Ein Ortsname ist in den Geowissenschaften der Name eines topografischen Objektes (siehe auch Toponym). In der Ortsnamenforschung (Toponomastik) bezeichnet der Ortsname eine Siedlungsstelle: einen Einzelhof (Hausname), einen Weiler, ein Dorf, eine Gebietskörperschaft (Stadt, Gemeinde). Ein Gebiet ohne Siedlungsstelle wird dagegen mit einem Flurnamen belegt.


Bereits in der Antike gab man den Siedlungen Namen, doch entwickeln sich die Namen im Laufe der Zeit weiter, was man besonders an Ortschaften römischen Ursprungs erkennen kann (Beispiel: Colonia wurde zu Köln).
Entstehung von Ortsnamen im deutschsprachigen Raum
Die meisten Ortsnamen sind vor sehr langer Zeit entstanden; viele sind bereits seit dem frühen Mittelalter überliefert (d. h. sie waren schon vorhanden, als die schriftliche Aufzeichnung begann). Sie können verschiedenste Ursprünge haben:
- Herrschaftliche Namen: diese Art rühren von ehemaligen Besitztümern von adeligen oder kirchlichen Grundbesitzern her. Wie viele andere Ortsnamen wurden sie im Laufe der Zeit verkürzt und der jeweiligen Aussprache angepasst, so dass sie nur noch schwer mit den ursprünglichen Namen identifiziert werden können, z. B. Gräfenhainichen aus 1381 Gravinalbrechtishayn.
- Speziell kirchliche Bezüge sieht man oft als selbstständigen oder integrierten Teil des Ortsnamens, wie Pfarre oder Pfarr-, z. B. Pfarrkirchen.
- Herleitung des Namens von einem Patron oder Schutzheiligen des Ortes wie Sankt Martin oder St. Jöris.
- Benennung eines Ortes nach den Einwohnern:
- Insbesondere während der Völkerwanderungszeit wurden Orte nach der dort siedelnden Sippe benannt, z. B. Göppingen („bei den Leuten des Geppo“), Kellinghusen („bei den Häusern von Karls Leuten“)
- Angehörige eines Volksstamms wurden z. B. von Karl dem Großen umgesiedelt: Dürkheim (946 Thuringeheim), Sachsenhausen.
- Am Ort siedelte eine größere Anzahl von Personen gleichen Berufsstands oder gleichen Familiennamens, z. B. Fischerstadt
- Bezugnehmend auf Merkmale der (natürlichen) Umgebung:
- Der Ortsname rührt von einem Fluss her, der den Ort durchfließt, beispielsweise bei der Mündung, wie Ybbs oder Fischamend („Fischa am Ende“)
- Nach nahe gelegenen Bergen, Wäldern, Seen etc.: Nürnberg („Felsberg“ zu mundartl. Nörr, Nürn „Fels“), Finsterwalde, Westensee („westlich des Sees“).
- Nach in der Gegend gehäuft auftretenden Pflanzen oder Tieren, z. B. Eschede („Eschenort“), Exten („bei den Elstern“, zu westfälisch Eekster „Elster“). Auch zusammengesetzte Namen können so entstehen, wie Eichstätt oder Biberach („Biberwasser“).
- Es gibt aber auch die Entstehung aus einer Umwandlung aus einer fremden Sprache der ursprünglichen Bewohner wie beispielsweise Leobersdorf aus slawisch Ljubac.
- Die einfache Ableitung als Erweiterung eines ursprünglichen Namens wie Neu-Isenburg oder Kleinochsenfurt. Oft heißen die Tochtersiedlungen auch einfach Neudorf, Neustadt oder Neusiedl, die auch mit einem erklärenden Zusatz versehen werden können wie Wiener Neustadt. Ähnliches gilt auch für Orte, die Auswanderer oder Vertriebene oder Umsiedler nach ihrem Heimatort benennen. Ein Beispiel für die erste Gruppe ist New Orleans, für die zweite Neugablonz, wo sich viele Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg aus Gablonz in Nordböhmen gemeinsam ansiedelten, für die dritte Neu-Lohn (vgl. Vertriebenenstadt)
- Bezugnehmend zur Politik:
- München wurde zur Zeit des Nationalsozialismus Stadt der Bewegung genannt.
- Landsberg in Bayern wurde zur Zeit des Nationalsozialismus Stadt der Jugend genannt.[1]
- Das seit 1945 genannte Wolfsburg in Niedersachsen wurde zur Zeit des Nationalsozialismus Stadt des KdF-Wagens genannt.
- Frankfurt am Main wurde Stadt des deutschen Handwerks genannt.[2]
Religiöse Ortsnamen
Ortsnamen-Grundwörter, die einen religiösen Hintergrund haben, sind in Europa meistens christliche Namen. Sie bezeichnen meistens Gebäude (-kirch, -kloster, -zell etc.), da diese den Grundstein für die Entstehung der Ortschaft legten.
