Priester

Amtsperson, die in ihrer Eigenschaft als Vorsteher kultischer Handlungen eine Mittlerrolle zwischen jeweiliger Gottheit und den Menschen einnimmt
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. November 2003 um 17:31 Uhr durch 80.131.23.244 (Diskussion) (Christentum wieder *ergänzt*, da Interpretation wohl einseitig protestantisch - mir als Katholiken jedenfalls bis dato unbekannt ("Schranken"?) und unangenehm). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.


Das deutsche Wort Priester stammt von gr. "presbyteros" - Gemeindeältester. Religionsphänomenologisch und soziologisch steht es jedoch im Bedeutungsfeld von gr. "hiereus" und lat. "sacerdos".

Religionsphänomenologische Aspekte

In allen Religionen gibt es Menschen, die durch besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Vollmachten die Verbindung zwischen dem transzendenten, göttlichen Bereich und der Alltagswelt der Menschen vermitteln und dadurch ordnen, heilend wirken oder Erkenntnisse gewinnen (s. Schamane, Medizinmann; Ritus, Opfer; Magie).
In den Hochkulturen hat sich daraus in der Regel im Umfeld der Tempel ein Priesterstand mit genau geregelten Rechten und Pflichten entwickelt.

Judentum

Der jüdische Glaube begann unter nomadischen Bedingungen. Der bild- und tempellose Befreier- und Bundesgott JHWH wurde in strengem Gegensatz zu den goldglänzenden, aber toten Gottheiten Ägyptens und Mesopotamiens aufgefasst.
Nach der Bibel begründete Moses das Priestertum das Einen Gottes. Nach der Einwanderung im Land Kanaan und dem Bau des Tempels in Jerusalem festigte sich in Israel das Priestertum (hebr. "kohen") fester, dem der Tempelgottesdienst, die Opferriten und die Unterscheidung zwischen rein und unrein oblag. Diese Aufgabe war einem Teil des Volksstammes Levi (der Leviten) zugeteilt. Ihnen wurden bei der Landnahme spezielle Städte zugewiesen. Die Versorgung war durch den Zehnt sichergestellt. Die Sehnsucht danach, ein priesterloses "Volk von Priestern" zu sein, blieb jedoch wach und fand Ausdruck bei den großen Propheten.
Seit der Zerstörung des letzten Tempelbaus 70 n. Chr. hat das altisraelitische Priestertum kaum noch eine Funktion. Die Unterscheidung zwischen Priestern, anderen Leviten, und sonstigen Gläubigen besteht jedoch fort. Die Priester sprechen in der Synagoge den Segen, und es gelten für sie bis heute einige abweichende Bestimmungen im jüdischen Gesetz. Die soziologische Priesterrolle lebt in den Rabbinern fort, welche jedoch meist keine Priester im Sinne der Abstammung sind.

Christentum

Das Christentum hat seine Wurzel in der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu. Das frühe Christentum gebrauchte die hebräischen und griechischen Wörter für "Priester" nur in Bezug auf Jesus Christus. Nach katholischer und orthodoxer Ansicht haben Priester Anteil an diesem Hohe Priesteramt Jesu Christi, der am Kreuz sein Leben opferte, um die Sünden der Welt hinwegzunehmen, und die Menschen zum Ewigen Leben zu erlösen. Das Priestertum (Presbyterium) findet seine Daseinsberechtigung in dieser Perspektive der vitalen und wirksamen Einheit mit Christus. Durch diesen Dienst nämlich fährt der Herr fort, inmitten seines Volkes jenes Wirken zu vollbringen, das allein Ihm als Haupt seines Leibes zukommt. Daher macht der Priester das Wirken Christi, des Hauptes, greifbar nahe und bezeugt damit, daß Christus seine Kirche nicht verlassen hat, sie vielmehr mit seinem andauernden Priestertum weiterhin belebt.

Nach protestantischer Ansicht proklamierte und vergegenwärtigte Jesus das Ende aller Schranken zwischen Gott und Mensch dort, wo Menschen die Gottesherrschaft vorbehaltlos "wie Kinder" annehmen (s. Glaube). In dieser endzeitlichen Perspektive waren ein neuer Kultus und ein Priestertum nicht vorgesehen. Allerdings anerkannte Jesus den Jerusalemer Tempel als "Haus des Gebetes" und die Autorität derer, die auf dem "Stuhl des Mose" saßen. Seinen Tod und seine Auferstehung hat er möglicherweise mit dem Abreißen und Wiederaufbauen des Tempels verglichen.

