Kastoria

Stadt in Griechenland, Westmakedonien
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Griechenland Kastoria - Καστοριά
Karte:
Staat: Griechenland
Region (Peripheria): Westmakedonien
Präfektur (Nomos): Kastoria
Gemeinde (Dimos): Kastoria
Geographische Lage: Vorlage:Koordinate Text Artikel
Höhe über N.N.: 630-700 m
Einwohner: 14.813 (Ort) (2001)
16.218 (Ortsgebiet) (2001)
16.218 (Gemeinde) (2001)
Vorwahl (Telefon): 24670
Postleitzahl: 521 00
Autokennzeichen: KA

Kastoria (Vorlage:ELSneu (f. sg.), bulgarisch/mazedonisch Костур/Kostur, türkisch Kesriye, aromunisch Kastoria) ist eine Stadt im Nordwesten Griechenlands und Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur in der Verwaltungsregion Westmakedonien.

Blick auf Kastoria über den See

Geografie

Die Stadt liegt, umgeben von den bewaldeten Gebirgen Vitsi und Grammos, auf einer Halbinsel, die in den gleichnamigen See (auch als Orestiada-See, Λίμνη Ορεστίδος, bezeichnet) hinein ragt. Das Stadtzentrum steigt vom Seeufer aus steil an. Sie wird zu den schönsten Städten Griechenlands gezählt.

Geschichte

Das Gebiet um Kastoria war schon in prähistorischer Zeit besiedelt. In der Antike war Kastoria eine Siedlung in der antiken Landschaft Orestis.[1] Im zweiten Makedonisch-Römischen Krieg (201-197 v. Chr.) ergab sich Kastoria den römischen Truppen.[1] Zur Zeit des Römischen Reiches bestand an Stelle des heutigen Kastoria die Siedlung Celetrum.[2][3] Im weiteren Verlauf der Geschichte, vor allem unter byzantinischer Herrschaft bis zum Anfang des 2. Jahrtausends, war Kastoria unter dem Namen Diolektianopolis bekannt.[4]

  • 990 Eroberung durch die Bulgaren
  • 1018 Befreiung durch Basileios II.

Die Normannen unter ihrem Anführer Robert Guiscard und seinem Sohn Bohemund dringen von der heutigen albanischen Adriaküste (Valona, Durazzo bzw. Durres) entlang des Flusses Devol in das Landesinnere und erobern 1083 Kastoria.[5][6]

1218 gelingt dem Despotat von Epirus die Eroberung von Kastoria. Die Stadt verbleibt unter dessen Herrschaft knapp 40 Jahre bis 1259, als Kastoria 1259 von Truppen des byzantinischen Kaiserreich von Nicäa erobert wurde; der sich der Stadt aufhaltende Despot von Epirus muss Kastoria verlassen.[7] Der serbische König Stefan IV. Uros Dusan erobert Kastoria 1345. Die Stadt bleibt bis zum Jahr 1380 unter serbischer Kontrolle, fällt anschließend für kurze Zeit an das Byzantinische Reich zurück. 1385 wird Kastoria von Truppen des Osmanischen Reiches erobert.

Unter der osmanischen Herrschaft steigt die wirtschaftliche Bedeutung Kastorias, vor allem durch das Pelz- bzw. Kürschnerhandwerk, erheblich an. Neben Siatista und Ohrid war Kastoria regelmäßig auf Messen und Märkten zwischen Leipzig und Istanbul vertreten.[8] Der Pelzhändler Manolakis stiftete in Konstantinopel (Istanbul) aus seinem privaten Vermögen eine kirchliche Hochschule in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.[9] Auch in Kastoria selbst bestand eine bedeutende griechische Schule.[10] Griechische Händler aus Kastoria waren beispielsweise 1767 Johann Narantzi (Ioannis Narantzis) und Ralli Diamandi in Wien.[11][12]. Der englische Reisende William Martin Leake berichtet Anfang des 19. Jahrhunderts, dass sich die Bevölkerung von Kastoria sich aus 600 Familien zusammensetze: ein Zehntel davon seien jüdische Familien, die restliche Bevölkerung teile sich gleichmäßig zwischen Griechen und Türken (Osmanen) auf. Die die Stadt umgebenden Dörfer gibt Leake als ausschließlich griechisch an, mit Ausnahme von osmanischen (türkischen) Verwaltungsbeamten. Eine slawische Bevölkerungsgruppe erwähnt Leake aus unbekannten Gründen nicht.[13] Leake bemerkt, dass Kastoria seit seiner Beschreibung durch Anna Komnena in ihrer Alexiade seit dem 12. Jahrhundert im wesentlichen unverändert sei.[14] Anfang des 19. Jahrhunderts unterstand der Bischof von Kastoria dem Erzbischof in Ohrid.[15]

