Indonesischer Unabhängigkeitskrieg

bewaffneter und diplomatischer Konflikt zwischen Indonesien und den Niederlanden (1945-1949)
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Indonesischer Unabhängigkeitskrieg ist eine Bezeichnung für die Auseinandersetzung zwischen den Niederlanden und der indonesischen Republik 1945 bis 1949.

Nachdem Niederländisch-Ostindien im Zweiten Weltkrieg von Japan besetzt worden war, riefen Nationalisten am 17. August 1945 eine unabhängige Republik Indonesien aus. Die niederländische Regierung wollte jedoch die alte Kolonialverwaltung wieder einsetzen und ließ in sogenannten politionele acties („Polizeiaktionen“) größere Teile des Inselreiches besetzen. In militärischer Hinsicht konnten die Aktionen teilweise als Erfolg betrachtet werden, aber die Weltöffentlichkeit sympathisierte mit der indonesischen Seite. Unter amerikanischem Druck unterzeichneten die Niederlande im Dezember 1949 die Übertragung der Souveränität an die Republik.

Als Zugeständnis an die Niederlande sollte Indonesien ein Bundesstaat sein, der außerdem mit den Niederlanden über eine Niederländisch-Indonesische Union verbunden sein würde. Schon 1950 verkündete Präsident Sukarno allerdings den Einheitsstaat, und 1956 wurde die nie realisierte Union aufgegeben. 1962/63 verloren die Niederlande auch den Westteil Neuguineas an Indonesien.

Vorgeschichte

Die Kolonie Niederländisch-Ostindien bis zum Krieg

 
Niederländisch-Ostindien

Seit 1799 wurde Niederländisch-Ostindien als Kolonie vom niederländischen Staat verwaltet, wobei der Gouverneur sich vor allem auf die Hilfe von einheimischen Feudalherren stützte. Dadurch, dass einige wenige Einheimische das niederländische Schulsystem durchliefen, entwickelte sich jedoch langsam eine einheimische intellektuelle Elite, die sich mehr als „Indonesier“ statt als Javaner oder Sundanesen empfand. Aus dieser Elite stammten später die Führer der Nationalisten.

Die niederländische Führung versäumte es, diese Menschen in die Kolonialverwaltung einzubeziehen und damit dem Inselreich eine immer größere Selbstverwaltung zu ermöglichen. Gegen Nationalisten und Islamisten ging sie mit Repressionen vor, wie Internierung oder Verbannung in bestimmte Gebiete der Kolonie. Allein in Boven-Digoel wurden seit 1927 ungefähr 1.400 Personen interniert.[1]

Japanische Besatzung, 1942-1945

Die niederländische Kolonialarmee war schwach und diente vor allem dazu, einheimische Aufstände zu unterdrücken. So gelang es der japanischen Armee, die Ende 1941 im Norden Borneos gelandet war, im März 1942 die Kolonie in nur etwas mehr als einer Woche zu erobern. Von fünfzig Millionen Einwohnern Javas und Maduras starben während der japanischen Besatzung ungefähr 2,5 Millionen,[2] oft an Unterernährung. Der japanischen Besatzung ging es darum, Reis und Rohstoffe für den Krieg zu gewinnen. Die niederländischen Staatsangehörigen in der Kolonie kamen in Internierungslager oder wurden Zwangsarbeiter. 1942/1943 waren auf Java 29.000 Männer, 25.000 Frauen und 29.000 Kinder interniert. Ungefähr sechzehn Prozent von ihnen überlebten den Krieg nicht, ähnlich stand es um die Zwangsarbeiter, beispielsweise an der Birma-Eisenbahn.[3]

Ein Javaner, der als "Wirtschaftssoldat" zwangsrekrutiert worden war, erinnert sich an eine Machtdemonstration der Japaner in Muara: Acht Wirtschaftssoldaten sollten eine Eisenbahnschiene hochheben, was ihnen freilich nicht gelang. Da verminderten die Japaner ihre Anzahl immer wieder um jeweils zwei, bis vier übrig blieben. Diese vier, die erst recht nicht die Schiene heben konnten, wurden auf der Stelle mit Samurai-Schwertern enthauptet.[4]

Kriegsende und Ausrufung der Republik

Japan wurde am 6. und 9. August 1945 von amerikanischen Atombomben getroffen und verkündete seine Kapitulation am 15. August. Sowohl die niederländische Seite als auch die indonesischen Nationalisten waren von dieser Entwicklung überrascht worden; auf eine schnelle Machtübernahme war niemand vorbereitet.

