Waldbühne Sigmaringendorf
Die Waldbühne Sigmaringendorf ist eine Freilichtbühne auf dem Gebiet der Gemeinde Sigmaringendorf im oberen Donautal. Die Bühne wird hauptsächlich für Amateurtheateraufführungen genutzt, aber auch Konzerte, Freilichtkinodarbietungen, Gottesdienste und andere Veranstaltungen finden hier statt.

Geschichte
Die Geschichte der Sigmaringendorfer Waldbühne beginnt mit dem Beschluss zum Bau einer Freilichtbühne durch die Vorstandschaft des Sigmaringendorfer Theatervereins am 29. April 1928. Der Verwirklichung gingen jedoch bereits einige Jahre der Planung und eine lange Tradition der Liebe zu Theater und Literatur unter den Sigmaringendorfer Bürgern voraus.
Vorgeschichte

Am 9. November 1844 schlossen sich 15 Einwohner der Gemeinde Sigmaringendorf, unter ihnen der damalige Schulmeister Plazidus Rebholz zum Bürger- und Leseverein zusammen, dessen offizielle Gründung dann am 5. Januar 1845 erfolgte, nun schon mit 38 Mitgliedern. Den Zweck des Vereins umschrieben die Gründer so:
„eine Anzahl Bürger zu einem geschlossenen Kreise zu vereinigen, in welchem sie sich gegenseitig durch Gedankenaustausch und Lesen guter Schriften und Bücher unterhalten, ihr Wissen klären und erweitern und dadurch Kultur, Gewerbe und Landwirtschaft befördern wollten“
Aus diesem Bürger- und Leseverein hervorgehend berichtet die Chronik der Gemeinde Sigmaringendorf für die Jahre 1847 und 1848 von Aufführungen einer ledigen Liebhaber-Theater-Gesellschaft, die unter anderem Schillers Turandot auf die Bühne brachte. Von weiteren Theateraktivitäten wird dann verstärkt ab 1895 berichtet, als mehrere Saalstücke aufgeführt wurden. Aus dem Ensemble dieser Stücke entstand dann 1896 der Theaterverein Sigmaringendorf, der spätere Gründer- und Trägerverein der Waldbühne. Gespielt wurden während der Winterzeit hauptsächlich Heimat- und Rührstücke, sowie Klassiker. Die Chronik berichtet auch von Gastspielen in Sigmaringen und Meßkirch. Der Bürger- und Leseverein bestand parallel weiter, ab 1902 allerdings nur noch als „Leseverein“, bis die vereinseigene Bücherei 1935 von den nationalsozialistischen Machthabern zur „Volksbücherei“ umgewandelt und in die Verantwortung der Gemeinde übergeben wurde. Eine Neugründung des Lesevereins nach dem Krieg fand nicht mehr statt.
Entstehung der Waldbühne
Der Spielleiter des Sigmaringendorfer Theatervereins, Josef Wintergerst, kam nach dem Besuch der Hohentwiel-Festspiele in Singen (Hohentwiel) auf die Idee, auch in Sigmaringendorf eine Freilichtbühne zu bauen. In freiwilliger Arbeit der Vereinsmitglieder entstand diese im Jahre 1928 und wurde, noch im selben Jahr, mit dem Drama „Der arme Heinrich“ von Gerhart Hauptmann eingeweiht. Von da an führte der Sigmaringendorfer Theaterverein bis 1939 jährlich mit Ausnahme des Jahres 1938 ein Theaterstück auf. Der Chronist der Gemeinde Sigmaringendorf beschreibt die Entstehung:
„Mitglieder des Theatervereins hatten schon wochenlang, hauptsächlich in ihrer Freizeit, voll Idealismus an der Anlage einer Freilichtbühne in der ehemaligen Kiesgrube am Aufgang zum Steighau gearbeitet. Als erstes Stück wurde auf dieser Freilichtbühne (...) das Drama "der arme Heinrich" von Gerhart Hauptmann aufgeführt. Die Zahl der Besucher nahm immer mehr zu. Sowohl das Spiel wie auch die Bühne hatten von Seiten der jeweils großen Zuschauermenge reiche Anerkennung gefunden.“
Die allererste Freilichtaufführung
Die Zeit der Freilichtaufführungen in Sigmaringendorf begann jedoch streng genommen nicht erst 1928 mit der Inbetriebnahme der Waldbühne: Unterstützung und Begeisterung für das Projekt hatten die Mitglieder des Theatervereins in der Bevölkerung bereits im Jahre 1926 geweckt, als auf der Festwiese von Sigmaringendorf, nur wenige Meter vom späteren Standort der Waldbühne entfernt, Schillers Wilhelm Tell aufgeführt worden war. Die Aufführung fand im Rahmen des 51. Gauturnfestes des Turngaus Hohenzollern statt und lockte zu später Stunde, gegen 22 Uhr, über 1000 Zuschauer an den Ort des Geschehens[1]. Der Erfolg dieser Aufführung überzeugte die in der Gemeinde vorhandenen Skeptiker, die ursprünglich wenig Verständnis für den Bau einer Freilichtbühne aufbringen wollten, wie die Reaktion des damaligen Bürgermeisters August Stecher auf Wintergersts Vorschlag zeigt:
