Als Heiligen Krieg bezeichnet man allgemein einen Krieg, der von den Anhängern einer Religion geführt und mit dem Auftrag eines Gottes begründet wird. Er soll eine als gottgewollt betrachtete Ordnung verteidigen, stärken und/oder erweitern. Auch neuzeitliche Kriege wurden häufig als „heilige Kriege“ bezeichnet, mit religionsartigen höheren Zielen begründet und mit religiösen Zügen geführt.
Überblick
Als Heilige Kriege werden bezeichnet:
- direkt von Gott befohlene Kriege in den religiösen Traditionen
- beliebige Kriege, die aus bestimmten Interessen religiös überhöht oder legitimiert werden
- indirekt auch häufig pseudoreligiöse Kriege oder säkularisierte Weltanschauungskriege.
Generell wird Gewalt in den Religionsgemeinschaften einerseits im Kontext von Verfahrensweisen zu einer gerechten Friedensordnung und einer Selbstdefinition als Gemeinwesen gesehen andererseits kommen in allen Religionen Regeln der Einhegung und Begrenzung des Krieges und des Verhaltens des einzelnen Menschen im Kriege vor.
Wenn im Judentum und Christentum von Gott befohlenen Kriegen gesprochen wird, so geschieht dies zumeist Bezug auf biblische Kriege und ohne konkreten Bezug zu aktuellen Konflikten (wie z.B. bei Augustinus). Bei der Legitimation von militärischer Gewalt spielt das Konzept des heiligen Krieges in Judentum und Christentum kaum eine Rolle. In der kirchlichen Theorie des Gerechten Krieges wurden Kriegsgründe und Kriegführung, die auf Vernichtung von Gegnern zielten, vielmehr theoretisch ausgeschlossen; Krieg zur Rettung des Christentums blieb jedoch legitim.
Wesentlich für Kriege mit religiösem Charakter ist unter anderem das Zusammenfallen von weltlicher und geistlicher Autorität oder deren starker Bezug aufeinander (vgl. Kaisertum und Papsttum im europäischen Mittelalter, Kalifat im Islam). Besonders im späten 19. Jahrhundert und beginnenden 20. Jahrhundert kam es in Europa teilweise zur Verschmelzung von sakralisiertem Nationalgedanken und nationalkirchlicher Religiosität und somit zum diffusen Bild eines heiligen Krieges im Dienste eines höheren, utopischen Zieles.
Hebräische Bibel
Vorstaatliche Zeit
Das Motiv vom „Krieg JHWHs“ geht auf die Anfänge des jüdischen Glaubens zurück. Im Mirjamlied, das als Keimzelle der Erzählung vom Auszug aus Ägypten gilt, heißt es (Ex 15,21 EU):
- Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer.
Die Israeliten sahen ihre Rettung vor dem übermächtigen Heer des Pharao, das ohne ihr Zutun im Schilfmeer versank, als Wundertat ihres Gottes (Ex 14,14): JHWH kämpft für euch, ihr aber werdet ruhig sein. Gott blieb für sie fortan der eigentlich Kämpfende in sonst auswegloser Lage (v. 3ff):
- Der Herr ist ein Krieger, Jahwe ist sein Name. [...] Deine Rechte, Herr, ist herrlich an Stärke; deine Rechte, Herr, zerschmettert den Feind.
Dieser nach Salomos Tempelbau vorangestellte Psalm blickt auf die Siege über feindliche Nachbarvölker zurück, durch die König David das Großreich Israel schuf (v. 14-18). Vorausgegangen waren die Wüstenzeit und Landnahme (etwa 1200-1000 v. Chr.), die das 4. Buch Mose („Buch der Kriege JHWHs“, Num 21,14) und das Buch Josua als überwiegend kriegerische Eroberung, Vertreibung und teilweise Ausrottung der Bewohner Kanaans darstellen.