Im Jahr 1900 setzte sich die Bevölkerung der Stadt nach Angaben des bulgarischen Ethnographen Wassil Kyntschow folgendermaßen zusammen: 3000 Griechen, 1600 Türken, 750 Juden, 300 Albaner, 300 Slawen ("Bulgaren") und 240 Roma.[16] Schriftliche Hinweise für eine jüdische Gemeinde finden sich ab dem Jahr 1400. In diesem Zeitraum hat der jüdische Vorbeter David B. Elieser in Kastoria gelebt.[17] Nach Irmela Banco waren Kastoria und Kozani sowie Serres die „wichtigsten Griechenstädte in Makedonien.“[18] 1445 wird ein bulgarischer Bevölkerungsanteil durch das Stadtregister offiziell registriert.[19]

Kastoria war in dieser Zeit ein Zentrum der griechischen Kultur, in dem die griechische Sprache, griechische Sitten und Gebräuche sowie die orthodoxe Religion gepflegt wurden.[20] Handel und Wirtschaft in der Region blühten, die Pelzwirtschaft entstand. Kunst und Literatur konnten sich entfalten. [21]

Im Verlauf des Ersten Balkankrieges 1912 wurde die Region Kastoria von griechischen Truppen erobert und 1913 im Frieden von Bukarest 1913 endgültig dem griechischen Staat zugeordnet. Zwischen 1912 (Ende des ersten Balkankrieges) und 1922 (Ende des griechisch-türkischen Krieges) wurden in der heutigen Verwaltungsregion Westmakedonien, darunter auch die Präfektur und Stadt Kastoria, erhebliche Bevölkerungsanteile „ausgetauscht.“ Bulgarische und türkische (osmanische) Bevölkerungsanteile verließen bzw. mußten die Region verlassen, griechische Bevölkerungsanteile zogen freiwillig oder vertrieben aus ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten zu.[22] Ende der 1920er Jahre hatte Kastoria ca. 10.000 Einwohner.[20]

Mitte April 1941 eroberten deutsche Truppen Kastoria im Rahmen des Unternehmens Marita im Zweiten Weltkrieg. Der erste Angriff der eingesetzten SS-Division Leibstandarte Adolf Hitler scheiterte am 15. April 1941 zunächst am heftigen griechischen Widerstand.[23] Der vorhergehende italienisch-griechische Krieg, welcher am 28. Oktober 1940 mit dem Einmarsch italienischer Truppen von Albanien aus begann, hatte in der Stadt Kastoria keine Kampfhandlungen zur Folge. Kastoria wurde nach der griechischen Kapitulation Ende April 1941 der italienischen Besatzungszone zugeschlagen. Die italienische Besatzung dauerte bis September 1943, dem Übertritt Italiens von den Achsenmächten zu den Alliierten an. Das deutsche Regiment „Brandenburg“ hatte die Aufgabe zugewiesen bekommen, die knapp 3.000 in Kastoria stationierten italienischen Soldaten des 1. Regimentes der Division „Pinerolo“ zu entwaffnen, was trotz erheblicher Spannungen ohne Anwendung von Waffengewalt gelang.[24][25]

Im Griechischen Bürgerkrieg von 1946 bis 1949 erlebte Kastoria im Dezember 1947 einen massiven Zustrom von Flüchtlingen aus den umliegenden Dörfern; 12.000 Flüchtlinge konzentrierten sich in den beiden Städten Kastoria und Argos Orestiko.[26] Wenige Monate später, im März 1948, beherbergte die 1940 11.000 Einwohner zählende Stadt Kastoria zeitweilig 6.000 Flüchtlinge aus den Dörfern in der Umgebung.[26]