„Des goht doch it, wo wellet ihr au do da Vorhang na macha?“
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Nationalsozialismus und Kriegszeit
Im Jahre 1934 wurde der Verein von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet, das geplante Stück „Die versunkene Glocke“ (erneut ein Hauptmann-Werk) wurde verboten, stattdessen beschloss die neue Vereinsführung, das Stück „Im weißen Rößl“ aufzuführen. Die Instrumentalisierung des Sigmaringendorfer Theatervereins durch die nationalsozialistischen Machthaber sorgte für heftige interne Querelen. Versammlungsprotokolle von 1937 und 1938 berichten von heftigen Wortgefechten, Vereinsaustritten und Amtsniederlegungen, die zur Folge hatten, dass im Jahr 1938 keine Aufführungen stattfanden. Ein Jahr später hatte sich jedoch wieder eine friedliche Spielerschar zusammengefunden und die Querelen beigelegt, sodass der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden konnte. Das Spieljahr 1939 stellte mit damals 7.000 Besuchern das bis dahin erfolgreichste Jahr der Sigmaringendorfer Waldbühne dar. Zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte der Bühne war der Zuschauerandrang so groß, dass mehreren hundert Besuchern der gewünschte Eintritt aus Platzgründen verweigert werden musste. Noch im selben Jahr jedoch erhielten die ersten Schauspieler den Stellungsbefehl und wurden zum Militär eingezogen, sodass die Spielzeit nicht zu Ende geführt werden konnte. Der Betrieb der Waldbühne ruhte ab dieser Zeit während des gesamten Zweiten Weltkrieges. Die Waldbühne wurde in den Kriegsjahren zwar für kommunale Veranstaltungen genutzt, gleichzeitig jedoch auch immer wieder demoliert und geplündert, wohl vor allem für Brennholz und Reparaturen an eigenen Häusern.
Neuanfang
Geplündert und zerstört präsentierte sich die Waldbühne nach dem Krieg. Den Verein, der bis dahin die Bühne betrieben hatte, gab es nicht mehr. Schließlich war es erneut Josef Wintergerst, der die Neugründung des Vereins betrieb und am 19. Februar 1949 schließlich vollenden konnte. Am 2. Juli genehmigte dann auch die französische Militärverwaltung den Theaterverein Sigmaringendorf, gerade noch rechtzeitig, um im selben Jahr den Spielbetrieb wieder aufzunehmen. In Anlehnung an den eigentlichen Beginn des Freilichttheaters in Sigmaringendorf im Jahre 1926 wurde erneut „Wilhelm Tell“ aufgeführt. Die Aufführungen wurden in Ermangelung einer Beleuchtungsanlage bei Tageslicht durchgeführt, Zuschauer und Spieler mussten mit improvisierten Barackenlösungen zurecht kommen, für eine bauliche Wiederherstellung hatte zunächst das Geld gefehlt. Schon ab 1950 jedoch konnten auch wieder Nachtaufführungen durchgeführt werden. Die Waldbühne erlebte in den 1950er Jahren einen großen Aufschwung. Erstmals wurden massive Werbemaßnahmen durchgeführt und neben der damals ungeheuren Zahl von 1300 Plakaten auch Sonderzüge aus Hechingen und Ebingen eingesetzt.
Ausweitung der Nutzung

In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Waldbühne baulich deutlich erweitert, um den steigenden Anforderungen an Komfort und Planungssicherheit Rechnung zu tragen. In diese Zeit fallen die zunächst teilweise, später vollständige Überdachung des Zuschauerraums, der Bau eines Souffleurgrabens und der Ausbau der technischen Anlagen im Bereich Licht- und Tontechnik. So ausgerüstet wurde die Bühne vielseitiger und konnte immer besser auch für Veranstaltungen außerhalb des Theaterbetriebs genutzt werden.
Parallele Nutzung der Bühne
Seit 1979 wird die Bühne nicht mehr nur für ein Theaterstück genutzt. Der Theaterverein Sigmaringendorf gründete in diesem Jahr eine Jugendgruppe, die von da an jährlich, parallel zum so genannten „Erwachsenenstück“ ein Kinderstück aufführte. Dies verschärfte natürlich die Anforderungen an den Bühnenbau, da nun zwei Stücke parallel auf ein- und derselben Bühne dargebracht werden mussten.
Infrastruktur der Bühne heute

