Nationaltheater Mannheim

Vierspartentheater in Mannheim mit eigenen Ensembles für Musiktheater (Oper), Schauspiel, Tanz sowie das Junge Nationaltheater
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Dezember 2007 um 19:08 Uhr durch Theatertechnik (Diskussion | Beiträge) (Technische Daten: Sitzplatzanzahlen korrigiert, Quelle: Website des Nationaltheaters http://www.nationaltheater.de). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Nationaltheater Mannheim ist ein Vierspartentheater in Mannheim mit eigenen Ensembles für Musiktheater (Oper, Operette, Musical), Schauspiel, Ballett sowie das Kinder- und Jugendtheater Schnawwl.

Nationaltheater Mannheim
Nationaltheater Mannheim

Gegründet von Kurfürst Carl Theodor als "stehende Bühne" mit festem Ensemble in der Nachfolge des höfischen Theaters wurde das Nationaltheater bereits 1839 vollständig städtischer Verantwortung unterstellt und ist damit heute das älteste kommunale Theater der Welt.

Seit der 226. Spielzeit 2005/2006 ist Regula Gerber Generalintendantin des Hauses.

Geschichte

Altes Nationaltheater von 1777

 
Das teutsche Komödienhaus (Kupferstich der Brüder Klauber, 1782)
 
Soufflierbuch der Mannheimer Uraufführung von Schillers Drama „Die Räuber“, 1782

Der erste Bau des Nationaltheaters entstand in Mannheim auf Anregung des Kurfürsten Karl Theodor, der den Umbau des kurfürstlichen Zeug- und Schütthauses in ein dreigeschossiges Theaterhaus unter Leitung des Baumeisters Lorenzo Quaglio veranlasste. Quaglio erweiterte die Fassade des ursprünglich schmucklosen Baus um einen Mittelrisalit mit Balkonvorbau sowie um zwei sechsachsige Eckrisaliten. Der Giebel wurde um ein Stockwerk angehoben und mit einem Relief von Johann Matthäus van den Branden (1717-1787) geschmückt, das Apoll und die neun Musen zeigte. Van den Branden schuf auch die Urnen und Figuren auf den drei Balkonen.

Im Frühjahr des Jahres 1777 begann der Spielbetrieb an der ersten „deutschen Nationalschaubühne“ und Theobald Hilarius Marchand, der Vater von Maria Marchand, wurde deren erster Leiter. Im darauf folgenden Jahr wurde Wolfgang Heribert Freiherr von Dalberg mit der Leitung des Nationaltheaters betraut, das der Kurfürst als Ausgleich für den Wegzug des Hofes nach München in Mannheim bestehen ließ. Gleichzeitig mit der Eröffnung der Mannheimer Bühne hatte Karl Theodor seine bisherige ausländische Hoftheatergruppe aufgelöst; sein Opernensemble blieb bestehen, folgte ihm jedoch nach München. In Mannheim bestritten daher zunächst Wandertruppen das Programm, bis Dalberg das Ensemble des verstorbenen Theaterleiters K. Ekhof verpflichtete, dem mit August Wilhelm Iffland, Heinrich Beck und David Beil mehrere herausragende Darsteller angehörten. Das Ensemble gab am 17. Oktober 1779 sein Debüt mit dem Stück „Geschwind eh' es jemand sieht“. Künftige Jubiläen nahmen stets auf diese Premiere Bezug.

Am 13. Januar 1782 wurde Friedrich Schillers Drama Die Räuber in Anwesenheit des Dichters uraufgeführt. Schiller war ab dem Folgejahr auch Mannheims erster Theaterdichter - eine Funktion, die unter der Schauspieldirektion Bruno Klimeks (1996 - 2000) wiederbelebt und fortgesetzt wurde. Schillers philosophierende Stücke waren in Mannheim jedoch nicht sehr erfolgreich, so dass er die Stadt 1785 verließ. Wesentlich erfolgreicher waren dagegen unterhaltsame Stücke, die insbesondere ab 1792, nachdem Iffland die Regie übernommen hatte, das Programm bildeten. Die Napoleonischen Kriege führten jedoch bald zu häufigen erzwungenen Spielpausen. Iffland verließ das Haus, um in Berlin Direktor des dortigen Nationaltheaters zu werden, Dalberg übertrug sein Amt seinem Schwiegersohn, Freiherrn von Venningen, der als wenig befähigt galt. Der Niedergang Mannheims zur Provinzstadt schlug sich auch auf das Nationaltheater nieder, dessen Intendantenstelle zeitweise unbesetzt blieb oder kommissarisch verwaltet wurde.

