Olivier Gendebien

belgischer Autorennfahrer
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Januar 2005 um 13:53 Uhr durch Bradypus (Diskussion | Beiträge) (Sportwagen-WM). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Olivier Gendebien (* 12. Januar 1924 in Brüssel; † 2. Oktober 1998 in Tarascon, Frankreich) war ein belgischer Rennfahrer, der Ende der 1950er- bzw. Anfang der 1960er-Jahre das 24-Stunden-Rennen von Le Mans alleine viermal gewinnen konnte und als einer besten Sportwagenrennfahrer jener Ära gilt.

Fallschirmspringer und Söldner

Sowohl seine Herkunft als auch sein Weg zum Motorsport war ungewöhnlich. In der Fachpresse wurde oft darüber spekuliert, dass Gendebien adeliger Herkunft sei, ohne jedoch direkte Belege dafür zu besitzen. Fest steht allerdings, dass der aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Olivier während des Zweiten Weltkrieges für die Resistance als Fallschirmspringer tätig war.

Selbst nach Kriegsende nicht zur Ruhe gekommen, verpflichtete er sich für vier Jahre in Belgisch-Kongo, um dort auf nicht überlieferte Art in der Umgebung von Stanleyville zu wirken. Dort traf er den Rallye-Fahrer Charles Fraikin, der ihm letztendlich den Weg zum Rennsport aufzeigte. Fraikin war angeblich von den Orientierungsfähigkeiten Gendebiens und dessen Fahrzeugsbeherrschung beeindruckt. Nebenbei beklagte er, dass er zuhause in Europa keinen geeigneten Co-Piloten zur Verfügung habe.

Der Rallye-Co-Pilot

Nachdem beide nach Belgien zurückgereist waren, startete Gendebien auf einem Veritas beim Grandprix des Frontières bei Chimay, wo er als sechstplatzierter ins Ziel kam. Daraufhin schloss er sich Fraikin an, um gelegentlich mit einem Jaguar an Rallye-Veranstaltungen teilzunehmen.

Ihre Zusammenarbeit sollte bis 1955 andauern. Aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich Gendebien schon als eigenständiger und konkurrenzfähiger Fahrer etabliert. Zum Zeitpunkt ihrer Trennung hatte man ihnen bereits den Spitznamen "Die ewigen Brautjungfern" gegeben, da sie bei vielen Rennen stets den zweiten Platz, aber eben nicht den Sieg errangen. Zweimal hatten sie auf diese Weise die Lüttich-Rom-Lüttich Rallye abgeschlossen, aber 1955 waren sie mit einem Mercedes 300SL endlich erfolgreich.

Start der eigenen Karriere

Ohne Fraikin hatte Gendebien deutlich mehr Erfolg, so gewann er bereits 1954 innerhalb seiner Klasse mit einem Plymouth die Italien-Rallye, die niederländische "Tulip"-Rundfahrt und die Northern Roads Rallye auf einem Porsche.


Sportwagen- und Formel-1-Rennen für Ferrari

Dennoch beruhigte sich seine Karriere etwas. Die weiteren Bemühungen erweckten den Eindruck, dass ihm Enzo Ferrari einen Werksvertrag für Sportwagenrennen und einige Einsätze in der Formel 1 offeriert habe. Doch sein erster Start für Ferrari endete beim Training zur "Tourist Trophy" in Dundrod zur allseitigen Enttäuschung in einem schweren Unfall, bei dem er eine Gehirnerschütterung erlitt.

Zum Beginn der Formel-1-Saison 1956 war seine Gesundheit wieder zufriedenstellend. Ohne jegliche Erfahrung auf einem Monoposto meldete man ihn zum Großen Preis von Argentinien, den er mit einem bemerkenswerten fünften Platz und seinen ersten Weltmeisterschaftspunkten abschloss. Ein sechster Rang beim Grand Prix von Mendoza bestätigte seine gute Form.

Im Verlauf des Jahres konnte er einige hervorragende Einsätze bei Sportwagenrennen vorzeigen: zweite Plätze in Buenos Aires, beim "Supercortemaggiore" in Monza und beim 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring an der Seite Alfonso de Portagos, einen dritten Platz in Le Mans mit seinem Kollegen Maurice Trintignant und bei der Targa Florio.