Ab Anfang des 7. Jahrhunderts begannen iro-schottische Mönche, die Germanen östlich des Rheins zu missionieren. Viele Orte erhielten danach christliche Namen, wie z. B. Sankt. (siehe hierzu Missionierung der Chatten)
Bestandteile von Ortsnamen (im deutschen Sprachraum)
Ortsnamen im deutschen Sprachraum (wie die meisten Ortsnamen keltisch-germanischer Herkunft) bestehen im allgemeinen aus einem Grundwort (ursprünglich im Dativ), das meistens mit einem vorangestellten Bestimmungswort näher bestimmt wird. Dieses Muster wird vorwiegend seit der späteren Völkerwanderungszeit angewendet und geht wohl auf römische Vorbilder wie Castra Regina (‚Kastell am Regen‘ > Regensburg) zurück (bei denen allerdings das Grundwort am Anfang steht). Ein älteres Muster ist die Bildung aus Bestimmungswort und Suffix (das auch für die meisten Ortsnamen slawischen Ursprungs gilt).
- Da die Grundwörter im Laufe der Geschichte oft bis zur Unkenntlichkeit verschliffen wurden (z. B. -heim zu -em, -en, -um), sind sie von Suffixen z. T. nicht mehr zu unterscheiden, so dass in vielen Fällen nur die ältesten urkundlichen Belege eine sichere Zuordnung erlauben.
Zur Unterscheidung von gleichen (oder ähnlichen) Ortsnamen in der Umgebung können den Namen weitere Elemente hinzugefügt werden. Dies kann ein vorangestellter Zusatz wie Berg- oder Wald- oder ein nachgestellter Zusatz wie bei/am XY sein. Benachbarte Tochtersiedlungen (bzw. planmäßige Erweiterungen bestehender Siedlungen) werden meistens durch Namenszusätze wie Neu- oder Klein- von der ursprünglichen Siedlung unterschieden, die gleiche Funktion erfüllen Zusätze wie -Neustadt etc. Meistens neuzeitlichen Ursprungs sind weitere Beinamen und Zusatzbezeichnungen (s. u.); sie werden oft nur im amtlichen Verkehr gebraucht und in der lokalen Umgangssprache ignoriert, z. B. Bad Münder am Deister.
Grundwörter
Grundwörter bezeichnen den Grund der Benennung eines Orts bzw. einer Siedlung, z. B. das Vorhandensein von Gebäuden (-hausen, -kirchen etc.) oder spezieller geografischer Merkmale (-berg, -wald etc.). Die Grundwörter werden auch Endungen genannt, weil sie in germanischen Ortsnamen in der Regel hinten stehen. Durch diese Bezeichnung wird jedoch der Unterschied zu den Ortsnamen-Suffixen verwischt, die im Gegensatz zu den Grundwörtern keine erschließbare eigenständige Bedeutung haben.
Ortsnamen-Grundwörter können auch für sich stehen (Simplex) und zum Teil als Bestimmungswörter dienen, also miteinander kombiniert werden.
Beispiele sind:
- -ach, -a, niederdeutsch -aa, -ah: Siedlung an einem Wasserlauf, einer Ache, westfäl. Aa (-ach kann in rheinischen Ortsnamen aber auch auf das gallo-romanische Suffix -acum zurückgehen).
- -au, -aue, niederdt -oog(e), -ohe, -oie: Siedlungen auf Inseln oder am Wasser (beides als Aue), von mittelhochdeutsch ouwa etc. (-au steht in niederdeutschen Namen oft für älteres -a, -aa, in vormals slawischen Gebieten für -ow).
- -ar, (kelt.) wie in Wetzlar, Villmar, Kalmar, auch „-ahr“, von der Nähe zu einem/r Wasserlauf bzw. -fläche, allerdings auch alternativ von area Ar?, Fläche, Platz, aus dem Lateinischen.
- -bach, niederdt. -bek(en), -beck, -bke etc.: (Siedlung an einem) Wasserlauf.
- -berg, -bergen, niederdt. -barg, -bargen: Ansiedlung auf einer Anhöhe oder an einem Berg, z. B. Bamberg, Nothberg oder Bergrath
- -beuern, -beuren, -beuron, -birn, niederdt. -büren, -bur(en) etc.: von althochdeutsch bur „kleines Haus“ etc., mittelniederländ. buur „Wohnung“, vergl. Bauer (Vogelkäfig).
- -bruch, -broich, niederdt. -brook, brock, -brauk bedeutet Bruch- oder Sumpflandschaft (siehe Erlenbruchwälder in Brandenburg), z. B. Broich, Bärbroich, Grevenbroich „Bruchlandschaft der Grafen“, Broichweiden, Korschenbroich.
