Next Generation Network

Netzwerktechnologie
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Next Generation Network (NGN) ist ein Begriff aus der Telekommunikation, unter dem allgemein die Konvergenz traditioneller leitungsvermittelnder Telekommunikationsnetze wie Telefonnetze, Mobilfunknetze usw. zu einer einheitlichen paketvermittelnden Netzinfrastrukur- und -architektur verstanden wird. Dabei ist eines der wesentlichen Merkmale von NGN, dass unterschiedliche Netzfunktionen wie Transport, Dienst und die Kontrollfunktion (z.B. Signalisierung) auf unterschiedlichen (logischen) Netzebenen realisiert werden.

Die Bezeichnung NGN wird aber auch häufig (stark vereinfachend) als Schlagwort für die derzeitig erfolgende Umstellung der bestehenden Telekommunikationsnetze auf IP-Technologie benutzt, da das Internet Protocol die vorherrschende Wahl zur Implementierung von paketvermittelnden Netzen ist.

Kritiker sehen in NGN-Netzen eine mögliche Gefährdung der Netzneutralität. Insbesondere auf die geplante Einführung der definierten Ende-zu-Ende-Dienstegüte (QoS)" und die damit verbundene Möglichkeit Datenströme "auszubremsen" wird dabei hingewiesen. Siehe dazu den Artikel Netzneutralität.

Hintergrund

Motivation

Durch den steigenden Kostendruck im Telekommunikationsmarkt und dem Preisverfall bei Sprachdiensten sind Diensteanbieter und Netzbetreiber gezwungen, neue Ansätze zum wirtschaflichen und effizienten Angebot von Telekommunikationsdiensten und Betrieb von -netzen zu suchen. Bisher wurde der Telekommunikationsmarkt von traditionellen Telefonieanbietern dominiert. Es ist aber eine zunehmende Konvergenz der Dienste und Netze zu beobachten. Damit drängen auch klassische Portalanbieter, wie z.B. Google, Yahoo, MSN oder auch Kabelanbieter auf diesen Markt. Das zunehmende Angebot von Telefondiensten mittels VoIP ist nur ein Beispiel. Im Zuge der dieser Konvergenz nimmt im Endkundenumsatz der Wertbeitrag der Netzbereitstellung zu Lasten des Dienstleistungsangebots ab; die Wertschöpfungsketten des TK-Marktes verändern sich. Die etablierten Netzbetreiber sehen sich daher gezwungen Kosteneinsparpotentiale zu suchen und ihre Geschäftsmodelle zu überdenken.

Die traditionelle TK-Infrastruktur ist sehr heterogen aufgebaut. Unterschiedliche Diensteangebote, wie z.B. Festnetztelefonie, GSM, UMTS, Datenübertragung, werden mit unterschiedlichen Netzen realisiert. Es bestehen unmittelbare Abhängigkeiten zwischen Diensten und der verwendeten Technik, wodurch die Einführung neuer Dienste durch Anpassungen der Hardware ein sehr kostspieliger und langwieriger Prozess ist. Eine einheitliche Netzinfrastruktur, die als Plattform für das Angebot sämtlicher Dienste genutzt werden kann, würde Kosten und Zeit sparen. Zusätzlich bietet die Beschränkung auf nur eine Systemtechnik ein großes Einsparpotential in Bezug auf die Kosten für Wartung, Umbau und Beschaffung sowie die Verringerung der Technikstandorte und -flächen. Als grundsätzliche Möglichkeit wird die Umstellung der bisherigen leitungsvermittelnden TDM-Netze auf eine paketvermittelnde Architektur unter Nutzung des Internet Protocol gesehen.

