Zehn Gebote

Gebote und Verbote aus der Bibel
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Die Zehn Gebote, auch Dekalog („Zehnwort“, von griech. δεκα deka, „zehn“, und λoγoς logos, „Wort“), sind die wichtigste Zusammenfassung des Willens JHWHs, des Gottes Israels, in der Hebräischen Bibel (Tanach). Mit ihnen beginnt dort Gottes Offenbarung am Sinai; daher gelten sie im Judentum und Christentum als Zentrum und Inbegriff der Tora (Weisung) für das Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen.

Teil der 10 Gebote. Text vom prot. Theol. E. Reuss, Gestaltung v. jüd. Künstler Ephraim Moses Lilien

Biblischer Wortlaut

Die Zehn Gebote sind im Tanach in zwei geringfügig verschiedenen Fassungen überliefert.

Exodus 20,2-17

2 Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
3 Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
4 Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.
5 Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation;
6 bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.
7 Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.
8 Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!
9 Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun.
10 Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat.
11 Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.
12 Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.
13 Du sollst nicht morden.
14 Du sollst nicht die Ehe brechen.
15 Du sollst nicht stehlen.
16 Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.
17 Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.

Dieses Zitat aus dem 2. Buch Mose folgt der Einheitsübersetzung (Ex 20,2 EU). Sie übersetzt einige Stellen anders als die 1984 revidierte Lutherbibel; z. B. lautet Vers 13 dort: Du sollst nicht töten. (Ex 20,13 LUT)

Deuteronomium 5,6–21

Die Fassung im 5. Buch Mose Dtn 5,6-21 EU unterscheidet sich vor allem im Sabbatgebot:

12 Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat.
13 Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun.
14 Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du.
15 Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten.

Der Ruhetag wird hier also nicht mit Gottes Ruhe nach der Schöpfung, sondern mit der Erinnerung an den Auszug aus Ägypten begründet. Auch die Sklaven und alle Haustiere sollen am Sabbat ausruhen dürfen wie ihre Besitzer, weil die Israeliten selber Sklaven gewesen seien. So wird das Ruhen auf Kosten anderer, die die Arbeit verrichten müssen, verboten.

Das 9. Gebot lautet hier: Begehre nicht deines Nächsten Weib. Erst im Folgevers sind Haus, zusätzlich Acker, dann Knecht, Magd, Rind und Esel aufgelistet.

Die deuteronomische Fassung wird wegen des erweiterten Sabbatgebots für jünger gehalten, ist aber literarisch vom Wortlaut der Exodusvorlage abhängig.

Entstehung

Die Zehn Gebote sind in einem jahrhundertelangen Prozess entstanden und zusammengewachsen. Sie waren anfangs nur eine von mehreren formal wie inhaltlich verwandten Gebotsreihen, die JHWHs Willen zusammenfassten: Ex 34,17-26 EU, Lev 19,1f.11-18 EU, Dtn 27,15-26 EU – ein sogenannter Dodekalog (Zwölfwort), eventuell bezogen auf die Zwölf Stämme Israels – und Ez 18,5-9 EU. Davon sind sie die einzige, jedoch in mehreren Fassungen überlieferte Zehnerreihe. Die älteste bekannte Bibelhandschrift zum Dekalog, der Papyrus Nash (um 100 v. Chr.) bezeugt einen Mischtext aus Ex 20 und Dtn 5. Demnach wurde der Dekalog nicht endgültig formuliert, sondern weiterentwickelt.

Die ersten drei Gebote sind als direkte Gottesrede formuliert und ausführlich begründet (Ex 20,2-6). Die folgenden knappen und unkonditionalen Einzelweisungen (Ex 20,7-17) reden von Gott in der dritten Person. Beide Teile entstanden daher wohl unabhängig voneinander, wurden nachträglich miteinander verknüpft und zuletzt gemeinsam unter Gottes einleitende Selbstvorstellung gestellt. Erst dadurch erhielten die als persönliche Anrede formulierten Verbote, deren Form im altorientalischen Recht verbreitet war, den Charakter eines gesamtisraelitischen Bundesrechts.

Wegen ähnlicher Formeln in der Prophetie des Tanach, z. B. in Hos 4,3 EU, Hos 12,10 EU, Hos 13,4 EU; Ps 81,11 EU wird das 1. Gebot mitsamt dem Ausschluss anderer Götter spätestens in das 8. Jahrhundert v. Chr. datiert. Die Sozialgebote dagegen stammen aus nomadischer Zeit (1.500-1.000 v. Chr.) und reflektieren deren Verhältnisse: etwa das Verbot, Vieh, Sklaven und Frau des Nächsten zu begehren. Sie wurden aus vielen ähnlichen Weisungen an Sippenangehörige gezielt ausgewählt, um Gottes Willen so allgemeingültig wie möglich zusammenzufassen.

Da Ex 20 den Erzählfaden des Pentateuch unterbricht, während Dtn 5 die vorangehende und folgende Moserede verbindet, waren die Zehn Gebote als selbständige Einheit in verschiedenen Zuammenhängen zitierbar. Nach Lothar Perlitt wurden diese Einheit von den Autoren des deuteronomistischen Geschichtswerks im 7. Jahrhundert v. Chr. geschaffen. Doch die Exodusversion des Sabbatgebots spielt auf Gen 2,2f EU an, das zum priesterschriftlichen Schöpfungsbericht gehört: Demnach wurden die ersten drei Gebote wahrscheinlich erst ab dem Babylonischen Exil (586-539 v. Chr.) vor eine schon bestehende Verbotsreihe gestellt. Erst die Abschlussredaktion der fünf Bücher Mose stellte die bestehende Reihe beide Male den folgenden Gesetzeskorpora voran.