Dem historischen Verlauf näher kommt das Buch Richter: Danach waren die JHWH-Kriege spontane Verteidigungsfeldzüge einiger der Zwölf Stämme Israels. Sie stellten nur dann ein gemeinsames Heer auf, wenn feindliche Angriffe, meist Raubzüge, die Existenz einzelner Stämme bedrohten. Diese Abwehrschlachten wurden später dem ganzen schon sesshaft gewordenen und im Glauben an JHWH geeinten Stämmebund zugeschrieben. Dieser hatte keine festen Anführer und keine politische und kultische Zentralmacht. Einzelne fühlten sich von Fall zu Fall vom Heiligen Geist ergriffen und legitimiert, einen Krieg JHWHs auszurufen und die wehrfähigen und kampfbereiten Israeliten zu sammeln. Diese charismatischen Heerführer nannten sich „Richter“ im Sinne von „Retter“, da ein JHWH-Krieg Israels Lebensrecht schützen sollte (Ri 5,11; 1Sam 12,7). Verstreute Notizen zeigen nach Gerhard von Rad dessen Grundmotive:[1]
- Der vom Geist Gottes ergriffene Anführer bläst die Posaune und sendet Boten zu den am meisten gefährdeten Stämmen, um ein Heer aufzustellen (Ri 6,34ff).
- Als Zeichen der Dringlichkeit führen die Boten blutige Stücke eines zerteilten Opfertieres (1Sam 11,7) oder einer von den Angreifern ermordeten Frau mit (Ri 19,29).
- Die „Mannschaft JHWHS“ - nur Landbauern als Fußvolk ohne Pferde und Streitwagen - sammelt sich in einem Lager (Ri 5,11.13; 20,2). Die wehrfähigen, nach Stämmegruppen eingeteilten Männer werden sakral geweiht (Dtn 23,9ff; Jos 3,5; 1Sam 21,5f).
- Alle, die ein neues Haus gebaut haben, einer Ernte entgegensehen, frisch vermählt oder furchtsam sind, werden entlassen (Dtn 20,5-8; Ri 6,3).
- Opfer werden dargebracht (1Sam 7,9; 13,9f).
- Ein „Seher“ befragt Gott (Ri 20,23.27; 1Sam 7,9). Erhält er die Zusage JHWH hat die Feinde in deine Hand gegeben (Jos 2,24; 6,2; Ri 3,27f; 4,7.14; 7,9.15 u.a.), ruft der Heerführer die Krieger zu Furchtlosigkeit auf, da Gott ihnen „voranziehe“ (Dtn 20,4; Ri 4,14).
- Posaunenblasen und lautes Geschrei eröffnen den Kampf (Jos 6,5; Ri 7,20), in den JHWH mit Naturmächten wie Wind, Hagel, Wasserfluten eingreift.
- Die Feinde zittern und verzagen (Ex 15,14ff; Dtn 2,25; Jos 5,1; 1Sam 4,7f). Der „Gottesschrecken“ überfällt sie und versetzt sie in panische Angst, schlägt sie in die Flucht oder stürzt sie in tödliche Verwirrung (Ex 23,27; Dtn 7,20.23; Jos 10,10; 24,12; Ri 4,15; 7,21f).
- Nach dem Sieg wird der „Bannfluch“ vollstreckt: Nach Jos 6,18f und 1Sam 15 an allen überlebenden Feinden, nach Dtn 20,16f nur an männlichen Kämpfern, die ein Kapitulationsangebot zuvor ausschlugen. Die Beute der Besiegten wird JHWH geweiht und teils verbrannt, teils verteilt.
- Das Heer wird mit dem Ruf Zu deinen Zelten, Israel! entlassen.
Besonders in den Kämpfen mit den Philistern wurde die mobile Bundeslade, eine Art Gottesthron, mitgeführt, um Siegesgewissheit und Kampfbereitschaft zu erhöhen.
