Sayyid Qutb
Saiyid Qutb (9. Oktober 1906 in Musha - hingerichtet am 29. August 1966), war ein bedeutender Theoretiker der ägyptischen Muslimbruderschaft.
Als Kind gebildeter und frommer ägyptischer Landbesitzer geboren, zieht Qutb 1920 mit 13 Jahren zur Schulausbildung nach Kairo. Von 1929 - 1933 studiert er am Dar al-Ulum, 1932 beginnt er seine schriftstellerische Tätigkeit, v.a. als Literaturkritiker. Er ist der erste, der den späteren Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfus entdeckt und fördert. Von 1939 an ist er als Beamter im staatlichen Erziehungsministerium beschäftigt und verbringt im Rahmen dieser Tätigkeit zwei Jahre in den USA am Colorado State College of Education.
Saiyid Qutb kehrt völlig verwandelt 1950 nach Ägypten zurück. Vom säkularen Literaturkritiker wandelt er sich zum gläubigen Muslim, der den Westen und die Verwestlichung Ägyptens scharf kritisiert. Er schließt sich der Muslimbruderschaft an und übernimmt die Herausgabe ihrer Zeitschrift Al-Ikhwan al-Muslimun, die von Nasser nach wenigen Ausgaben verboten wurde. Nach einem fehlgeschlagenen Attentat eines Mitglieds der Muslimbrüder auf Gamal Abdel Nasser wird unter vielen anderen auch Qutb verhaftet. In der Gerichtverhandlung unter Vorsitz des späteren ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat wird er zu lebenslanger Haft verurteilt, eine Strafe, die später wegen Qutbs schlechtem Gesundheitszustand auf 15 Jahre reduziert wird. Während der Verhöre wurde Qutb gefoltert und in seiner Zeit im Gefängnis infizierte er sich vermutlich mit Tuberkulose.
Nachdem er 1964 auf Veranlassung des irakischen Präsidenten Abd as-Salam Arif für kurze Zeit entlassen wird, wird er kurze Zeit später erneut festgenommen und wegen Konspiration gegen das Regime zu Tode verurteilt und gehängt.
Qutb überträgt in seinen Schriften den klassischen Begriff der Dschahiliya, der in der islamischen Geschichte für die präislamische "Zeit der Unwissenheit" steht, auf die Moderne. Die islamischen Staaten seien in das Stadium der Dschahiliya zurückgefallen: "So wie die vorislamischen Araber steinerne Götzen anbeteten, verehrten die Zeitgenossen von Qutb in seinen Augen symbolische Götzen wie Nation, Partei und Sozialismus." (Keppel, 2000) Qutb fordert eine islamische Erneuerung, die eine Gesellschafts- und Wertordnung nach dem Bild der muslimischen Urgemeinde um Muhammad errichtet. In Ma'alim fi-l-tariq - "Meilensteine", das Qutb im Gefängnis schrieb und das sofort nach seinem Erscheinen 1964 verboten wurde, schreibt er: "Die Menschheit steht heute am Rande eines Abgrunds. Sie ist nicht nur von atomarer Vernichtung bedroht, sondern auch von einem Mangel an Werten. Der Westen hat seine Lebenskraft eingebüßt, und der Marxismus ist gescheitert. An diesem bedeutenden und beunruhigenden Scheideweg ist die Stunde des Islam und der muslimischen Gemeinschaft gekommen." (zit. n. Wright, Lettre IV/02)
Werke:
- Mahammat ash-Sha‘ir fi-l-hayat wa-shi'r al-jil al-hadir (Die Aufgabe des Poeten für das Leben und der Poesie für die heutige Generation), 1933
- ash-Shati al-majhul (Das unbekannte Ufer), 1935
- al-Taswir al-Fanni fi-l-Qu'ran (eine literaturwissenschaftliche Abhandlung über den Koran), 1944/45
- Tifl min al-qarya (Eine Kindheit auf dem Lande), 1946
- Al-Adala al-Ijtima'iyya fi-l-Islam (Social Justice in Islam), 1949
- Fi zilat al-Qur'an (Im Schatten des Koran), 1954, Korankommentar in 30 Bänden
- Ma'alim fi l-tariq ("Wegweiser auf dem Pfad" oder auch "Meilensteine"), 1964