Das palästinensische Flüchtlingsproblem ist ein Teilaspekt des des Nahostkonflikts und des Israelisch-palästinensischen Konflikts und bezeichnet die Frage, was mit den vor dem arabisch-israelischen Krieg 1948 (mehr als 700 000 Flüchtlinge, d.h. ca. 80 % der Bevölkerung) und später im Sechs-Tage Krieg 1967 (ca. 300 000 Flüchtlinge) geflohenen Palästinensern geschehen soll. Die Flüchtlinge leben teilweise bis heute in Jordanien, Libanon und anderen arabischen Staaten, unterstützt vom UNRWA, einer Hilfsorganisation der UNO in Flüchtlingslagern und bilden dort eine Minderheit, die in allen Ländern außer Jordanien nicht volle staatsbürgerliche Rechte besitzt und teilweise systematisch diskriminiert wird. Von den arabischen Staaten werden sie als Druckmittel gegen Israel im Nahostkonflikt eingesetzt.
Eine Gewährung des von den Flüchtlingen eingeforderten "Rechts auf Rückkehr", das die demographische Identität des Staates Israel in Frage stellen würde, wird von Israel bis heute abgelehnt. Der Landbesitz, die Häuser und bewegliche Habe der Flüchtlinge wurde zum großen Teil von Israel enteignet.
Wenige Kapitel in der Geschichte sind so umstritten wie die Flucht oder Vertreibung des palästinensischen Volkes in der Folge des UN Teilungsbeschlußes und des arabisch-israelischen Krieges 1948. Von arabischer Seite wird von einer geplanten Vertreibungsaktion Israels gesprochen, so z. B. Sami Hadawi: „In Wahrheit faßte die zionistische Bewegung ihre Politik zusammen in dem Ziel, die palästinensischen Araber aus ihrer Heimat und ihrem Land zu vertreiben (und damit Platz zu schaffen für die geplante Masseneinwanderung).“ Auf israelischer Seite wird dagegen behauptet, daß die Flucht freiwillig war und daß sie aufgrund von Aufrufen arabischer Nachbarstaaten, die Bevölkerung zu evakuieren erfolgt wäre. Der Standardmythos liest sich wie folgt: „The refugees had been confident that their absence from Palestine would not last long: that they would return within a few days – within a week or two. Their leaders had promised them that the Arab armies would crush the Zionist gangs very quickly and that there would be no need for panic or fear of a long exile.“
In Bezug auf die genaue Zahl der Flüchtlinge differieren die verschiedenen Quellen stark. Während die offizielle israelische Zahl bei 520 000 bis 530 000 liegt, sprechen arabische Quellen von 900 000. Die UNRWA, die für die Flüchtlinge zuständige Hilfsorganisation, nennt 726 000.
Die erste Fluchtwelle Dezember 1947 bis März 1948
Unmittelbar nach dem Teilungsbeschluß der Vereinten Nationen setzte eine Welle arabischer Gewaltakte ein. Der Mufti von Jerusalem rief einen dreitägigen Generalstreik aus, das jüdische Geschäftszentrum in Jerusalem wurde gestürmt. Die Briten, die ja immer noch die Mandatshoheit hatten, wahrten dabei, laut einer jüdischen Quelle“benevolent neutrality during the looting“ Die Briten taten jedoch noch mehr. Indem sie die Kommision, die von der UN eingesetzt war, den Teilungsplan umzusetzen, am Betreten des Landes hinderten, konnte der allmähliche Machtwechsel nicht vonstatten gehen. “Infolgedessen fand anstelle der schrittweisen Übertragung der Regierungs- und Verwaltungsbefugnisse ein seltsamer Vorgang statt, nämlich der schrittweise Zusammenbruch aller Organe der öffentlichen Verwaltung und Sicherheit...“ Der Jischuw (die jüdische Gemeinschaft) der bereits staatsähnliche Strukturen aufwies und sich selbst verwaltete war davon weniger betroffen, für die arabische Bevölkerung war dies jedoch katastrophal. Im Januar kamen arabische Freischärler und Soldaten der Arab Liberation Army ins Land und attackierten Jüdische Siedlungen und wichtige Verbindungsstraßen. Anschläge der jüdischen Terrororganisation IZL taten das Ihre, um die Gewalt anzuheizen. Die Hagana ging bald von einer Strategie der Zurückhaltung zu einer der “active defense“ über, fürchtend “The Arabs were interpreting the Jews´ purely defensive strategy as a sign of weakness“. In dieser Periode fand eine, zahlenmäßig noch geringe, Flucht aus den Gebieten im Herzen des zukünftigen jüdischen Staates statt, vornehmlich aus Haifa, Jaffa, den Dörfern in deren Umgebung