Theorie der Verfügungsrechte

Theorie des Eigentumsrechts
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Die Property-Rights-Theorie als ein Teilgebiet der Neuen Institutionenökonomie untersucht Handlungs- und Verfügungsrechte (Eigentumsrechte - Property-Rights) an Gütern.

Grundlagen

Verfügungsrechte

Die Property-Rights-Theorie unterscheidet folgende Verfügungsrechte (Beispiele für ein Auto in Klammern):

  1. USUS - Das Recht eine Sache zu benutzen (Das Recht mit dem Auto zu fahren)
  2. USUS FRUCTUS - Das "Fruchtziehungsrecht". Das Recht, die Erträge, die mit der Benutzung der Sache einhergehen zu behalten. (Das Recht, die Erträge aus der Vermietung zu erhalten.)
  3. ABUSUS - Das Recht, die Sache in Form und Ausshehen zu verändern. (Das Recht das Auto zu verändern)
  4. IUS ABUTENDI - Das Recht, die Sache gesamt oder teilweise zu veräußern und den Veräußerungsgewinn einzubehalten. (Das Recht, das Auto zu verkaufen.)

Der Wert eines Gutes bestimmt sich aus ökonomischer Sicht nämlich nicht nur aus dessen Substanz (WAS ist es), sondern vor allem daraus, was man mit dem Gut anfangen kann (WAS darf ich damit MACHEN). Ein Grundstück in bester Lage ist zum Beispiel wesentlich weniger wert, wenn man es nur als Schrebergarten verwenden darf.

Property Rights und externe Effekte

Anhand eines anschaulichen historischen Beispiels erklärt Harold Demsetz, wie durch Property-Rights die unerwünschten Wirkungen externer Effekte durch Internalisierung verhindert werden können.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kannten die Montagnais-Indianer keine Jagdbeschränkungen, jeder konnte so viel jagen wie er wollte. Wegen des großen Wildbestands und der relativen Nutzlosigkeit von übermäßig erlegten Tieren (wohin damit?) führte dies nicht zu großen Problemen, obwohl keinerlei individuelle Property-Rights spezifiziert waren. Als jedoch der weiße Mann von den Indianern Pelze nachgefragt hat, stieg der Wert der Pelztiere, in diesem Fall der Biber, so stark an, dass die einsetzende Intensivierung der Jagd zu einem Sinken der Biberpopulation führte. Auf Grund der Struktur der Property-Rights hatte niemand Interesse an der individuellen Beschränkung der Jagd zur Sicherung des Tierbestands (sogenannte Tragik der Allmende).
Das Problem ist hier das Auseinanderfallen von privaten Kosten bzw. Nutzen und sozialen Kosten bzw. Nutzen: Der Nutzen aus dem einzelnen Tier kommt dem Jäger individuell zu Gute, die Kosten aus dem Bestandsrückgang muss jedoch die Gemeinschaft als Ganzes tragen, nicht nur der einzelne Jäger.
Also konnte die Gemeinschaft eine Verbesserung ihrer Situation erwarten, wenn die externen Effekte durch eine Veränderung der Eigentumsstruktur internalisiert werden. Dies wurde erfolgreich durch die Zuteilung einzelner Territorien auf die Familien erreicht, so dass individuelle Anreize geschaffen wurden, durch Rücksichtnahme auf den Tierbestand langfristig zu planen.
  • Vgl. dazu Demsetz, H.: Toward a Theory of Property Rights, in: American Economic Review 57 (1967), S. 347-359

Freiheit und Property-Rights

Wie man bereits an dem Beispiel mit den Indianern sieht, sind klare Property-Rights Voraussetzung für ökonomisches Wachstum durch Investition. In Anlehnung an Hobbes erläutert Buchanan die Folgen einer fehlenden Rechtsordnung: Wenn keine definierten und durchgesetzten Property-Rights existieren, besteht kaum Anreiz für Investitionen (im Beispiel oben: Rücksichtnahme auf den Tierbestand, etwas fortschrittlicher vielleicht schon die Biber-Züchtung), da niemand sich sicher sein kann, den Nutzen (die Früchte, usus fructus) aus diesen Investitionen zu ziehen. Die Indianerfamilie läuft ohne Property-Rights nämlich Gefahr, dass eine andere Familie die von ihr geschützten Tiere tötet, daher wird sie entweder gar nicht erst "investieren" und selber z.B. auch Jungtiere jagen, oder sie muss extrem hohe Kosten aufbringen, ihre Investition zu schützen (Bewachung, Kampf etc.).

