Gatling (Waffenklasse)
Gatling-Waffen sind automatische Schusswaffen, deren Nachlademechanismus mittels der Rotation des um eine Drehachse angeordneten Laufbündels betrieben wird. Es wurden sowohl Maschinengewehre als auch Maschinenkanonen entwickelt, die auf dem Gatling-Prinzip aufbauen. Ein Gatling-Maschinengewehr war die erste automatische Schusswaffe, die in größerem Umfang zum Einsatz kam. Anders als vorhergehende Entwicklungen waren es die ersten Waffen, die einen einfachen Ladevorgang und eine vergleichsweise hohe Beweglichkeit mit einer hohen Kadenz bei hoher Verlässlichkeit vereinten. Das Gatling-Prinzip wurde 1861 vom amerikanischen Erfinder Richard Gatling entwickelt und am 9. Mai 1865 patentiert. Eine Gatling-Waffe ist trotz ähnlicher Funktionsweisen prinzipiell anders aufgebaut als eine Revolverkanone.
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Geschichte der Gatling-Waffe
Die Waffe wurde 1861 während des amerikanischen Bürgerkriegs erfunden. Im Jahr 1862 kaufte die Regierung der Vereinigten Staaten keine Gatling-Maschinengewehre, da sie keinen Abzug hatten und viel zu schwer waren, um sie schnell aufzubauen. Auch nach ersten Nachbesserungen hatten sie immer noch keinen Abzug, und die leichtesten waren über 45 kg schwer. Trotzdem kaufte der Unionsgeneral Benjamin Butler 12 Stück und setzte sie erfolgreich an der Front bei Petersburg ein. Bei ihrem ersten Einsatz beeindruckte sie beide Seiten durch ihre Stärke und ihren Effekt. Ursprünglich war Richard Gatling ein Sympathisant der Südstaaten, doch die Nordstaaten beschlagnahmten die Baupläne. Außerdem besaßen die Fabriken im Süden auch nicht die erforderlichen Werkzeugmaschinen zum Bau der Waffe.
Die Gatling, der Abraham Lincoln den Spitznamen Kaffeemühlen-Kanone gab, verfügte über sechs Läufe, die eine Überhitzung der Gewehrläufe verhinderten. Diese rotierten um eine Mittelachse. Die Patronen wurden durch die Schwerkraft von oben in die Kanone befördert. Gatling war nicht der erste, der über eine Kombination mehrerer Läufe nachdachte. Bereits im 18. Jahrhundert gab es entsprechende Ideen und auch die französische Mitrailleuse von Nordenfelt verfügte über mehrere Läufe. Ab 1861 lösten Patronen mit Metallhülsen (meist Kupfer oder Messing) die Papierpatronen ab. Gatling übernahm nicht sofort die neuen Patronen. Vor der Ablösung des Schwarzpulvers durch rauchschwache Pulver bestand zudem das Problem, dass sich beim Feuern eine große Wolke aus Pulverdampf bildete, die die Sicht des Schützen behinderte.
Das verbesserte Modell von 1881 verwendete das Bruce-Ladesystem im Kaliber .45-70 Government. Der Vorteil des Bruce-Systems war, dass es abgefeuert und gleichzeitig ein anderer Teil nachgeladen werden konnte. Dies ermöglichte Dauerfeuer. Ein Problem bestand darin, dass das Ende des Laufes im Durchmesser geweitet war, so dass die Kanone nicht immer zielgenau feuerte. Diesem Problem wurde mit weiteren Modifikationen begegnet. Man benötigte 4 Mann, um das Gatling-Maschinengewehr zu bedienen. Im Jahr 1876 war das aktuelle Modell in der Lage, theoretisch 1.200 Schuss pro Minute abzugeben, unter Einsatzbedingungen waren es noch etwa 400 Schuss pro Minute.
Moderne Gatlings
Automatische Schusswaffen, die auf dem Gatling-Prinzip aufbauen, werden heute wegen ihrer Feuerstärke in großem Umfang beim Militär eingesetzt, etwa zur Infanterieunterstützung, zur Luftabwehr oder als Bordbewaffnung. Mit 10.000 Schuss pro Minute erreicht die russische Maschinenkanone Grjasew-Schipunow GSch-6-23 die höchste Feuerrate der gegenwärtig im Einsatz befindlichen Gatling-Konstruktionen. Es werden sowohl Gatling-Maschinengewehre als auch Gatling-Kanonen gefertigt, wobei analog der Unterscheidung zwischen Maschinengewehr (MG) und Maschinenkanone (MK) die MG Projektile verfeuern, wohingehend MK Granaten verschießen. Dem entsprechend sind Gatling-Waffen in der Regeln ab einem Kaliber von 20mm Maschinenkanonen.
Verglichen mit Gatling-Waffen benötigen herkömmliche, einläufige, automatische Schusswaffen wegen der Erhitzung des einzelnen Laufes nach den Feuerstößen Feuerpausen zum Abkühlen, oder aber ein Auswechseln des Laufes in regelmäßigen Abständen oder aufwendige Kühlsysteme für die Läufe. Der Nachteil des höheren Gewichts der Gatling-Waffen kommt nicht so sehr zum Tragen, da sie für die üblichen Einsatzfälle auf Lafetten oder in Fahrzeugen oder Flugzeugen mit entsprechender Tragkraft montiert werden.