Die Eroberung kanaanäischer Städte wie Jericho wurde rückblickend als Ausrottung der Besiegten auf Befehl Gottes dargestellt (z.B. Jos 6,21; Dtn 25,17ff). Israels erster König Saul wurde nach 1Sam 15,2f.9f verworfen, weil er das Banngebot gegenüber den Amalekitern nicht vollständig erfüllt habe. Auf der Mescha-Stele dokumentiert der Moabiter-König Mescha, wie er auf Befehl seines Gottes eine israelitische Stadt einnahm, deren Einwohner und Vieh allesamt tötete und die Beute seinem Gott weihte. Der „Bannfluch“ war also keine Besonderheit Israels (Ri 11,24). Dessen Nachbarvölker wurden nach der deuteronomistischen Redaktion (nach 586) gerade nicht vernichtet, damit spätere Generationen Israels das Kriegführen nicht verlernten (Ri 3,1-3).[2]
Im Anschluss an Ex 14,14 reduziert das Richterbuch die menschliche Mitwirkung an Gottes Krieg und betont immer stärker seine alleinige Rettungstat. Nach dem ersten überlieferten Krieg JHWHs lobt die Prophetin Debora noch die Beteiligten, die „JHWH zu Hilfe eilten“, und tadelt die Nichtbeteiligten (Ri 5,23). In einer Gottesrede vor den Stämmevertretern in Sichem heißt es dagegen (Jos 24,12):
- Und ich sandte Angst und Schrecken vor euch her, die trieben sie vor euch weg, die beiden Könige der Amoriter, und nicht dein Schwert oder dein Bogen.
Auch Ri 6 stellt Gottes Kriegführung gegen menschliche Militärmacht: Gideon muss von 32.000 Mann alle bis auf 300 entlassen. Die hoffnungslos unterlegene Minderheit besiegt die haushoch überlegenen Midianiter nur durch nächtliche Umstellung ihres Lagers, Posaunenlärm und die so erzeugte Furcht. Diesen Akzent setzt auch die Erzählung vom jungen Hirten David, der den schwerbewaffneten Philister Goliath nur mit einer Steinschleuder besiegt (1Sam 17,45ff):
- Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heere, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast. [...] Alle Welt soll erkennen, dass Israel einen Gott hat. Auch alle, die hier versammelt sind, sollen erkennen, dass der Herr nicht durch Schwert und Speer Rettung verschafft; denn es ist ein Krieg des Herrn und er wird euch in unsere Gewalt geben.
Königszeit
Saul, der erste König Israels, war vom Propheten Samuel designiert (1Sam 10,1) und nach erfolgreicher Schlacht vom Volk gewählt worden (1Sam 11,15). Er bot letztmals das alte „Volksheer“ auf (1Sam 11,6f), unterstellte es rituellen Geboten (1Sam 14,24) und erkannte JHWH nach erfolgloser Befragung als den wahren „Retter Israels“ an (1Sam 14,39). Die folgenden Herrscher Israels behielten das Orakel bei, sahen sich aber selbst als die Kriegführenden und Siegreichen (2Sam 8,6.14): JHWH half David in allem, was er tat. Damit war Gott zum Helfer des Königs geworden, während die Richter Helfer Gottes gewesen waren.
Indem David die Bundeslade nach Jerusalem überführte, band er den JHWH-Glauben an einen festen Kultort (2Sam 6). Daraufhin gab ihm ein Hofprophet die Zusage ewigen Bestandes seiner Dynastie (2Sam 7,16). Gott wirkte nun durch den bei der Inthronisation gesalbten König, der als Heerführer die charismatischen Retter ersetzte (2Sam 8,14) und ein stehendes Heer unter am Hof angestellten Militäroffizieren einrichtete (2Sam 8,16). Das Militär wurde mit Musterungen und Volkszählungen (2Sam 24), Garnisonen, Streitwagenkontingenten (1Kön 10,26) und Festungsbau (2Chr 11,5ff; 26,9ff) zur festen Institution.
Die Kriege der Königszeit in Israel und Juda wurden daher nicht mehr als JHWH-Kriege dargestellt. Vielmehr traten den Königen und Heerführern nun Propheten als kritische Verkünder des Willens Gottes gegenüber, um königliches Unrecht im Krieg wie im Frieden scharf zu verurteilen: etwa Davids Mord an seinem Offizier Urija (2Sam 11); Ahabs Raub von Naboths Weinberg (1Kön 21,16-26); die Machtkämpfe zwischen Jerobeam und Rehabeam, die einen Prophetenbefehl zum Waffenstillstand missachteten und so den Zerfall des Großreichs Davids bewirkten (1Kön 11-12). Besonders Elija trat den Königen seiner Zeit als der eigentliche, nur mit Gottes unverfügbarem Geist bewaffnete „Wagen Israels und seiner Gespanne“ gegenüber (2Kön 2,12), ohne dessen Segen der König seine Schlachten verlor. Ps 33,16ff erklärte den theologischen Grund dafür:
- Der ihre Herzen gebildet hat, er achtet auf all ihre Taten. Dem König hilft nicht sein starkes Heer, der Held rettet sich nicht durch große Stärke. Nichts nützen die Rosse zum Sieg, mit all ihrer Kraft können sie niemand retten. Doch das Auge des Herrn ruht auf allen, die ihn fürchten und ehren, die nach seiner Güte ausschaun; denn er will sie dem Tod entreißen und in der Hungersnot ihr Leben erhalten. Unsre Seele hofft auf den Herrn; er ist für uns Schild und Hilfe.
