John Henry Newman
John Henry Newman (1801-1890) war Pfarrer und Professor der Theologie in der Kirche von England. Durch sein akademisches und literarisches Wirken sowie durch seine Konversion zur katholischen Kirche beeinflusste er das geistige Leben Englands und Europas im 19. und 20. Jahrhundert tief. Er gehört zu den Wegbereitern eines vor dem Wissenshorizont der Moderne verantworteten Katholizismus.
Newman wurde am 21.2.1801 in London geboren. In seinem Elternhaus herrschte die Atmosphäre eines christlich geprägten Bildungsbürgertums. Als Fünfzehnjähriger geriet er in eine geistig-religiöse Krise, verursacht durch die altersbedingte Identitätsproblematik und die Lektüre religionsktitischer Schriften. Die Krise mündete in einer Hinwendung zum „evangelischen" (evangelical), d.h. entschieden frommen Anglikanismus („erste Bekehrung“). Gott war und blieb ihm seitdem die unbezweifelte und alles bestimmende Gewissensstimme.
1817 trat Newman als Student der Theologie ins Trinity College Oxford ein, wo er seine Bildung in vielen Wissensbereichen vertiefte, bald akademische Grade und schließlich die Professur erlangte. Gleichzeitig war er Pfarrer an St. Mary's in Oxford.
In dieser Zeit wandte er sich von der Subjektzentriertheit der evangelikalen Frömmigkeitstheologie ab und einer objektiv-sakramentalen Sicht von Kirche und Christentum zu. Dabei spielte das Studium der auch in der anglikanischen Kirche normativen Theologen der Alten Kirche die entscheidende Rolle. Newman wurde zum führenden Kopf der anglo-katholischen Bewegung, die eine Erneuerung der Kirche von England aus Lehre und Liturgie der Alten Kirche anstrebte.
Ab 1840 stellte sich für Newman jedoch die Frage nach der Legitimität des Anglikanismus. Je mehr er von einem starren, sich direkt aus der Bibel ableitenden Dogmatismus zu einer organischen, die geschichtliche Entwicklung des kirchlichen Lehrgebäudes wie aus einem Saatkorn akzeptierenden Sicht gelangte, desto unwiderlegbarer war für ihn die römische Kirche die wahre und legitime Fortsetzung der Urkirche. Gleichzeitig hatten Reisen sein Wissen um die katholische Religiosität erweitert und korrigiert.
Nach langen inneren Kämpfen trat er 1845 zur katholischen Kirche über. Zwei Jahre später wurde er zum Priester geweiht und Mitglied der Oratorianergemeinschaft, die er in England einpflanzte und leitete.
Newmans Leben nach der Konversion war von Anfeindungen auf anglikanischer und Misstrauen auf katholischer Seite geprägt. Dort sah man in ihm den Apostaten, hier den immer noch von protestantischen Kategorien beherrschten Denker. So wurde ihm das Rektorat der neu gegründeten katholischen Universität Dublin nach wenigen Jahren wieder entzogen. Durch sein großes seelsorgliches Gespür, seine schattenlose Aufrichtigkeit und seine hohe Intellektualität, die in seiner Korrespondenz und seinen Büchern zum Ausdruck kamen, erwarb er sich aber auf allen Seiten zunehmend Achtung und Respekt. Durchschlagend war dabei seine Lebensrechtfertigung „Apologia pro vita sua“ (1864).
Das Erste Vatikanische Konzil mit seiner Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes in amtlichen Lehrentscheidungen entsprach nicht Newmans Wünschen, wurde aber von ihm akzeptiert und regte ihn zur weiteren Klärung der Autoritätsfrage in der Kirche an.
1877 erhielt Newman den Titel „Honorary Fellow“ seiner alten Oxforder Universität, 1879 wurde er von Papst Leo XIII. zum Kardinal ernannt – damit auf beiden Seiten des konfessionellen Grabens anerkannt und geehrt.