Der Ausdruck Commedia dell'arte (italienisch etwa: Berufsschauspielkunst), treffender „Commedia all'improvviso“, bezeichnet die italienische Stegreifkomödie, deren Typen und Masken feststanden (Arlecchino, Pantalone, Colombina, Dottore u. a.), und die einer festgelegten Dramaturgie folgte.

Entwicklung
Die Commedia dell'arte entwickelte sich in Italien im 16. Jahrhundert aus verschiedenen, bereits im Mittelalter existierenden Gruppen üblicherweise nicht professioneller Akteure (zusammengefasst unter dem Begriff „giullaresca“). Sie wurde von Wandertruppen über ganz Europa verbreitet und hatte großen Einfluss insbesondere auf das spanische Theater und auf das englische, französische und deutsche Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts, wie beispielsweise das Alt-Wiener Volkstheater und die „Haupt- und Staatsaktionen“ der deutschen Wanderbühnen. Während der Französischen Revolution wurde sie in Frankreich, wo die Commedia seit Louis XIV. ihren festen Standort hatte, verboten und spätestens in der Zeit Napoleons war diese einst dominierende europäische Theaterform praktisch verschwunden. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Comedia dell'arte in den unterschiedlichsten Form in ganz Europa wiederentdeckt und -belebt.
Figuren und Masken
In der Commedia dell'arte gibt es verschiedene Typen mit festgelegten Eigenschaften. Die beiden Hauptgruppen sind dabei die Zanni (Diener) und die Vecchi (Alten).
Zanni
Die Gruppe der Zanni stellt die unterste Schicht der Bevölkerung dar, also Diener und Mägde. Sie symbolisieren das einfache Volk der damaligen Zeit, ihre Wünsche und ihre Kritik an der Gesellschaft.
Zu ihnen gehören:
Brighella ist geschickt und listig, manchmal sogar hinterhältig. Er ist immer etwas verschlagen und meistens skrupellos auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Er lässt auch gerne andere für sich arbeiten. Seine Maske ist üblicherweise die eines gewöhnlichen Dieners oder aber sie zeigt seine listigen Wesenszüge.
Der Liebling der Zuschauer. Arlecchino ist die Figur, die sich auf der Bühne alles herausnehmen darf. Typisch für ihn ist seine naive Fröhlichkeit und seine Verfressenheit. Manchmal dient er sogar zwei Herren gleichzeitig, damit er mehr Essen bekommt, was zu meist lustigen Verstrickungen führt. Mit seiner ironischen Art ist er die Stimme des gemeinen Volkes zu der Zeit. Arlecchino wird mit einer lustigen Maske und dazu noch mit einem Hut und einem Mantel dargestellt, der aus bunten Flicken besteht. Aus der Figur des Arlecchino entwickelte sich mit der Zeit der typische, naive Spaßmacher, wie man ihn heutzutage vor allem als Kasperle aus dem Puppentheater kennt.
Colombina ist ebenfalls eine Person der unteren sozialen Schicht. Meistens spielt sie die Rolle der Magd oder Köchin. Ihr fehlt jedes gekünstelte Element der Oberschicht und sie ist eine lebenslustige und selbstsichere Figur. Durch ihre dominante und verführerische Art zieht sie oft Verehrer (zum Beispiel Brighella) an, gegen die sie sich zu wehren weiß. Die Figur der Colombina hat teilweise keine Maske und trägt meistens schlichte Frauenkleider.
Pagliaccio
Mit seiner weißen Gesichtsmaske und/oder weiß bemehltem Gesicht und seinem weißleinenen, viel zu großen Gewand ist er anscheinend ein Verwandter Pierrots. Pagliaccio ist ein tollpatschiger Knecht und Nachäffer, in Worten kühn, aber in Wahrheit ein außerordentlicher Feigling. Für seine Fehlleistungen wird er oft mit Prügel bestraft.
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Brighella, 1570
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Arlecchino, 1671
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Colombina, 1683
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Pagliaccio, 1600
Vecchi
Die Gruppe der Vecchi (ital.: die Alten) stellt die reiche Oberschicht der Zeit dar. Für sie ist typisch, dass sie sehr viel Geld haben und sich gebildet ausdrücken. Sie schätzen vor allem Kultur und Wissen. Meistens versuchen sie sich vom einfachen Volk abzuheben, da sie sich als etwas besseres sehen. Gerade diese Eigenschaften wirken auf den Zuschauer äußerst unsympathisch, jedoch teilweise schon fast lächerlich. Die wohl bekannteste Form der Vecchi in der Neuzeit sind sicherlich die beiden „Opas“ Statler und Waldorf von den Muppets von Jim Henson.
Zu ihnen gehören:
Pantalone ist meistens ein wohlhabender Kaufmann, der aufgrund seines hohen Alters dann auch kränklich ist. Obwohl er viel Geld hat, so ist er doch sehr geizig. Pantalone mischt sich gerne in Dinge ein, die ihn gar nichts angehen. Außerdem hat er häufig Verhältnisse zu jüngeren Frauen, auch wenn er verheiratet ist. Er hat einen großen langwährenden Hass auf Dottore, genau wie der auf ihn. Man erkennt Pantalone meistens an einer braunen Maske mit gebuckelter Nase oder einem Ziegenbart sowie einem schwarzen Mantel und einer enganliegenden Hose.
