Muammar al-Gaddafi

Staatsoberhaupt von Libyen (1969–2011)
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Muammar Abu Minyar al-Gaddafi oder Mu'ammar Abu Minyar al-Qaddhafi (arabisch معمر القذافي Muʿammar al-Qaddhāfī, DMG Muʿammar al-Qaḏḏāfī; (de facto über 100 Schreibweisen zulässig) (* 19. Juni 1942 in Surt, Libyen) ist seit 1969 Staatschef von Libyen.

Muammar al-Gaddafi am 30. November 2006

Leben

Gaddafi erhielt seine Offiziersausbildung in Großbritannien und gründete später, vom Panarabismus beeinflusst, den Bund Freier Offiziere. Mit diesem stürzte er 1969 König Idris durch einen Putsch und übernahm als Führer einer Militärjunta die Macht. In der Folgezeit formte Gaddafi das Königreich in einen sozialistischen Staat um. Er ging allerdings weitgehend eigene Wege. Das Land nannte sich fortan Sozialistische Libysch-Arabische Volks-Dschamahiriyya. Gaddafi propagiert innenpolitisch das System der Volkskongresse als direkte Demokratie ohne Parlamentarismus. 1976 veröffentlichte er „Das Grüne Buch“, in dem er seine politischen Ziele darstellte. Gaddafi erklärt darin, dass er an die Echtheit der antisemitischen Hetzschrift Protokolle der Weisen von Zion glaubt.

Zugleich vertrat Gaddafi auch gewisse panarabische Ansätze. 1979 trat er offiziell von der Staatsführung zurück, ohne jedoch seinen beherrschenden Einfluss auf sämtliche Staatsgeschäfte zu verlieren. Seit 1973 befand sich Libyen im Konflikt mit dem Tschad, als Korrekturen der Grenzen zu Lasten des Tschad gefordert wurden. Trotz eines Waffenstillstandes 1987 zogen sich erst 1994 die libyschen Truppen aus dem nördlichen Tschad zurück.

1984 ließ Gaddafi Memona Hintermann Chefreporterin des öffentlichen Fernsehsenders France 3, unter dem Vorwand, ihr ein Interview zu gewähren, in eine Militärbaracke bringen, um sie dort zu vergewaltigen. Nur mit großem Glück konnte sie diesem Verbrecher, wie sie ihn nannte, entkommen.[1]

Gaddafi setzt sich auch stark für die arabische Einheit ein. Verschiedene Unionspläne mit Ägypten oder den Maghrebstaaten konnten aber nicht verwirklicht werden (z. B. gescheiterte Union mit Tunesien 1974). Seit einigen Jahren versucht er, die afrikanische Einheit zu fördern. Die auf sein Betreiben gegründete Afrikanische Union (AU) als Nachfolgerin der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) hat die EU zum Vorbild und soll langfristig zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum in Afrika führen.

Er führte das Land in weitgehende Isolation gegenüber dem Westen, besonders den USA. 1986 gab US-Präsident Ronald Reagan den Befehl[2]Tripolis und Banghazi bombardierten, da Libyen Terroranschläge gegen US-Bürger unterstützt haben soll. Allerdings ließ er in den letzten Jahren wieder eine gewisse Öffnung zu, wohl auch angesichts immer ernsterer US-amerikanischer Drohungen gegen das Land. Gaddafi wurden Verbindungen mit dem internationalen Terrorismus nachgesagt.

Weniger bekannt ist, dass er auch dichtet. 1995 legte er sein belletristisches Erstlingswerk vor mit dem vielsagenden Titel: Das Dorf, das Dorf, die Erde, die Erde und der Selbstmord des Astronauten. In dem dünnen Bändchen finden sich zwölf Essays über das sozial entwurzelte Leben in der Großstadt, die Größe der göttlichen Schöpfung und die Tyrannei der Massen, die dazu neigen, ihre Führer in die Wüste zu schicken.[3]