Es war in den Niederlanden und von der Kolonialverwaltung für selbstverständlich gehalten worden, dass die alten Zustände restauriert werden würden. Die Niederlande hielten den Besitz von Niederländisch-Indien für lebenswichtig, da man ohne die wirtschaftlichen Vorteile einer Kolonie nicht auszukommen glaubte, vor allem nicht nach dem wirtschaftlichen Niedergang durch die deutsche Besatzung 1940-1945. Außerdem war Niederländisch-Indien für die Niederlande der Grund, sich als middelgrote mogendheid (mittlere Großmacht) zu begreifen. Umgekehrt seien Asiaten unfähig zur Selbstregierung, so dass die Wiederherstellung der Kolonialverwaltung auch für die Einwohner des Insel-Archipels nur von Vorteil sein könne. Über diese Grundeinschätzungen gab es in den Niederlanden kaum Meinungsunterschiede, allenfalls über den Grad an wünschbarer Beteiligung von Einheimischen an unteren Verwaltungsebenen. Ein niederländischer Historiker:

„Man ging davon aus, den Faden dort wieder aufzunehmen wo man ihn 1942 hatte loslassen müssen. Das europäische Überlegenheitsgefühl war ungebrochen und noch immer erkennen wir dahinter lebensgroß den Besitzinstinkt.“

J. J. Woltjer: Recent verleden, Amsterdam 1992, S. 261
 
Indonesischer Soldat in Surabaja, November 1945
Datei:Revolution Proklamasi Soekarno.jpg
Sukarno ruft die Unabhängigkeit aus, 17. August 1945

Es war geplant, dass die japanischen Truppen vorläufig noch die Macht ausübten, bis britische Truppen unter dem Kommando von Lord Mountbatten sie nach und nach ablösten. Die Briten wiederum würden die Macht den Niederländern übergeben, die 1945 noch so gut wie keine Truppen im Insel-Archipel hatten. Zu den wichtigsten Aufgaben der Briten gehörte es, die in Konzentrationslagern (jappenkampen) internierten Niederländer zu befreien und in sichere, von den Briten beherrschte Gebiete zu überführen. Diese Niederländer sowie die von Außen kommende Spitze der alten Kolonialverwaltung mussten feststellen, dass sie von den Einheimischen wenig freundlich empfangen wurden.[5]

Zu der Radikalisierung des indonesischen Nationalismus gehörte vor allem die Bewegung der Pemuda („Jugend“). Diese Jugendbanden terrorisierten Niederländer und auch Einheimische, die mit den Niederländern zusammenarbeiten wollten. In der Periode des bersiap („Seit bereit!“), des Übergangs von der japanischen Herrschaft zur Nachkriegszeit, wurden von den Pemoeda und anderen Gruppen ungefähr 3500 Menschen umgebracht. Andererseits rächten sich japanische und britische Truppen für eigene Verluste, die ihnen von Pemudas zugefügt worden waren. Das Dorf Bekasi bei Batavia wurde von den Briten in Schutt und Asche gelegt.[6]

Es waren auch die Pemoda, die die nationalistischen Führer Sukarno und Mohammed Hatta dazu brachten, am 17. August 1945 die Unabhängigkeit auszurufen (Merdeka). Der „Republik Indonesien“ gelang es in wenigen Monaten, sich zu konstituieren und die Herrschaft über den Großteil von Java zu erlangen, wo 55 Millionen der 70 Millionen Einwohner des gesamten Inselreichs lebten. Ebenso wurden Madura bei Java und die westlich gelegene Insel Sumatra von der Republik kontrolliert.

Besatzungszeit bis zu den "Polizeiaktionen", 1945-1947

Britische Besatzung 1945/1946

Auch die Briten unter Mountbattens South East Asia Command hatten zunächst wenig Truppen in der Region und hielten es für vorrangig, Kriegsgefangene in Malakka und Indo-China zu befreien. Borneo und den Osten von Niederländisch-Indien ließen sie den Australiern.[7] Erst Mitte September 1945 landete eine britische Vorhut bei Batavia, wie die Hauptstadt von Niederländisch-Indien hieß (das heutige Jakarta). Am 2. Oktober kam luitenant-gouverneur-generaal Hubertus van Mook an, der höchste Vertreter der Niederlande.[8]

Auf Java besetzen die Briten zunächst nur einige Hafenstädte und später einen Streifen von Batavia aus ins Landesinnere. In den Außengebieten wie Borneo und dem Großen Osten (die östliche Inselwelt mit Celebes und Ambon) dauerte die Machtübergabe der Japaner länger; da hier die feudalen Herrscher noch eher Macht hatten als auf Java, ergab sich für die Niederländer die Möglichkeit, die alten Machtverhältnisse teilweise zu erneuern. Gegen Oktober 1946 zogen die Briten aus dem Insel-Archipel ab und niederländische Truppen übernahmen ihre Stelle: alte Einheiten der „KNIL“, der Königlich-Niederländischen Indischen Armee, dazu niederländische Freiwilligen-Verbände und schließlich auch Wehrpflichtige.