und den Dörfern in der Küstenregion. In den Städten war es zuerst die Ober- und Mittelklasse, die sich dem Chaos durch Flucht entzog. In den Städten war es zu Nahrungsmittelknappheit gekommen, die Verwaltung war zusammengebrochen, und zu steigender Kriminalität, verursacht durch die Irregulären Truppen. Die Flucht der Ober-und Mittelklasse verstärkte das Chaos noch, da mit ihnen die traditionelle Führerschaft der palästinensischen Araber verschwand, die die wichtigsten Rollen in der Verwaltung und Wirtschaft besetzt hatten. Ihre Motive waren sowohl, sich zeitweilig in Sicherheit zu bringen als auch ein generelles Mißtrauen in eine zukünftige jüdische Herrschaft. Arabische Beamte fürchteten: „in the Jewish state they wouldn´t have any chance of advancement in their careers because precedence would be given to Jews.“
In den Dörfern ist die Flucht dagegen klar auf Hagana und IZL Angriffe oder, mehr noch, Furcht davor zurückzuführen. Hinzu kam noch ein Gefühl der Isolation mitten in jüdischem Territorium und der besonderen Verwundbarkeit. Die Flucht beschränkte sich allerdings auf die Gebiete, in denen jüdische Siedlungen durch arabische Angriffe gefährdet wurden. In einigen Fällen wurden Dorfbewohner von der Hagana aus strategischen Gründen vertrieben, in wenigen wurden Dörfer auf Befehl arabischer Irregulärer evakuiert.
Allgemein betrachteten die Flüchtlinge während dieser Periode ihr Exil als temporär. „They expected the intervention, and possibly victory, of the Arab states.“
Die zweite Welle, April bis Juni 1948
Der Jischuw befand sich in Bedrängnis. Viele jüdische Siedlungen waren von der Versorgung abgeschnitten und belagert, vor allem die Juden von Jerusalem, die sich inmitten arabischer Gebiete befanden. In dieser Lage kam Plan D zum tragen. Sein Ziel war:“to gain control of the area alotted to the Jewish State and defend its borders...“. In ihm wurde zum ersten Mal definitive Anweisung zur Eroberung arabischer Siedlungen gegeben. „reducing enemy potential for guerilla warfare by the capture of certain centers, both in urban and rural areas, inside the borders of the Jewish State“ Plan D enthielt “detailed instructions for the treatment of the Arab population; it insured its right to remain and to continue its normal life, as long as it did not revolt against the future military government.“ Die erste Anweisung wurde erfüllt, die zweite nicht. Zu dieser Zeit gebann der Massenexodus der Palästinenser.
Ein Massaker markierte den Beginn. Am 9. April griffen IZL und LHI Einheiten, mit Unterstützung der Hagana, das Dorf Dir Yassin an. Dir Yassin war dem Jischuw freundlich gesinnt, hatte keine arabischen Freischärler beherbergt. Nach der Einnahme des Dorfes durch die Haganah ermordeten IZL und LHI 250 Einwohner des Dorfes, Männer, Frauen und Kinder. Ein Rot Kreuz Angehöriger, der Dir Yassin am Tag nach dem Massaker besucht hat, berichtet:“There had been 400 people in this village; about fifty of them had escaped, and were still alive. All the rest had been deliberately massacred in cold blood for, as I observed for myself, this gang was admirably disciplined and only acted under orders.“
Die Nachricht von Dir Yassin verursachte Panik unter den Arabern. Die umliegenden Dörfer wurden fluchtartig verlassen. Die Evakuierung Tiberias, kurze Zeit später, vollzog sich ebenfalls unter dem Eindruck Dir Yassins. Nachdem die Briten sich geweigert hatten, den Einwohnern Schutz vor den Angriffen der Juden zu garantieren, wurde die Stadt auf Beschluß der arabischen Führer verlassen. Ähnliche Ereignisse spielten sich in Haifa ab. Nachdem Bitten um Verstärkungen aus Damaskus oder um Handlungsanweisungen vom AHC unbeantwortet geblieben waren, Friedensverhandlungen mit der Hagana gescheitert waren, entschlossen sich am 22. April die wenigen arabischen Führer, die noch in der Stadt waren, die Stadt zu evakuieren. Ihre Entscheidung war möglicherweise auch bedingt durch die Bedrohung, im Falle eines Friedensvertrages mit den Juden als Verräter angesehen zu werden. Die Flucht vollzog sich, unter britischer Hilfe per Schiff und zu Land nach Acre und in den Libanon oder Nazareth, Jenin und Nablus.