Herzstück der Anlage ist die eigentliche Bühne, eine Kiesfläche mit drei fest installierten Podesten links, Mitte hinten und rechts. Zugänge zur Bühne sind von links über eine Treppe aus dem Wald, einen Fußweg hinter der Bühne oder einen verborgenen Aufgang aus dem Souffleurgraben möglich. Auch in der Mitte und auf der rechten Bühnenseite bestehen Zugänge zum Graben, sodass jeder mögliche Auftrittsorte vor den Blicken der Zuschauer geschützt erreicht werden kann. Weitere Bühnenzugänge sind links und rechts durch den Zuschauerraum möglich, bzw. entstehen durch die jährlich wechselnden Gegebenheiten des Bühnenbaus.
Der Zuschauerraum
Der heutige Zuschauerraum bietet in fün Blöcken zu je 12 bis 13 Bankreihen Platz für etwa 670 Zuschauer. Die Kapazität kann durch Zusatzbestuhlung bei Bedarf auf etwa 750 Plätze erweitert werden. Die Bankreihen sind Holzbänke mit Lehne und bieten jeweils zehn Personen Platz. Der Zugang zum Zuschauerraum führt geländebedingt über mehrere Treppen. Ein barrierefreier Zugang für Gehbehinderte, Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen ist nur über den Schauspielereingang und die Bühne möglich.
Hinter den Kulissen
Der Betrieb der Bühne erfordert einige weitere Bauwerke. Unter der Bühne führt der bereits erwähnte Souffleurgraben durch, der an drei Stellen betreten und verlassen werden kann und somit nicht nur dem Souffleur, sondern auch den Schauspielern dient, die hierdurch ihre Auftrittsorte ungesehen erreichen. Hinter der Bühne befindet sich ein Aufenthaltsraum, Lagerstätten für Kulissenmaterial und Requisiten, sowie ein Gebäude mit Werkstatt, Schminkraum und Umkleiden.

Bevor der Zuschauer die Bühne zu Gesicht bekommt, passiert er das Probengebäude und Kostümlager, den Kiosk mit angeschlossenen Toiletten, sowie das für die Finanzen der Bühne so wichtige Kassenhäuschen, das gleichsam den eigentlichen Eingang der Waldbühne markiert. Oberhalb der Bühnenanlage befinden sich zwei große Parkplätze, ein weiterer Parkplatz liegt etwa 150 Meter oberhalb jenseits der Rulfinger Straße (Kreisstraße 107).
Technik
Die größtenteils am und auf dem Dach des Zuschauerraums montierte Licht- und Tontechnik wird von einem Technikraum mit Lager, der sich am hinteren Ende des Zuschauerraums neben der Eingangstür anschließt, gesteuert. Der frühere Schaltraum an der rechten Seite der Bühne, wird seit dem Bau des neuen Raumes nur noch als Lagerstätte benutzt.
Bauliche Entwicklung
Mit der ursprünglichen Waldbühne von 1928 hat die heutige Anlage aus baulicher Sicht nicht mehr viel gemeinsam. Etliche bauliche Veränderungen wurden seither vorgenommen.

