Der Begriff Ökologismus bezeichnet eine politische Ideologie[1][2], welche die Umwelt zentral setzt, Menschen eingebunden in ökologische Zusammenhänge sieht und weit reichende Umwälzungen zu einer ökologisch nachhaltigen Gesellschaft anstrebt. Der Begriff wurde im englischen Sprachraum geprägt und als häufig abwertend gemeinte Fremdbezeichnung ins Deutsche übernommen.
Ideologie, Ökologismus und Umweltschutz
Laut dem Historiker Joachim Radkau ist „der Ökologismus weltweit als einzige ideologische Alternative zur absoluten Hegemonie des privaten Gewinn- und Konsumstrebens übrig geblieben“.[3] Auch nach dem Politikwissenschaftler Andrew Dobson erfüllt der Ökologismus alle Charakteristika einer politischen Ideologie und sollte daher in einer Reihe mit anderen etablierten Ideologien wie Konservatismus, Liberalismus oder Sozialismus gesehen werden. Wie diese anderen Ideologien biete auch Ökologismus eine analytische Beschreibung der Gesellschaft, setze eine bestimmte wünschenswerte Form von Gesellschaft voraus, und enthalte drittens eine Programmatik für politisches Handeln.[4] Michael Kenny bezeichnet Ökologismus ebenfalls als Ideologie und betont dazu, dass gerade Grüne nur sehr ungern auf diesen Begriff zurückgreifen, da Ideologiekritik zu einer der Wurzeln ihrer Bewegung zählt.[5]
Ökologismus erachtet nach Dobson weit reichende Umwälzungen im Verhältnis des Menschen zur Natur für notwendig und sieht die gegenwärtige soziale und politische Ordnung als in sich nicht fähig zur Nachhaltigkeit. Ein Teil dieser Überzeugung wird in den Positionen der Tiefenökologie wiedergespiegelt. Dem gegenüber setzt Umweltschutz darauf, durch Anwendung effizienterer oder sauberer Technologien zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelangen zu können. Aus diesem Grund können Ökologismus und Umweltschutz definitorisch getrennt werden, wenn diese Trennung auch nicht in allen Fällen eindeutig ist. Im Englischen findet dies seinen Ausdruck in der Verwendung unterschiedlicher Begriffe, dem ecologism und dem environmentalism. Eine andere Differenzierung wird manchmal durch die Begriffe dunkel- oder tiefgrünem und hellgrünem Denken vorgenommen.
Anthopozentrismus, Umweltethik und Emanzipation
Ökologismus sieht einen starken Anthropozentrismus als Ursache globaler Umweltzerstörung, der sich in menschlicher Herrschaft über die Natur niederschlägt. Während manche Ökologisten deshalb anthropozentrisches Denken prinzipiell kritisieren, betonen andere dass jedes Denken notwendigerweise anthropozentrisch sein muss und differenzieren folglich zwischen unterschiedlichen Ausprägungen solchen Denkens. Kritisiert wird in jedem Fall, dass in der Moderne der Mensch zunehmend als atomistisches Wesen wahrgenommen wurde, das losgelöst von ökologischen und teilweise sogar sozialen Zusammenhängen existiere. Dieses Bild, gemeinsam mit der besonderen Betonung der Rationalität unter anderem in der Wissenschaft, habe zu einer Geringschätzung der Natur und zu menschlicher Herrschaft über sie geführt. Die Folge sei, dass Natur fortan nur noch als instrumentell zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse wahrgenommen wurde, nicht jedoch als Wert an sich.
In Teilen des ökologistischen Diskurses wurde zur Überwindung des starken Anthropozentrismus' eine eigene Umweltethik entwickelt. Um die Umweltkrise zu überwinden, bedürfe es eines neuen Wertesystems und eines neuen Verständnisses von der Eingebundenheit des Menschen in die Ökologie. Dieser Ansatz setzt darauf, dass eine Veränderung gesellschaftlicher Grundwerte mit verändertem Verhalten einhergehe. Der Philosoph Hans Jonas prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des ökologischen Imperativs (in Anlehnung an Immanuel Kants kategorischen Imperativ), dessen Wortlaut heißt:
- „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“[6]
Jonathon Porritt greift diesen Imperativ in seiner Argumentation auf und schreibt, dass er die Abhängigkeit allen menschlichen Lebens von den Ökosystemen der Erde verdeutliche und klar mache, dass das Überleben der Menschheit des Überlebens der Ökosphäre bedürfe.[7] Murray Bookchin vertrat seit den 1970er Jahren das Konzept der sozialen Ökologie, das dem Biozentrismus manch anderer Ökologisten entgegen gestellt war und die Ursache für Umweltzerstörung nicht in der Existenz von Menschen an sich, sondern in bestimmten sozialen und ökonomischen Strukturen sah. Unter diesen hielt er den Kapitalismus für eine der bedeutendsten. Außerdem trug Bookchin mit seinen Schriften zur Entwicklung des Öko-Anarchismus bei.