- -bruck, -brück, niederdt. -brügge beziehen sich auf eine Ansiedlung mit Gewässerübergang, oft (aber nicht ausschließlich) eine Brücke.
- -bühl, -bühel, -bihl, -beuel, bairisch -bichel, -pichl: Siedlung auf oder an einem Hügel, einer Anhöhe.
- -büll: Wohnstätte, Siedlung (entspricht dänisch -bøl von altnordisch bol 'Einzelhof'), z. B. Niebüll.
- -burg, niederdt., schwed. und dän. -borg: befestigte Siedlung, in frühmittelalterlichen Namen auch: Stadt (s. u.), z. B. Duisburg, Göteborg, Hamburg, Regensburg
- -büttel, altniederdt., abgeleitet von -bodal - „Haus und Hof“ oder „Siedlung“; z. B. Brunsbüttel, Hamburg-Fuhlsbüttel, Wolfenbüttel
- -by in Schleswig: aus dem Dänischen, wikingerzeitl. Dorf, z. B. Karby, Barkelsby, verwandt mit althochdeutsch bur, schwed. -bo und norweg. -bu – an der mittleren Elbe: Ort an der Flussbiegung, z. B. Barby.
- -donk: kleine Anhöhe in der Niederung (niederrheinisch und niederländisch).
- -dorf, -torf, -troff, -druf, niederdt. -dorp, -dörp, -torp, -trop, -trup: (bäuerliche) Siedlung allgemein. Während der deutschen Kolonisierung der vormals slawischen Gebiete ostwärts der Elbe (siehe Ostsiedlung) wurden neu gegründete Siedlungen oft nach dem Dorfvorsteher benannt, z. B. Hartmannsdorf (= Dorf des Hartmann)
- -eck, -egg: Burg, Schloss, befestigte Anlage
- -feld, -felde: (ursprünglich) unbewaldete Fläche, z. B. Bielefeld.
- -fels: eine Ortschaft auf oder an einem Felsen, z. B. Fels am Wagram, insbesondere zu einer hochmittelalterliche Felsenburg, z. B. Fels (Luxemburg)
- -furt, -furth, -fürth, niederdt. -ford, -fort, -vörde etc.: Siedlung an einer Furt, z. B. Frankfurt am Main, Frankfurt (Oder), Schweinfurt, Ochsenfurt, Klagenfurt, Erfurt, Bremervörde, Steinfurt.
- -gast: östlich von Elbe und Saale meistens aus slawisch -goszcz.
- -graben: Siedlung an einem künstlichen Wasserlauf.
- -groden, -grode: niederdeutsch für neu angeschwemmtes Land (insbesondere zur Seeseite des Deichs).
- -hag(en), -haag, -hain, -han, -hahn etc.: ahd. hagan, mhd. hagen bedeutet ein umhegter Bereich z. B. mit Wall und einer Dornenhecke/Hainbuchenhecke, auch für Landheege/Landwehr/Stadtwehr/Burgwehr in Gebrauch.
- -hall: abgeleitet vom keltischen Wort für Salz.
- -hardt, -hard, -haard(t), -hart(h) etc.: „Bergwald“, „bewaldeter Hang“, z. B. Murrhardt, Spessart („Spechtswald“).
- -hau: von hauen (roden).
- -hausen, -haus, niederdt. -husen, -huus, -sen: bei den (Wohn-)Häusern, bzw. im Singular (bescheidene) Einzelsiedlung.
- -haven: abgeleitet von Hafen.
- -heim (-en), -ham, -am, niederdt. -hem, -em, -um: Siedlung, Wohnort (vgl. Heimat), z. B. Ingelheim, Pilsum.
- -hof, -hofen, -höfen, niederdt. -hoven: als Einzelhof oder Gruppe von Gehöften angelegte Siedlung, z. B. Adelshoven.
- -holm: niederdeutsch Insel oder Halbinsel, z. B. Stapelholm.
- -horn, -hörn: spitz zulaufendes Geländestück, z. B. Nordhorn, Scharhörn.
- -horst (-host, -ost), -hurst: eine leicht erhöhte Stelle in einem Sumpf, Moor oder einer feuchten Niederung.
- -hoven: Pluralform von Hof, ursprünglich eine Ansammlung von Gehöften, z. B. Aldenhoven, Hückelhoven, Bellinghoven, Delhoven, Freialdenhoven, Fronhoven, Hoven, Heiligenhoven, Hülhoven, Kückhoven, Ralshoven, Schophoven, Wevelinghoven
- -inghausen (-iehausen, -kausen), -ingheim (-igheim, -ingem), -inghoven (-ikofen, -ikon/-iken), -ingerode: Kombinationen aus dem Suffix -ing(en) und den jeweiligen Ortsnamen-Grundwörtern, z. B. Lüdinghausen, Bönnigheim, Zollikofen, Zollikon, Wernigerode
- -kapell(en), -kappeln: eine Kapelle, z. B. Westerkappeln.
