Richard Thurnwald (* 1869 in Wien; † 1954 in Berlin) war ein deutscher Ethnologe.
Leben
Richard Thurnwald studierte Jura und spezialisierte sich auf Staatsrecht.
1896 trat er in den Staatsdienst ein und wurde nach Bosnien versetzt, wo er in der Landesregierung tätig wurde. Bosnien stand seit 1878 unter österreichisch-ungarischer Verwaltung. Anschließend wurde er in der Handelskammer von Graz, der Hauptstadt des österreichischen Bundeslandes Steiermark, tätig. Von dort aus unternahm er Reisen nach Italien und Ägypten. 1901 zog Thurnwald nach Berlin und war dort bis 1906 als wissenschaftliche Hilfskraft am Museum für Völkerkunde tätig. Im Auftrag des Museums unternahm er von 1906-09 eine Forschungsreise, eine ethnologische Feldforschungsarbeit auf Melanesien, Palau, Yap, Ponape, dem Bismarck-Archipel, auf den Salomonen und in Süd-Bougainville. Die Inseln waren allesamt von 1885 bis 1918 deutsche Kolonien im Pazifischen Ozean. 1912 bekam Thurnwald vom Reichskolonialamt den Auftrag, das Sepikgebiet zu erforschen. Diese Forschungsreise musste er aber zum Beginn des Ersten Weltkrieges abbrechen.
Thurnwald reiste darauf 1915 in die USA, wo er bis 1917 in Berkeley arbeitete. Daraufhin habilitierte er sich in Halle und nahm 1924 eine Lehrtätigkeit in Berlin an. 1925 gründete er die „Zeitschrift für Völkerpsychologie und Soziologie“. 1930 unterbrach er seine Lehrtätigkeit für eine Forschungsreise seiner Frau, Dr. Hilde Thurnwald, die den Auftrag vom International Institute of African Languages and Cultures bekam, den Kulturwandel in den ehemals deutschen Kolonialgebieten, im Tanganyikagebiet zu erforschen. Das International African Institute wurde 1926 in London gegründet und sah u.a. seine Aufgabe in der Missionsarbeit. Von dort aus lud ihn die Yale-Universität zu einer Gastvorlesung ein und infolgedessen erhielt Thurnwald eine Gastprofessur in Harvard. 1932 bekam er vom Australian National Research Council den Auftrag, den Kulturwandel in Bougainville aufzuzeichnen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Professor an der Freien Universität Berlin.
Forschungsresultate
Ein klassischer Befund Thurnwalds ist die Beobachtung, dass ständig Mangel leidende Bevölkerungsgruppen wohl sparen, aber nicht, um das Ersparte später zu einer systematischen Verbesserung ihrer Lage zu benutzen (um zu investieren), sondern lieber, um es in ausgiebigen Festen zu konsumieren. Dafür führte er den Begriff der „Ventilsitte“ ein.
Hauptwerke
- Die menschliche Gesellschaft in ihren ethno-soziologischen Grundlagen. Berlin [u.a.] : de Gruyter
- Band 1: Repräsentative Lebensbilder von Naturvölkern (1931)
- Band 2: Werden, Wandel und Gestaltung von Familie, Verwandtschaft und Bünden im Lichte der Völkerforschung (1932)
- Band 3: Werden, Wandel und Gestaltung der Wirtschaft im Lichte der Völkerforschung (1932)
- Band 4: Werden, Wandel und Gestaltung von Staat und Kultur im Lichte der Völkerforschung (1935)
- Band 5: Werden, Wandel und Gestaltung des Rechtes im Lichte der Völkerforschung (1934)
- Richard Thurnwald (Hrsg.): Lehrbuch der Völkerkunde. 2., teilw. veränd. Aufl. /Stuttgart : Enke, 1939 (in 1. Aufl. hrsg. von Konrad Theodor Preuss. Unter Mitwirkung von Fachgenossen. in 2. teilw. veränd. Aufl. hrsg. von Richard Thurnwald)
- Völkerkunde von Afrika : mit besonderer Berücksichtigung der kolonialen Aufgabe / von Hermann Baumann; Richard Thurnwald und Diedrich Westermann. Essen : Essener Verl.- Anst., 1940
Literatur
Sekundärliteratur:
- Trimborn, Hermann: 1954 Richard Thurnwald. In: Zeitschrift für Ethnologie Nr.79, S. 254-260
- Marion Melk-Koch: Auf der Suche nach der menschlichen Gesellschaft: Richard Thurnwald. Berlin: Reimer, 1989
Weblinks
- Vorlage:PND
- http://www.ethno-im-ns.uni-hamburg.de - Zur Ethnologie im Nationalsozialismus
Personendaten | |
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NAME | Thurnwald, Richard |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Ethnologe |
GEBURTSDATUM | 1869 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 1954 |
STERBEORT | Berlin |