Grundsätzlich könnte hierzu auch das (weltweit) verfügbare Internet als Plattform genutzt werden. Die Netzbetreiber müssten dann nur ihre Zugangsnetze auf IP umstellen während die Dienste und Inhalte über die bestehenden (Internet-)Infrastrukturen bereitgestellt würden. Das Internet in seiner derzeitigen Form hat aber den entschiedenen Nachteil, dass der Informationstransport nach dem Best Effort-Prinzip erfolgt. Damit ist das Internet für das Angebot von zeitkritischen Echtzeit-Diensten wie Telefonie grundsätzlich ungeeignet. Für derartige Dienste ist es notwendig, definierte Übertragungsbedingungen bei einer Kommunikationsbeziehung einzuhalten.

Es ist auch zu beachten, dass eine Umstellung der Infrastruktur auf Paketvermittlung nicht schlagartig erfolgen kann, sondern dass die bestehenden Telefonnetze und Netzzugänge mit entsprechenden angeschalteten Endgeräten über einen längeren Zeitraum parallel zu den neuen Netzstrukturen betrieben werden müssen. Ein störungsfreier Migrationsprozess muss also gewährleistet sein. Die neue Netzinfrastruktur muss daher eine PSTN/ISDN-Simulation bzw. -Emulation ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, eine umfassende Netzarchitektur zu entwickeln, die Kontrollmechanismen bereit stellt, mit deren Hilfe die Netzressourcen entsprechend der Anforderungen der Dienste und der Anzahl der Nutzer sinnvoll und gesteuert verwalten zu können. Das Ziel der NGN-Entwicklung ist, diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Historische Entwicklung

Die ersten NGN-Spezifikationen für den europäischen Raum erfolgten im ETSI Project TIPHON (Telecommunications and Internet Protocol Harmonization Over Networks). Durch die Zusammenlegung dieses Projekts[1] mit dem ETSI TC SPAN (Technical Committee Services and Protocols for Advanced Networks) wurden dann das ETSI TC TISPAN[2] (Telecoms & Internet converged Services & Protocols for Advanced Networks) gegründet, dass bis heute die Bearbeitung von Standards für NGN innerhalb von ETSI betreut.

Die Arbeiten in ETSI TC TISPAN erfolgen for dem Hintergrund der Erstellung von Konzepten für die Migration von PSTN/ISDN hin zu paketübermittelnden Netzen. Es wurde ein NGN spezifiziert, das PSTN und ISDN anschalten und ersetzen kann. Dabei werden alle Systemkomponenten bereit gestellt, um insbesondere Sprachübermittlungsdienste in einem NGN zu realisieren. Es werden Protokolle und Mechanismen von den TISPAN-Arbeitsgruppen spezifiziert, um den Netzbetreibern zu helfen, Migrationstrategien zu entwickeln, um auf standardisierte Komponenten zurückgreifen zu können.

Zusätzlich existiert noch das 3rd Generation Partnership Project (3GPP), das ein NGN aus UMTS heraus entwickelt und damit von den Mobilfunkbetreibern vorangebracht wird. 3GPP hat die Kernspezifikation von IP Multimedia Subsystem(IMS) basierend auf IP-Technologie erarbeitet. Beide Gruppen, ETSI TC TISPAN und 3GPP, streben eine Implementierung von NGN auf Grundlage von IMS an. Dabei arbeiten ETSI TISPAN und 3GPP eng zusammen, um ein Auseinanderlaufen der IMS-Spezifikationen zu vermeiden.

Innerhalb der ITU begannen parallel vergleichbare Arbeiten 1995 mit dem Project Global Information Infrastructures (GII) die dann in die Spezifikation des ITU-T-NGN mündeten. Der ITU-T-Ansatz ist ein übergreifendes Modell zum langfristigen und vollständigen Ersatz leitungsvermittelnder durch paketvermittelnde Netze mit dem Schwerpunkt auf der Definition der grundlegenden Funktionen und Architektur, während die Arbeiten bei ETSI ihren Schwerpunkt mehr in der Ausarbeitung praktischer Implementationen haben. ETSI TISPAN versucht, über einen engen Austausch mit ITU-T, die Vereinbarkeit von ITU-T und eigenem Ansatz zu gewährleisten.