Wirtschaft

Seit etwa dem 15. Jahrhundert hat sich Kastoria und die nahegelegne Provinzgemeinde Siatista zu einem Zentrum des Pelzhandels und des Kürschnerhandwerks entwickelt. Bis heute ist die Stadt ein Mittelpunkt der Pelzresteverwertung und Pelzverarbeitung Europas und ein Hauptort der Pelz- und Lederwirtschaft. 1951 wurde diese Alleinstellung durch ein Gesetz unterstützt, das die Einfuhr von Pelzstücken für die beiden Orte zollfrei stellte; für das restliche Griechenland bestand dagegen ein Einfuhrsteuersatz von 25 Prozent.[27] Dieser Wirtschaftszweig ist auf internationalen Märkten erfolgreich, auch sind griechische Pelzkaufleute und Konfektionäre heute auf der ganzen Welt ansässig und pflegen die Verbindungen in ihre Heimat, wenngleich auch griechische Unternehmer die Produktion zunehmend nach Billiglohnländern, vor allem China, verlagern. Eine internationale Pelzmesse gehört zu den wichtigsten europäischen Veranstaltungen dieses Wirtschaftszweiges.

Sehenswürdigkeiten

Volkskundemuseum, Byzantinisches Museum, Ikonenmuseum, Kastoris oder auch Orestias-See (620 m über NN, 28,7 km², Tiefe 7-15 m)

Eine Reihe von Bürgerhäusern mazedonischer Pelzhändler dokumentiert den Wohlstand dieses Berufstandes.

In der Stadt gibt es rund 70, zumeist kleine und doch sehenswerte, Kirchen sowie ein ehemaliges Kloster. Einige hiervon werden als Kunstdenkmäler eingestuft, so beispielsweise die Kirche Agii Anagyri oder die Kirche Agios Nikolaos tou Kasnitsi.[28][29]

Verkehr

Kastoria hat gute Verkehrsverbindungen. Die Nationalstraße 15 führt nach Norden in Richtung Florina, Amynteo, Ptolemaida und Kozani. Über diese Straße wird Kastoria auch mit Korce in Albanien verbunden, dessen Grenze nur 30 km Luftlinie entfernt liegt. Die Nationalstraße 15 führt auch nach Süden gen Siatista entlang des Tals des Aliakmonas. Die Abschnitte von der albanischen Grenze bei Kristallopigi bzw. Ieropigi bis Siatista werden zukünftig durch die Autobahn 15 ersetzt, welche sich in Bau befindet, und Albanien mit der Autobahn 2 bei Siatista verbindet. Der Abschnitt südlich und östlich von Kastoria ist bereits fertiggestellt. Kastoria verfügt über einen nationalen Flughafen, der bei der Gemeinde Argos Orestiko liegt. Eine Eisenbahnanbindung hat Kastoria nicht.

Sport

Eine Attraktion in sportlicher Hinsicht ist der örtliche Fußballverein FC Kastoria, der zwischen erster und zweiter Liga pendelt. Als einer der wenigen Vereine aus der Provinz gelangte der Verein Anfang der 80er (26. Mai 1980- 5:2 Sieg über Iraklis Saloniki) Jahre zum Pokalsieg und schied in der ersten Runde des Pokalwettbewerbs der Uefa gegen den späteren Sieger Dynamo Tiflis aus.