Schließlich weist der Ökologismus Parallelen zum Ökofeminismus auf, sichtbar beispielsweise in den Schriften von Maria Mies.[8] Matthew Paterson verknüpft viele dieser Stränge und stellt vier Machtstrukturen vor, die er als Ursache für immer wiederkehrende globale Umweltzerstörung ansieht. Hierzu zählt er das Staatensystem, den Kapitalismus, das Patriarchat und die Wissenschaft. Eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft kann diesem Ansatz folgend nur dann verwirklicht werden, wenn in emanzipatorischer Weise diese Machtstrukturen überwunden oder so umgestaltet werden, dass sie nicht länger gegen Menschen und Umwelt gerichtet funktionieren können.[9]
Kritik am Ökologismus
Heinrich Eilingsfeld bezeichnete den Ökologismus als eine „mit romantischer Irrationalität aufgeladene Ideologie des Umweltschutzes, die mit neomarxistischen gesellschaftspolitischen Konzepten für den politischen Kampf präpariert wurde“.[10] Er führt dessen Entwicklung auf die Verbindung von Neomarxismus und Anthroposophie zurück.[11] Der Evolutionsbiologe und Ökologe Josef H. Reichholf hält die manchmal mit dem Ökologismus verbundene (aber von vielen Ökologisten nicht geteilte) Vorstellung von einem „Gleichgewicht der Natur“ für einen grundlegenden Irrtum des "religiösen Ökologismus", da Ökosysteme immer im Fluss seien.[12]
Literatur
- Brian Baxter: Ecologism: An Introduction. Edinburgh University Press, 2000, ISBN 978-0748611775
- Andrew Dobson: Green Political Thought. Routledge, Vierte Ausgabe 2007, ISBN 978-0415403528
- Michael Kenny: Ecologism, in: Robert Eccleshall et al.: Political Ideologies: An Introduction. Routledge, Dritte Ausgabe 2003, S. 151-180. ISBN 978-0415236782
- Mark J. Smith: Ecologism: Towards Ecological Citizenship. Open University Press, 1998, ISBN 978-0816633012
Einzelnachweise
- ↑ http://www.politik.uni-mainz.de/kai.arzheimer/Ideologie-Ideologien-Politische-Soziologie.pdf
- ↑ Klaus von Beyme: Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien S.33
- ↑ Joachim Radkau: Natur und Macht. Weltgeschichte der Umwelt., C.H.Beck Verlag, 2002 ISBN 978-3406486555, zitiert nach http://www.woz.ch/artikel/inhalt/2000/nr44/Wissen/13515.html
- ↑ Andrew Dobson: Green Political Thought. Routledge, Vierte Ausgabe 2007, ISBN 978-0415403528
- ↑ Michael Kenny: Ecologism, in: Robert Eccleshall et al.: Political Ideologies: An Introduction. Routledge, Dritte Ausgabe 2003, S. 151-180. ISBN 978-0415236782
- ↑ Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung - Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Suhrkamp Verlag 1984, ISBN 3-518-375857
- ↑ Jonathon Porritt: Seeing Green. Blackwell Publishers, 1984, ISBN 978-0631138921
- ↑ Maria Mies und Vandana Shiva: Ökofeminismus. Beiträge zur Praxis und Theorie. Rotpunktverlag, 1995, ISBN 978-3858691224
- ↑ Matthew Paterson: Understanding Global Environmental Politics. Domination, Accumulation, Resistance. Palgrave MacMillan, 2002, ISBN 978-0333968550
- ↑ Heinrich Eilingsfeld, Der sanfte Wahn - Ökologismus total, Mannheim, 1989.
- ↑ Vgl. Christian Strawe, Anthroposophie und Marxismus, Stuttgart, 1986
- ↑ Josef H. Reichholf: Die falschen Propheten - Unsere Lust an Katastrophen.