Daher wurden die Anführer siegreicher Schlachten in der Bibel anders als in der orientalischen Umwelt nicht zu Kriegshelden überhöht. Die Heroen der Vorzeit galten vielmehr als Mitverursacher der Gewaltausbreitung, auf die die große Sintflut folgt (Gen 6,1-4). Die staatliche Rüstung wird im Königsgesetz als „Rückkehr nach Ägypten“, also gegen Gottes Willen gerichtete erneute Versklavung der Israeliten kritisiert und begrenzt. Der König soll stets eine Kopie der Tora bei sich haben und darin lesen, um Gottes Recht zu bewahren (Dtn 17,16ff; vgl. 1Sam 8,10-18).
Schriftprophetie
Die seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. auftretenden Einzelpropheten, deren Botschaften aufgezeichnet wurden, konfrontierten Israel im Rückgriff auf vorstaatliche Tradition erneut mit dem Rechtswillen JHWHs. Besonders Jesaja bot dem König Ahas angesichts akuter Bedrohung durch den Aramäerkönig Rezin die archaische Schutzmacht des JHWH-Krieges an: Er solle furchtlos sein und nur Gott vertrauen, nicht seinem Militär (Jes 7,1-9; 30,15). Wechselnde Bündnisse mit den bedrohlichen Großmächten, diplomatische Ränkespiele dagegen würden den Untergang seines Königtums umso sicherer herbeiführen (Jes 18,1ff; 30,1ff; 31,1f). Gott allein werde handeln (31,4) und allem stolzen Hochmut der Tyrannen ein Ende setzen (Jes 13).
Bei Amos führt JHWH erstmals Krieg gegen Israel (Am 2,13-16), wobei er sich späteren Propheten zufolge fremder Herrscher bedient (Jes 28,21; 29;1ff; Jer 21,4ff u.a.). Amos kündigte auch einen Tag JHWHs als unentrinnbare Abrechnung mit seinem abtrünnigen Volk an (Am 5,18ff) und begründete damit den Glauben an ein Endgericht. Nach dem Untergang des Königtums, als Israel keine Kriege im Namen Gottes mehr führen konnte, bezog die exilische und nachexilische Prophetie auch Fremdvölker ein und malte Gottes Gericht mit den Bildern einer endzeitlichen Schlacht gegen alle menschliche Überheblichkeit und Militärmacht aus (Jes 34; Ez 30; Zeph 1,7ff). In Joel 4,9 wird Gottes Endschlacht gegen die hochgerüsteten Völker das einzige Mal im Tanach „heiliger Krieg“ genannt.
Aus dem Motiv des JHWH-Kriegs, in dem Gott selbst die Feinde entwaffnet, folgerte die Heilsprophetie Visionen einer universalen Abrüstung und des dauerhaften Völkerfriedens als endgültiges Gebot JHWHs (Mi 4,1-5; Jes 2,2-4; Sach 4,6). Ps 46,9ff EU nennt exemplarisch dessen Ziel:[3]
- Er setzt den Kriegen ein Ende bis an die Grenzen der Erde; er zerbricht die Bogen, zerschlägt die Lanzen, im Feuer verbrennt er die Schilde. «Lasst ab und erkennt, dass ich Gott bin, erhaben über die Völker, erhaben auf Erden.»
Diese Vision des Shalom verknüpfte sich mit der Messias-Verheißung (Jes 7,14f; 9,1-6; 11,1-9; Sach 9,9) und der Menschensohn-Erwartung (Dan 7,13ff).