Die Anlage
Schon 1928 standen, wie noch heute, Holzbänke für die Zuschauer zur Verfügung, damals noch von schattenspendenden Bäumen durchsetzt, leicht ansteigend aufgereiht und die Bühne bot Platz für über 1000 Zuschauer. 1931 wurde ein erster Souffleurgraben ausgehoben, nahezu alle Anlagen der Bühne jedoch im zweiten Weltkrieg zerstört und ausgeplündert. 1949 wurden Bühne und Zuschauerraum provisorisch in der ursprünglichen Anordnung wieder aufgebaut, 1950 um Umkleideräume und Toiletten ergänzt. Ein zu dieser Zeit aufkeimender Plan, eine Drehbühne einzurichten wurde in den frühen 1960er Jahren wieder verworfen, der erwartete Nutzen stand in keinem Verhältnis zum Aufwand. 1968 begann die Überdachung des Zuschauerraums, die 1987 vervollständigt wurde. Seiter musste nur noch selten eine Aufführung wegen schlechter Witterung abgesagt oder unterbrochen werden. Anfang der 1970er Jahre veränderte sich die Waldbühne gravierend. Der Ausbau der benachbarten Rulfinger Straße machte eine Verlegung des Bühnenzugangs, des Kassenhäuschens und des Kiosks nötig, was zum Bau eines neuen Kiosks mit sanitären Anlagen führte. Die Baracke, in der Schmink- und Umkleideräume untergebracht waren, fiel 1978 einer Brandstiftung zum Opfer und wurde durch ein neues, massives Gebäude ersetzt, das gleichzeitig eine Werkstatt beinhaltet. 1980 wurde der Zuschauerraum im Rahmen der Teilerweiterung der Überdachung mit einer Schallschutzmauer zur Rulfinger Straße hin versehen und der Souffleurgraben erneuert, ein alter Requisitenlagerschuppen wurde 1983 und 1984 erneuert und vergrößert. 1987 schließlich wurden die Wege im Zuschauerraum befestigt und die Überdachung vollendet und in die Form gebracht, die er noch heute hat. Die letzte größere Baumaßnahme war die Erstellung eines Probengebäudes mit Kostümlager im Jahre 1998. Die heutige Anlage bietet somit mehr Komfort und Planungssicherheit als früher, auch wenn die Idylle der ersten Jahre der Waldbühne dadurch sicherlich eingeschränkt ist, die 1929 von der Meßkircher Zeitung beschrieben wurde:
„Der Platz ist ausgezeichnet gelegen. Kaum daß wir eintreten in „des Gottes Fichtenhain“ sind wir schon mitten darin vor der Bühne. Drei Tore tun sich auf vor unseren entzückten Blicken. (...) Natürlicher könnte dieses Naturtheater nicht hineingebettet sein in diesen schönen und anmutigen Winkel.“
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Der Bühnenbau
Ein zweiter Bereich, in welchem Jahr für Jahr große Veränderungen auf der Waldbühne geschehen, ist der Auf- und Umbau der jeweiligen Kulissen. Bis auf das Jahr 1964 wurden die Kulissen jedes Jahr abgebaut und gelagert, um das Material zu schonen und in der folgenden Spielzeit wieder verwerten zu können. Der Bühnenbau geschieht zu einem großen Teil in Eigenregie der Schauspieltruppe und ehrenamtlich, gelegentlich aber auch mit Unterstützung der Gemeinde Sigmaringendorf und professionellen Firmen.
Zuschauerzahlen und Einzugsbereich

Der Zuschauerraum der Waldbühne bietet knapp 700 Menschen Platz. Jährlich besuchen mehr als 10.000 Besucher die ca. 25 Theateraufführungen, die Besucherzahlen der sonstigen Veranstaltungen sind sehr unterschiedlich. Einen Besucherrekord konnte die Waldbühne im Spieljahr 2003 verzeichnen, als zum 75-jährigen Jubiläum der Bühne die Stücke „Die Feuerzangenbowle“ und „Ronja Räubertochter“ über 13.000 Besucher anlockten. Die Besucherstrukturen, die Gäste weit über den Landkreis Sigmaringen hinaus aufweisen, zeigen, dass die Waldbühne über die Grenzen der Region hinaus bekannt ist. In den 1960er und 1970er Jahren wurden wiederholt Aufführungen auf der Waldbühne vom Südwestfunk aufgezeichnet und im Regionalfernsehen ausgestrahlt.
Aufführungen und Veranstaltungen
Bis heute (Stand Oktober 2007) wurden auf der Waldbühne Sigmaringendorf 98 Theaterstücke aufgeführt, das heißt, es gab bereits über 1.000 Theateraufführungen, darunter so bekannte Werke wie „Ein Sommernachtstraum“, „Götz von Berlichingen“ oder „Pippi Langstrumpf“. In der Saison 2007 kamen die Stücke Der Glöckner von Notre Dame und Der Zauberer von Oz zur Aufführung.
Seit dem Jahr 1966 hält die Pfarrgemeinde Sigmaringendorf ihren Fronleichnamsgottesdienst auf der Waldbühne ab, von wo aus anschließend die Gläubigen eine Prozession in die Pfarrkirche Sigmaringendorf abhalten.
Anmerkungen
- ↑ Hohenzollerische Volkszeitung, 1926
- ↑ Übersetzung ins Hochdeutsche: Das geht doch nicht, wo wollt ihr denn da einen Vorhang anbringen?
- ↑ Meßkircher Zeitung, 26. Juli 1929
Literatur
- Gemeinde Sigmaringendorf (Hrsg.): Chronik der Gemeinde Sigmaringendorf, 1249-1981. Sigmaringendorf, 1982
- Theaterverein Waldbühne Sigmaringendorf e.V.: 75 Jahre Waldbühne Sigmaringendorf. Eine Festschrift. Sigmaringendorf, 2003
- Anton Speh: „Mister Waldbühne weist immer den richtigen Weg“ - ein Portrait. In: Schwäbische Zeitung Sigmaringen, 26. Februar 2007