Die Niederlande stritten nun um den richtigen Kurs. Während Van Mook darauf aufmerksam machte, dass die niederländische Machtposition sehr schwach war, fand das Kabinett in Den Haag, dass die alten Verhältnisse so schnell und vollkommen wie möglich wiederherzustellen seien. Anfangs hatte man die Ausrufung der Republik Indonesien gar nur für einen letzten Propagandatrick der Japaner gehalten, mit denen einige der Nationalisten zusammenarbeitet hatten. Das Kabinett war nicht bereit, die Republik als gleichwertigen Verhandlungspartner anzusehen, da es sich nur um eine kleine Gruppe von Nationalisten handele, die in der Bevölkerung ohne Rückhalt sei.

Die britische Labour-Regierung unter Clement Attlee fand die Vergangenheit des "Kollaborateurs" Sukarnos irrelevant und wollten durch Verhandlungen Blutvergießen vermeiden; die Niederlande sollten sich dem anschließen. Vor allem wollte London seine Truppen nur zur Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte einsetzen, nicht für eine Wiedereroberung der Kolonie für die Niederländer. Die britischen Truppen würden nicht gegen die Republik eingreifen, ließ man am 29. September 1945 über Radio verkünden. Das war nicht als Anerkennung gemeint, aber die Nationalisten verstanden es durchaus als große Unterstützung.[9]

„Lingaddjati“

Nach mehreren Versuchen kam es jedoch im März 1947 zwischen Kolonialbeamten um van Mook einerseits und dem indonesischen Ministerpräsidenten Shahrir zur Übereinkunft von Lingaddjati. Demzufolge sollte die Republik die Macht auf Java und Sumatra ausüben und Teilstaat einer Föderation werden - der Vereinten Staaten von Indonesien (VSI). Die anderen Teilstaaten sollten Borneo und „Ostindonesien“ sein. Die VSI würden mit den Niederlanden über eine „Niederländisch-Indonesische Union“ verbunden sein.

Es gab aber schon bei Unterzeichnung der Übereinkunft Auslegungsunterschiede unter anderem darüber, welcher Art die Union sein würde. Die Republik sah in ihr allenfalls einen lockeren Verbund für wirtschaftlichen und kulturellen Austausch, worin sie durch van Mook auch bestärkt wurde. Offen gehalten wurde etwa die Frage, ob die niederländische Königin Oberhaupt der Union sein würde. Das niederländische Kabinett hingegen wollte in der Union das Machtsinstrument sehen, durch das es in Zukunft noch erheblichen Einfluss auf die VSI ausüben würde, auch in der Außenpolitik und in Militärfragen. Das Parlament in Den Haag gab der Übereinkunft einen entsprechenden Zusatz. Der folgende Streit drehte sich formell darum, ob „Lingaddjati“ in der ursprünglichen oder in der erweiterten Form gelten sollte, und praktisch darum, wer im Archipel zukünftig die letztendliche Macht ausübt.

Die Niederlande standen damals unter erheblichem finanziellen Druck; ihr Finanzminister Piet Lieftinck warnte vor einem baldigen Kollaps der niederländisch-indischen Finanzen und danach der Finanzen des Königreichs selbst. Er war dafür, die Truppen aus dem Archipel zurückzuziehen. Die Alternative war eine „begrenzte militärische Aktion“, mit der die Niederlande die Produktionsstätten auf Java und Sumatra sicherstellen und gleichzeitig ihre Macht demonstrieren würden. Ultimaten an die Republik, die erweiterte Fassung von „Lingaddjati“ anzuerkennen, brachten den indonesischen Ministerpräsidenten Shahrir dazu, einer Interimsregierung zuzustimmen, die sogar von einem Niederländer geführt werden könnte. Damit war er allerdings zu weit gegangen und verlor den letzten Rückhalt unter den politischen Kräften in der Republik; am 27. Juni 1947 trat er zurück. Das Misstrauen war groß, dass zu viel Nachgiebigkeit die alten kolonialen Machtverhältnisse zurückbringen würde.