Als Folge eines Streites über die Finanzierung des Theaters zwischen der Stadt Mannheim und dem Staat übergab ein Ministerialerlass vom 16. April 1839 die Verantwortung für das Theater an die Stadt, womit es das erste kommunale Theater in Deutschland wurde. Der anschließende Aufschwung des Hauses geht im wesentlichen auf den Dekorationsmaler Joseph Mühldorfer zurück, dessen Bühnenbilder und Aufbauten internationale Anerkennung fanden. In den Jahren 1853 bis 1855 wurden Bühne und Zuschauerraum durch Mühldorfer komplett umgestaltet und das Haus um ein Stockwerk aufgestockt. Außerdem wurden die zwischen den Vorbauten gelegenen Außenhöfe überbaut, so dass die einst harmonisch gegliederte Fassade verlorenging und das Bauwerk als „kasernenartig“ bezeichnet wurde. Auf dem ursprünglich freien Komödienplatz wurden 1862 bis 1866 Bronzedenkmäler für Schiller, Iffland und Dalberg errichtet.

Die musikalischen Aufführungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren geprägt vom Dirigenten Vincenz Lachner, der neben traditionellen Werken auch moderne, zeitgenössische Werke aufführte. Lediglich Richard Wagner stieß bei Lachner auf Ablehnung, so dass dessen Werke erst nach Lachners Ruhestand 1881 verstärkt zur Aufführung kamen; zeitweise dominierten Wagner-Werke sogar den Spielbetrieb.

Eine bedeutende Hochphase erlebte das Mannheimer Nationaltheater unter dem Intendanten Dr. Carl Hagemann ab 1906. Zu seinem Ensemble zählten Kapellmeister Wilhelm Furtwängler, Oberregisseur Richard Weichert und Bühnenbildner Ludwig Sievert. Hagemanns Ensemble spielte sich, auch mit der Aufführung neuer expressionistischer Stücke, in die erste Reihe der deutschen Theater zurück, nicht zuletzt nachdem die Theaterlandschaft in Berlin während des Ersten Weltkrieges an Bedeutung verloren hatte. In Mannheim engagiert waren Ida Ehre, Gertrud Bindernagel, Margarete Klose, Erna Schlüter, Margarethe Teschemacher, Valentin Haller, Willy Birgel, Josef Offenbach, Bum Krüger, Erich Musil und andere.

Während einer Vorstellung von Carl Maria von Webers Der Freischütz wurde Mannheim am 5. September 1943 durch die Royal Air Force bombardiert. Hierdurch wurden große Teile der Stadt und auch das Nationaltheater zerstört.

Nachkriegsprovisorium in der Schauburg

Nach dem Krieg zog man provisorisch in die Schauburg, ein ehemaliges Kino in K1. Der erste Nachkriegs-Intendant, Carl Onno Eisenbart hatte noch 1945 die Lizenz zur Durchführung musikalischer und theatralischer Aufführungen erhalten. Ihm folgten mehrere ebenfalls nur kurz wirkende Intendanten, darunter Richard Payer, der sich aus dem Fenster seines Wohnhauses zu Tode stürzte, bevor 1951 mit Hans Schüler wieder ein bedeutender Intendant gefunden war. Anlässlich des 175-jährigen Jubiläums wurde 1954 der Schillerpreis der Stadt Mannheim gestiftet.

Neues Nationaltheater von 1957

1953 wurde ein Architekturwettbewerb für ein neues Theater durchgeführt, den ein Entwurf von Ludwig Mies van der Rohe gewann. Dieser Entwurf, der nicht ausgeführt wurde, gilt auch heute noch als Klassiker für moderne Theaterarchitektur. Außerdem lag ein Wettbewerbsbeitrag von Hans Scharoun vor, der es allerdings nicht in die engere Auswahl brachte.

