Chaldäer

semitische ethnische Gruppen in Mesopotamien
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 31. Dezember 2007 um 18:20 Uhr durch R.Toma (Diskussion | Beiträge) (Die Chaldäische Kirche). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Chaldäer ist die Bezeichnung von zwei Völkern im Altertum für

  • die babylonischen Chaldäer und
  • die urartäischen Chaldäer (heutiges Armenien)

In antiken Quellen wurden beide Völker immer wieder verwechselt, da das Volk von Urartu den Gott Chaldi verehrte. Die Geschichte beider Völker verlief aber völlig unabhängig voneinander.

Die babylonischen Chaldäer

Herkunft/Bezeichnung

Die babylonischen Chaldäer (altakkadisch kurKašdu, assyrisch und spätbabylonisch kurKaldu, hebräisch kasdîm, nachachämenidisches Reichsaramäisch kasdajja) waren Semiten und drangen von der Küste des Persischen Golfes her gegen Babylonien vor. Sie hatten möglicherweise weitreichende Verbindungen über den Oman bis nach Jemen, weshalb drei Theorien derzeit diskutiert werden:

Im 8. Jahrhundert v. Chr. passten sich lokale chaldäische Bevölkerungsgruppen den Riten und der Lebensweise in ländlich aramäischen Gebieten an. Ebenso übernahmen sie deren Sprache. Zu Beginn der neubabylonischen Dynastie, um 626 v. Chr. , war der allgemeine Assimilierungsprozess so weit fortgeschritten, teils aramäisiert und teils babylonisiert, dass eine Identifizierung der ursprünglichen Chaldäer nicht mehr einfach möglich war.

Geschichtlicher Überblick

Die babylonischen Chaldäer unterteilten sich in fünf "Häuser" (Bit), wobei Bit Dakuri und Bit Amukkani die größeren "Häuser/Stämme" und Bit Sha'alli, Bit Schilani, Bit Jakin die kleineren Häuser repräsentierten. Erstmals werden die babylonischen Chaldäer unter Assurnasirpal II. um 883 v. Chr. erwähnt.

Unter Tiglat-Pileser III. taucht der chaldäische "König des Meerlandes" Merodach-Baladan (biblische Bezeichnung) aus Bit-Yakin noch als Tributzahler auf. König Ukinzir (griechisch Chinzeros, 731-729 v. Chr.) eroberte das Land Babylonien, wurde aber von Tiglat-Pileser III. entthront und gefangen gesetzt.

Sargon II. konnte nicht verhindern, dass Merodach-Baladan von 721 v. Chr. bis 710 v. Chr. den Thron von Babylonien einnahm und sich zunächst erfolgreich gegen Sargon II. behaupten konnte. Geschickt konnte er mit einem Bündnis Babylonier/Aramäer /babylonische Chaldäer/Elamiter eine starke antiassyrische Koalition bilden. In einer Schlacht bei Dér unterlag Sargon II. noch dem Elamer König Ummanigas (Chuman-nikasch), ehe er 710 v. Chr. Merodach-Baladan ins Exil nach Elam vertreiben konnte. Im Jahr 702 v. Chr. behauptete sich Merodach-Baladan nochmals mehr als 9 Monate gegen Sanherib, ehe er von diesem unweit von Kisch besiegt wurde.

Erst unter ihrem König Nabopolassar gelangten die Chaldäer zur vollen Herrschaft über Babylonien, dessen Thron Nabopolassar 626 v. Chr. bestieg. Dies markiert den Beginn des so genannten Neubabylonischen Reiches.

In späterer Zeit wird die Bezeichnung "Chaldäer" gleichbedeutend mit Sterndeuter oder Wahrsager, vermutlich wegen der Gelehrtenschulen in Orchoe, Borsippa und Sippara.

Die heutigen Chaldäer sind Angehörige der mit Rom unierten chaldäischen Kirche. Sie leben zu größten Teil im Irak, wo die meisten chaldäisch-aramäischen Christen der chaldäischen Kirche angehören. Nach den Arabern und Kurden bildeten sie die drittgrößte Volksgruppe im Land.

Antike Religion

Die Chaldäer besaßen eine polytheistische Weltanschauung, über die nicht viel bekannt ist. Sicher ist, dass das Volk ausgeprägt an Dämonen glaubte:

„Gegen den Kopf des Menschen richtet seine Macht der verfluchte Asak, gegen das Leben der Menschen der grausame Nemtor, gegen den Hals des Menschen der schändliche Utuk, gegen die Brust des Menschen der verderbenbringende Alu, gegen die Eingeweide des Menschen der böse Ekim, gegen die Hand des Menschen der schreckliche Gallin."[1]