Dies gab den Zehn Geboten ihre überragende Bedeutung als lebensnotwendige Grundregeln für alle Lebensbereiche in der weiteren Geschichte von Juden- und Christentum. Sie gelten gläubigen Juden und Christen als Kern und Konzentrat der Offenbarung Gottes an Mose, den zum Führer Israels berufenen Empfänger und Vermittler seines Willens für das erwählte Gottesvolk.[1]

Besonderheiten

Selbstvorstellung Gottes

Die Reihung wird in Ex 20,2 mit der im Tanach häufigen Theophanieformel Ich bin JHWH eröffnet, die hier um die Zusage dein Gott erweitert und auf die Exodustradition bezogen ist. Gott erscheint seinem Volk demnach nicht als Unbekannter, sondern erinnert es mit seinem Namen an seine frühere Befreiungstat, die seinen Willen bereits ausdrückte.

Gottes „Ich“ (hier in der betonten hebräischen Form Anochi) erscheint als einzigartiger, alle anderen Ansprüche ausschließender Rechtsanspruch auf ein kollektives „Du“. Die Anrede gilt dem ganzen im Exodus aus Ägypten erwählten Gottesvolk Israel und jedem einzelnen Angehörigen dieses Volkes. Gottes Selbstoffenbarung in der Geschichte der Hebräer begründet hier sein Recht auf alle ihre Nachfahren. Darum schärft die Haggada zum Pessach dem gläubigen Juden ein: In jeder Generation betrachte sich der Mensch, als sei er selbst aus Ägypten ausgezogen.

Diese Exklusivität Gottes, die das angeredete Volk zum Gegenüber Gottes macht und zum Erinnern seiner Geschichte bringt, ist eine Besonderheit des Judentums unter den altorientalischen Religionen: Nur für den, dem Gott sich so offenbart hat, gilt auch das folgende Gesetz.[2] Damit ist das Volk Israel und sein Gottesverhältnis zugleich von allen anderen Völkern unterschieden, so dass der Fortsatz Du sollst keine Götter neben mir [wörtlich: vor meinem Angesicht] haben als logische Folgerung erscheint.

Bilderverbot

Der im Exodushandeln JHWHs für Israel implizierte Ausschluss fremder Götter ist im Alten Orient einmalig. Zwar gab es zuvor mit dem Aton-Kult auch in Ägypten Tendenzen zu einem vorübergehenden Monotheismus durch Ersetzung früherer Götter. In Babylonien tendierte der Polytheismus später zur Monolatrie durch Integration und Gleichsetzung verschiedener Götter.

Doch das biblische Fremdgötterverbot wird sogleich im Bilderverbot konkretisiert: Dieses ist hier – anders als in Ex 23,23 EU – nicht nur auf fremde Gottesbilder und Kultgegenstände bezogen, sondern auch auf Abbildungen des eigenen Gottes. Damit wird die Verehrung JHWHs endgültig von allen anderen Kulten unterschieden. Denn dort wurden auch höchste und einzige Götter immer in Bildern dargestellt und verehrt, die ihre Kräfte vergegenwärtigten.

Gottesbilder wurden auch in Israels Nachbarschaft nicht mit dem abgebildeten Gott identifiziert und oft verhüllt, um die Transzendenz zu wahren. Doch das Bilderverbot stellt den unsichtbaren Gott gegen die im Bild greifbaren Götter, weil er für Israel der Schöpfer aller Dinge ist und sich vorbehält, wem und wie er sich offenbart. Diese Unabhängigkeit korrespondiert der Selbstbindung JHWHs an die Befreiung dieses Volkes: Die Erinnerung an den Exodus sperrt sich dagegen, ihn nach Art fremder Götter zu verehren, die in der Regel Herrschaftsverhältnisse absegneten. Israels Gott will nicht im Kult repräsentiert, sondern im Sozialverhalten in allen Lebensbereichen verehrt werden.

Ex 20,4b erläutert den Verbotsbereich: Er erstreckt sich auf Himmel, Erde und Unterwelt, also alle „Stockwerke“ des damaligen Weltbilds. Die deuteronomische Auslegung in Dtn 4,12-20 EU bekräftigt das Verbot, Gott weder als Mann noch Frau noch Tier noch Gestirn darzustellen, wie es in den kanaanäischen Fruchtbarkeitskulten und babylonischen Astralkulten üblich war. Gläubige Juden können daher nichts in der Welt der geschaffenen Dinge als göttlich betrachten. Sie wurden darum im Hellenismus später als „Atheisten“ bezeichnet.

Da Gott sich für Juden von Beginn an durch sein – ebenfalls exklusiv gedachtes – Wort offenbarte (Gen 1,3 EU), betrifft das Bilderverbot im Tanach nur optische und gegenständliche Abbilder, nicht Sprachbilder. Diese zeigen eine große Vielfalt an Metaphern, Vergleichen und Anthropomorphismen.