Neues Testament
Jesus von Nazaret teilte nach Mk 10,45 die Erwartungen der Apokalyptik Daniels vom Kommen des Menschensohns zur Ablösung aller irdischen Gewaltherrschaft. Sein symbolischer Eselsritt bekräftigte die Abrüstungsverheißungen der hebräischen Bibel (Mk 11,7; vgl. Sach 9,9), denen sein eigener Gewaltverzicht entsprach (Mt 26,52). Er beschrieb Krieg als Ausdruck der alten, verdorbenen, unveränderlichen Weltordnung, der das nahende Reich Gottes ein endgültiges Ende setzen werde (Mk 13,7f). Er nahm dieses Reich in seinen Heilungen und Armenspeisungen vorweg (Lk 11,20) und warnte seine Nachfolger, dass ebensolches Handeln sie in schwerste Konflikte mit den alten Strukturen bringen werde (Lk 12,51f):
- Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung. Denn von nun an wird es so sein: Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen...
Angesichts seiner Selbsthingabe (Mk 15,24) deuteten die Urchristen seine Kreuzigung durch römische Soldaten als Übernahme des Endgerichts Gottes an allen Völkern (Mk 15,33f). Indem Gott ihn als Ersten von den Toten auferweckt habe, habe er ihn zum Herrn aller irdischen und himmlischen Mächte eingesetzt und diese zu entmachten begonnen (Eph 1,20ff). Sie konnten in der Nachfolge Jesu darum nur noch gegen Feindschaft, Bosheit und Gewalt überhaupt (Eph 2,14ff), nicht mehr gegen Fremdgläubige, Fremdvölker und einzelne Gewaltherrscher kämpfen.
Daraufhin deutete der von Römern inhaftierte Paulus von Tarsus die Tradition vom JHWH-Krieg zum radikal gewaltlosen Glaubenskampf um (Eph 6,10ff):
- Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn! Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt. Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs. Darum legt die Rüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils standhalten, alles vollbringen und den Kampf bestehen könnt. Seid also standhaft: Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes. Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen, auch für mich...
Demgemäß lehrten christliche Theologen den Kriegsdienst bis ins 4. Jahrhundert als unvereinbar mit dem Christsein.
Griechische Antike
Im antiken Griechenland wurden Kriege zum Schutz des Apollonheiligtums in Delphi und seiner Besitzungen gegen räuberische Nachbarn als heilige Kriege nach Amphiktyonenrecht geführt.
- Den ersten Heiligen Krieg führten Athen und der Tyrann Kleisthenes von Sikyon 600-590 v. Chr. gegen Krissa, das Pilgerscharen belästigt hatte. Er endete mit der Zerstörung dieser Stadt. Zur Feier des Siegs wurden die Pythischen Spiele erneuert.
- Der Zweite wurde 448 von den Spartanern gegen Phokis unternommen; dieser Heilige Krieg wird aber oft nicht mitgezählt.
- Der dritte (zweite) dauerte von 355 bis 346 und wurde von den Thebanern veranlasst, um unter dem Vorwand des Schutzes Delphis und unter der Autorität der Amphiktyonen die Phoker, die einer Grenzverletzung beschuldigt wurden, zu unterjochen. Diese raubten aus dem Tempelschatz 10.000 Talente, verteidigten sich mit hartnäckiger Tapferkeit und wurden erst überwunden, als sich Philipp von Makedonien mit den Thessaliern und Thebanern verbündete.
- Den vierten (dritten) Heiligen Krieg (339-338) führte König Philipp im Auftrag der Amphiktyonen gegen das der Verletzung von Tempelgebiet angeklagte Amphissa, das 338 zerstört wurde.
In der Spätantike nahm der Perserkrieg des Herakleios Formen eines Heiligen Krieges an.
Islam
Der heilige Krieg im Islam wird im Artikel Dschihad behandelt.