- -kietz: ehemals slawische Fischersiedlung (zu urslawisch *chÿža ‚Hütte, Haus‘).
- -kirch, -kirchen, niederdt. -kark, -kerk(en): Kirchort.
- -leben (-legen): (altsächsisch-thüringisch): Hinterlassenschaft, zurückgelassener Ort, z. B. Aschersleben, Eisleben, Gardelegen (entspricht dänisch -lev[1], schwedisch -löv).
- -leiten, -leithen: (Siedlung am) Abhang, Berghang.
- -loh, -lah, -loch: Hain, lichtes Gehölz.
- -mar: stehendes Gewässer, sumpfiges Quellgebiet, z. B. Geismar, Horstmar.
- -mund, -münde, niederdt. -müde(n), niederländ. -muid(e): an der Mündung eines Baches oder Flusses, z. B. Peenemünde, Müden (Aller), IJmuiden.
- -münster: Mönchskloster (von lateinisch ‚monasterium‘), z. B. Kreuzmünster.
- -rod, -roda, -rodt, -rode, -raht, -rath, -rade, -reut(h), -reute, -ried, -ruit, -ray: von „Rodung“, also eine Siedlung im (früheren) Wald, z. B. Neuenrade, Bayreuth, Reutte in Tirol, Hastenrath, Bergrath, Eurode, Röhe, Röthgen, Roetgen, nicht jedoch: Walsrode.
- -rotte: von zusammenrotten, siehe Weiler
- -ruhe: Grab eines Herrscher, z. B. Karlsruhe, Wilhelmsruhe
- -schlag: von schlagen (roden).
- -schwand, -schwende, -swende: von Schwenden (einer besonderen Art des Rodens der Bäume), z. B. Alberschwende, Wolpertswende
- -scheid: keltisch Wald (keitum), oder mittelhochdeutsch Rodungsplatz
- -siefen, -seifen, niederdt. -siepen: mittelhochdeutsch (bzw. mittelniederdeutsch) für enges, feuchtes Bachtal, siehe Siepen
- -siel: von „Siel“, eine Deichschleuse, z. B. Greetsiel, Dornumersiel
- -stadt, -statt, -stätt, -stetten, niederdt. -städt, -stedt, -stede(n): in schon mittelalterlich überlieferten Ortsnamen (zunächst) lediglich Stätte, Stelle (z. B. Eichstätt ‚Stelle, wo viele Eichen wachsen‘), erst im 12. Jahrhundert entwickelte sich für mittelhochdeutsch stat die Bedeutung ‚Siedlung mit Marktrecht und Selbstverwaltung‘ (dafür früher burg); auch im 20. Jahrhundert bei Zusammenlegungen von Gemeinden häufig gebraucht, zum Beispiel: Erftstadt, Diemelstadt.
- -stein: eine Ortschaft auf oder an einem Felsen, z. B. Warstein, insbesondere zu einer Burg, z. B. Kufstein, Aggstein
- -stift: ein Nonnenkloster
- -tal, -thal, niederdt. -dal: Siedlung im Tal; auch im 20. Jahrhundert bei Zusammenlegungen von Gemeinden häufig gebraucht, zum Beispiel: Extertal, Lippetal, Nettetal, Niddatal, Schwalmtal, Wuppertal.
- -torf oder -up in Schleswig: aus dem Dänischen -torp, Nachbarsiedlung, z. B. Gettorf,
- -um: friesisch, niedersächsisch für -heim z. B. Büsum, Husum, Keitum, Rantum, Pogum, Beckum usw.
- -walchen: Siedlung romanischen (welschen) Ursprungs.
- -wald, -walde, niederdt. -wohld, -wohle, -wold etc.: Siedlung am oder im Wald.
- -weg, am Weg gelegen, Baumschulenweg
- -weide, an oder bei einer Weide gelegen (wobei hier der Baum oder die Grünfläche gemeint sein kann), Niederschöneweide, Oberschöneweide
- -weiler, -wei(h)er, -wil,, -wy(h)l, -viller: eine Wohnsiedlung, die aus wenigen Gebäuden besteht (Weiler), z. B. Ahrweiler, Arnoldsweiler, Baesweiler, Bergweiler, Brauweiler, Chorweiler, Eschweiler, Etzweiler, Garzweiler, Heusweiler, Höheischweiler, Kinzweiler, Mariaweiler, Münchweiler, Nünschweiler, Weiler im Allgäu, Weilerswist, Weisweiler.