Ältere Vorformen wie Ex 34,12ff EU gebieten mit dem Ausschluss anderer Götter zugleich die Zerstörung ihrer Kultstätten. Dies reagierte eventuell auf Gleichsetzungen JHWHs mit dem kanaanäischen Baal im Bild des Stiers ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1_Kön]] 12,26ff EU), die hinter der Erzählung vom Goldenen Kalb in Ex 32 EU steht. Dieser Synkretismus wurde wohl seit dem Auftreten des Propheten Elija im Nordreich Israel als Übernahme von Wesenszügen Baals aufgefasst und abgelehnt ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1_Kön]] 18 EU). Auch Hosea kämpfte für das 1. Gebot gegen die „Hurerei“ des Baalskultes (Hos 8,4ff EU; Hos 10,5f EU; Hos 11,2 EU; Hos 13,2 EU). Doch nach vergeblichen Anläufen Hiskijas ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|2_Kön]] 18,4 EU) ließ erst König Josia die noch bestehenden Baalkultorte um 620 v. Chr. zerstören ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|2_Kön]] 23 EU). So wurde die alleinige Verehrung JHWHs innenpolitisch durchgesetzt.

Um sein Gewicht zu unterstreichen, wird das Bilderverbot nochmals mit einer ähnlichen Gottesrede wie der Präambel bekräftigt. Es bildet daher mit der exklusiven Selbstvorstellung JHWHs eine unauflösbare Einheit. Erst dadurch wird der indikativisch formulierte Zuspruch – Ich bin … zum ebenso verbindlichen Anspruch: Du sollst …, wörtlich Du wirst ….[3]

Gesetzestafeln

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Jusepe de Ribera: Moses und die Zehn Gebote

Ex 24,12 EU redet im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Gebotsverkündigung und das Bundesmal der siebzig Ältesten Israels mit JHWH erstmals von steinernen Gesetzestafeln, die Gott Mose allein übergeben werde. Nach den ausführlichen Anweisungen zum Bau der Stiftshütte, einer Vorform des Jerusalemer Tempels (Ex 25-31,17), nimmt Ex 31,18 EU diesen Faden wieder auf und redet nun von zwei Tafeln aus Stein, die Gott mit seinem „Finger“ beschrieben habe. Diese enthalten nach dem Kontext alle zuvor ergangenen Gebote, nicht nur den Dekalog.

Ex 32,15ff EU präzisiert die Angaben: Gott selbst habe die Tafeln gemacht und auf beiden Seiten die Schrift eingraviert. Diese Tafeln habe Mose im Zorn über den Abfall Israels von JHWH zerbrochen (Vers 19). Dann habe er den Auftrag erhalten, neue Tafeln anzufertigen, von denen es heißt (Ex 34,28 EU):

Und er schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte.

An diese Stelle knüpft die Bezeichnung Zehnwort (Dekalog) an, obwohl dessen Gebote ursprünglich nicht als Zehnerreihe eingeteilt wurden und die Tafeln alle Gebote Gottes enthielten. Hier wurzelt auch die Tradition einer Zweiteilung des Dekalogs in eine auf das Verhalten zu Gott bezogene „Kulttafel“ (1. bis 3. Gebot) und eine auf das Verhalten untereinander bezogene „Sozialtafel“ (4. bis 10. Gebot). Diese war wohl schon vor der Zeitenwende in der rabbinischen Tradition üblich.

In Dtn 4,13 EU, 5,22 EU, 9,9 EU und 10,4 EU sind nur die Zehn Gebote als Inhalt der beiden Gesetzestafeln genannt. Sie werden hier – anders als in der Exodusversion des Dekalogs – ausdrücklich als Verkündigung des Bundes JHWHs mit Israel eingeführt. Hinzu kommt der besondere Ausdruck des Zurechthauens in Ex 34 und Dtn 12: Dieser Begriff taucht in der Bibel nirgends im Zusammenhang mit dem normalen Bearbeiten von Holz oder Stein auf, sondern scheint sich auf Kultbilder zu beziehen. So könnten die nach biblischem Glauben von Gott selbst angefertigten und beschriebenen Gesetzestafeln als einziges sichtbares Zeichen der Verbundenheit Israels mit seinem Gott an die Stelle der im Dekalog verbotenen Kultbilder getreten sein. An dieser Gegenwart Gottes konnten dann auch spätere Generationen des jüdischen Volkes, die nicht Zeugen der Selbstoffenbarung JHWHs am Sinai waren, teilhaben:

Die Tafeln konnten als so geprägtes und bestimmtes Symbol für die Offenbarung am Sinai nicht nur ins Zentrum aller möglichen bildlichen Darstellung des Sinaiereignisses gerückt werden, sondern sogar zum Inbegriff der Tora und so letztlich auch zum bedeutendsten Symbol für das Judentum. (Christoph Dohmen, 2004, S. 214).

Apodiktische Form

Gottes Recht wird in Form einer apodiktischen Reihe in wenige Zentralgebote zusammengefasst, die Anspruch auf kollektive und zeitübergreifende Geltung erheben. Sie sind überwiegend als Ver-bote formuliert, die ein bestimmtes Verhalten ausschließen, ohne das positiv intendierte Verhalten ebenso konkret festzulegen.

Das unterscheidet sie von einer Vielzahl aus der alltäglichen Rechtsprechung stammender Einzelgebote zu bestimmten Fällen („wenn-dann“-Bestimmungen, Kasuistik). Zu vielen davon kennt man Vorbilder und Parallelen in der altorientalischen Umgebung Israels. So tritt etwa im Ägyptischen Totenbuch um 2500 v.Chr. eine Art negative Tugendliste hervor: Dort bekennt der Mensch eine Reihe von Vergehen gegen kultische Vorschriften, deren Reihung denen des Dekalogs ähnelt. Doch ist diese Reihe nicht ausdrücklich als göttliche Offenbarung bezeichnet, und den vorausgesetzten Vorschriften fehlt die apodiktische Form.

