Prof. Dr. Peter Bofinger (* 18. September 1954 in Pforzheim) ist seit März 2004 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch Wirtschaftsweise genannt.
Leben
Nach dem Abschluss des Abiturs 1973 studierte er bis 1978 ausgestattet mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung Volkswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes. Von 1978 bis 1981 war er bereits Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stab der Wirtschaftsweisen. 1984 promovierte er zum Dr. rer. pol. an der Universität des Saarlandes. Von 1985 - 1990 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter und ab 1987 Bundesbankoberrat in der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Landeszentralbank in Baden-Württemberg. 1990 habilitierte er an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes. In den Jahren 1990 und 1991 vertrat er die Professur für Wirtschaftspolitik an der Universität Kaiserslautern und 1991 die an der Universität Konstanz. 1991 und 1992 vertrat er den Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, Geld und Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Würzburg, im August 1992 übernahm er die ordentliche Professur. Seit Oktober 2003 ist er Erster Vizepräsident der Universität Würzburg. 2003 machte er sich mit dem innovativen Lehrbuch Grundzüge der Volkswirtschaftslehre auch als Autor einen Namen. Im März 2004 wurde er auf Empfehlung der Gewerkschaften zum Wirtschaftsweisen berufen. In dem Sachverständigenrat löste er den Würzburger Professor Jürgen Kromphardt ab.
Wirtschaftspolitische Standpunkte
Die Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts vom Frühjahr 2004, längere Arbeitszeiten könnten die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen und zur Entspannung am Arbeitsmarkt beitragen, hält Bofinger in einem Interview vom 7. Juli 2004 für "Unsinn".
- "Unsere Wirtschaft ist enorm wettbewerbsfähig. Die Exporte sind in den letzten fünf Jahren real um über 40 Prozent gestiegen. 2003 und im Jahr davor hatten wir einen Rekordüberschuss im Außenhandel. Die Wettbewerbsfähigkeit ist überhaupt nicht unser Problem. Unsinn ist das Ganze auch aus einem anderen Grund: Eine unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit ist nichts anderes als eine Form der Lohnkürzung. Und das passt nun gar nicht in unsere konjukturelle Landschaft...Unser Problem mit den Löhnen ist doch, dass sie eher zu niedrig sind. Seit Jahren betreiben wir eine Wirtschaftspolitik zu Lasten der Nachfrage im Land, weil wir die Wettbewerbsfähigkeit verbessern wollen. Wenn wir so weitermachen, ist das der sichere Weg in die Deflation. Es sind viel mehr Arbeitsplätze auf Grund der schwächeren Binnennachfrage verloren gegangen, als auf Grund der Produktivitätsanstrengungen der Industrie. Der Sektor mit den meisten Arbeitsplatzverlusten ist das Handwerk - noch vor dem öffentlichen Sektor. Alles Folge der massiven Sparpolitik...Die Diskussion (um das Abwandern von Unternehmen ins Ausland, d. Verf.) wird seit langem geführt und so ein völlig falscher Eindruck erweckt, nämlich dass Kapital aus Deutschland abfließt. Das war in den 90er Jahren so. Im Durchschnitt der letzten beiden Jahre gehörte Deutschland zu den Ländern, die per saldo einen Zufluss von ausländischen Investitionen zu verzeichnen hatten. Nach Irland den größten weltweit."
Bofinger betont in seinen Interviews die Bedeutung der Nachfrageseite. Sie würde von den meisten Politikern und Wirtschaftsexperten zu sehr ins Abseits gedrängt. Bofinger ist einer der wenigen deutschen Ökonomen, die sich deutlich gegen die Kernforderungen der Agenda 2010 aussprechen. Insbesondere die Hartz IV-Reform gehe in die falsche Richtung, da es bei ihrer Umsetzung um eine effektive Lohnkürzung handle. Dadurch werde weiterhin die Binnennachfrage geschwächt, weil die Menschen aus Zukunftsangst weniger konsumieren und ihr Geld zurückhalten werden. In diesem Zusammenhang warnt er vor der Gefahr einer Deflation und deren mögliche Langzeitfolgen, ähnlich wie in Japan.
Bofinger fordert Ende 2004 umfangreiche Stützungskäufe von US-Dollars durch die Europäische Zentralbank statt eine Beseitigung der Gründe für die Dollarschwäche wie eine Reduzierung des enormen US-Haushaltsdefizits und des historisch einzigartig hohen US-Handelsbilanzdefizits. Für diese Haltung wurde er von anderen Wirtschaftsexperten in ungewöhnlich scharfer Weise kritisiert.
Schriften
- Christa Randzio-Plath (Hrsg.). Mit Beitr. von: Peter Bofinger: "Wege aus der Krise : Plädoyer für eine europäische Wachstums- und Investitionsoffensive". Baden-Baden : Nomos-Verl.-Ges., 2004 ISBN 3-8329-0674-6
- "Grundzüge der Volkswirtschaftslehre : [eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten] München : Pearson Studium, 2003 482 S..+ 1 CD-ROM ISBN 3-8273-7076-0
- "Monetary policy : goals, institutions, strategies, and instruments". Oxford u.a. Oxford Univ. Press, 2001. 454 S. ISBN 0-19-924856-7
- "Globale Finanzverflechtungen". Grünwald, Atwerb-Verl., 2001 Schriftenreihe: Politische Studien Hanns-Seidel-Stiftung
- "Transmissionsmechanismen der Geldpolitik". (mit Ernst Baltensperger) Berlin : Duncker & Humblot, 1999 ISBN 3-428-09733-5