- -werder, -werth, niederdeutsch -warder, -wort(h), -ort, süddeutsch -wört(h): Halbinsel oder inselartige Anhöhe in der Niederung (vgl. Wurt).
- -wik, -wig: niederdeutsch Siedlung (aus latein. vicus, vergl. niederländ. wijk ‚Stadtviertel‘, siehe Weichbild) – oder skandinavisch „Bucht“, „Meerbusen“ (z. B. Reykjavík); skandinavisch vik gehört zu zurückweichen (der Küstenlinie) wie Bucht zu biegen.
- -wiß: an oder bei einer Wiese gelegen, z. B. Dürwiß.
- -zell: bezieht sich auf eine Klosterzelle, z. B. Zell (Mosel), Kirchzell, Zell im Odenwald
Suffixe
Ortsnamen-Suffixe können (besonders in altertümlichen Ortsnamen) die Stelle von Grundwörtern einnehmen. Da sie keine eigenständige Bedeutung haben, sind sie noch stärker als die Grundwörter der Abschleifung (und gegenseitiger Angleichung) ausgesetzt. Hinzu kommt, dass die deutschen Ortsnamen ursprünglich Dativformen waren (gebraucht als Lokativ) und deshalb häufig noch auf -e (Singular) oder -(e)n (Plural) enden, z. B. -walde „im/am …wald(e)“, -hausen (althochdeutsch -husun, -husin, -huson) „bei den …häusern“. Viele Ortsnamen leiten sich auch von Flurnamen ab.
Beispiele:
- -ach, -ich (-ig), -icht (-igt), oberdeutsch -at, -et, -it, hessisch -es, -is: Kollektivsuffix, das aus Baumnamen Gehölznamen bildet, z. B. Haslach („Haselwald“), Birkig, Buchet, Meiches (1342 zum Eiches).
- -ate, -te, -nit und -net: keltischen Ursprungs, z. B. Adnet (Salzburg).
- -ede, -de, -da, -te, -ta, -t: Kollektivsuffix, das aus örtlichen Gegebenheiten Siedlungsnamen bildet, z. B. Eschede, Apolda (‚Ort, wo Äpfel wachsen/Apfelbäume stehen‘ vergl. lateinisch arboretum ‚Baumgarten‘ zu arbor ‚Baum‘), Ebnet/Ebnit/Ebnat (zu althochdeutsch ëbanôti ‚Ebene‘); aber auch Substantive aus Verben, z. B. Freude zu freuen, Gebäude zu bauen.
- -ich, -ach in rheinischen Ortsnamen: aus gallo-romanisch -(i)acum, z. B. Jülich, Andernach.
- -in (-en) (wenn endungsbetont): slawisch, z. B. Berlin, Fehrbellin ‚Weidenort‘
- -ing, -ingen, -ung, -ungen, friesisch -ens: bildet Siedlungsnamen (eigentlich Einwohnernamen) hauptsächlich aus Personennamen (z. B. Süpplingen, Gauting, Esens), aber auch aus Stellenbezeichnungen (z. B. Wildungen 'bei den Leuten in der Wildnis').
- -itz, -itsch, -witz, -(sch)ütz: aus slawisch -ic- bzw. -ov-ic-, z. B. Rochlitz, Delitzsch, Doberschütz (1349 Doberschwicz zum altsorbischen Vornamen Dobrš)
- -ow (-au): aus slawisch -ov, z. B. Malchow, Lüchow
- -s (-z): Genetiv-Endung in elliptischen Ortsnamen; diese bestehen nur aus einem Bestimmungswort (meistens Personenname) im Genetiv, das Grundwort ist ausgelassen oder weggefallen, z. B. in Sterbfritz aus 'Starcfrides [Huson]' (vergl. Familiennamen wie Frings aus 'Severins [Sohn]'); dass auch diese Ortsnamen ursprünglich Dativformen waren, zeigt Merkenfritz aus ‚[ze de]m Erkenfredis‘.
Bestimmungswörter
Sie weisen auf bestimmte geografische (Berg-, Tal-, Wasser-) oder geologische (Erz-, Hal-, Stein-) Gegebenheiten hin, beziehen sich auf die natürliche Umwelt (Hirsch-, Hase-, Vogel-, Eich-, Buch-) oder Personengruppen (Frank-, Sachsen-, Schiffer-, Graf-) oder verweisen auf Bauten (Burg-, Kirch-, Mühl-).
Beispiele:
- Gründungsbezeichnungen: Neu- z. B. Neustadt, Alt(en)-/Old(en)- usw. (wenn nicht Zusatz, s. u.)
