Oskar Schröder

deutscher Mediziner, Hauptangeklagter im Nürnberger Ärzteprozess (1891-1959)
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Oskar Schröder

Prof. Dr. med Oskar Schröder (*6. 2. 1891 in Hannover , † 26. 1. 1958 München) war deutscher Mediziner , Chef des Sanitätswesens der Deutschen Luftwaffe, Angeklagter im Nürnberger Ärzteprozess. Werdegang Oskar Schröder trat 1910 ein Studium der Medizin an der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen an und promovierte am 30. August 1919 in Berlin. Zwischenzeitlich diente er im I. Weltkrieg als Truppenarzt, darauf von 1918 bis 1935 als Militärarzt in Königsberg, Würzburg und Hannover. Im Jahr 1935 avancierte er zum Abteilungsleiter und Stabschef des Generalarztes Erich Hippke im Luftfahrtministerium. . Am 1. Januar 1944 löste Schröder seinen Vorgesetzten Erich Hippke als Chef des Sanitätswesens der Luftwaffe ab.

Versuche zur Trinkbarkeit von Meerwasser 1944 Am 9. Mai 1944 Konferenz wurde unter Anwesenheit Oskar Schröders, des Referenten für Luftfahrtmedizin des Sanitätswesens Hermann Becker-Freyseng und dem Unterarzt im Stab des Forschungsinstituts für Luftfahrtmedizin Konrad Schäfer und anderen im Luftfahrtministerium abgehalten. Nachdem die besondere Dringlichkeit festgestellt wurde, wurde beschlossen, die verschiedenen Möglichkeiten zur Trinkbarkeitsmachung von Meerwasser anhand von Humanexperimenten zu erproben. Sinn der Versuche war, die bestmögliche Möglichkeit zur Trinkbarkeit von Meerwasser zu erproben, um die bestmögliche Versorgung von in Seenot geratener Angehöriger der Luftwaffe und der Marine zu gewährleisten. Becker-Freyseng stellte fest, dass die günstigsten Voraussetzungen für eine Versuchsreihe in einem Konzentrationslager beständen. In der Folge erging am 7. Juni 1944 der folgende Antrag Schröders auf die Zur-Verfügungstellung von Probanden an den Innenminister und Reichsführer-SS Heinrich Himmler :

„Hochverehrter Reichsminister! Sie gaben bereits früher der Luftwaffe die Möglichkeit, dringende ärztliche Fragen im Versuch am Menschen zu klären. Ich stehe heute wieder vor einer Entscheidung, die nach zahlreichen Tier- und auch Menschenversuchen an freiwilligen Versuchspersonen eine endgültige Lösung verlangt: Die Luftwaffe hat gleichzeitig zwei Verfahren zum Trinkbarmachn von Meerwasser entwickelt. Das eine, von einem Sanitätsoffizier entwickelte Verfahren entsalzt das Meerwasser und macht es zu einem wirklichen Trinkwasser, das zweite, von einem Ingenieur angegebene Verfahren lässt den Salzgehalt unverändert, es nimmt dem Seewasser nur den unangenehmen Geschmack. Das letzte Verfahren benötigt im Gegensatz zum ersten keine Engpassrohstoffe. Ärztlicherseits muss dieses Verfahren nach unseren heutigen Kenntnissen als bedenklich angesehen werden, da die Zufuhr konzentrierter Salzlösungen schwere Vergiftungserscheinungen hervorrufen kann. Da die Versuche am Menschen bisher nur zu einer Dauer von vier Tagen durchgeführt werden konnten, die praktischen Forderungen aber eine Versorgung in Seenot-Geratener bis zu zwölf Tage verlangen, sind entsprechende Versuche erforderlich. Benötigt werden vierzig gesunde Versuchspersonen, die für vier Wochen voll zur Verfügung stehen müssten. Da von früheren ersuchen bekannt ist, dass im KZ Dachau die notwendigen Laboratorien bestehen, wäre dieses Lager sehr geeignet.“ Die Durchführung der Meerwasserversuche fand im Zeitraum von Juli – September 1944 statt, die Leitung der Meerwasserversuche übernahm der österreichische Mediziner Wilhelm Beiglböck .