Mittelalter
Die Kreuzzüge des Hochmittelalters hatten verschiedene Ursachen, Anlässe, Ziele und Verläufe. Besonders der 1. Kreuzzug gilt als klassisches Modell eines Heiligen Krieges in der Christentumsgeschichte, weil er
- von der damals höchsten christlichen Autorität, Papst Urban II. ausgerufen wurde (1095),
- mit der Formel „Gott will es!“ (Deus lo vult) massenwirksam gerechtfertigt und propagiert wurde
- die Rückeroberung von Gebieten mit christlichen Minderheiten und zentralen Kultstätten anstrebte, die seit 637 unter der Herrschaft des Islam standen,
- auf gewaltsame Einnahme Jerusalems gerichtet war und damit von vornherein Vernichtung Fremdgläubiger einkalkulierte
- im Verlauf weitere religiöse Minderheiten, vor allem Judengemeinden, vernichtete
- eine Einigung der gespaltenen Christenheit durch Angriffskrieg gegen Andersgläubige herbeiführen sollte
- den Beteiligten die Entlastung von Sünden versprach.
Mit der Konstantinische Wende von 313 wurden Kriege zur Ausdehnung des Christentums theologisch legitimiert und praktiziert. Nachdem Ambrosius von Mailand Christen den Soldatendienst kritiklos erlaubte und auch Militärgewalt gegen Nichtchristen bejahte, normierte Augustin von Hippo Kriegsgründe und Kriegführung einer christlichen Autorität mit seiner Theorie vom Gerechten Krieg (420). Dabei griff er nicht auf das Neue Testament, sondern auf die alttestamentliche Idee des JHWH-Krieges zurück.
Als Wegbereiter der Kreuzzugsidee gelten Kirchenvertreter des 9. Jahrhunderts wie Bischof Agobard. Dieser sah die Aufgabe der christlichen Kaiser darin, die Barbaren (d.h. Nichtchristen) zu unterwerfen, „auf dass sie den Glauben annehmen und die Grenzen des Königreichs der Gläubigen erweitern.“ Das Kaiserreich wurde damit als Außenbezirk des Kirchenbereichs aufgefasst, der Kaiser als verlängerter Arm kirchlicher Welteroberung und Machtentfaltung.[4] Theologen wie Petrus Damiani und Manegold von Lautenbach forderten von allen christlichen Soldaten die gnadenlose Bekämpfung der Ketzer und Heiden. Später forderte vor allem Bernhard von Clairvaux eine umfassende Kirchenreform, wonach die zentral gelenkte Kirche sowohl geistliche wie weltliche Macht besitzen müsse. Diese Zwei-Schwerter-Lehre wurde 1302 von Papst Bonifaz VIII. übernommen und dogmatisch festgelegt.[5]
Außerhalb Europas
Die Kriegspraxis des aztekischen Reiches zwischen dem Ende des 14. Jahrhunderts und der spanischen Eroberung ist ein Beispiel für religiös motivierte Kriege, da diese als wichtigen Grund die Beschaffung von Gefangenen für Menschenopfer hatten. [6]
Frühe Neuzeit
Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 war unter anderem auch ein Religionskrieg zwischen der Katholischen Liga und der Protestantischen Union und den ihnen angeschlossenen Häusern und Staaten Europas.
Neuzeit
In den Befreiungskriegen gegen die Napoleonische Besetzung wurden von russischer Seite wegen der Bedrohung der orthodoxen Religion und von deutscher Seite aus Pathos zum Freiheitsdrang der Begriff Heiliger Krieg verwendet. In den deutschen Ländern bedeutete dieser Krieg ein Erlösungs- und Einigungswerk, das Ernst Moritz Arndt so darstellte: „Der Krieg ... für das Vaterland und für die Freiheit ist ein heiliger Krieg, und die Menschen müssen also ihre Herzen und Gedanken zu Gott und zum Himmel erheben... Sowie die junge Mannschaft... versammelt ist, wird feierlich Gottesdienst gehalten ... es wird ihnen eingeschärft, dass der Tod fürs Vaterland im Himmel und auf Erden ein großes Lob ist; es wird durch Recht und Predigten und durch geistliche und kriegerische Lieder ihr Gemüt zu Treue, Ruhm und Tugend entzündet.”
Den Deutsch-Französischen Krieg 1870 charakterisiert der konservativ-nationale Historiker Heinrich von Treitschke als ein „Gottesgericht”.