Einzelnachweise

  1. a b Theodor Mommsen. Römische Geschichte. Band 1. Weidmann, 1856. S. 684.
  2. Konstantin Josef Jireček. Geschichte der Bulgaren. F. Tempsky, Prag, 1876. S. 46.
  3. Heinrich Barth. Reise durch das Innere der europäischen Türkei von Rustchuk über Philippopel. D. Reimer, 1864. S. 154.
  4. August Friedrich von Pauly, Georg Wissowa. Paulys real-encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Band 18. J. B. Metzler, 1980. S. 965.
  5. Fedor Schneider. Ausgewahlte Aufsatze Zur Geschichte Und Diplomatik Des Mittelalters. Scientia, 1974. S. 122
  6. Historische Gesellschaft zu Berlin. Mittheilungen aus der historischen Litteratur. R. Gärtner, Berlin, 1901. S. 355.
  7. Fedor Schneider. Ausgewahlte Aufsatze Zur Geschichte Und Diplomatik Des Mittelalters. Scientia, 1974. S. 121
  8. Friedrich Karl Kienitz. Städte unter dem Halbmond. Beck, München, 1972. ISBN 3406025218. Seite 23.
  9. Gerhard Podskalsky. Griechische Theologie in der Zeit der Türkenherrschaft(1453-1821). Beck, München, 1988. ISBN 3406323022. S. 245.
  10. Gerhard Podskalsky. Griechische Theologie in der Zeit der Türkenherrschaft(1453-1821). Beck, München, 1988. ISBN 3406323022. S. 60.
  11. Polychronos Kyprianou Enepekidis. Griechische Handelsgesellschaften und Kaufleute in Wien aus dem Jahre 1766. Eteria Makedonikon Spoudon, 1959. S. 1.
  12. Polychronos Kyprianou Enepekidis. Griechische Handelsgesellschaften und Kaufleute in Wien aus dem Jahre 1766. Eteria Makedonikon Spoudon, 1959. S. 32.
  13. William Martin Leake. Travels in Northern Greece. Volume 1. Gilbert and Rivington Printers, London, 1835. S. 325.
  14. William Martin Leake. Travels in Northern Greece. Volume 1. Gilbert and Rivington Printers, London, 1835. S. 329.
  15. William Martin Leake. Travels in Northern Greece. Volume 1. Gilbert and Rivington Printers, London, 1835. S. 330.
  16. Wasilij Kyntschow. Makedonija. Ethnografija i Statistika. Kapitel 2 (Statistik), Abschnitt Kosturska Kaza. Sofija, 1900. Nach Fotokopie: Prof. M. Drinov. Sofija, 1996. Seite 265. Originalzitat auf Website:Македония. Етнография и статистика. В. Кѫнчовъ (I изд. Бълг. Книжовно Д-во, София, 1900; II фототипно изд. "Проф. М. Дринов", София, 1996)
  17. Leopold Zunz. Literaturgeschichte der Synagogalen Poesie. L. Gerschel Verlagsbuchhandlung, 1865. S. 383
  18. Irmela Banco. Studien zur Verteilung und Entwicklung der Bevölkerung von Griechenland. Dümmelers, 1976. ISBN 342775541X. S. 67.
  19. Christo Gandev. Das bulgarische Volk im 15. Jahrhundert. Sofia Press, Sofia, 1987. S. 161.
  20. a b Fritz Klute. Handbuch der geographischen Wissenschaft. Band 3. Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, 1930. S. 254.
  21. [http://www.kastoriacity.gr/history_intro.htm Homepage der Gemeinde
  22. Giannis Koliopoulos, John S. Koliopoulos. Plundered Loyalties: Axis Occupation and Civil Strife in Greek West. C. Hurst & Co. Publishers, 1999. ISBN 185065381X. S. 3.
  23. Karl Gundelach. Die deutsche Luftwaffe im Mittelmeer 1940-1945. Band 1. Lang, 1981. Seite 181.
  24. Gerhard Schreiber. Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich, 1943 bis 1945. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1990. ISBN 3486553917. Seite 165.
  25. Gerhard Schreiber. Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich, 1943 bis 1945. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1990. ISBN 3486553917. Seite 255.
  26. a b Giannis Koliopoulos, John S. Koliopoulos. Plundered Loyalties: Axis Occupation and Civil Strife in Greek West. C. Hurst & Co. Publishers, 1999. ISBN 185065381X. S. 270.
  27. Das Pelzgewerbe in Kastoria, Leonidas Pouliopoulos, Diplomarbeit Linz 1978, CB-Verlag Carl Boldt, Berlin,
  28. Reinhardt Hootz, Friederike Kyrieleis. Kunstdenkmäler in Griechenland. Band 1. Deutscher Kunstverlag, 1984. ISBN 3422003754. Seite 46
  29. Reinhardt Hootz, Friederike Kyrieleis. Kunstdenkmäler in Griechenland. Band 1. Deutscher Kunstverlag, 1984. ISBN 3422003754. Seite 48