Jaffa, die größte arabische Stadt in Palästina, war im Teilungsplan dem arabischen Staat zugesprochen worden. Die Hagana plante keine Eroberung Jaffas, am 25. April begann jedoch der IZL einen Angriff auf Jaffa. Ein dreitägiges Bombardement mit Mörsern unterminierte die Moral in der umzingelten Stadt. Diesmal kamen die Briten - politisch schwer angegriffen wegen ihres Verhaltens in Haifa - der Stadt mit Truppen zu Hilfe. Jaffa blieb jedoch von jeglicher Versorgung und anderen arabischen Zentren abgeschnitten.
Die Evakuierung arabischer Städte spielte sich meist nach einem ähnlichen Muster ab. Die Hagana eroberte die umliegende Dörfer, der Nahrungsmittelnachschub war damit unterbrochen, die örtlichen Führer, wenn sie noch da waren, flohen und ließen die Stadt führungslos und in einem wirtschaftlichen Chaos zurück. Hinzu kamen die Nachrichten vom Fall anderer Städte, die ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit verursachten, die undisziplinierten Freischärler, die mehr die Bevölkerung schädigten als die Stadt wirksam zu verteidigen und die Mörserattacken der Hagana, nicht zu rechnen die zahlreichen Flüchtlinge uas anderen Gebieten, im Falle von Acre kam noch eine Typhusepidemie hinzu, all diese Faktoren unterminierten die Moral der Bevölkerung und trieb die Leute zur Flucht.
Die Dörfer dagegen wurden größtenteils direkt aufgrund jüdischer Angriffe im Rahmen von Plan D „verlassen“. „Plan D had specified that such villages [in strategisch wichtigen Gebieten für die Juden], if offering resistance, should be destroyed and their inhabitants expelled.“ Aus den Dörfern gab es keine „schleichende“ Abwanderung über einen längeren Zeitraum hinweg, vielmehr flohen die gesamten Bewohner, der Mukhtar und die Milizen während der jüdischen Angriffe. „Most of the villages were completely empty by the time they were occupied.“ In zunehmenden Maße fanden jedoch auch Vertreibungsaktionen der Israelis statt, speziell in der Küstenregion. Teilweise wurde physischer Druck ausgeübt, anderswo setzte man auf sogenannte „whispering campaigns“. Die jüdischen Bürgermeister wurden angewiesen, den Bewohnern der arabischen Nachbardörfer „im Vertrauen“ zuzuflüstern, es seien jüdische Verstärkungen eingetroffen, und ihnen den freundschaftlichen Rat geben, zu fliehen solange noch Zeit war. Es wurden keine Unterschiede gemacht zwischen friedlichen, dem Jischuw freundlich gesonnenen Dörfern und solchen die Milizen beherbergt hatten. Die Hagana ließ sich auch nicht auf Verhandlungen mehr ein, trotz Übergabe- Angeboten wurden Dorfgemeinschaften vertrieben.