 

Definition und Spezifikation

Die ITU-T definiert ein NGN in der ITU-T-Empfehlung Y.2001[3] wie folgt (Übersetzung aus dem Englischen):

Ein Netz der nächsten Generation (NGN) ist ein paketvermittelndes Telekommunikationsnetz, das Telekommunikationsdienste bereitstellt, viele breitbandige, dienstgüteklassenfähige Transporttechnologien nutzt und bei dem dienstbezogene Funktionen unabhängig von der genutzten Transporttechnologien sind. Es bietet den Nutzern uneingeschränkten Zugang zu Netzen, zu konkurrierenden Dienstanbietern und/oder Diensten ihrer Wahl. Es unterstützt die allgemeine Mobilität, die eine beständige und allgegenwärtige Bereitstellung von Diensten für die Nutzer ermöglicht.

Der Begriff der allgemeinen Mobilität spielt beim NGN eine grundlegende Rolle und wird in der ITU-T-Empfehlung Y.2001 daher noch genauer definiert (Übersetzung aus dem Englischen):

Die Fähigkeit der Nutzer oder anderer mobiler Einrichtungen zu kommunizieren und Zugang zu Telekommunikationsdiensten zu erhalten, unabhängig von der Veränderung ihres Standortes oder der technischen Umgebung. Der Grad der Dienstverfügbarkeit kann von verschiedenen Faktoren abhängen, dies schließt die Eigenschaften des Zugangsnetzes, die Leistungsverträge zwischen dem „Heim-Netzbetreiber“ des Nutzers und denen des besuchten „Netzbetreibers“ (sofern anwendbar) usw. ein. Mobilität beinhaltet die Möglichkeit der Telekommunikation mit oder ohne Aufrechterhaltung der Dienste (service continuity).

Desweiteren listet die ITU-T-Empfehlung Y.2001 die folgenden 14 grundlegenden Merkmale auf, die erfüllt sein müssen, damit ein Telekommunikationsnetz als NGN angesehen werden kann:

  1. Paketübertragung
  2. Aufteilung der Steuerfunktionen in Übermittlungseigenschaften, Ruf/Verbindung und Anwendung/Dienst
  3. Abkopplung des Diensteangebots vom Netz und Bereitstellung von offenen Schnittstellen
  4. Unterstützung eines großen Spektrums von Diensten, Anwendungen und Mechanismen auf der Grundlage von Dienste-Bausteinen (Dienste-Modulen) (einschließlich Echtzeit/Streaming/ Nicht-Echtzeit-Dienste und Multimedia)
  5. Breitband-Fähigkeiten mit durchgehender Dienstgüte und Transparenz
  6. Zusammenarbeit mit vorhandenen Netzen über offene Schnittstellen
  7. Generelle Mobilität
  8. Uneingeschränkter Zugang der Nutzer zu verschiedenen Diensteanbietern
  9. Vielzahl von Identifikationsschemata
  10. Einheitliche Dienstemerkmale für den gleichen Dienst aus der Sicht des Nutzers
  11. Konvergenz von Diensten zwischen fest/mobil
  12. Unabhängigkeit von dienstbezogenen Funktionen von den zugrunde liegenden Beförderungstechnologien
  13. Einhaltung aller regulatorischen Anforderungen, z.B. bei Notrufen sowie Sicherheit/Vertraulichkeit usw.
  14. Übereinstimmend mit allen regulatorischen Anforderungen (z.B. Notfallkommunikation, Sicherheit, „privacy“, Lawful Interception usw.)

Technische Beschreibung

Das TIPHON-Modell

Es besteht im Wesentlichen aus folgenden Komponenten:

welche die einzelnen Netze physikalisch verbinden und für die Übertragung von Informationen sorgen – einschließlich dabei notwendiger Format- und Datenkonvertierung, und
welche die Media Gateways steuern, und zum Beispiel Verbindungen über alle Netzgrenzen hinweg auf- und abbauen.