- Personen (meist Stifter): König(s)-, Herzog(en)-, Graf(en)-, Schulz(en)-, Schult(en)- usw.; auch Personennamen (meistens männl. Vornamen, etwa bei den bairischen -ing-Siedlungen)
- Wappenzeichen wie Falk-, Geif-, Lauen- (Löwe)
- Rechtlicher Status: Frei-, -stadt, z. B. Freistadt, auch -markt, -bad (Kurort) und -stift, (zum Beinamen siehe auch unten)
- Rodungsnamen: Rod, Schlag, Sang, Brand, (G)schwend
- Flurnamen: Au, Bach, Ach, See, Berg, Feld, Wald, Forst, Heide, -moos,
- Bodenbeschaffenheit: Stein, Sand
- Besonderheiten:
- Tiere : Ber-, Hirsch-, Vogel(s)-, Eber- (Vorkommen, soweit nicht Wappentier)
- Baumarten: Aich-, Esch-, Nuß-, siehe Liste von Bäumen und Sträuchern in Mitteleuropa
- Ereignisse: Brand-, -statt
- Zahlwörter, Anzahlen von bestimmenden Objekten: Zwei-, Zwi(e)-, Dri-, Fünf-, Neun-
- Wirtschaftliche Kennzeichen, teils auch als Gründungsname einer Siedlung zu einem vorhandenen Objekt:
- Haupt- oder Zentralgebäude: Kirch-, Burg, Schloss-, Pfalz-, -hof, -hausen
- Gewerbe: Mühl-, -hütte(n)
- Handelsplätze: Kauf-, Markt-, -Hafen
- Verkehrswege: Straß, Weg, -bruck, -Furt
- Grenzen: Mark- (als Abgrenzung), Grenz-, auch Einfriedungen wie Kamp, Gatter, Hag
- Kulturland: Wiese, Feld, Alm, bzw. Brachland wie Heide
- Bodenschätze oder deren Verarbeitung: Eisen-, Erz-, Kupfer-, Gold-, Zinn- usw., Salzvorkommen: Hal-, Salz-, Sol- (Speisesalz, Halogene)
- Brunnen: -brunn, -quell, Pütz- z. B. Pützlohn
- Lagebezeichnungen (wenn nicht Zusatz, s. u.):
- Namen von Fließgewässern: Oder-, Rhein-, Saar-, Weser-
- Exposition: Stein, Fels, -eck, -winkel
- Qualitäten: Schön(e)-, Lauter-, -öd, auch Sonn-, Dunkel-
Namenszusätze
Sie grenzen gegenüber nahegelegenen, ansonsten gleichnamigen Orten ab (Groß-/Klein-, Alt-/Neu-, Hoch-/Nieder-) und werden meistens den anderen Bestimmungswörtern vorangestellt; die Unterscheidung zu den Bestimmungswörtern ist dabei eher funktional als inhaltlich, so dass Elemente der oberen und unteren Listen z. T. ausgetauscht werden können, z. B. Markranstädt (neben Altranstädt) und Oldenburg (ohne nahegelegenes Gegenstück).
Es gibt z. B. Unterscheidungen nach
- Größe: Groß(en)-, Gross(en)-, Grot(en)-, Groot-, Michel(n)-, Mecklen-; Klein-, Lütz(el)-, Lütten-, Lütjen- (Lütgen-) usw.
- Alter: Alt(en)-, Alde(n)-, Old(en)-, Ohlen-, Star- (slawisch ‚alt‘); Neu(en)-, Nau(en)-, Nein-, Nie(n)- (Nin-, Nenn-), Nova- usw.
- Höhe: Hoch-, Hohen-, Hogen-, Ober-, Over- (Aver-), Auf-, Up- (Op-); Nieder-, Neder- (Neer-), Unter-, Sieden- usw.
- Richtung: Nord(er)- (Noord-); Süd(er)- (Sund-, Sont-, Sud-, Sauer-); Ost(er)-/West(er)-; Hinter-/Vorder-, Inner-/Außer- usw.
Beinamen und Zusatzbezeichnungen von Orten
Zusatzbezeichnungen:
- Sankt, San, São, Saint, Sint, Santa, Sta., St.
- Die amtliche Bezeichnung solcher Gemeinden enthält normalerweise entweder das ausgeschriebene Wort (z. B. Sankt) oder die Abkürzung (z. B. St.). Umgangssprachlich und selbst im behördlichen Schriftverkehr und auf Ortstafeln wird jedoch oft auch die jeweils andere, nichtamtliche Version gebraucht.
- Maria. Speziell in den katholischen Gebieten gibt es Marienwallfahrtsorte, wo dem Ortsnamen Maria vorgesetzt ist.
- Bad
- In Deutschland ist der Zusatz Bad gesetzlich geregelt und dann ein Bestandteil des amtlichen Namens. Er wird nur an Heilbäder vergeben, wenn bestimmte Mindestvoraussetzungen (Ortsbild, Angebot an Therapiemaßnahmen, Umweltqualität) erfüllt werden. Der Titel kann erteilt und auch wieder versagt werden.