Dekalog als Vertrag

LaSor et. al. sehen in der Sinaiperikope eine Gründungsurkunde des Bundschlusses zwischen JHWH und dem Volk Israel. Dazu gehören insbesondere die Vorbereitungszeit, sowie die Theophanie. In den zehn Geboten selbst erkennt er einen seinerzeit üblichen Vertrag zwischen einem Großkönig und seinem Vasallen. Diese These vertritt auch Perlitt, der Parallelen zu hethitischen Staatsverträgen sieht, die von den Israeliten nachgeahmt wurden, woraus er auf ein hohes Alter des Textes schließt.

1. Präambel nennt den Bundesstifter mit seinen Titeln

2. Der historische Prolog umschreibt die frühere Beziehung zwischen den beiden Parteien und betont Wohltaten, die der Großkönig dem Vasallen hat zukommen lassen.

3. Die Bundessatzung besteht aus: a. der Grundforderung der Bundestreue b. detaillierte Bestimmungen. In säkularen Verträgen werden hier die Verpflichtungen des Vasallen seinem Großkönig gegenüber festgeschrieben

4. Weitergehende Verfügungen über: a. die Hinterlegung des Textes. Bundestexte werden im Tempel aufbewahrt. Die Tafeln mit dem Bundestext waren in der Bundeslade zu deponieren b. die wiederholte, in regelmäßigen Abständen vorzunehmende öffentliche Verlesung des Bundestextes

5. Segenszusagen und Fluchandrohungen, die dem Vasallen zuteil werden sollen, je nachdem, ob er die Bundesbestimmungen einhält oder nicht.

Hieraus nun folgert LaSor, dass der Dekalog nie als Moralkodex konzipiert war, sondern als Verordnung, die das Bundesverhältnis regelt und die als Grundvoraussetzungen der gnädigen Zuwendung Gottes zum Volk Israel gesetzt wird. Hält sich das Volk nicht an diese Gebote, bricht es folglich den Bund und hört in gewissem Sinne auf, Gottes Volk zu ein. Aus diesem Zusammenhang, lässt sich auch die weitere Geschichte Israels verstehen. Das Volk entfernt sich immer wieder von JHWH; dieser leitet in der Folge quasi das Gerichtsverfahren ein, sendet jedoch bevor er seinen Fluch über das Volk kommen lässt die Propheten, die ein letztes Mal zur Umkehr mahnen und zugleich das Gericht ankündigen.

Neues Testament

Im Neuen Testament werden die Zehn Gebote als allgemein bekannte und gültige Willenserklärung Gottes für alle Juden vorausgesetzt. Sie werden daher nirgends als Ganze wiederholt, sondern zu jeweils passenden Anlässen einzeln zitiert und gedeutet.

Jesus

Jesus von Nazaret knüpfte an die im rabbinischen Judentum bereits übliche Konzentration der ganzen Tora auf das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe an (Mk 12,28–34 EU). Weil die Nächstenliebe dem ersten Gebot gleich- und damit allen Einzelgeboten übergeordnet ist, darf auch die Sabbatruhe zugunsten der Lebensrettung und des Heilens gebrochen werden (Mk 2,27 EU).

Die als „Antithesen“ zusammengestellten Torapredigten legen nahe, dass Jesus alle zehn Gebote je nach Situation mit einer Halacha mündlich auslegte. Denn Mt 5,21ff und 27ff beziehen sich auf das 5. und 6. Gebot, Mt 5,33ff auf das 8. Gebot. Sie verschärfen diese, indem sie schon die falsche innere Einstellung zum Nächsten als Bruch und Vergehen gegen Gott erklären: Schon Hass mordet, schon Eifersucht bricht die Ehe, jeder Eid, nicht erst der Meineid vor Gericht ist ein Falschzeugnis (Lüge).

In der matthäischen Komposition der Bergpredigt folgen diese Predigten den „Seligpreisungen“ an das Volk der Armen. Diese treten somit an die Stelle der „Präambel“. Die unbedingte Zusage des Reiches Gottes an die Armen aktualisiert die Zusage Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus Ägyptenland befreit hat: Der vergangenen Befreiungstat Gottes entspricht eine kommende Befreiung und Herstellung von Gerechtigkeit für alle Armen, wie sie das Judentum vom Messias erwartet.

Ein ausdrücklicher Kommentar zum Fremdgötterverbot ist Jesu Predigt zum Vorratsammeln (Mt 6,19-24 EU): Das Anhäufen von Besitz widerspricht unmittelbar der Gottesliebe, weil es Besitz und Geld zum Götzen (Mammon) macht und dem notwendigen Teilen mit den Armen entgegensteht. Den reichen Großgrundbesitzer weist er explizit auf den Dekalog hin (Mk 10,19 EU), macht aber auch deutlich, dass ihm eins fehlt, um Gottes Reich zu erlangen: das Aufgeben allen Besitzes zu Gunsten der aktuell Armen (v. 21). Dies deutet das 10. Gebot in gleichem Sinn wie das erste: Anhäufen und Festhalten von Reichtum ist Raub an den Armen.

Das Gebot der Elternehrung hat Jesus einerseits relativiert - Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter (Mk 3,35 EU) -, andererseits gegen ungültige Gelübde, die die Eltern materiell belasteten, bekräftigt (7,9-13 EU).