Die dritte Welle, Juli bis Oktober
Die israelischen Offensiven während der 10 Tage, die zwischen dem ersten Waffenstillstand und einem zweiten lagen, erzeugten eine neue Flüchtlingswelle. Obwohl ein Verbot vorlag, arabische Siedlungen zu zerstören oder die Bewohner zu vertreiben, hing das Resultat in den einzelnen Gebieten weitgehend von den dortigen Armee Kommandeuren ab, aber auch von der Religionszugehörigkeit der Dörfer. Dies zeigte sich besonders im Falle von Nazareth. Strenge Befehle gegen Plünderung, und Beschädigung von Kirchen wurden gegeben, um das Image des israelischen Staates dem christlichen Ausland gegenüber nicht zu gefährden. Auch wurden die Einwohner nicht vertrieben, und den sich in der Stadt befindlichen Flüchtlingen wurde teilweise gestattet, in ihre Dörfer zurückzukehren.
Auch die Dörfer in Galiläa, die christlich oder drusisch waren, blieben zum großen Teil von einer Vertreibung verschont. Lediglich ein einziges drusisches Dorf wurde vertrieben. „Most observers at the time believed that the IDF in Operation Dekel had roughly drawn a distinction between Muslims on the one hand and Druse and Christian on the other.“ Aber auch vielen muslimischen Dorfgemeinschaften wurde erlaubt zu bleiben.
Die wichtigste Offensive war Operation Dani, die die Verbindung nach Jerusalem sichern sollte und die Bedrohung Tel Avivs durch die Arabische Legion, die in den Städten Lydda und Ramle saß, aufheben sollte. Lydda und Ramle waren dem zukünftigen arabischen Staat zugesprochen worden. Das jüdische Bombardement und der Angriff auf die Städte verursachte panische Flucht. In Ramle wurde ein Übergabeabkommen unterzeichnet, das “guaranteed [...] the right to leave the town of persons of non-military age...“ Lydda dagegen wurde ohne Übergabeabkommen von israelischen Truppen am 11. Juli besetzt. Am folgenden Tag tötete die Arabische Legion zwei israelische Soldaten in einem Feuergefecht, die Bevölkerung ließ sich davon anstecken und attackierte ihrerseits die israelischen Truppen. Darauf gab Battalionschef Kelman den Befehl auf jeden in den Straßen zu schießen. 250 Tote auf arabischer Seite, zwischen zwei und vier auf israelischer Seite waren das Ergebnis. Auf die Schießerei in Lydda folgte die massenhafte Vertreibung der Einwohner der beiden Städte. In diesen Zusammenhang fällt einer der wenigen Berichte über die Verantwortung Ben Gurions für die Vertreibung. Der spätere israelische Premierminister Jitzhak Rabin berichtet in einem Interview von einer Lagebesprechung, was mit den Einwohnern Lyddas und Ramles geschehen solle: „According to the best account of the meeting, at which Generals Yadin, Ayalon and Allon, Israel Galilee and Lt Colonel Yitzhak Rabin (chief of Operations Operation Dani) were present, someone possibly Allon, after hearing of the start of the shooting in Lydda, proposed expelling the inhabitants of the two towns. Ben-Gurion said nothing, and no decision was taken. Then Ben-Gurion, Allon and Rabin left the room. Allon asked: “What shall we do with the Arabs?“ Ben-Gurion made a dismissive, energetic gesture with his hand and said: “Expel Them.“ Den Vertreibungsbefehl unterzeichnete Rabin.
Die Vierte Welle Oktober bis November 1948 und anschließende Vertreibungen
Von der vierten Welle waren hauptsächlich die Gebiete im Norden, in Galiläa und im Süden. Im Süden standen sich zwei reguläre Armeen gegenüber, die ägyptische und die – mittlerweile mit Bombern und Panzern und anderen schweren Waffen ausgerüstete – israelische. Dies gab den Einwohnern das Gefühl, „That they would be on the firing line, between hammer and anvil...“. Hier vollzog sich wieder eine Mischung aus Flucht – der Majorität – und Vertreibung der wenigen zurückgebliebenen. Auch hier ereignete sich ein Massaker, in Ad Dawayima am 29. Oktober. Es existieren jedoch keine genauen Angaben über die Zahl der Toten. Allon ordnete eine interne Untersuchung an.
Viele Palästinenser flohen zusammen mit der abziehenden ägyptischen Armee. Die Bevölkerungszahl des Gazastreifens stieg mit der Fluchtwelle von 100 000 auf 230 000.