- In Österreich ist der Zusatz Bad ebenfalls ein Bestandteil des amtlichen Namens, der von der jeweiligen Landesregierung vergeben wird. Er wird an Heilbäder, Thermalbäder, Luftkurorte etc. vergeben.
In einigen Ländern besitzen einige Städte neben ihrem Ortsnamen noch einen zusätzlichen, amtlich verwendeten Namen:
- Bundeshauptstadt für Berlin, Wien
- Bundesstadt für Bonn und Bern
- Hansestadt für Orte, welche Mitglied der Hanse waren
- Landeshauptstadt für Hauptstadt eines Bundeslandes, z. B. München, St. Pölten
- Universitätsstadt, z. B. Tübingen, Göttingen oder Heidelberg
- Lutherstädte Wittenberg und Eisleben nach Martin Luther
- Olympiastadt nach Olympia
- Wissenschaftsstadt für Darmstadt
- documenta-Stadt für Kassel, nach der Kunstausstellung documenta
Zu unterscheiden ist zwischen offiziell geführten Ortsnamen wie Lutherstadt Wittenberg oder Freie und Hansestadt Hamburg, und Beinamen, die nur zur Charakterisierung dienen.
Manche Städte – meistens Metropolen – haben auch einen Beinamen oder „Spitznamen“:
- Beirut – Paris des Nahen Ostens
- Byzanz – Zweites Rom oder Rom des Ostens
- Detroit – Motown, Motor City
- Dresden – Elbflorenz
- Edinburgh – Athen des Nordens
- Kiew – Mutter der russischen Städte (Hauptstadt der Kiewer Rus, der Keimzelle des heutigen Russland)
- Mainz – Goldenes Mainz (lat. Aurea Moguntia)
- Moskau – Drittes Rom
- New York – Big Apple
- Prag – Goldene Stadt (Zlatá Praha)
- Paris – Stadt der Liebe, Paname, Lichterstadt
- Rom – Ewige Stadt und Stadt der Sieben Hügel
- Saigon – Paris des Ostens, Perle des fernen Ostens
- San Francisco – The City
Manche Beinamen sind für mehrere Städte üblich:
- (Alte) Kaiserstadt: Aachen (war Kaiserpfalz von Karl dem Großen), Wien (war Hauptsitz der römisch-deutschen Kaiser und der österreichischen Kaiser), Beijing (Sitz des Kaisers von China)
- Venedig des Nordens – mit diesem klangvollen Namen schmücken sich (und die Reiseveranstalter) viele Städte, z. B.: Sankt Petersburg, Stockholm, Hamburg, Brügge, Amsterdam, Emden, Arendal, Friedrichstadt, Stralsund, Edinburgh, Nikolaiken, Giethoorn, Papenburg
- Paris des Ostens: Budapest, Warschau (bis 1945), Riga, Bukarest, Irkutsk und Sankt Petersburg –
- Festspielstadt für Bayreuth und Salzburg, die Städte klassischer Festspiele, neuerdings auch Baden-Baden, Bad Hersfeld, Willich, Wittenberge, Worms aus Marketinggründen
- Mozartstadt nach dem Komponisten W. A. Mozart
- Messestadt mit dem Hinweis auf hochrangige Messen
Darüber hinaus schmücken sich auch kleinere Ortschaften mit klangvollen Beinamen, die meistens von regionalen Vorzügen, Wirtschaftsschwerpunkten oder berühmten Persönlichkeiten abgeleitet wurden, z. B. Händelstadt Halle, Spargelstadt Beelitz, Reuterstadt Stavenhagen, Marzipanstadt Lübeck, Eulenspiegelstadt Mölln, Volkswagenstadt Wolfsburg, Babenbergerstadt Mödling, Stiefelstadt Döbeln. Die Beispiele sind beliebig erweiterbar, denn kaum ein Ort versäumt es, seine Besonderheit zu betonen.
Kurioses
Ortsnamen nach Länge
Die längste Ortsbezeichnung besitzt ein neuseeländischer Hügel namens Taumatawhakatangihangakoauotamateturipukakapikimaungahoro-Nukupokaiwhenuakitanatahu (83 Zeichen), überboten vom offiziell verständlicherweise selten verwendeten Namen von Bangkok, Krung Thep Mahanakhon Amon Rattanakosin Mahinthara Ayuthaya Mahadilok Phop Noppharat Ratchathani Burirom Udomratchaniwet Mahasathan Amon Piman Awatan Sathit Sakkathattiya Witsanukam Prasit (168 Zeichen ohne Leerzeichen, 21 Wörter). Das Guinness-Buch der Rekorde gab den Titel daher mit der Begründung an den neuseeländischen Ort, er werde häufiger mit diesem Namen bezeichnet als Bangkok.