Der Erste Weltkrieg wurde von Militärpredigern enthusiastisch als „heiliger deutscher Krieg” gefeiert, die Zeit des Krieges sei eine „heilige Zeit”, während der von deutschen Soldaten „heiligstes Blut” vergossen werde. Dieser „große, heilige Krieg” solle dem Guten zum Sieg gegen das Böse verhelfen. [7]
Ebenso sehen die französischen Theologen und Intellektuelle im Krieg gegen Deutschland einen „Kreuzzug für das Reich Gottes, für christliche Glaubensreinheit und Sittlichkeit”. Obendrein sieht das katholische Frankreich sich herausgefordert zum Kampf gegen das sich protestantisch gebende Deutschland. „Die französischen Soldaten fühlen mehr oder weniger ausdrücklich, aber bestimmt, dass sie Soldaten Christi und Mariä sind, Verteidiger des Glaubens, und dass französisch sterben soviel heißt als christlich sterben”. Wenn deutsche Kriegsprediger die „Auserwähltheit des deutschen Volkes” hervorhoben, erklärten die französischen Militärgeistlichen Frankreich zum „auserwählten Volk Gottes, der ältesten Tochter und treuen Dienerin der heiligen Kirche”.
In England dient das Bild eines rächenden, geschichtsmächtigen Gottes zum Anwalt englischer Interessen. Auch hier feiert man in Predigten, Presse und Literatur den Krieg mit Deutschland als „heiligen Krieg”. [8]
Für die Position Deutschlands im Zweiten Weltkrieg formulierte Joseph Goebbels programmatisch: „Und wir gehen in diesen Kampf wie in einen Gottesdienst”.
Der britische Außenminister Lord Halifax erkannte im Dritten Reich eine Gefahr für das Christentum und propagierte den Heiligen Krieg („Holy War”) gegen Deutschland. Lord Davidson von den Konservativen erklärte 1939:
- "The Government have not yet got across to the public that this War is not a war in the ordinary sense: it is a Holy War between the forces of right and the forces of wrong" [9]
In der Sowjetunion dichtete Alexander W. Alexandrow, (1883-1946) im Jahr 1941, nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, das Lied der Roten Armee Swjaschtschennaja Woina „Der heilige Krieg”.
Zitate
- „Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen, es ist ein Kreuzzug, 's ist ein heiliger Krieg!” Theodor Körner
- „Auch heute, da ruft man zu heiligen Kriegen, Und ist mit Worten und Taten dabei. Und Allah und Himmel helfen beim Siegen, Doch sagt mir, wo ein Krieg heilig sei.” Reinhard Mey, „Von heiligen Kriegen”
Siehe auch
Einzelbelege
- ↑ Gerhard von Rad: Der Heilige Krieg im alten Israel. Vandenhoeck & Ruprecht, 1. Auflage 1951, 5. Auflage 1969, ASIN: B0000BT4JF, 1951
- ↑ Walther Zimmerli: Grundriß der alttestamentlichen Theologie, Kohlhammer, Stuttgart 1972, S. 49-53
- ↑ Robert Bach: „...der Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen im Feuer verbrennt“. In: Hans Walter Wolff (Hrsg.): Probleme biblischer Theologie. Gerhard von Rad zum 70. Geburtstag. Christian Kaiser, München 1986, ISBN 3459007796
- ↑ W. Montgomery Watts: Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter, Verlag Klaus Wagenbach, 2. Auflage, Berlin 2002, S. 71f
- ↑ Dag Tessore: Der Heilige Krieg im Christentum und Islam, Patmos Verlag, Düsseldorf 20004, S. 51ff
- ↑ Jörg Rüpke und Heinrich von Stietencron: Töten im Krieg, Alber, 1995, ISBN 3495478027, Seite 458
- ↑ Siehe etwa: Deutscher Soldatenspiegel für den heiligen Krieg. Ernst Moritz Arndts Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann, zeitgemäß bearb. von Heinrich Stuhrmann, hrsg. vom Deutschen Evangelischen Volksbund, Godesberg 1914
- ↑ Albert Marrin: The Last Crusade - The Church of England in the First World War, Duke University Press, 1974, ISBN 0822302985, Seite 136
