Chemtrails sind nach einer relativ neuen Verschwörungstheorie künstlich (mit chemischen Mitteln) hervorgerufene Kondensstreifen (Contrails bzw. Sublimationsstreifen), die neben den kondensierten Flugzeugabgasen noch weitere Zusätze enthalten sollen. Sie sollen sich von „klassischen“ Kondensstreifen vor allem durch ihre Langlebigkeit und flächige Ausbreitung unterscheiden.
Ursache und Zweck
Es soll sich nicht um normale Kondensstreifen handeln, da solche Streifen, die sich derart in die Breite ausdehnen, früher (in Deutschland vor 2000) nicht beobachtet worden wären und auch auf alten Fotos angeblich nicht zu finden seien. Anders als normale Kondensstreifen würden die Chemtrails nicht aus Eiskristallen, sondern aus diversen chemischen Substanzen bestehen. Auffällig seien weiterhin die exakt parallelen und sogar schachbrettartigen Muster, die bei normalem Flugverkehr nicht vorkommen würden.
Laut einer These würden großflächig Substanzen versprüht, um eine Beeinflussung des Klimas zu erreichen. Durch die Ausbringung von vornehmlich Barium- und Aluminiumverbindungen solle die Einstrahlung der Sonne vermindert und der durch Treibhausgase ausgelöste Treibhauseffekt kompensiert werden.
Es gibt weitere Varianten dieser Verschwörungstheorie: So seien die Ziele der angeblichen Chemtrail-Maßnahmen Geburten- oder Gedankenkontrolle der „besprühten“ Bevölkerung oder medizinische Experimente mit gentechnisch veränderten Bakterien. Die Palette der angeblichen Urheber ist breit. Anfangs galten vor allem die USA oder die Vereinten Nationen als verdächtig, allerdings erweiterte sich im Laufe der Zeit der Kreis der mutmaßlichen Verursacher. Mittlerweile werden auch die klassischen Protagonisten von Verschwörungstheorien - Freimaurer, Illuminaten sowie die angebliche jüdische Weltverschwörung - als Urheber genannt.
Veröffentlichungen
- Erstmals im deutschen Sprachraum veröffentlicht wurde die Verschwörungstheorie im Artikel „Die Zerstörung des Himmels“ der Zeitschrift Raum & Zeit vom Januar 2004. Sie kursierte aber bereits einige Jahre vorher in einigen esoterischen Webseiten und Internet-Foren.
- Gerd Hohberger, "Gefahr?", 2004, ISBN 3939359211
- Christian Haderer, "Chemtrails", 2005, ISBN 3853652131
- Frank Hills, Chemische Kondensstreifen über Deutschland, 2005, ISBN 3938235179
Kritik
Der Hauptkritikpunkt an der Chemtrail-Theorie ist, dass vom Boden aus die Zusammensetzung eines Kondensstreifen nicht beobachtbar ist. Alle Angaben über die seit den 2000er Jahren angeblich veränderte Beschaffenheit der Kondensstreifen sind daher hochspekulativ. Ihre Ausbreitungsform und -geschwindigkeit sowie ihre Beständigkeit hängen von Faktoren wie Temperatur, lokaler Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit ab. Bei hoher Luftfeuchtigkeit können Abgaspartikel als Kristallisationskeime wirken, weiteren Wasserdampf binden und sich bei entsprechenden Strömungen weit ausbreiten.
Es konnte bisher kein Nachweis für die Anwesenheit von Barium oder Aluminium in den Kondensstreifen von Flugzeugen oder in Flugzeugtreibstoffen erbracht werden. Die durchschnittliche Temperatur hat in Deutschland in den letzten Jahren zu- und nicht abgenommen, wie es jedoch bei einer erfolgreichen Anwendung von chemischen Zusätzen in Flugzeugtreibstoffen zu erwarten gewesen wäre. Forschungsergebnissen der NASA zufolge bleiben die Albedowerte (Licht- und Wärmerückstrahlung in den Weltraum) der Erde konstant bzw. nehmen sogar ab.
Auch Greenpeace und das Umweltbundesamt halten die Chemtrail-Theorie für unseriös. Für Anhänger der Chemtrail-Theorie sind solche abschlägigen Stellungnahmen jedoch mit ein Beweis dafür, dass die jeweiligen Regierungsstellen und Nichtregierungsorganisationen ihr Mitwissen verschweigen würden. Das ist ein Merkmal einer klassischen Verschwörungstheorie.
Die Theorie beruht möglicherweise auf der geringen Erinnerungsfähigkeit der durchschnittlichen erwachsenen Bevölkerung. Dadurch erscheint die Behauptung stimmig, stabile Kondensstreifen habe es vor 1995 oder vor 2000 (je nach Quelle) nicht gegeben. Jedoch sind in der Wetterkunde Kondensstreifen als eine Art künstliche Cirruswolken schon viel länger bekannt, als die angebliche organisierte Klimaänderung stattfindet. Kondensstreifen, die am Himmel stehen bleiben, sind der Wetterkunde zufolge Anzeichen für Wetteränderungen. Viele der angeführten Phänomene lassen sich als meteorologische Erscheinungen oder Fehlinterpretationen von Fachinformationen erklären.
Einen gewissen Auftrieb erhalten derartige Verschwörungstheorien auch durch wissenschaftliche Vorschläge zum Stopp der Erderwärmung: Der Chemienobelpreisträger Paul Crutzen möchte dies durch künstliche Verfrachtung von Schwefel in die Stratosphäre erreichen. Der australische Forscher Tom Wigley will mit der Doppelstrategie "Schwefel-Injektionen" und "Reduktion der Treibhausgasemissionen" die Erderwärmung stoppen.
Es befinden sich verschiedene Vorrichtungen auf dem Markt wie sogenannte Towerbuster (abgekürzt TB), Cloudbuster, Chembuster und Orgonit-Platten, die angeblich in der Lage sein sollen, Chemtrails aufzulösen. Die Wirksamkeit dieser Vorrichtungen ist nicht belegt und nicht wissenschaftlich nachvollziehbar.
Weblinks
- Chemtrails – Gefährliche Experimente mit der Atmosphäre oder Fiktion? Informationsseite des Umweltbundesamtes über Chemtrails (pdf)
- chemtrails.ch - Die Zerstörung des Himmels aus der Zeitschrift Raum & Zeit (pdf)
- patft.uspto.gov - Stratospheric Welsbach seeding for reduction of global warming Welsbach-Patent
- Bruce A. Wielicki und andere: Changes in Earth's Albedo Measured by Satellite, Science Ausgabe 308, 2005, S. 825
- „Welche Rolle spielen Kondensstreifen für unser Klima?“ – das Max-Planck Institut für Meteorologie zur Entstehung langlebiger Kondensstreifen
- Fotografische Widerlegung sogenannter Chemtrails
Literatur
- Hümmler, Holm. Chemtrails - Zwischen Meteorologie und Verschwörungstheorie, Skeptiker 2/2006, Seite 48 - 55.