Paulus

Für Paulus von Tarsus hat Jesus Christus als einziger Mensch Gottes Willen ganz erfüllt. Von seiner, nicht unserer Erfüllung hängt das Heil ab; wer die Tora weiterhin zum Heilsweg erkläre, leugne das Heil, das Gott mit Kreuz und Auferweckung Jesu für alle Menschen geschaffen habe (Galaterbrief).

Deshalb erhalten die Toragebote einen neuen Stellenwert. Wie für Jesus, so erfüllt auch für Paulus die Nächstenliebe alle, auch die Zehn Gebote der Tora (Gal 5,14 EU) und hebt sie damit unter Umständen auf. Besonders die Kult- und Opfergesetze, die als Konkretion des 1. und 2. Gebots im Pentateuch breiten Raum einnehmen, spielen für Paulus keine entscheidende Rolle mehr. Kultische Reinheit vor Gott ist nicht durch menschliche Anstrengung zu erwerben, sondern durch den Sühnetod Jesu Christi letztgültig erworben worden.

Demgemäß fasst die Nächstenliebe für Paulus auch die Sozialgebote des Dekalogs zusammen. Dabei verallgemeinert er das 9. und 10. Gebot: Jedes „Begehren“ - ohne besonderes Objekt - ist verboten (Röm 13,9 EU). Denn diese Sünde habe Christi Weg ans Kreuz aufgedeckt (7,7 EU). Der Folgesatz Röm 13,10 - die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses - bezieht sich auf Gewaltverzicht, Wohltaten und Opferbereitschaft zurück, zu der Paulus die Christen in Rom gegenüber ihren dortigen Verfolgern ermutigen will: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem! (12,17-21 EU). Darum sollen sich die verfolgten Christen den römischen Staatsbeamten unterordnen und ihnen Steuern zahlen (13,1ff EU), sich aber nicht deren heidnischen Sitten anpassen, sondern im Vertrauen auf Gottes Endgericht innergemeindliche Solidarität üben (13,10-14 EU). Ihre Feindesliebe soll die Zehn Gebote auch der heidnischen Umwelt als vernünftige Ethik nahebringen. Das ist für Paulus möglich, weil Christus seinen Nachfolgern den Heiligen Geist geschenkt hat, der ihnen das „Gesetz des Lebens“ einpflanzt und sie von allem bloßen Buchstabenglauben zur Liebe befreit (8,2ff EU).

Einteilung und Zählung

Die Zehnzahl hängt vermutlich mit der Lernbarkeit und Merkbarkeit zusammen, was durch die Abzählbarkeit an den Fingern erleichtert wurde. Sie wurde zugleich vielfach als magische Zahl angesehen. Im Judentum werden die Zehn Gebote allerdings nicht von den übrigen Geboten der Tora isoliert, denn Mose empfing die Tora als Ganzes. – Die Zahl der im Dekalog aufgereihten Einzelforderungen lässt sich auf verschiedene Weise mit der Zahl Zehn zur Deckung bringen und wird von Juden und christlichen Konfessionen unterschiedlich eingeteilt.

  • Das erste Gebot:

Das Judentum folgt der Tora und behandelt die Selbstvorstellung des israelitischen Gottes als eigenständiges erstes Gebot: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Sklavenhaus Ägypten geführt hat. Der Folgesatz Du sollst keine anderen Götter neben mir haben ist dann nicht von dieser primären Bundeszusage ablösbar, sondern geht unmittelbar daraus hervor. Das Bilderverbot dagegen wird als zweites Gebot gezählt.

Das Christentum sieht diese Selbstvorstellung Gottes als „Präambel“ gegenüber allen folgenden Geboten.

  • Das zweite Gebot:

Die orthodoxen und reformierten Kirchen sowie die Siebenten-Tags-Adventisten trennen dann Fremdgötterverbot (1.) und Bilderverbot (2.), weshalb bei den Reformierten Kirchen alle Bilder, nicht nur Götterbilder im Gottesdienstraum fehlen.

Die katholischen und lutherischen Kirchen dagegen sehen das Bilderverbot als Teil des Fremdgötterverbots, so dass nur Gottesbilder, nicht Bilder überhaupt im Gottesdienstraum verboten sind.

  • Das neunte und zehnte Gebot:

Katholiken und Lutheraner unterscheiden innerhalb des letztgenannten Verbotes, fremden Besitz zu begehren, zwei Gebote: Das neunte Gebot ist in der Exodusversion bezogen auf das Haus des Nächsten, das im biblischen Sprachgebrauch eigentlich allen familiären Anhang und Besitz umfasste, der dann aufgezählt wird. Das zehnte Gebot ist bezogen auf den sonstigen Besitz, Frau, Diener, Vieh.

In der Fassung im 5. Buch Mose steht anders als im 2. Buch Mose als erstes Frau, dann Haus. Dieser Fassung folgen die westlichen Konfessionen und kommen so zu einer gewissen Doppelung des sechsten Gebots, das den Ehebruch verbietet. Dies schlägt sich in ihrer an der monogamen Ehe orientierten Sexualethik nieder.