Nürnberger Ärzteprozess

Nach Kriegsende war Oskar Schröder Hauptangeklagter Nr. 4 des Nürnberger Ärzteprozesses . Den Hauptbelastungspunkt bildeten dabei die Dachauer Meerwasserexperimente, obwohl Schröder als Chef des Sanitätswesens der Luftwaffe auch die Teilnahme und Verantwortlichkeit für die Höhen- und Unterkühlversuche von Sigmund Rascher im KZ Dachau , die im KZ Ravensbrück durchgeführten Sulfonamidversuche unter dem Obersten Kliniker des Reicharztes der SS Karl Gebhardt ) sowie die Gelbsucht- und Fleckfieberversuche des Luftwaffenoffiziers Eugen Haagen im KZ Natzweiler-Struthof angelastet wurden. Schuldig befunden wurde Schröder der maßgeblichen Initiative und Durchführung der Meerwasserversuche. Nachdem der Anklagepunkt der Sulfonamidversuche durch die Anklagebehörde zurückgezogen wurde, verurteilte das Gericht Schröder weiter aufgrund der Beteiligung von Luftwaffenoffizieren, die ihm zu diesem Zeitpunkt formell unterstanden, als mitverantwortlich an den Experimenten zur Erforschung von Fleckfieberimpfstoffforschung. Das Urteil gegen Oskar Schröder erweist sich insoweit als Kuriosum, da er ferner für die Beteiligung Haagens und des Stabsarztes der Luftwaffe Karl Wimmer an den Lost- und Phosgenversuche im KZ Natzweiler-Struthof verurteilt wurde, obwohl gegen ihn in diesem Punkt überhaupt keine Anklage erhoben worden war. Von den übrigen Punkten wurde Schröder durch den amerikanischen Militärgerichtshof freigesprochen und am 20. August 1947 zu lebenslanger Haft verurteilt, die er in der Strafanstalt Landsberg am Lech zu verbüßen hatte. Am 31. Januar 1951 wurde das Strafmass Schröders durch den US-amerikanischen Hochkommissar John Jay McCloy auf fünfzehn Jahre reduziert, am 31. März 1954 erfolgte unter Aufsetzung der Strafe zur Bewährung die Entlassung. Nach Haftentlassung trat er als medizinischer Berater in den Dienst der US Airforce (siehe Aktion Paperclip ) Oskar Schröder verstarb am 26. Januar 1959 in München.


Kontroverse

Das Hauptkapitel der Verhandlung gegen Oskar Schröder und die wesentliche Verurteilungsgrundlage bildeten die Meerwasserversuche im KZ Dachau. Festzustellen ist zunächst, dass Schröder nicht den geringsten Einfluss auf die Probandenauswahl aus Dachau zu dieser Versuchsreihe innehatte. Weiterhin sagten selbst ehemalige Probanden aus dem KZ Buchenwald vor dem Tribunal aus, dass sie freiwillig zu den Versuchen gemeldet hatten, weil ihnen im KZ Dachau eine bessere Verpflegung und Hafterleichterung zugesichert wurde. Über die Frage von Rechtmäßigkeit bzw. Unrechtmäßigkeit der Versuche gab es bereits während des Prozesses erheblich abweichende Ansichten. So bemerkte der medizinische Sachverständige des Gerichts Prof. Franz Volhard: „Ich sage eigentlich nur deshalb hier aus, um auf Grund meiner Beobachtungen festzustellen, dass von einem Verbrechen gegen die Humanität bei derartigen Versuchen nicht die Rede sein kann.“ Der Ausschuss des Kongresses für innere Medizin thematisierte 1948 ebenfalls das Nürnberger Urteil zu den Meerwasserversuchen und veröffentlichte ein Gutachten, in welchem u.a. festgestellt wird, „Die Versuche waren in der damaligen Situation notwendig. Sie sind nach Zeugenaussagen und Versuchsprotokollen menschlich und ärztlich einwandfrei und mit Sorgfalt durchgeführt worden.“ Selbst Alexander Mitscherlich vermerkt in einer späteren Auflage seines Standartwerkes „Medizin ohne Menschlichkeit“, das den Nürnberger Ärzteprozess rein subjektiv aus Sicht der Klageführung dokumentiert: „Dementsprechend ist es wohl notwendig, die nach Urteilsverkündung vorliegenden Freiwilligkeitserklärungen im Zusammenhang mit dem gesamten Komplex der Meerwasserversuche zu überprüfen. Es erscheint zweifelhaft, ob danach die Festlegung einer wesensmäßig verbrecherischen Natur der Meerwasserversuche aufrechterhalten werden kann. Das Urteil bedürfte dann einer Revision.“


Literatur

Alexander Mitscherlich / Fred Mielke: Medizin ohne Menschlichkeit - Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses.. Lamberg und Schneider, Heidelberg 1949, ISBN 3-5962-2003-3