Soziale Ungleichheit

Sozialphänomen
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Soziale Ungleichheit ist ein Begriff aus der Soziologie und bezeichnet die ungleiche Verteilung materieller oder immaterieller Ressourcen (z.B. Eigentum, Einkommen, Macht, Prestige, Bildung, Gesundheit) in einer Gesellschaft und damit die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Teilhabe an der Gesellschaft.[1] Diese Ungleichheit wird in der Ungleichheitsoziologie negativ bewertet und als ein gesellschaftliches Problem gesehen. [2] [3]

Allgemeines

Bestimmte Personengruppen, die sich beispielsweise in den Kategorien Klasse oder Geschlecht wiederfinden[4], stehen die Möglichkeiten des Nutzens gesellschaftlicher Ressourcen ungleichmäßig zur Verfügung. Diese als „soziale Ungleichheiten“ bezeichneten Unterschiede können die Wünsche, Handlungen und Konflikte der Akteure mit bestimmen. Ursachen und Merkmale sozialer Ungleichheit können in verschiedenen Gesellschaften und im Lauf der Geschichte unterschiedlich sein, und unterschiedlich interpretiert werden. [5] Der Begriff darf nicht - wie in der Alltagssprache häufig üblich - mit dem Begriff der Ungerechtigkeit gleichgesetzt werden. [6] Es ist ferner auch nicht mit dem Begriff der sozialen Differenzierung zu verwechseln. [7] [8]

Geschichte

Vormoderne Erklärungsmuster sahen soziale Ungleichheit haüfig als in den Gegebenheiten der Natur oder dem Willen eines Gottes begründet. So meinte z.B. Aristoteles, dass es Freie und Sklaven von Natur aus gebe. Die Antike sah dabei, ebenso wie die indische Kastengesellschaft, Ungleichheiten als natürlich an. [9] Seit Rousseaus Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen von 1755 und spätestens seit Karl Marx wurde das "Programm der Gleichheit" häufiges politisch angestrebtes Ziel. [10]. Dem stehen die Konzepte des Liberalismus gegenüber. Adam Smith ging es nicht um die Frage der Gleichheit bzw. Ungleichheit, für ihn stand die Überwindung der Armut im Mittelpunkt [11].

Auswirkungen

Die gesamtwirtschaftlichen Effekte ungleicher Verteilungen sind in den Wirtschaftswissenschaften umstritten. In den wirtschaftspolitischen Diskussionen wird eine positive Funktion von sozialer Ungleichheit behauptet. Diese Auffassung geht davon aus, dass völlige soziale Gleichstellung die Anreize zur persönlichen Leistungssteigerung neutralisieren. Der Kommunismus hingegen fordert soziale Gleichheit.

Dem Weltentwicklungs-Bericht 2000/2001 der Weltbank zufolge „variierte die Ungleichheit weit in den 80ern und 90ern, zeigte aber keinen systematischen Zusammenhang zum Wachstum“[12]. Weltweit stieg die Ungleichverteilung der Einkommen zwischen 1960 und 1998 von etwa 50% auf 70%[13]. Ein wahrgenommenes Gefühl der Ungleichverteilung ist nach Amartya Sen ein häufiger Mitauslöser von Rebellionen in Gesellschaften.[14].

Soziale Ungleichheit in der Bundesrepublik Deutschland

Die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom November 2007 kommt zu dem Ergebnis, dass Vermögen in Deutschland wesentlich ungleicher verteilt sind als Einkommen. [15] Während das Durchschnittseinkommen laut des DIW in den 1990ern weitgehend konstant blieb stieg es bei

  • den oberen 10% um 6%
  • den oberen 0,01% um 17%
  • den wohlhabensten 650 Deutschen um 35% auf jährlich 15 Millionen Euro
  • den 65 Reichsten um 53% auf 48 Millionen Euro

Messung

Der Grad der Ungleichverteilung wird mit Ungleichverteilungsmaßen quantifiziert. Ein Beispiel ist der Ginikoeffizient. Das einfachste Maß ist die Hoover-Ungleichverteilung. Entropiemaße wie der Theil-Index versuchen, aus Ungleichverteilungen in der Physik und Informationstheorie sich ergebende Ausgleichspotentiale mit der Wirkung von Ungleichverteilungen der Ressourcen in Gesellschaften zu vergleichen.

siehe auch

Einkommensverteilung, Vermögen (Wirtschaft), Soziale Ungleichheit der Gesundheitschancen

Literatur

  • Eva Barlösius:Kämpfe um soziale Ungleichheit. Machttheoretische Perspektiven Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004 ISBN 3-531-14311-5
  • Bálint Balla, Soziologie der Knappheit. Zum Verständnis individueller und gesellschaftlicher Mängelzustände, 1978
  • Nicole Burzan: Soziale Ungleichheit. Eine Einführung in die zentralen Theorien. 2007. ISBN 978-3-531-15458-9
  • Ralf Dahrendorf: Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen. ISBN 3-1651-7061-4
  • Stefan Hradil: Soziale Ungleichheit in Deutschland
  • Karin Gottschall, Soziale Ungleichheit und Geschlecht : Kontinuitäten und Brüche, Sackgassen und Erkenntnispotentiale im deutschen soziologischen Diskurs, Opladen : Leske + Budrich, 2000

Einzelnachweise

  1. Werner Fuchs-Heinritz, Rüdiger Lautmann, Otthein Rammstedt, Hans Wienold:Lexikon zur Soziologie, Westdeutscher Verlag, Opladen 1995, S. 697
  2. Bernhard Schäfers:Ungleichheit, in: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik [1]
  3. Eva Barlösius: Gleichwertig ist nicht gleich[2]
  4. Petra Frerichs:Klasse und Geschlecht als Kategorien sozialer Ungleichheit, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Volume 52, Number 1 / March, 2000 [3]
  5. Nicole Burzan: Soziale Ungleichheit - Eine Einführung in die zentralen Theorien, Seite 8
  6. Gerd Reinhold, Siegfried Lamnek, Helga Recker: Soziologie-Lexikon, Seite 590
  7. Hartmut Esser: Soziologie - Spezielle Grundlagen, Seite 113
  8. Hartmut Esser: Soziologie - Allgemeine Grundlagen, Seite 453
  9. Nicole Burzan: Soziale Ungleichheit - Eine Einführung in die zentralen Theorien, Seite 8
  10. Hans-Peter Müller und Michael Schmid: Hauptwerke der Ungleichheitsforschung, Seite 5
  11. http://www.bpb.de/popup/popup_druckversion.html?guid=07046934831035092380562845107449&page=0
  12. Box 3.5 im Kapitel 3 des World Development Report 2000/2001
  13. Die Prozentangaben sind Ginikoeffizienten für drei Quantile (http://www.umverteilung.de/#global).
  14. "... A perceived sense of inequity is a common ingredient of rebellion in societies ...", Amartya Sen, 1973
  15. Wochenbericht des DIW: Vermögen in Deutschland wesentlich ungleicher verteilt als Einkommen (PDF-Datei), 7. November 2007