Statt dessen wurde 1955-1957 ein neues Theatergebäude am Goetheplatz (also nicht an der Stelle des zerstörten Nationaltheaters) nach den Plänen des Architekten Gerhard Weber erbaut, das ein Großes Haus (Opernhaus, ca. 1.200 Plätze) und ein Kleines Haus (Schauspielhaus, ca. 800 Plätze mit variabler Sitzordnung) beherbergt, die sich ein gemeinsames Foyer teilen.

1957 wurde der Neubau durch gleichzeitig stattfindende Vorstellungen von Webers Der Freischütz im Opernhaus und Schillers Die Räuber im Kleinen Haus in einer Inszenierung von Erwin Piscator eingeweiht.

1972 kam als weitere Spielstätte die Studiobühne im Werkhaus dazu.

1978 wurden durch den Intendanten Arnold Petersen die Internationalen Schillertage gegründet. Zu diesem Festival werden erfolgreiche Inszenierungen von Schillers Werken aus dem In- und Ausland eingeladen. 2007 findet es zu 14. Mal statt.

1979 wurde das Kinder- und Jugendtheater Schnawwl mit eigenem Ensemble gegründet. Es hat seine Hauptspielstätte in der umgebauten „Alten Feuerwache“ in der Mannheimer Neckarstadt.

Der ehemalige GMD Ádám Fischer (2000-2005) rief die Mannheimer Mozartwoche ins Leben, die die Beschäftigung mit Mozarts Musik und der Aufführungspraxis seiner Zeit verstärken sollte. Sie fand um den Todestag Mozarts im Dezember statt. Dabei standen von Anfang an die frühen Opern Mozarts im Zentrum des Interesses. Jedes Jahr wurde eine dieser Opern ins Repertoire aufgenommen. Die Produktion Ascanio in Alba wurde 2006 zu den Salzburger Festspielen eingeladen. 2007 ist die Inszenierung der Oper Lucio Silla geplant. Zudem wurde die Mozartwoche in den Sommer verlegt und trägt nun den Titel Mannheimer Mozartsommer. Dabei wird an Mozarts ersten Vortrag vor Kurfürst Karl Theodor in Schwetzingen angeknüpft. Die Konzerte, Feste und Soiréen finden dann sowohl in Mannheim als auch in Schwetzingen statt.

Das Ensemble

Zunächst trugen die Orchesterleiter die Titel Hofkapellmeister oder 1. Kapellmeister. Als solche wirken im 19. Jahrhundert vor allem Franz Lachner (1834-1836) und anschließend sein Bruder Vinzenz Lachner (1836–1872), der es mit 46 Jahren auf die bisher längste Amtszeit eines Dirigenten am Nationaltheater brachte. Zwischen 1896 und 1899 war Emil Nikolaus von Rezniček als Erster Kapellmeister am Nationaltheater tätig. Aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind noch Wilhelm Furtwängler (1915−1920) und Erich Kleiber (1922-1923) bekannt. Seit 1923 tragen die Chefdirigenten den Titel Generalmusikdirektor. Gelegentlich üben sie gleichzeitig die Funktion eines Operndirektors aus. Nach dem 2. Weltkrieg wirkten die folgenden namhaften Dirigenten in Mannheim:

Bemerkenswerte Schauspieldirektoren waren unter anderem:


Zum Ensemble gehörten u. a.

Sänger

Schauspieler

Besonderheiten

  • Die Inszenierung von Richard Wagners Parsifal ist die älteste Inszenierung dieses Werks, das noch regelmäßig auf dem Spielplan erscheint. Es ist damit eine der ältesten noch gespielten Inszenierungen überhaupt. Sie hatte ihre Premiere am 14. April 1957, der Eröffnungsspielzeit des neuen Hauses, und stammt von dem damaligen Intendanten Hans Schüler. Das Bühnenbild entwarf Paul Walter, die Kostüme Gerda Schulte. Zu jeder Aufführung werden die originalen Requisiten aus der Theatersammlung der Reiss-Engelhorn-Museen ins Theater gebracht.
  • Seit 1992 erhält ein Nachwuchskünstler des Nationaltheaters den mit 5000 Euro dotierten Arnold-Petersen-Preis. Er wurde auf dessen Anregung von der Roland-Ernst-Stiftung finanziert und wird jährlich vergeben. Der Preisträger 2007 ist Sven Prietz.
  • Die Verleihung des Bloomaulorden, der höchsten bürgerschaftlichen Auszeichnung der Stadt Mannheim, findet jedes Jahr im Rahmen einer Aufführung im Nationaltheater statt.