Tora A B Text
1. Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt hat. (Ex 20,2 und Dtn 5,6)
2. 1. 1. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. (Ex 20,3)
Du sollst keine andern Götter haben vor mir. (Dtn 5,7)
2. 2. 1. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem was oben im Himmel, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetaten der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten. (Ex 20,4-6 und Dtn 5,8-10)
3. 3. 2. Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. (Ex 20,7 und Dtn 5,11)
4. 4. 3. Gedenke des Sabbattags, dass Du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge beschicken, aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes; da sollst du kein Werk tun noch dein Sohn noch deine Tochter noch dein Knecht noch deine Magd noch dein Vieh noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn. (Ex 20,8-11)
Den Sabbattag sollst du halten, dass du ihn heiligest, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun noch dein Sohn noch deine Tochter noch dein Knecht noch deine Magd noch dein Ochse noch dein Esel noch all dein Vieh noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist, auf dass dein Knecht und deine Magd ruhe wie du. Denn du sollst gedenken, dass du auch Knecht in Ägyptenland warst und der HERR, dein Gott, dich von dort ausgeführt hat mit einer mächtigen Hand und mit ausgerecktem Arm. Darum hat dir der HERR, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst. (Dtn 5,12-15)
5. 5. 4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, gibt. (Ex 20,12)
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat, auf dass du lange lebest und dass dir's wohl gehe in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird. (Dtn 5,16)
6. 6. 5. Morde (töte) nicht! (Ex 20,13)
7. 7. 6. Du sollst nicht ehebrechen. (Ex 20,14 und Dtn 5,17)
8. 8. 7. Du sollst nicht stehlen. (Ex 20,15 und Dtn 5,17)
9. 9. 8. Du sollst nicht Falsches gegen deinen Nächsten aussagen. (Dtn 5,20)
10. 10. 9. Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Hauses. (Ex 20,17a)
Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibes. (Dtn 5,18a)
10. 10. 10. Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibes, noch seines Knechtes noch seiner Magd, noch seines Ochsen noch seines Esels, noch alles, was dein Nächster hat. (Ex 20,17b)
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Ochsen, Esel noch alles, was sein ist. (Dtn 5,18b)

Spalte A: orthodoxe und reformierte Kirchen / Adventisten, Spalte B: lutherische und katholische Kirche

Auslegungen

In allen Abrahamitischen Religionen haben die ersten zwei bzw. drei Gebote (Gottesfurcht, Bilderverbot, Namensheiligung) eine zentrale Bedeutung. Sie legen den Einen Gott, der mit Abraham den Bund einging, als zentralen Glaubensinhalt fest. Von da aus bestimmen Judentum, Christentum und Islam auch die Ethik.

Im Christentum hat die Gebotserfüllung aufgrund der bereits im Glauben empfangenen Erlösung nicht den Stellenwert, den sie im Judentum hat. Dort hängt das Heil – Gottes Gnade im Endgericht – von der Befolgung ab. Dies entspricht dem Wortlaut der Gebote, die apodiktisch als Imperative bzw. Indikative (z. B. „Morde nicht!“ bzw. „Du wirst nicht morden!“) formuliert sind, den Einzelnen als Teil des Gottesvolks anreden und nicht in das Belieben seiner Entscheidung gestellt sind. Wer sie nicht befolgt, hat dann die Folgen zu tragen.

Die rabbinische Tradition betont die Gleichrangigkeit von Gottes- und Nächstenliebe, so dass man Gott nicht lieben kann, ohne die konkreten Sozialgesetze der Tora zu erfüllen. Auf welche Weise dies geschehen soll, wird unterschiedlich ausgelegt.

Wesentliches Element vieler jüdischer wie christlicher Auslegungen ist der Dekalogobersatz („Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt hat“), der als Begründung sowohl des ersten Gebots als auch der ganzen Gebotsreihe angesehen wird: Gott hat sein Volk befreit, deswegen soll das Volk keine anderen Götter haben und seine Gebote befolgen.

Die Pfingstbewegung, die charismatische Bewegung, evangelikale und freikirchliche Christen betonen, dass sich die Zehn Gebote nur ganz oder gar nicht befolgen lassen. Sie lehnen damit eine „säkulare“, nur an den Sozialgesetzen interessierte Übernahme ohne Glauben an den, der laut Bibel die Gebote erlassen hat und ihre gesamte Befolgung verlangt, ab. Damit geht jedoch auch ein gewisser Konservatismus bei der Ausdeutung einzelner Gebote einher.

In der Neuzeit wurde der Dekalog als überzeitliches Kulturerbe und Grundlage autonomer, d.h. durch eigene Einsicht begründeter Ethik aufgefasst und in allgemein einsehbare Vernunftregeln wie den Kategorischen Imperativ übersetzt.

Die Liberale Theologie betonte im Anschluss an eine spiritualisierende Deutung der Bergpredigt oft, es komme bei allen Geboten weniger auf den Wortlaut als auf die innere Einstellung an. Dabei konnten die konkreten Forderungen des Dekalogs jedoch in eine Beliebigkeit der Befolgung abgleiten.

Außerhalb der christlichen Kirchen werden die zehn Gebote in Europa oft als „ethisches Minimum“ aufgefasst, wobei diese Einordnung eher an die auf den Mitmenschen bezogenen Gebote der Sozialtafel anknüpft als an die Kulttafel mit ihrem besonderen Gottesbezug. Zudem kennt nur noch eine Minderheit der westeuropäischen Bevölkerung ihren Wortlaut, während sie Christen z. B. in den USA und in einer Minderheitssituation (Diaspora) oft gut vertraut sind.