Die Chaldäischen Orakel

Die sogenannten Chaldäischen Orakel stellen eine Heilslehre dar, in der orientalische Elemente mit platonischen Vorstellungen vermischt erscheinen. Dieses gegen Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus in Hexametern abgefasste theosophische Offenbarungsbuch ist selbst nicht erhalten. Aus den erhaltenen Resten lässt sich schließen : Die Hierarchie der chaldäischen Göttern gipfelt in einem Gott, dem „Vater“, der als das eine, erste und jenseitige Feuer gekennzeichnet wird. Der Vater ist zugleich Intellekt, er hat sich (der Sinnenwelt) entzogen und wirkt allein durch den zweiten Intellekt und durch seinen Willen. Zahlreichen Zwischenwesen, vor allem den Engeln und den sogenannten Iynges, ist die Aufgabe übertragen, zwischen Gott (intelligible Welt) und Mensch (Sinnenwelt) zu vermitteln. Die menschliche Seele hat ihren Ursprung im göttlichen Vater. Wenn sie sich dieser Herkunft erinnert, vermag sie ihre irdische, körperliche Bindung zu lösen und dem göttlichen Licht zuzustreben. Eine solche dem Licht zustrebende Seele unterliegt nicht mehr dem Schicksal, sie entgeht der Verführung durch die bösen Dämonen und kann ihren Aufstieg zu Gott vollenden. In Gott findet sie Erlösung und Ruhe. Die Chaldäischen Orakel haben den Neuplatoniker Jamblich stark beeinflusst in seinem Werk de mysteriis.

"Chaldäer" als Synonym für Sterndeuter

Als "Chaldäer" werden im Sprachgebrauch der ersten vor- und nachchristlichen Jahrhunderte auch die sternkundigen Berater und Wissenschafter in Mesopotamien bezeichnet, über die man in Israel seit dem babylonischen Exil genaueres wußte (siehe auch Buch Daniel). Sie waren häufig von persischer oder medischer Herkunft, hatten aber ihr Wirkungsfeld von Mesopotamien und Arabien bis Anatolien und die Mittelmeerküsten.

Die Chaldäer verstanden sich u.a. auf Kalenderrechnung und pflegten eine astronomische Symbolsprache zur Darstellung komplexer Zusammenhänge. Im Einflussbereich Babylons hatten sie auch eine religiöse Funktion - vor allem weil man die Planetenbahnen mit ihren unerklärlichen Schleifenbewegungen als Willensäußerung von Gottheiten deutete, die es zu ergründen galt.

Die biblischen Heiligen Drei Könige werden als die "Weisen aus dem Morgenland" und als Sterndeuter beschrieben, die evtl. aus Babylon kamen, welches ein Zentrum der Sternenkunde war. Die griechische Fassung des NT berichtet von "Magiern, die aus dem "Osten" kommen und einen aufgehenden Stern sahen". Deshalb wird teilweise angenommen, dass es sich um Chaldäer gehandelt hat. Alternative Deutungen interpretieren die Gruppe eher als Vertreter des persisch-medischen Raumes, evtl. Vertreter der Priesterkaste der Mager oder (basierend auf Vergleichen von alten überlieferten bildlichen Kleidungs-Darstellungen) als Syrer.

Die Chaldäische Kirche

Die Chaldäische Kirche (genauer Chaldäisch-Katholische Kirche) entstand in der Neuzeit durch Vereinigung von Teilen der alten heiligen apostolischen Kirche des Ostens mit dem Papst in Rom. Die Liturgie- und Theologiesprache der Chaldäischen Kirche ist eine Spätform des Aramäischen, (Alt-) Syrisch genannt. Da jedoch ein Großteil der Gläubigen heute Arabisch spricht, wird das Arabische zunehmend zum Vortrag von Gebeten, Schriftlesungen und manchen Liturgischen Formeln benutzt sowie die Heilige Messe oft zweisprachig gestaltet. In Irak gibt es zwei chaldäische Schwesterngemeinschaften: die Schwestern vom Heiligen Herzen und die Töchter von der Makellosen Maria. In der Chaldäischen Kirche gibt es zudem Mönche, die missionarisch tätig sind: die chaldäischen Mönche gründeten ursprünglich ihre Klöster in der Bergregion im Norden des Irak, wo sie die kurdischen Dörfer besuchten und dies auch heute noch tun, in Schulen als Lehrer unterrichten und Religionsunterricht geben. Aus den Bergen kamen sie nach Mosul und schließlich nach Bagdad, wo sich heute der Sitz des Generaloberen befindet. Die chaldäischen Mönche haben heute 8 Klöster im Irak und eines in Rom sowie eine Mission in Amerika. Heute leben in Irak über 600.000 chaldäische Christen. Etwa ebenso viele leben in chaldäischen Diasporagemeinden auf der ganzen Welt.

Der gegenwärtig amtierende Patriarch von Babylon und Oberhaupt der chaldäischen Kirche ist Kardinal Mar Emmanuel Karim Delly.

Einzelnachweise

  1. Alfred Lehmann, Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart, 1925

Literatur

  • K.Henning Jerusalemer Bibellexikon Neuhausen-Stuttgart, 3. Auflage 1995
  • J.Oates Babylon-Stadt und Reich im Brennpunkt des Alten Orient Bindlach-Verlag 1990
  • H.W.F. Saggs Everyday life in Babylonia and Assyria New York 1987
  • H.W.F. Saggs Babylonians London 1995
  • H. Haarmann Lexikon der untergegangenen Völker C.H.Beck, München 2005, ISBN 3-406-52817-1
  • D.O. Edzard Geschichte Mesopotamiens C.H.Beck, München 2004, ISBN 3-406-51664-5

Siehe auch