Danach startete er für die spätere "Equipe Nationale Belge " Jacques Swaters auf einem Ferrari 250 GT, mit dem er zwei große Rundfahrten ebenfalls auf dem dritten Platz beendete. 1956 war also Gendebiens Durchbruch in der Rennsportszene, doch sechs weitere erfolgreiche Jahre sollten folgen.

1957 feierte er mit seinem Cousin Jacques Washer als Beifahrer einen herausragenden Sieg bei der Tour di Sicilia auf einem ENB 250 GT, mit dem er bei der letzten Mille Miglia einen erstaunlichen dritten Platz herausfuhr.

Im folgenden gewann er mit demselben Wagen das 12-Stunden-Rennen von Reims mit seinem Kollegen Paul Frère und beendete die Saison mit dem Gewinn der Tour de France an der Seite Lucien Bianchis. Gendebien, der in Belgien außerordentlich populär war, galt nun als Star der Sportwagenszene, der eine regelrechte Serie von Rennsiegen in den folgenden Jahren feieren konnte.

Die Großen Siege

1958 gewann er erneut das Rennen in Reims, um eine Reihe von Siegen bei der Targa Florio anschliessen zu lassen. Im selben Jahr zusammen mit Luigi Musso, drei Jahre später mit Wolfgang Graf Berghe von Trips und abschließend die Targa von 1962 mit Willy Mairesse und Ricardo Rodriguez.

Weitere herausragende Siege waren die beim 12-Stunden-Rennen von Sebring 1959 an der Seite von Dan Gurney, Phil Hill und Chuck Daigh sowie 1960, diesmal auf einem Porsche mit Hans Herrmann und 1961 erneut mit Phil Hill. Außerdem konnte er das 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring ein Jahr später für sich entscheiden.

Seine herausragendsten Erfolge sollte die für eine lange Zeit beispielslosen vier Siege in Le Mans bleiben, wo er 1958, 1960, 1961 und 1962 triumphierte, um in Anschluss daran seinen Rückzug vom Rennsport zu erklären. Dreimal teilte er sich den Sieg mit Phil Hill, doch 1960 durfte Paul Frère mit ihm feiern.

Seine Dominanz in der Sportwagenszene vermag man schon daran absehen, dass er zusammen mit Phil Hill und Peter Collins maßgeblichen Anteil daran hatte, dass Ferrari Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre zahlreiche Sportwagen-Weltmeistertitel erringen konnte.

Abschluss seiner Grand-Prix-Karriere

Hinter diesem beeindruckenden Erfolgen steckt seine Formel-1-Karriere etwas zurück. Bei 14 Starts zwischen 1956 und 1961 konnte er jedoch in der Hälfte der Rennen Punkte für sich verbuchen. Meist als Gastfahrer für Ferrari startend, erzielte er seine größten Grand-Prix-Erfolg, den dritten Platz in Spa 1960, mit einem BRP's Yeoman Credit Cooper T51, sowie einen zweiten Rang in Reims. Obwohl er während der Formel-1-Saison 1960 alleine vier Rennen versäumt hatte, fand er sich auf einem ehrenwerten sechsten Platz in der Weltmeisterschaftskonkurrenz wieder.

Im Folgejahr startete er bei seinem Heimgrandprix in Spa auf einem in der gelben Nationalfarbe lackierten Ferrari 156, der allerdings im Gegensatz zu seinen Teamkollegen nicht mit der neuesten Motorspezifikation ausgerüstet worden war. In den ersten Runden führte er von der Pole-Position aus zur Begeisterung des Publikums das Rennen souverän an, doch im weiteren Verlauf verwiesen ihn seine Kollgen auf den vierten Rang.

Rückzug ins Privatleben

Mit 38 Jahren nahm Gendebien seinen Abschied vom Motorsport, da er zuviele seiner Teamkollegen im Laufe der Jahre hatte sterben sehen und das Risiko seiner Frau zuliebe nicht mehr aufnehmen wollte. Tragischerweise verstarb diese wenig später überraschend an einem Krebsleiden. Daraufhin emigrierte er in die USA, wo er bei der Rinderzucht sehr erfolgreich war.