Technische Daten

Das Opernhaus ("Großes Haus") hat 1.210 Sitze und eine der größten Bühnen in Deutschland. Sie ist 20 Meter breit. Es besitzt eine Drehscheibe mit drei integrierten Schrägstellern und drei herausfahrbaren Doppelstockpodien. Das Schauspielhaus ("Kleines Haus") hat maximal 639 Sitzplätze. Durch die Veränderbarkeit von Bühne und Zuschauerraum ist die Zahl variabel. Beide Häuser besitzen eigene Bühnentürme mit jeweils 25 Metern Höhe über Bühnenboden. Das Haus verfügt über eine hydraulische Hebebühne, mit der Sattelzüge von Straßenniveau auf Bühnenniveau (1.OG) gehoben werden können. Diese Hebebühne ist für die tägliche An- und Abfuhr von Bühnenbildern inzwischen unerlässlich. Das Nationaltheater unterhält über Mannheim verteilt mehrere Lagerstätten für Bühnenbilder, sowie ein Probenzentrum, in dem auf 6 Bühnen neue Produktionen einstudiert werden. Die Werkstätten befinden sich direkt hinter dem Theater im Werkhaus, das derzeit aber neu gebaut wird. Übergangsweise werden die Dekorationen in Ausweichwerkstätten im Mannheimer Stadtteil Neckarau hergestellt. Das Theater steht auf einem ehemaligen Bunker des 2. Weltkriegs, der jetzt als Lagerstätte genutzt wird.

Wirtschaftliche Daten

Das Nationaltheater erhält im Jahr 26,0 Mio Euro von der Stadt und 11,7 Mio Euro vom Land Baden-Württemberg Betriebskostenzuschuss. Bis 2007 werden die Werkstätten für 7 Mio Euro komplett neu gebaut. 2002/03 besuchten 319.619 Zuschauer die Aufführungen des Theaters.

Literatur

  • Anton Pichler: Chronik des Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters in Mannheim. Zur Feier seines hundertjährigen Bestehens am 7. October 1879 . Bensheimer, Mannheim 1879
  • Ernst Leopold Stahl: Das Mannheimer Nationaltheater. Ein Jahrhundert deutscher Theaterkultur im Reich. J. Bensheimer, Mannheim 1929
  • Ernst Leopold Stahl: Die klassische Zeit des Mannheimer Theaters. Band 1. Das europäische Mannheim: Die Wiege zum deutschen Nationaltheater. Hakenkreuzbanner-Verlag, Mannheim 1940 (nur Band 1 erschienen)
  • Claus Helmut Drese: Das neue Nationaltheater. Festschrift. Heidelberg 1957
  • Herbert Meyer: Das Nationaltheater Mannheim. 1929–1979. Bibliographisches Institut, Mannheim 1979, ISBN 3-411-01563-2
  • Karin Jäckel: 200 Jahre Nationaltheater Mannheim in Badische Heimat, 62. Jahrgang, Freiburg 1982
  • Oscar Fambach: Das Repertorium des Hof- und Nationaltheaters in Mannheim. 1804–1832. Bouvier, Bonn 1980, ISBN 3-416-01570-7 (umfangreiche Aufführungslisten)
  • Michael Caroli (Red.), Barbara Becker: Das Nationaltheater Mannheim. Abriß seiner Geschichte und Führer zu den im Stadtarchiv Mannheim verwahrten Unterlagen. Von Brandt, Mannheim 1996, ISBN 3-926260-26-2
  • Liselotte Homering, Karin von Welck (Hrsg.): Mannheim und sein Nationaltheater. Menschen – Geschichte(n) – Perspektiven. Palatium-Verlag, Mannheim 1998, ISBN 3-920671-27-9
  • Alfried Wieczorek (Hrsg.): SchillerZeit in Mannheim. Ausstellungskatalog der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim. Von Zabern, Mainz 2005, ISBN 3-8053-3554-7 bzw. ISBN 3-8053-3555-5
Commons: Nationaltheater Mannheim – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Koordinate Artikel