Das frühe Christentum gebrauchte die hebräischen (kohan) und griechischen (hiereus) Wörter für "Priester" ausschließlich in Bezug auf Jesus selbst und die Tempelpriester des Alten Testaments, nicht auf christliche Amtsträger. Die zerstörte Beziehung zwischen Gott und Mensch galt durch seinen Tod und seine Auferstehung als ein für allemal geheilt. Der Opferkult und die Unterscheidung von rein und unrein waren damit aufgehoben. Die Kirche verstand sich als Gemeinschaft derer, die diese Heilung glaubend annahmen, feierten und bezeugten bis zum (nahen) Tag der Wiederkunft des Herrn.

Durch das Anwachsen der Gemeinden und ihre institutionelle Verfestigung, durch den Ausbau der Liturgie und der Lehre, nicht zuletzt durch die antignostische Auseinandersetzung gewannen die besonderen Ämter, die sich schon in neutestamentlicher Zeit herausgebildet hatten, an Gewicht. Im zweiten Jahrhundert wurde die weithin bis heute gültige dreigliedrige Struktur aus Bischöfen, Priestern (griech. presbyteroi, Älteste) und Diakonen fest. Da die Bischöfe und in ihrem Auftrag die Priester den liturgischen Feiern vorstanden, wurde ihre Rolle mehr und mehr in Analogie zum alttestamentlichen Priestertum verstanden. Jedoch werden die christlichen Priester im griech. Sprachraum bis heute mit dem Wort presbyteros, nicht hiereus, bezeichnet.

Orthodoxe und katholische Theologie

Im Verständnis der Orthodoxen und Katholischen Kirchen ist der Priester durch die Weihe, die ein eigenes Sakrament darstellt, aus dem Volk der Gläubigen ("Laien") ausgesondert und ihm gegenübergestellt. In der Nachfolge der Apostel ist seine Aufgabe die Verkündigung des Evangeliums und die Spendung der Sakramente, insbesondere die Leitung der Eucharistiefeier. Der Priester handelt dabei "in persona Christi". Die katholische Tradition verbindet mit dieser Sicht seit dem 11. Jahrhundert den Zölibat, der in den Ostkirchen nur für Bischöfe gilt.
Die Bischöfe der Katholischen und Orthodoxen Kirche haben die ungebrochene Sukzession der Apostel, die durch Handauflegen weitergegeben wird. Die Mehrzahl der Priester steht einer Pfarrei als Pfarrer vor. Priester können jedoch auch mit anderen Aufgaben betraut sein, z.B. in einem Orden, an kirchlichen Zentren (Wallfahrtsorte, etc.), am Ordinariat, usw.
Seit dem 2. Vatikanischen Konzil wird das allgemeine Priestertum aller Getauften und Gefirmten deutlicher herausgestellt. Dieses verwirklicht sich nach katholischer Auffassung jedoch nicht in nivellierender Gleichheit, sondern im organischen Zusammenwirken der kirchlichen Glieder und Berufungen (s. Hierarchie).

Evangelische Theologie

Die evangelische Theologie lehnt ein besonderes Priestertum in der Kirche grundsätzlich ab. Alle Getauften haben gleichen Anteil am Priestertum Christi. Das Wort Priester wird, anders als beispielsweise in Skandinavien, in den deutschen evangelischen Kirchen nicht verwendet.
Die öffentliche Evangeliumsverkündigung und die Spendung der Sakramente soll jedoch nur von ordentlich dazu Berufenen ("rite vocati") ausgeübt werden. Die Ordination der Pfarrer bzw. Pastoren gilt als Beauftragung und Segenshandlung, nicht als Sakrament.

Ökumenische Perspektiven

Der Gegensatz in der Sicht der kirchlichen Ämter und in der Frage ihrer Legitimität ist heute das größte Hindernis der kirchlichen Einheit. Im Verständnis des priesterlichen Dienstes gibt es jedoch auch Konvergenzen, die die alten Einseitigkeiten überwinden.


Siehe auch: Pfarrer, Pastor, Prediger, Bischof, Ältester, Fetialen, Kaplan, Vikar