Außerbiblische Gebotsreihen

Für nichtabrahamitische Religionen sind die ersten drei (vier) Gebote des Dekalogs – das 1. Gebot mit seiner negativen Kehrseite, dem Bilderverbot, das Heiligen des Gottesnamens und das Sabbatgebot – sinnlos, da sie nicht denselben Gott kennen und verehren. Dagegen findet man zu den biblischen Sozialgeboten als Grundregeln für das menschliche Zusammenleben deutliche Parallelen in anderen Kulturen.

Islam

Der Koran kennt keine exakte Parallele zum Dekalog, bezieht sich aber gemäß seiner Struktur als Sammlung von Einzeloffenbarungen des Propheten Mohammed an zahlreichen Stellen auf fast alle Einzelgebote des Dekalogs, die er aufnimmt, in andere Zusammenhänge stellt und abwandelt.

Eine Reihung von zehn koranischen Geboten findet man in Sure 17,22–39 unter dem Titel Die Kinder Israels (nach anderer Übersetzung: Die Nachtreise). Dort wird zunächst bekräftigt, dass Gott Moses die Schrift zur Führung für das ersterwählte Bundesvolk gab. Deshalb zeigen die anschließend genannten Gebote Parallelen zum hebräischen Dekalog, der hier als bekannt vorausgesetzt wird. Sie sind aber zugleich anders angeordnet, paraphrasiert und mit Kommentierungen durchsetzt.

1. Setze Allah keinen anderen Gott zur Seite …
2. Und dein Herr hat bestimmt, … dass man die Eltern gut behandeln soll.
3. Lass deinem Verwandten sein Recht zukommen, ebenso dem Bedürftigen und dem Reisenden; aber handle nicht verschwenderisch.
4. Tötet nicht eure Kinder aus Furcht vor Verarmung …
5. Nähert euch nicht der Unzucht. (andere Übersetzung: dem Ehebruch)
6. Tötet nicht den Menschen, den Gott für unantastbar erklärt hat, es sei denn bei vorliegender Berechtigung.
7. Nähert euch nicht dem Besitz des Waisenkindes, es sei denn zu seinem Besten, bis es seine Vollkraft erreicht hat.
8. Erfüllt eingegangene Verträge … und gebt volles Maß, wenn ihr messt.
9. Verfolge nicht das, wovon du kein Wissen hast …
10. Wandle nicht hochmütig (andere Übersetzung: unbekümmert) auf Erden umher.

Auch sonst sind im Koran häufige Anklänge an Dekaloggebote zu finden:

  • zum 1. Gebot: Suren 3:89; 7:138; 17:22; 39:1-15; 112:2–4. Ein explizites Bilderverbot gibt es nicht; dieses wird aber aus dem häufig wiederholten Verbot der Bilderverehrung abgeleitet.
  • zum Verbot, Gottes Namen zu missbrauchen: Suren 11:18; 39:32; 39:60
  • zur Heiligung des Ruhetags: Der Freitag ist im Islam kein arbeitsfreier Feiertag, sondern nur ein Tag für ein gemeinsames Gebet.
  • zur Achtung der Kinder gegenüber ihren Eltern: Suren 6:151, 17:23, 29:8, 31:14, 46:15; aber auch Verantwortung der Eltern gegenüber ihren Kindern: 6:15
  • zum Tötungsverbot: Der Koran schränkt das allgemeine Recht auf Leben ein und knüpft es an Bedingungen
  • zum Ehebruchverbot: Der Koran übernimmt es (s. o.), gibt dem Mann aber deutliche Vorrechte in Bezug auf die eheliche Treuepflicht. Er erlaubt ihm Polygamie und Sklavinnen als Konkubinen.
  • zum Verbot des Stehlens: Suren 4:29, 5:38
  • zum Verbot des Lügens: Suren 17:36; 24:4

Buddhismus

Der Buddhismus kennt keinen personalen Gott als Ursprung und Gegenüber allen Seins. Er führt das menschliche Leiden auf das Anhaften des Geistes zurück, das es durch Erkenntnis, Wille, Meditation und barmherzige Hingabe an die fühlenden Wesen aufzulösen gilt. In diesem Rahmen definieren buddhistische Schriften auch Kataloge von negativen, schädlichen, die Erlösung hemmenden Handlungsweisen: darunter die zehn unheilsamen Handlungen. Sie sind unterteilt in drei körperliche, vier sprachliche und drei geistige Handlungsweisen:

  1. Töten
  2. Stehlen
  3. Sexuelles Fehlverhalten. Dieses umfasst mehr als nur den Ehebruch. Es schließt missbräuchliche Sexualität allgemein ein: z. B. falsche Partner, Bruch von Enthaltsamkeitsgelübden, Pädophilie, Sexualität an ungeeigneten Orten und zu falschen Zeiten usw.
  4. Lügen
  5. Zwietracht säen
  6. verletzende Worte
  7. sinnlose Rede
  8. Habgier
  9. Übelwollen
  10. verkehrte Ansichten. Dies sind für Buddhisten grundlegende Irrtümer wie die Vertauschung von Existenz und Nichtexistenz, besonders in Bezug auf erlösende Lehren Buddhas selber: z. B. den Zusammenhang von Ursache und Wirkung, also die Ursachen der Entstehung von Glück oder Leid oder die Möglichkeit der Befreiung davon zu leugnen.