- ↑ Zitiert nach: Robert C. Self: Neville Chamberlain - A Biography, Ashgate, 2006, ISBN 0754656152, Seite 400
Literatur
allgemein
- Thomas P. Murphy: The Holy War. Columbus/Ohio, 1976
- James Johnson: The Holy War Idea in Western and Islamic Traditions College Park: Penn State University Press 1997
- Volkhard Krech: Opfer und Heiliger Krieg: Gewalt aus religionswissenschaftlicher Sicht, in : Handbuch der Gewaltforschung, Wiesbaden, 2002
- Carsten Colpe: Der "Heilige Krieg". Benennung und Wirklichkeit, Begründung und Widerstreit. Bodenheim, 1994, ISBN 3-8257-6022-7
Bibel
- Peter C. Craigie: The Problem of War in the Old Testament. Wipf & Stock Publishers, 2002, ISBN 1579108830
- Tom Yoder Neufeld: Put on the Armour of God: The Transformation of the Divine Warrior in Isaiah 59, Wisdom of Solomon 5, 1 Thessalonians 5 and Ephesians 6. Journal for the Study of the New Testament Supplement, Continuum International Publishing Group, Sheffie 1999, ISBN 1850756554
- Hans Heinrich Schmid: Heiliger Krieg und Gottesfrieden im Alten Testament. In: Altorientalische Welt in der alttestamentlichen Theologie. Sechs Aufsätze. Theologischer Verlag, Zürich 1974, ISBN 3290113515
- Rudolf Smend: Jahwekrieg und Stämmebund. Vandenhoeck u. Ruprecht; 2., durchgesehene und ergänzte Auflage, Göttingen 1966, ASIN B0000BUPYH
- Fritz Stolz: Jahwes und Israels Krieg. Theologischer Verlag, Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments 60, Zürich 1972, ISBN 3-290-12060-0
- Manfred Weippert: „Heiliger Krieg“ in Israel und Assyrien. ZAW 84 (1972), S. 460–493
- H. Eberhard von Waldow: The Concept of War in the Old Testament. HBT 6 (1984), S. 27–48
- Gerd Lüdemann: Das Unheilige in der Heiligen Schrift. Die andere Seite der Bibel. Radius-Verlag GmbH 1996, ISBN 3871730920
Mittelalter
- Pamela Berger: Crusade and Jihad: The Wars known as holy. Zeitschrift Religion and the Arts, Verlag Brill Academic Publishers, Heft Volume 5, Number 4 / Dezember 2001, ISSN 1079-9265, S. 484-494
- Malcolm Billings: The Crusades: Five Centuries of Holy Wars. Sterling Pub Co Inc, 1996, ISBN 080699410X
- Alexander P Bronisch: Reconquista und Heiliger Krieg: Die Deutung des Krieges im christlichen Spanien von den Westgoten bis ins frühe 12. Jahrhundert. Aschendorff 1998, ISBN 3402058391
- Peter Herrmann (Hrsg.): Glaubenskriege der Vergangenheit und Gegenwart. Göttingen, 1997, ISBN 3-525-86272-5
- Hans-Jürgen Kotzur, Brigitte Klein: Die Kreuzzüge: kein Krieg ist heilig. von Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3240-8
- Amin Maalouf: Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber. Dtv, 2003, ISBN 3-423-34018-5
- David Nicolle: Fighting for the Faith: Crusade and Jihad 1000-1500 AD. Pen & Sword Military, 2007, ISBN 1844156141
- Jonathan Riley-Smith: Wozu heilige Kriege? Anlässe und Motive der Kreuzzüge. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2003, ISBN 3803124808
- Dag Tessore: Der Heilige Krieg im Christentum und Islam, Patmos, 2004, ISBN 3-491-72482-1
aktuell
- Benjamin R. Barber: Coca Cola und Heiliger Krieg. Jihad versus McWorld. Der grundlegende Konflikt unserer Zeit, Scherz-Verlag, 2001, ISBN 3-502-16031-7
Weblinks
- Online-Bibliographie Theologie und Frieden des IThF: Literatur zum Stichwort Heiliger Krieg
- Ein neuer "Heiliger Krieg gegen das Böse"? Eine buddhistische Antwort von David Loy
- Aaron Schart: Zwischen Gottes-Krieg und Feindesliebe: Krieg und Frieden in der Bibel
- Herem: Zum Bannfluch im Alten Testament
- Reiner Vogels: Kämpfe den guten Kampf des Glaubens (1. Tim. 6, 12): Christsein ist Kampf (zum Motiv des JHWH-Krieges im NT; pdf)