Im Norden kamen wieder die konfessionellen Unterschiede zum Tragen, desweiteren hatte es die israelische Armee hier nur mit Qawuqjis Arabischer Befreiungs Armee zu tun, die keinen ernstzunehmenden Gegner darstellte. Die Vertreibung und Flucht blieb zum großen Teil auf muslimische Dörfer beschränkt, ausgenommen Eilabun, ein christlich maronitisches Dorf. Nach einem Kampf mit im Dorf stationierten ALA-Einheiten erobert, fanden die Israelis im Dorf die Leichen zweier vermißter Soldaten. Während sie einige Männer erschossen, wurde die restliche Dorfbevölkerung – trotz ihrer Beteuerungen, für die Toten wäre die ALA verantwortlich – vertrieben.
Vor allem die Bewohner teilweise verlassener Dörfer wurden vertrieben, da man die Infiltration durch zurückkehrende Flüchtlinge fürchtete. Immer wieder wurden Dörfer durchsucht und “Illegale“, d. h. alle, die nicht von der Volkszählung im November 1948 erfasst worden waren und keinen Pass besaßen, über die Grenze geschickt.
Im Süden wurde die Bevölkerung von Faluja und Iraq al Manshiya durch Gewalt und “psychologische Kriegsführung“ zur Flucht getrieben. Um das Schicksal der Beduinenstämme im Negev gab es heftige Diskussionen, von dem Vorschlag die “guten“ Beduinenstämme als Grenzwache einzusetzen, bis hin zu dem Vorschlag sie in die Wüste zu schicken, “to push back the bedouin [...] far into the desert.“). Zuletzt wurde beschlossen, “it were best that they were “concentrated“ in a specific limited area.“ Tausende von Beduinen wurden in ein Gebiet im Osten Ber Schebas gebracht. An der Grenze zu den von Transjordanien besetzten Gebieten hinderte internationaler Druck die Israelis an einer Vertreibung.
Die arabische Politik
Bezüglich der Flucht der Palästinenser kann man von den arabischen Staaten, die in den Konflikt verwickelt waren, sowie vom AHC nur sagen: Sie reagierten zu spät, zu langsam und zu unentschlossen. Dazu trugen folgende Faktoren bei. Die erste Fluchtwelle bestand hauptsächlich aus Ober- und Mittelklasse, die für ihre Gastländer keine finanzielle Belastung darstellten. „Moreover, the exodus of December 1947 - March 1948 included families and members of families affiliated to the Husaynis themselves, including many AHC members: to condemn them too strongly for fleeing might prompt dissension and backbiting within the Husayni camp.“ Das AHC konnte also nichts unternehmen, ohne sich zuvor selbst zu treffen. Die Landbevölkerung floh dagegen zumeist an andere Orte innerhalb Palästinas. Am 8. März erließ das AHC eine Anweisung, Alte, Frauen und Kinder aus Kampfgebieten zu evakuieren, was jedoch die Motivation der zurückbleibenden Männer nicht unbedingt stärkte. Im Allgemeinen wurde die Flucht mißbilligt, aber – außer einigen Radioaufrufen – nichts dagegen unternommen. Möglicherweise wurde die Flucht anfänglich auch als gute, propagandistisch wertvolle Rechtfertigung für einen geplanten Angriff auf Israel gesehen.
Als die arabischen Staaten – zu spät – bemerkten, daß sie sich mit den Flüchtlingen ein immenses wirtschaftliches, politisches und militärisches Problem aufgeladen hatten, blieb ihnen nur übrig, die Flüchtlinge zur Rückkehr aufzurufen, was diesen von den Israelis nicht gestattet wurde, sowie internationalen Druck auf Israel auszuüben.