Damit liegt die Definition und die Durchsetzung von Property-Rights im gemeinsamen Interesse aller, auch wenn es weiterhin im individuellen Interesse liegt, sich nicht daran zu halten (d.h. nicht zu investieren und auf Raubzug zu gehen). Es liegt ein doppeltes Gefangenendilemma vor, da es:

  1. kollektiv besser ist, wenn sich alle an die Property-Rights-Verteilung halten, es individuell aber besser ist, sich nicht daran zu halten.
  2. im kollektiven Interesse ist, Rechtsbrecher zu bestrafen, um die Property-Rights durchzusetzen, es aber im individuellen Interesse ist, sich nicht an den Kosten der Bestrafung bzw. Durchsetzung zu beteiligen.

Unter den Aufgaben, die die Finanzwissenschaft dem Staat zuspricht, wird die Rechtssetzung und die Zuteilung der Property-Rights als Teil der Allokationsfunktion gesehen. (Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland: Neue Institutionenökonomik, 1999, S. 307)

Änderungen der Property-Rights-Verteilung

Wie man an dem Beispiel vom Demsetz oben sehen konnte, sind Property-Rights-Verteilungen nicht unveränderlich. Sobald neue, bisher unbekannte Externalitäten auftreten, besteht ein Anpassungsdruck, so dass die geänderte Verteilung der Property-Rights diese Externalitäten internalisiert. Dies läuft nicht friktionsfrei ab, es treten meist Transaktionskosten auf, zum Beispiel müssen sich die Indianerfamilien zusammensetzen und über die Änderung diskutieren und ähnliches. Daher muss abgwogen werden zwischen:

  • Dem Nutzen der bisherigen Struktur der Verfügungsrechte, den Transaktionskosten einer Änderung auf der einen Seite
  • dem Mehr-Nutzen einer Änderung der Property-Rights-Verteilung auf der anderen Seite

Es muss nicht immer ein staatlicher Eingriff sein, der Änderungen Property-Rights-Verteilung regelt. Sofern es bereits eine vollständige Zuordnung von Property-Rights gibt, können auch Marktmechanismen auf neu auftretende externe Effekte reagieren.

Verfügungsrechte an Gütern werden dabei durch Verträge übertragen. Wenn durch neu auftretende externe Effekte ein Wohlfahrtsverlust entstehen würde, so kann auch durch Verhandlungslösungen zwischen den beteiligten Parteien eine dem gemeinsamen Interesse aller dienende Lösung gefunden werden, dabei spielt die vorherige Verteilung der Verfügungsrechte (solange sie nur vollständig zugeordnet sind) keine Rolle. Unter der Voraussetzung, dass es keine Transaktionskosten (hier vor allem: dass die Parteien kostenlos verhandeln können) gibt, ist jede vollständige Verteilung von Property-Rights effizient (s. Coase-Theorem).

Sobald jedoch Transaktionskosten existieren, entsteht ein trade-off zwischen einer vollständigen Zuteilung und Durchsetzung der Property-Rights (externe Effekte sinken, Transaktionskosten steigen) und einer verdünnten Property-Rights-Struktur (mehr externe Effekte, weniger Transaktionskosten). Dies ist auch für die Zuteilung von Property-Rights in nicht-staatlichen Organisationen wie Unternehmen wichtig (vgl. Picot/Dietl/Frank: Organisation, 2002).

Bei Vorliegen von Transaktionskosten muss der Staat auch nicht autoritär Verfügungsrechte setzen oder externe Effekte internalisieren, er kann auch durch Neugestaltung von Institutionen die Transaktionskosten so weit senken, dass wieder Verhandlungslösungen gefunden werden können. Beispiele für unterschiedliche staatliche Eingriffe zur Internalisierung von externen Effekten im Umweltbereich sind hier zum Beispiel:

  • Ökosteuer: Durch eine Pigou-Steuer wird der Energieverbrauch verteuert.
  • Emissionsrechtehandel: Durch die Zuteilung einer gewissen Menge an Emissionsrechten und der Bereitstellung eines Marktes für diese Rechte werden die produzierenden Firmen über Verhandlungslösungen die Property-Rights-Verteilung selbständig verändern.


Literatur

  • Buchanan: Die Grenzen der Freiheit, Tübingen: Mohr Siebeck, 1984
  • Coase: The Problem of Social Cost, in: Journal of Law and Economics 3 (1960), S. 1-44
  • Demsetz: Toward a Theory of Property Rights, in: American Economic Review 57 (1967), S. 347-359
  • Erlei/Leschke/Sauerland: Neue Institutionenökonomik, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1999
  • Hobbes: Leviathan, hrsg. v. Tuck, Richard, Cambrigde Univ. Press, 2001
  • Picot/Dietl/Frank: Organisation, 3. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2002
  • Richter/Furubotn: Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl., Tübingen: Mohr Siebeck, 2003