Seldschuken

türkische Dynastie
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Die Seldschuken (auch Seldschuqen oder Salschuqen; manchmal auch Seldschuk-Türken; türkisch: Selçuklular, persisch سلجوقيان Saljūqiyān, arabisch سلجوق Saljūq oder السلاجقة al-Salājiqa) waren eine muslimisch-türkische[1][2][3] Fürstendynastie in Mittelasien, dem Iran, Irak, Syrien und Anatolien (1038–1194). Sie waren sunnitische Muslime und brachten den Islam nach Anatolien.

Reiche der Groß-, Rum- und Kerman-Seldschuken

Geschichte

Anfänge

Die Seldschuken – so genannt nach ihrem Ahnen Seldschuk (um 1000) – entstammten dem oghusischen Stamm Kınık, der im 9. Jahrhundert sein Siedlungsgebiet östlich des Aralsees (Gebiet des heutigen Kasachstan und Usbekistan) hatte. Seldschuk Khan trat nach dem Tode seines Vaters Dukak Khan in die Dienste des Oghus-Yabghu, dem Herrscher der Oghusen. Er wurde dessen Söldner im Kampf gegen die Chasaren, doch schon bald überwarf er sich mit dem Oghusenherrscher. Um 960, nach anderen Quellen 985 trat Seldschuk mit einem großen Teil seines Stammes in Jand am Syr Darja zum (sunnitischen) Islam über, nachdem er vorher bereits Kontakt mit dem nestorianischen Christentum gehabt hatte. Er stand zunächst im Dienst der Karachaniden in Mittelasien. Er hatte vier Söhne, Mîîka'îl, Isrâ'îl, Mûsâ und Yûnus.

Unter den Söhnen Mîîka'îls, Tuğrul Beg (Gerfalke) (1038–1063) und Chagri (1038–1060), drangen die Seldschuken um 1030 nach Khorasan vor und verdrängten nach dem Sieg in der Schlacht bei Dandanqan 1040 die Gaznawiden. Um 1055 stürzten die Buyiden im restlichen Persien. Zwischen Tuğrul Beg und Chagri kam es zur Teilung des Reichs. Während Tuğrul Beg den Westen des Reichs von Isfahan aus regierte, beherrschte Chagri von Merw aus den Osten des Reiches mit Khorasan. Unter Tuğrul Beg unterwarfen die Seldschuken große Teile Persiens und 1055 den Irak. Damit wurden sie nach dem Sturz der Bujiden Schutzmacht über das Abbasiden-Kalifat in Bagdad. Tuğrul Beg erhielt vom Kalifen in Bagdad den Titel eines Sultans verliehen. Bar Hebräus berichtet über die wichtige Stellung, welche die Frau (Khatun) von Tugrul in der Verwaltung einnahm.

Blüte

Unter Alp Arslan (1060–1072) kam es zur Vereinigung des Seldschukenreichs und zur Eroberung von Anatolien nach dem Sieg bei Mantzikert über Byzanz (1071) sowie zur Eroberung Syriens. Damit konnte auch die Herrschaft der schiitischen Fatimiden über Mekka und Medina gebrochen werden, die nun wieder den abbasidischen Kalifen in Bagdad anerkannten. Unter Alp Arslan, seinem Nachfolger Malik Schah I. (1072–1092) und dem persischen Wesir Nizam al-Mulk (1065–1092) erreichte das Sultanat seinen politischen und kulturellen Höhepunkt. So wurde mit der Errichtung von Medressen der Sunnismus im Reich gegenüber den Schiiten weitgehend durchgesetzt. Parallel dazu besetzten unabhängig vom Reich der Groß-Seldschuken die Kerman-Seldschuken Oman.

Zerfall

Mit der Ermordung des Wesirs Nizam al-Mulk durch die Assassinen und dem Tod von Sultan Malik-Schah (1092) brachen bald Thronkämpfe innerhalb der Seldschuken aus. Diese führten 1118 zur Teilung des Reiches in Khorasan/Transoxanien und beide Irak (den westlichen Iran/Irak).

Nachdem sich schon im 11. Jahrhundert die Rum-Seldschuken in Anatolien selbständig gemacht hatten und um Konya (Ikonion) das eigenständige Sultanat Ikonion gegründet hatten, wurde auch Syrien unabhängig und zerfiel in mehrere Fürstentümer, die erst im 12. Jahrhundert von den Zengiden wieder vereinigt wurden. Der Zerfall der Seldschukenmacht in Syrien begünstigte aber die Eroberung Jerusalems durch den 1. Kreuzzug erheblich.