Neue Dienste in einem NGN werden auch als NGS (Next Generation Services) bezeichnet. Erbracht werden diese Services von der sogenannten Service Delivery Platform (SDP).

Das 3gpp/TISPAN Modell

ITU unterscheidet ihrem NGN Konzept zwischen zwei Schichten: der Transportschicht (Transport Layer) und der Dienstleistungsschicht (Service Layer). Diese Trennung soll es Dienstleistungsanbietern erleichtern, ihre Services unabhänging von zugrundeliegenden Transportprotokollen zu definieren. 3gpp/TISPAN teilt die Transportschicht noch einmal auf, zwischen "Transport Layer" und "IMS Layer". Die Funktionalität verteilt sich wie folgt:

  • Die Transportschicht umfasst die Gateways und bindet die Zugangsnetze ein
  • Die IMS-Schicht umfasst die "Call Control" Funktion (CSCF), sowie Kontrollfunktionen für die Gateways
  • die Serviceschicht enthält das HSS (Datenbank) und AS (Application Server)

Eine detaillierte Beschreibung und Quellen befindet sich in IP Multimedia Subsystem.

Ende-zu-Ende-Dienstegüte (QoS)

Ein generelles Problem entsteht durch die Verwendung eines an sich unzuverlässigen Daten-Transportnetzes (UDPoIP) für die Übertragung von Sprache. Diesbezüglich sind Massnahmen zur Erreichung der "Breitbandfähigkeit mit definierter Ende-zu-Ende-Dienstegüte (QoS)" notwending. Ein spezifischer Vorteil des NGN ist andererseits die konsequente Trennung der Sprachvermittlung von der Rufsteuerung, die erstmals nicht nur protokolltechnisch bereitgestellt wurde - dies wurde bereits in der klassischen Telefonie getrennt - sondern vor allem auch räumlich und geographisch. So ist es mit Einführung von NGN möglich die Rufsteuerung und -vermittlung zentral an wenigen geographischen Orten eines Landes oder Erdteiles zu platzieren, unter Beibehaltung geographischer Redundanz, und die Sprachvermittlung dennoch vor Ort den kürzesten Weg wählen zu lassen. Ein Netz aus tausenden Orts- und Fernvermittlungsstellen wie aus der klassischen Telefonie bekannt, ist hier nicht mehr zwingend nötig.


 
Notenergieversorgung mittels einer USV

Im Gegensatz zum analogen POTS und digitalem ISDN, fehlen NGN Kommunikationsnetzen, IP-Telefonie typisch sämtliche Elemente einer Notspeisefunktionalität. Es müssen daher bei Stromausfall besondere Vorkehrungen wie eine Notenergieversorgung mittels Akkus, Notstromversorgungen usw. getroffen werden..

Gedanken zur Gefährdung der Netzneutralität durch Priorisierung und Resourcenmanagement in paketvermittelnden Netzen

(Nachfolgender Text ist eine Sammlung von Kommentaren, die Gefahren durch praktische Implementierungen von Netzbetreibern diskutieren.Muss noch überarbeitet werden.)

NGN Kommunikationsnetze sind nicht Teil des freien Internets, können aber unter Einhaltung der NGN Spezifikation[4] auch Internet Daten transportieren.

NGN Kommunikationsnetze ermöglichen wegen proprietärer ITU beeinflusster IP Protokolle, eine Tor Funktion für eine herkömmliche Internet Übertragung, womit eine von Seite der ITU gewünschte Kontrolle über Teile des bisher freien Netzneutralen Internets ausgeübt werden kann. Internet über ein NGN Transportiert kann im Gegensatz zum Transportweg PSTN oder ISDN sowie DSL wegen einer verwendeten IP Technologie im Leistungsumfang beeinflusst werden.


Einzelnachweise