Die israelische Politik
Obwohl der palästinensische Exodus den Jischuw angeblich zunächst völlig überraschte und keineswegs geplant war, gab es doch schon lange zuvor Überlegungen, was mit den Arabern in einem zukünftigen jüdischen Staat geschehen solle. Der Gedanke eines Transfer taucht hierbei schon sehr früh auf. Herzl, der Begründer des Zionismus, schreibt in seinen Tagebüchern: „We shall try to spirit the penniless population across the border by procuring employment for it in the transit countries, while denying it any employment in our own country.“ Ben-Gurion vertrat 1938 die Idee eines freiwilligen Transfers: „The starting point for a solution of the Arab problem in the Jewish state was the conclusion of an agreement with the Arab states that would pave the way for a transfer of the Arabs out of the Jewish state to the Arab countries.“ Während der Verhandlungen zum Teilungsbeschluß wurde dieses Thema nicht diskutiert, aber man machte sich Gedanken über den Kriegsfall. „In the event of a war between the two Palestine states, said Ben-Gurion, the Arab minority in the Jewish state would be a „Fifth column“.
Während in den ersten Monaten des Krieges die Eroberung und Zerstörung palästinensischer Dörfer weitgehend aus strategischen Motiven geschah und die Flucht oder Vertreibung der Bewohner nicht das Hauptziel bildete, wandelte sich das Verhalten der Israelis später entscheidend. Als im Frühling 1948 die ersten Flüchtlinge zu ihren Dörfern zurückkehren wollten, begann die Debatte, ob eine Rückkehr zugelassen werden sollte. „I am not willing to make extraordinary arrangements to bring back Arabs“ formulierte Golda Meir ihren Standpunkt. Außenminister Shertok schlug eine Warnung an die Araber vor: „Suggest consider issue warning Arabs now evacuating cannot be assured of return.“
Die arabischen Staaten drängten auf eine Rückkehr, da sie allmählich die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Auswirkungen der Flüchtlingsbewegung zu spüren begannen.
Auf jüdischer Seite etablierte sich Ende Mai ein erstes, inoffizielles „Transfer Komittee“, „an institution whose role will be. . . . to seek ways to carry out the transfer of the Arab population at this oppurtunity when it has left its normal place of residence.“ Weitz, der Vorsitzende dieses Komittees schlug Ben-Gurion eine Reihe von Maßnahmen vor, darunter die Zerstörung palästinensischer Dörfer, die Ansiedlung von Juden in leerstehenden Dörfern und die Schaffung von Gesetzen, die eine Rückkehr verhindern sollten. Eine schriftliche Antwort oder Autorisierung von Ben-Gurion erhielt Weitz nicht, aber auf eigene Faust ließ er einige Dörfer zerstören. Es muss jedoch auffallen, daß Weitzs Vorschläge fast buchstabengetreu ausgeführt wurden. Am 16. Juni sagt Ben-Gurion in einer Kabinettsrede: „I believe [...] we should prevent their return . . . We must settle Jaffa, Jaffa will become a Jewish city...“ Während in den ersten Kriegsmonaten die Dörfer zerstört wurden, ging man später dazu über, Neueinwanderer in den eroberten Dörfern anzusiedeln. Selbst Dir Jassin wurde trotz heftiger Proteste in eine jüdische Siedlung umgewandelt. Der Landbesitz der Dörfer wurde umliegenden Kibbutzim zugeschlagen. Die Volkszählung im November 1948, als die Vertreibung der arabische Bevölkerung nahezu abgeschlossen war, war der erste Schachzug, eine Rückkehr der Palästinenser auch gesetzlich unmöglich zu machen, indem sie alle, die zu diesem Zeitpunkt nicht an ihrem Wohnsitz waren, zu Illegalen erklärte, die ausgewiesen werden konnten. Es folgte die „Notstandsverordnung über das Eigentum Abwesender“ vom 12. 12. 1948, in der die Flüchtlinge ihres Eigentums beraubt wurden.
Die Haltung des Auslandes
In der zweiten Hälfte des Jahres 1948 begann die Weltöffentlichkeit Notiz von der Existenz des Flüchtlingsproblems zu nehmen. Hilfsorganisationen wurden gegründet, um die Flüchtlinge mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Der UN-Vermittler Graf Folke Bernadotte machte sich die Rückkehr der Flüchtlinge zur Aufgabe. Er forderte von den Israelis eine Anerkennung des „right of return“. Am 17. Juni bat er die Israelis, die Rückkehr von 300.000 Flüchtlingen zu gestatten.. Auch der amerikanische Druck nahm zu. Die israelische Antwort auf alle Anfragen war stereotyp und geschickt: sie verschob eine Entscheidung auf später, in den Zusammenhang allgemeiner Friedensverhandlungen mit den arabischen Staaten und sicherte sich damit in diesen eine gute Verhandlungsposition. „Sasson had said that there would be no return of refugees except as part of a peace agreement with the Arab states; restitution for confiscated Arab property would be linked to compensation for Jewish property confiscated in Arab countries; and any return would be selective.“ Die Flüchtlinge wurden von Kohn, einem Berater der israelischen Außenministers als „our most valuable bargaining asset“ angesehen.