Unter dem in Khorasan regierenden Sultan Sandschar (1118–1157), Sohn Malik-Schahs, hatte die Seldschukenherrschaft eine letzte Blüte. Allerdings erlitt er 1141 bei Samarkand eine Niederlage gegen die Kara Kitai, wurde wenig später gestürzt und versuchte bis zu seinem Tod vergeblich, das Seldschukenreich wieder aufzurichten. Die Choresm-Schahs traten mit Söldnern der Kyptschaken und Oghusen sein Erbe an, eroberten bis Ende des 12. Jahrhunderts Mittelasiens und den Iran. 1194 beseitigten sie den letzten Seldschukenherrscher von Ray. In Anatolien gerieten die Rum-Seldschuken nach 1243 unter die Herrschaft der Ilchane; ihr Sultanat von Konya löste sich bis 1307 auf. Die aufstrebenden Osmanen traten zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Erbe der Seldschuken in Anatolien an.

Organisation des Reiches

Abstufung der Macht:

  • Kalif
  • Sultan, selbständige Herrscher unter der Autorität des Kalifen
  • Emir, Heerführer
  • A'yan, einheimische Adelige
  • Bevölkerung

Siehe auch: Seldschuken-Fürsten

Kultur

Literatur

Die Seldschuken hatte keine eigene literarische oder künstlerische Tradition und passten sich daher sehr schnell dem iranischen Adel an[4]. Hof- und Gelehrtensprache der Seldschuken war Persisch[5][6] , und geschichtliche Quellen – alle in Arabisch und Persisch – lassen vermuten, dass auch die „Haussprache“ der späteren Könige und Prinzen Persisch war[7]. Oghus-Türkisch diente womöglich der Kommunikation mit den turkmenischen Beyliks, die einen sehr wichtigen Teil der seldschukischen Streitmacht befehligten.

Die Seldschuken gehörten zweifelsfrei zu den wichtigsten Förderern der persischen Literatur, Architektur und Kunst. Sie waren maßgeblich daran beteiligt, dass ab dem 11. Jahrhundert die persische Sprache in vielen Bereichen das traditionelle Arabisch ersetze und sich in den folgenden Jahrhunderten als wichtigste Hof-, Gelehrten-, und Künstlersprache in Anatolien, Iran, Zentralasien und Indien etablierte.

Über das Vorhandensein einer oghusischen Literatur ist nicht viel bekannt. Es wird vermutet, dass das Buch von Dede (Großvater) Korkut, welches die Heldentaten der heidnischen Oghusen beschreibt, in jener Zeit entstanden ist.

Kunst

Es sind verschiedene Kunstwerke, wie z. B. Miniaturmalerei oder Ornamente aus der Zeit der Seldschuken erhalten, und spiegeln die für die damalige Zeit typische, islamisch-geprägte zentralasiatische Kunst wieder.

Die Seldschuken waren auch hauptsächlich für den Export zentralasiatischer Kleidung und Musik – Zeugnisse des vorislamischen Sogdien und Transoxanien – nach Anatolien und Iran verantwortlich, welche bis heute die Kulturen dieser Regionen stark beeinflussen.

Anmerkungen

  1. Professor Dr. Klaus Kreiser: Die Seldschuken von Toğrul bis Malik Şâh, in: Kleine Geschichte der Türkei, S. 36
  2. Dr. David Bivar: Der Aufstieg des Islam, Artikel in: Fischer Weltgeschichte, Band 16, Zentralasien, S.85
  3. Seldschuken: Artikel in: Lexikon des Mittelalters, Band VII Spalte 1730
  4. "... Because of the influence of Persian aspects coming from Iran among the enlightened, the administrators, the men of arts and the traders, the anatolian Seljuk state became increasingly affected by Iranian culture and language. ..." [1]
  5. Encarta "... Ruling from their capital at Eşfahān in Iran, the Seljuk sultans used the Persian language in their administration and were patrons of Persian literature. They founded madresahs (colleges) to train future administrators in accordance with Sunni doctrine. After the death of Malik Shah and his vizier, Nizam-al-Mulk, the empire was divided among Malik Shah's sons, and Seljuk power gradually declined. ..."
  6. Encyclopaedia Britannica: "... Because the Turkish Seljuqs had no Islamic tradition or strong literary heritage of their own, they adopted the cultural language of their Persian instructors in Islam. Literary Persian thus spread to the whole of Iran, and the Arabic language disappeared in that country except in works of religious scholarship. ..."
  7. "... here one might bear in mind that non-Persian dynasties such as the Ghaznavids, Saljuqs and Ilkhanids were rapidly to adopt the Persian language and have their origins traced back to the ancient kings of Persia rather than to Turkish heroes or Muslim saints ..." M.A. Amir-Moezzi, "Shahrbanu", in Encyclopaedia Iranica