Gaddafi baute einen Kult um seine Person auf. 1999 bekannte sich Gaddafi zur Schuld Libyens an dem Anschlag auf Pan-American-Flug 103 von 1988 über der schottischen Stadt Lockerbie; er lieferte die Attentäter aus und ließ den Hinterbliebenen der Opfer eine hohe Entschädigung zahlen. 2000 trat Gaddafi als Vermittler um das Geiseldrama auf der philippinischen Insel Jolo auf. 2003 gab Gaddafi bekannt, dass sein Land die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen betreibe, dass er aber bereit sei, dieses Programm aufzugeben. Gaddafis Verhältnis zum Westen hat sich seitdem stark verbessert. Im März 2004 besuchte ihn Tony Blair und durchbrach damit die lange Isolation Libyens. Im Oktober folgte Gerhard Schröder als erster deutscher Kanzler. Zum 37. Jahrestag seiner Machtübernahme rief Gaddafi im September 2006 öffentlich zur Ermordung politischer Gegner auf. Nach Bekanntwerden der Hinrichtung des irakischen Machthabers Saddam Hussein am 30. Dezember 2006 ordnete Gaddafi eine dreitägige Staatstrauer für sein Land an. Er will außerdem ein Monument errichten lassen, welches den gehängten Saddam Hussein zeigen und ihn als Märtyrer verherrlichen soll.

Am 10. Dezember 2007, dem Welttag der Menschenrechte[4], besuchte er nach 34 Jahren wieder Paris[1], dabei demonstrierten insgesamt etwa 100 Personen auf dem Marsfeld von Paris gegen seinen Besuch.[5]

Kinder

 
Gaddafi am 7. Juni 1976

Gaddafi hat acht Kinder. Sein ältester Sohn ist Muhammad Gaddafi, er führt das Libybische Olympische Komitee an und besitzt alle Telekommunikationsunternehmen in Libyen.

Der nächstälteste Sohn ist Saif al-Islam al-Gaddafi. Er wurde 1972 geboren, ist Maler, und hat für einige Jahre in Wien studiert, wo er auch Kontakte mit dem österreichischen Politiker Jörg Haider knüpfte. Saif al-Islam hat sich um die Freilassung von westlichen Geiseln, die von Islamisten entführt worden sind (etwa auf den Philippinen) bemüht. Weiterhin engagiert er sich im Umweltschutz.

Der drittälteste Sohn ist Al-Saadi Gaddafi, der mit der Tochter eines Militärkommandanten verheiratet ist. Er leitet die Libysche Football Federation und spielte im italienischen Fußballteam Udinese Calcio. Er hat ein Vermögen in der Ölindustrie und als Filmproduzent verdient.

Der viertälteste Sohn Mutasim-Billah Gaddafi, war Oberstleutnant in der Libyschen Armee. Nach einem angeblichen Umsturzplan gegen seinen Vater floh er nach Ägypten. Gaddafi vergab ihm und er kehrte zurück nach Libyen und wurde Sicherheitsberater und Anführer einer Einheit der Armee. Er und Saif Al Islam werden als mögliche Nachfolger ihres Vaters gehandelt.

Der fünftälteste Sohn, Hannibal war angeblich bei einer Reihe von gewalttätigen Zwischenfällen beteiligt. Er soll etwa seine schwangere Freundin geschlagen haben. Muammar al-Gaddafi hat noch zwei jüngere Söhne Saif Al Arab und Khamis.

Gaddafi hat eine Tochter Ayesha Gaddafi, eine Anwältin, die sich dem Verteidigerteam von Saddam Hussein angeschlossen hat. 2006 heiratete sie einen Cousin ihres Vaters.

Gaddafis angebliche Adoptivtochter ist bei einem US Luftangriff 1986 ums Leben gekommen. Wahrscheinlich wurde sie aber erst posthum von Gaddafi adoptiert.

Siehe auch

Literatur

Commons: Muammar al-Gaddafi – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. a b Die Welt:Vor Gaddafi ist niemand sicher 14. Dezember 2007
  2. Süddeutsche Zeitung: Libyscher Alt-Revolutionär auf Kurs nach Westen 12. September 2007
  3. Die Welt: Muammar al-Gaddafi - wie ein Erzschurke sich zum Friedensbotschafter wandelt 17. Mai 2006
  4. n-tv: Geschäfte mit Todeskuss 10. Dezember 2007
  5. Focus: Al-Affi - Libyen hat niemals Terrorakte begangen 11. Dezember 2007