Am 17. September 1948 wurde Bernadotte, der härteste Gegner der Israelis in der Flüchtlingsfrage von jüdischen Terroristen ermordet. Seine Vorschläge zur Lösung des Flüchtlingsproblem bildeten die Basis der UN-Resolution 194, die das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr feststellte.
Das Scheitern der Friedensverhandlungen
Die Friedensverhandlungen wurden hauptsächlich von den Vereinten Nationen, der Palestine Conciliation Commission, und den USA betrieben. Sie scheiterten sowohl an der Haltung der Israelis, als auch an der Haltung der Arabischen Staaten. Von den Israelis forderten die Vermittler keine volle Repatriierung der Flüchtlinge, aber eine Anerkennung des Rechts auf Rückkehr und eine Geste: Sie sollten einen Teil der Flüchtlinge (250.000) wieder aufnehmen, der Rest sollte in den arabischen Staaten angesiedelt werden.
In einem anderen Plan, dem Gaza Plan, sollte Israel von Ägypten den Gazastreifen, möglicherweise gegen israelische, territoriale Zugeständnisse, erhalten und die dortige Bevölkerung einbürgern und die Flüchtlinge des Gazastreifens zu ihren Dörfern zurückkehren lassen. Israel stand dem Plan positiv gegenüber, Ägypten lehnte ihn jedoch am 29. Juli ab. „The Egyptian Foreign Ministry contended that the plan could serve only the interests of Israel, which was making use of the refugee question to extent its boundaries.“
In den Verhandlungen in Lausanne bewegte sich nichts, die Israelis verweigerten die geforderte Geste. Sasson beschreibt – recht zynisch – die israelische Haltung: „Firstly, the Jews believe that it is possible to achieve piece without any price, maximal or minimal...“
Die arabischen Staaten dagegen befanden sich, wie Morris es nennt, in einer „no-lose situation“ Im Falle einer Weigerung Israels, die Flüchtlinge zurückzunehmen, stände Israel als moralischer Verlierer vor der Weltöffentlichkeit da, im anderen Falle trügen die Flüchtlinge zur Destabilisierung des Staates bei. Die arabischen Staaten beharrten auf vollständiger Repatriierung.
Am 3. August machten die Israelis nach langem Zögern das Angebot, 100.000 Flüchtlinge zu repatriieren., was heftigen innenpolitischen Widerstand auslöste. Die Araber lehnten ab. Für Israel schien, wie einige meinten, ein Frieden nicht dringlich: „Israel prefers...status quo ... Objectives appear to be (1) Absorption of almost all Arab refugees by Arab states and (2) de facto recognition of armistic lines as boundaries.“ Die Konferenz von Lausanne endete am 12. September – ergebnislos.
Literatur
- Erskine B. Childers, The wordless wish: from citizens to refugees, aus: Ibrahim Abu-Lughod(ed.), The Transformation of Palestine, Northwestern University Press, Evanston 1971
- Sami Hadawi, Bittere Ernte, Palästina 1914-1967, Verlag für zeitgeschichtliche Dokumentation, Rastatt 1969
- Deborah Kaplan, Das arabische Flüchtlingsproblem und die Vereinten Nationen, Ner-Tamid Verlag, Frankfurt 1962
- Walid Khalidi (ed.) From Haven to Conquest, Readings in Zionism and the Palestine Problem until 1948, Institut for Palestine Studies, Beirut 1971
- Benny Morris, The Birth of the Palestinian refugee problem 1947-1949, Cambridge University Press 1987
- Friedrich Schreiber, Michael Wolffsohn, Nahost: Geschichte und Struktur des Konflikts, Leske und Budrich, Opladen 1996