an, was zumindest bei dem ersten Satz fraglich erscheint, hatte Tschaikowski dort doch ein molto maestoso notiert. Andrej Hoteev spielt diesen daher konsequent in einem etwas gemäßigteren Tempo. Er ist es auch, der im dritten Satz des Konzerts, der wegen der sich teilweise in Abschweifungen verlierenden Länge regelmäßig um ein paar gekürzte Passagen zu Gehör gebracht wird, die fehlenden Passagen mitspielt.


siehe auch: 1. Klavierkonzert (Chopin)