Der Trend geht Richtung hülsenloser Munition (caseless), bei der das Treibmittel mit dem Geschoss vergossen ist und eine elektrische Zündung erfolgen kann. Dadurch kann der Zündzeitpunkt bei so enormer Kadenz (100 Schuss pro Sekunde) noch genauer eingehalten werden und so die Trefferlage enorm verbessert werden. Allerdings reduziert sich aus thermischen Gründen die Dauerfeuerzeit, da die Metallhülsen herkömmlicher Munition einen großen Teil der Abwärme aufnehmen können und ausgeworfen werden.
Fremd- oder Eigenantrieb
Die ersten Modelle von Richard Gatling wurden noch mit einer Handkurbel angetrieben. Die Kadenz der Waffe war demzufolge stark von der Kraft des Bedieners abhängig. Moderne Gatling-Waffen werden meist fremdangetrieben; d. h. die Energie für die Rotation der Läufe wird über einen elektrischen, hydraulischen oder pneumatischen Antrieb realisiert. Gatling-Waffen sind jedoch nicht in jedem Fall fremdangetrieben. Es ist bei den US-amerikanischen 'Gatlings' üblich, sie mit elektrischen oder hydraulischen Antrieben auszurüsten. Russische Entwicklungen dagegen sind über den Gasdruck mit Eigenantrieb ausgestattet; d. h. sie sind Gasdrucklader. Der Vorteil des Eigenantriebes ist die kürzere Anlaufzeit um die Rohre in Rotation zu versetzen, begründet im Eigenantrieb. Damit verfeuern diese Waffe in der ersten Sekunde des Feuerstoßes mehr Geschosse als eine fremdangetriebene Gatling. Des Weiteren sind diese Waffen nicht von einer externen Energiequelle abhängig. Als Nachteil ist die Funktionssicherheit anzuführen. Fremdangetriebene Gatlings werfen nicht gezündete Patronen einfach wieder aus, während Gasdrucklader stehen bleiben, da der fehlende Gasdruck die nächste Patrone nicht lädt. Abhilfe schaffen hier Pyrotechnische Kartuschen. Diese kleinen Zündsätze laden die Waffe durch (spannen bzw. entspannen die Waffe) und werfen somit die fehlgezündete Patrone aus. Beim erneuten Feuern der Kanone erledigt dies wieder der Gasdruck der gezündeten Patronen.
Begriffe
- Revolverkanone - Gatling-Kanone - Chain Gun
Eine Gatling-Kanone ist vom Funktionsprinzip her keine Revolverkanone. Eine Revolverkanone hat im Gegensatz zu normalen automatischen Schusswaffen eine sich drehende Patronentrommel, wie der Namensgeber Revolver, und nur einen Lauf, im Gegensatz zur Gatling. Es sind zwei völlig verschiedene Waffen. Weiterhin ist eine Gatling auch keine Chain Gun. Diese ist eine einläufige, fremdangetriebene Maschinenkanone, welche abgesehen vom Fremdantrieb, eine klassische Maschinenkanone darstellt.
- Gatling-Gun - Minigun - Microgun
Mit Minigun bezeichnet man ein Maschinengewehr, welches mit dem Gatling-Prinzip arbeitet. 'Gatling-Kanonen' verschießen Granaten im Kaliber ab 20 mm, eine Minigun dagegen verschießt Maschinengewehr Munition. Der Begriff 'Minigun' bezeichnet daher ein Maschinengewehr, welches auf Basis der Gatling arbeitet. Eingeführt wurde der Name 'Minigun' als Suggestivbezeichnung der M134 bzw. GAU-17 und GAU-2, einer Gatling im Kaliber 7,62 mm NATO (die Waffen sind identisch, nur mit anderen Bezeichnung: Gun Aircraft Unit für die Air Force und M134 für die Army). Diese Maschinengewehre waren im Kaliber verkleinerte Entwicklungen früherer Gatling-Kanonen, wie der M61 Vulcan, deshalb die Bezeichnung 'Minigun'. Fortgeführt wurde diese Bezeichnung mit der XM214, ebenfalls ein Maschinengewehr nach dem Gatling-Prinzip, jedoch im Kaliber 5,54 mm NATO. Daher mit dem Suggestivnamen 'Microgun' versehen, da sie noch kleiner als eine Minigun war.
Beispiele
Name | Land | Antrieb | Typ | Kaliber | Kadenz | Mündungs- geschwindigkeit |
Waffen- gewicht |
---|---|---|---|---|---|---|---|
mm | rpm | m/s | kg | ||||
Gatling-Waffen | |||||||
XM214 Microgun | USA | Fremdantrieb | MG | 5,56 | 6.000 | 990 | 12,25 |
Minigun | USA | Fremdantrieb | MG | 7,62 | 4.000 | 854 | 16 |
M61 Vulcan | USA | Fremdantrieb | MK | 20 | 6.000 | 1.050 | 112 |
Grjasew-Schipunow GSch-6-23 | Russland | Gasdrucklader | MK | 23 | 10.000 | 745 | 76 |
GAU-12 Equalizer | USA | Fremdantrieb | MK | 25 | 4.200 | 1.040 | 122 |
GAU-8 Avenger | USA | Fremdantrieb | MK | 30 | 3.900 | 1.067 | 281 |
Grjasew-Schipunow GSch-6-30 | Russland | Gasdrucklader | MK | 30 | 6.000 | 845 | 149 |
Siehe auch:
Weblinks
- Commons: Gatling gun – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- howstuffworks.com – How Machine Guns Work (englisch), mit informativer Flashanimation zur Schematik der Gatling-Kanone
- Video Animation einer feuernden Minigun