Was heilsam oder nicht unheilsam ist, hat für Buddhisten nicht Buddha selbst bestimmt. Bestimmte Handlungsweisen werden nicht wegen eines Verstoßes gegen kodifiziertes Recht abgelehnt, sondern immer hinsichtlich der einer Handlung zugrundeliegenden Motivation. Sie wird nicht als Sünde, also schuldhaftes Vergehen verstanden, sondern als leidverursachend und darum für menschliches Leben ungünstig. Die Ursache dafür liegt immer im eigenen Ego.

Daoismus

Ähnlichen Inhalt haben die Zehn guten Taten und Fünf Gebote im Daoismus.

Hinduismus

In der Philosophie des Yoga gibt es die Yamas/Niyamas.

Säkular-ideologische Parallelen

Die Zehn Gebote der Jungpioniere waren ein staatlich verordneter Verhaltenskodex für den Parteinachwuchs der SED in der DDR. Sie knüpften formal an die Zehn Gebote an, um ethische Verhaltensweisen der Pioniere im Sinne des Realsozialismus zu fördern (siehe dazu Zehn Gebote der sozialistischen Moral).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Artikel Dekalog, Teil I, in: Theologische Realenzyklopädie, Band 8, Walther de Gruyter, Berlin-New York 1981, S. 408-413
  2. Werner H. Schmidt, Alttestamentlicher Glaube in seiner Geschichte S. 61
  3. Werner H. Schmidt, Alttestamentlicher Glaube in seiner Geschichte S.83ff

Literatur

  • Lothar Perlitt, Johathan Magonet, Hans Hübner: Dekalog I. Altes Testament II. Judentum III. Neues Testament IV. Ethisch V. Praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd 8. de Gruyter, Berlin 1981, S. 408–430 (wissenschaftlicher Überblick). ISBN 3-11-002218-4

Exegetisch

  • Timo Veijola: Moses Erben. Studien zum Dekalog, zum Deuteronomismus und zum Schriftgelehrtentum. Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 149 = Folge 8, H. 9. Kohlhammer, Stuttgart u.a. 2000 ISBN 3-17-016698-0
  • Hartmut Gese: Der Dekalog als Ganzheit betrachtet, in: Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie (Beiträge zur evangelischen Theologie; 64), München 1974, S. 63–80
  • Henning Graf Reventlow (Hrsg.): Weisheit, Ethos und Gebot. Weisheits- und Dekalogtraditionen in der Bibel und im frühen Judentum. Biblisch-theologische Studien 43. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 2001 ISBN 3-7887-1832-3
  • Frank-Lothar Hossfeld: „Du sollst nicht töten!“ : das fünfte Dekaloggebot im Kontext alttestamentlicher Ethik. Beiträge zur Friedensethik 26. Kohlhammer, Stuttgart 2003 ISBN 3-17-014410-3
  • Innocent Himbaza: Le décalogue et l'histoire du texte. Études des formes textuelles du Décalogue et leurs implications dans l'histoire du texte de l'Ancien Testament. Orbis biblicus et orientalis 207. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004 ISBN 3-525-53065-X
  • Hagith Sivan: Between Woman, Man and God. A New Interpretation of the Ten Commandments. JSOTSup 401/Bible in the Twenty-First Century Series 4. T. & T. Clark, London 2004. ISBN 0-567-08045-5 (feminist. Exegese)
  • Christian Frevel u.a. (Hrsg.): Die Zehn Worte. Der Dekalog als Testfall der Pentateuchkritik. Quaestiones disputatae 212. Herder, Freiburg i.Br. u.a. 2005 ISBN 3-451-02212-5

Systematisch-theologisch und ethisch

  • Heinrich Albertz (Hrsg.): Die Zehn Gebote. Eine Reihe mit Gedanken und Texten. 10 Bd. Radius, Stuttgart 1987. ISBN 3-87173-789-5
  • Otto Hermann Pesch: Christliche Lebenspraxis – heute und hier. Echter, Würzburg 1994.
  • Traugott Koch: Zehn Gebote für die Freiheit. Eine kleine Ethik. Mohr, Tübingen 1995. ISBN 3-16-146372-2
  • Horst Georg Pöhlmann, Marc Stern: Die Zehn Gebote im jüdisch-christlichen Dialog. Ihr Sinn und ihre Bedeutung heute. Eine kleine Ethik. Lembeck, Frankfurt am Main 2000. ISBN 3-87476-372-2
  • Hermann Deuser: Die zehn Gebote. Kleine Einführung in die theologische Ethik. Philipp Reclam, Stuttgart 2002. ISBN 3-15-018233-6
  • Traugott Giesen: Handle so, und du wirst leben. Die Zehn Gebote. Patmos, Düsseldorf 2002. ISBN 3-491-70347-6
  • Reimer Gronemeyer: Eiszeit der Ethik. Die Zehn Gebote als Grenzpfähle für eine humane Gesellschaft. Echter, Würzburg 2003. ISBN 3-429-02528-1
  • Fulbert Steffensky: Die Zehn Gebote, Anweisungen für das Land der Freiheit. Echter, Würzburg 2003, 2004. ISBN 3-429-02512-5

Rezeption

  • Klaus Biesenbach (Hrsg.): Die zehn Gebote. Eine Kunstausstellung. Deutsches Hygiene-Museum, Dresden / Hatje Cantz, Ostfildern 2004, ISBN 3-7757-1453-7
  • Veronika Thum: „Die Zehn Gebote für die ungelehrten Leut’“. Der Dekalog in der Graphik des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. (= Kunstwissenschaftliche Studien; Band 136). Deutscher Kunstverlag, München 2006, ISBN 3-422-06637-3
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