Europas längsten Ortsnamen trägt die walisische Ortschaft Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch (58 Zeichen).
Die kürzesten Ortsbezeichnungen im deutschen Sprachraum haben zwei Buchstaben:
- Au (viele)
- Ay
- Ed, Weiler in der Gemeinde Hilgertshausen-Tandern
- Ob
- Öd
- Oy-Mittelberg, Gemeinde im bayerisch-schwäbischen Landkreis Oberallgäu
In der Schweiz kommen noch die Gemeinden Gy und Lü hinzu. In der Bretagne kennt man die untergegangene mythische Stadt Ys. Die wohl bekannteste Stadt der Welt mit nur zwei Buchstaben ist Ur in Mesopotamien. In Finnland gibt es in der Nähe von Oulu die Stadt Ii und in Schweden den Ort Ed. Ob liegt in der Oblast Novosibirsk, Russland.
Einbuchstabige Ortsnamen sind sehr selten und in Deutschland nicht zu finden.
- In Frankreich gibt es ein Dorf namens Y.
- Orte namens Å gibt es in Dänemark auf der Insel Fünen, in Norwegen und in Schweden.
- Dänemark hat noch einen weiteren einbuchstabigen Ortsnamen namens Ø („Insel“).
- Auf den Karolineninseln im Pazifik gibt es einen Ort U.
- Die japanische Stadt Sosei wird auch Aioi oder O genannt.
- Früher gab es im amerikanischen West Virginia einen Ort mit dem Namen 6.
(Quelle: Guinness-Buch der Rekorde 1992)
Ortsnamen ohne Vokal
Ein Kuriosum stellen für Deutschsprachige solche Ortsnamen dar, die keine Vokale enthalten. z. B. Krk, wobei bedacht werden muss, dass der Laut r im Slawischen silbig sein kann.
Häufige Ortsnamen
Zu den häufigsten Ortsnamen im deutschen Sprachraum zählen u. a. Hausen, Neukirchen, Neustadt und Mühlhausen; zu den häufigsten Ortsnamen in Österreich zählen Berg, Hof, Sankt Georgen, St. Peter und Neusiedl.
In den USA ist es die Stadt Springfield, die am häufigsten vorkommt.
Siehe auch
Weblinks
- Kleine Namenkunde und Erklärung einiger Ortsnamen aus der Heimat der Vorfahren
- Zur Grammatik von Ortsnamen
- Onomastik
- Informationen zur Schweizer Ortsnamenforschung
- Noms de lieux de Suisse romande, Savoie et environs
- Ortsnamenetymologie (Englisch)
- Ortsnamen Witzigste Ortsnamen Deutschlands
Literatur
- Adolf Bach: Deutsche Namenkunde. Band II, 1 und 2: Die deutschen Ortsnamen. Heidelberg 1953/54
- Gerhard Bauer: Namenkunde des Deutschen. In: Germanistische Lehrbuchsammlung. Band 21. Bern 1985, ISBN 3-261-03205-7
- Dieter Berger: Duden. Geographische Namen in Deutschland. Herkunft und Bedeutung der Namen von Ländern, Städten, Bergen und Gewässern. 2. Auflage, Mannheim 1999, ISBN 3-411-06252-5
- Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Ausgabe, Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2002, ISBN 978-3-11-017473-1
- Ernst Förstemann, Hermann Jellinghaus (Herausgeber): Altdeutsches Namenbuch. Band II, 1 und 2: Ortsnamen. 3. Auflage, Bonn 1913/1916 (Nachdruck: Band II, 2, Hildesheim 1967/1983, ISBN 3-487-01733-4)
- Maurits Gysseling: Toponymisch Woordenboek van België, Nederland, Luxemburg, Noord-Frankrijk en West-Duitsland (vóór 1226). Brüssel 1960. (Weblink)
- Henning Kaufmann: Bildungsweise und Betonung der deutschen Ortsnamen. 2. Auflage, München 1977
- Werner König: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte.(dtv-Atlas Nr. 3025). 10. Aufl., München 1994, ISBN 3-423-03025-9
- Wilhelm Schmidt: Deutsche Sprachkunde. Ein Handbuch für Lehrer und Studierende., 10. Auflage, Berlin 1985 – insbesondere Kapitel X, S. 265–284
- Heinrich Wesche: Unsere niedersächsischen Ortsnamen. o. O. 1957
Quellen
- ↑ Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert e. V.
- ↑ Walter Krämer, Götz Trenkler und Denis Krämer: Das neue Lexikon der populären Irrtümer. Eichborn, Frankfurt am Main, 1998. S. 365