Mater semper certa est

lateinisches Rechtssprichwort
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Mater semper certa est - die Mutter ist immer sicher, ihre Person steht immer fest. Dieses lateinische Rechtssprichwort bezieht sich auf die Mutter im Rechtssinne. Mutter des Kindes ist die Frau, die es geboren hat.

Da Phänomene wie Eispende, Leihmutterschaft, Ersatzmutterschaft, In-Vitro-Fertilisation erst seit kurzer Zeit existieren, schien diese Regel zur Zeit ihrer Entstehung fehlerfrei, jedenfalls wenn feststand, welche Frau das Kind geboren hatte. Vgl. dagegen die Parabel vom kaukasischen Kreidekreis bei Bertolt Brecht, die auf ein Urteil Salomos zurückgeht (1. Könige 3, 16-28): Zwei Mütter streiten sich um ein Kind und beide behaupten, es geboren zu haben.

In Reaktion auf neue Fortpflanzungstechniken muss im Recht der Gegenwart das Problem gelöst werden, wer als Mutter gilt, wenn die Geburt nicht durch die genetische Mutter erfolgt. Im deutschen BGB wurde deshalb 1997 ein neuer § 1591 eingefügt: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“

Der lateinische Rechtsspruch aber geht noch weiter. Nach dem damals einfachen Teil über die Person der Mutter kommt das eigentliche Rechtsproblem, nämlich die Feststellung des Vaters. Eigentlich gilt ja: „pater semper incertus est“ - der Vater ist immer ungewiss, denn für den Vater gibt es kein mit dem Austritt der Leibesfrucht aus dem Mutterleib gleichwertiges äußeres Beweiszeichen seiner Vaterschaft. Es bleibt immer die Möglichkeit, dass jemand anders als der Ehemann der wahre Vater ist. Um einer solchen Rechtsunsicherheit vorzubeugen, heißt es: „pater est, quem nuptiae demonstrant“ - Vater ist, wen die Verheiratung bezeichnet. Das bedeutet: In Ansehung der während einer bestehenden Ehe erzeugten Kinder gilt der Ehemann der Mutter als Vater der Kinder, solange die Vaterschaft des Ehemanns nicht erfolgreich vor Gericht durch eine Vaterschaftsanfechtungsklage (früher: Ehelichkeitsanfechtungsklage) angefochten wurde. Damit entspricht die lateinische Regel weiter der Rechtslage nach dem heutigem §1592 Nr.1 BGB. Allerdings wird diese gesetzliche Vermutung nicht mehr fraglos hingenommen: Väter wollen durch den DNA-Test Klarheit über ihre Nachkommenschaft und daraus entspringende Unterhaltsverpflichtungen - Stichwort „Kuckuckskind“ - erreichen.

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