Dottore verkörpert meistens den gebildeten Juristen oder Gelehrten. Dies zeigt er auch gerne durch die häufige Verwendung von Denkerposen. Jedoch wirkt sein Wissen eher belustigend, da er die Verkörperung des Wissens ohne wahres Wissen darstellt. So stellt er bei jeder Gelegenheit zur Schau, über welches Wissen er verfügt, jedoch hat dieses selten Zusammenhang mit der Situation. Obwohl er sehr kurzsichtig ist, sind seine Bewegungen auf der Bühne sehr fließend und geschmeidig. Wie Pantalone einen tiefsitzenden Hass gegen Dottore hat, so hasst auch Dottore die Figur des Pantalone ohne Einschränkung. Häufig trägt die Figur des Dottore eine schwarze Maske mit einer Knollnase, kugelförmiger Stirn und roten Wangen. Für seine Kleidung ist vor allem die weiße Halskrause, sowie schwarze Jacke, Hose, Schuhe und Kappe kennzeichnend. Als Doktor Bartolo ist er auch in Rossinis Oper eingegangen.
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Dottore, 1653
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Pantalone, 1550
Außerdem gibt es noch andere Charaktere wie die Liebenden (Innamorati), die fast immer ohne Maske auftreten, oder den Soldaten Il Capitano, der immer vorgibt ein Held zu sein, jedoch in Wahrheit ein ausgemachter Feigling ist, der Angst vor seinem eigenen Schwert hat. Scaramuccia ist der Aufschneider, Angeber und Großsprecher.
Bezeichnungen der Masken:
Arlecchino, Arlecchina, Bramante, Brighella, Isabella, Capitano, Capitano Spavento, Clarice, Cola, Colombina, Coviello, Dottore, Donna Martina, Il Farmacista (mit Klistierspritze), Florindo, Franceschina, Isabella, Julia, La Ballerina, Leda, Mattaccino, Menego, Mezzetino (Kostüm und Hut längsgestreift), Octavio/Ottavio, Pagliaccio, Pantalone, Pasquariello, Pierrot (in Weiß, schwermütig), Pulcinella, Scaramuccia, Silvio, Smeraldina, Spaventino, Stenterello, Rimella, Tartaglia, Tognino, Truffaldino.
Die „soziale“ Interpretation der Masken geht auf die Reform der Commedia durch Carlo Goldoni im 18. Jahrhundert zurück, seit dem 20. Jahrhundert deuten insbesondere die italienische Forschung und die Theatermacher, die sich mit der Materie befasst haben bzw. befassen, die Figuren im wesentlichen mythologisch. Das „bürgerliche“ Bild von der Commedia ist in Deutschland allerdings immer noch weit verbreitet.
Bedeutung
Die Dramaturgie der Commedia dell'arte hatte seit ihrem Entstehen im 16. Jahrhundert eine Vorbildwirkung für das restliche Europa und wurde aufgrund dessen oftmals in Theaterstücken ( Shakespeare, Moliere, Nestroy, etc) angewandt. In neuerer Zeit dient sie nun zusätzlich auch als Grundlage für Comics (Donald Duck, Mickey Mouse), Fernsehserien (Dallas, etc.) und Filmdrehbücher.
Im 20.Jahrhundert kehrte die Commedia dell'arte in der einen oder der anderen Art auch wieder ins europäische Theater zurück. Vor allem in Russland wurde sie Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und in unterschiedlichster Form wiederbelebt, wobei sich hier insbesondere Wsewolod Meyerhold hervortat. Ähnliche Anstrengen waren auch im übrigen Europa zu beobachten. Wobei sich vor allem Max Reinhardt, Giorgio Strehler, David Esrig und Dario Fo, welche sich vorrangig um die Revitalisierung der Methoden der Commedia dell'arte bemühte, hervortaten. In neuerer Zeit sind Carlo Boso in Paris und Markus Kupferblum in Wien zu nennen, welche versuchen die Tradition der Commedia dell'arte im heutigen Theater lebendig zu halten. Besonderes Ziel ist es dabei, mit den dramaturgischen Regeln und der hierarchischen Struktur der Charaktere der heutige Geschichten zu erzählen.
Zu den Abbildungen
Die Abbildungen dieses Artikels sind einem Werk des 19. Jahrhunderts entnommen, der zweibändigen Ausgabe Masques et Buffons von Maurice Sand aus dem Jahre 1860. Der Verfasser beschäftigte sich wissenschaftlich, literarisch und als Maler mit der Commedia dell’arte. Sein Rekonstruktionsversuch aus der Sicht eines späteren Jahrhunderts kann nicht als authentisch gelten, berücksichtigt aber alle wesentlichen bekannten Erkenntnisse über das Erscheinungsbild der Figuren.
Literatur
- Henning Mehnert: Commedia dell'arte, Struktur – Geschichte – Rezeption. Stuttgart 2003.
- David Esrig: Commedia dell'arte – Eine Bildgeschichte der Kunst des Spektakels. Nördlingen 1985.
- Karl Riha: Commedia dell'arte – Mit den Figurinen Maurice Sands. Frankfurt am Main 1980.