Phase der "Polizeiaktionen"

Erste "Polizeiaktion", 1947

In einer so genannten „Polizeiaktion“ besetzten niederländische Streitkräfte seit dem 21. Juli 1947 einen Großteil Javas und Sumatras, unter geringen eigenen Verlusten. Ökonomisch war die Aktion für die Niederlanden erfolgreich, und die Republik war ihrer Möglichkeiten beraubt, mit dem Ausland Handel zu treiben. Ein Flüchtlingsstrom verschlimmerte die Ernährungslage in Yogyakarta, wo die Regierung der Republik residierte. Allerdings hatte die Aktion für die Niederlande zwei Kehrseiten: Erstens gab es nicht genügend Beamte, um die besetzten Gebiete effektiv zu verwalten, hinzu kam der indonesische Guerilla. Einheimische, die aus politischen oder materiellen Gründen mit den Niederländern zusammenarbeiten wollten, waren ihres Lebens nicht sicher.

Zweitens sympathisierten große Teile der Weltöffentlichkeit mit der Republik, darunter das gerade unabhängig werdende Indien ebenso wie Australien, das in Zukunft vor allem mit dem neuen Indonesien zu tun haben würde und nicht mit einem kleinen Land an der Nordsee. Die Kolonialmächte Großbritannien, Belgien und Frankreich unterstützten die Niederlande. Die USA wollten sich weder die Niederländer noch die Republik zum Feind machen. Ideologisch waren die USA für die Unabhängigkeit, machtpolitisch hatten sie Angst, die Republik könnte in die Arme der Kommunisten getrieben werden.

Die niederländischen Indien-Truppen, Gouverneur van Mook sowie die Hälfte des niederländischen Kabinetts waren der Meinung, die begrenzte Aktion müsse auf den Restteil Javas ausgeweitet werden, vor allem müsse die Hauptstadt der Republik Yogyakarta erobert und die republikanische Regierung vernichtet werden. Dagegen waren die sozialdemokratischen niederländischen Minister, und auch die USA warnten davor, dass sie dann UN-Sanktionen nicht mehr verhindern würden. Letzteres bewahrte die Niederlande im August davor, in einen „Abgrund zu springen“, wie der Historiker H. W. van den Doel urteilt.[10] Durch das Vermittlungsangebot der USA wurde eine Einmischung der UN verhindert, was mehr im Sinne der Niederlande als der Republik war.

Neue Verhandlungen, 1947/1948

Im September 1947 kamen auf dem amerikanischen Kriegsschiff Renville vor der Küste Javas Vertreter der Niederlande und der Republik zusammen. Beide Seiten hatten sich bereits Kriegsverbrechen schuldig gemacht, außerdem warf die Republik dem Gouverneur van Mook vor, in den besetzten Gebieten Marionettenstaaten für seine Vereinigte Staaten von Indonesien zu installieren. Die Amerikaner zweifelten daher an der Aufrichtigkeit der Niederländer und befürchteten eine weitere Radikalisierung des Konflikts. Die Vermittlungskommission auf der Renville befand, dass die Niederlande damit aufhören müssten, neue Staaten zu kreieren, sich in drei Monaten aus den besetzten Gebieten zurückziehen sollten und innerhalb eines Jahres freie Wahlen über die Zukunft des Archipels zu entscheiden hätten. Die Republik nahm dies an, während am 2. Januar 1948 die niederländische Regierung davon ausging, die vollständige Souveränität über den Insel-Archipel zu haben.

Am 17. Januar 1948 kamen auf der Renville beide Seiten dennoch zu einem neuen Einvernehmen: Die Republik musste zwar die durch die Besetzung zustande gekommen Grenzen anerkennen, bekam aber freie Wahlen unter amerikanischer Aufsicht in Aussicht gestellt. Die Niederländer wiederum interpretierten auch dieses Einvernehmen in ihrem Sinne, als Anerkennung ihrer Souveränität und Handlungsfreiheit. So wie es zwei „Lingaddjatis“ gegeben hatte, meint van den Doel, so gab es nun zwei „Renvilles“.[11] Diesmal aber spielten die Amerikaner die Rolle eines neutralen Beobachters, der auf die Niederländer Druck ausübte.

Der Historiker Wim van den Doel unterstützt die damalige Einschätzung eines Mitarbeiters des Außenministeriums, H. N. Boon, dass die Niederländer es in kurzer Zeit geschafft hätten, die Sympathie der anderen Mächte an die Republik zu verlieren. Van Mook und seine Umgebung hätten nur die eigene Sicht auf die indische Wirklichkeit toleriert, vor allem nicht die von Ausländern, wie den britischen Militärs oder französischen, belgischen oder australischen Beobachtern. Solche Außenstehende seien stets als dumm, faul, defätistisch, egoistisch bzw. als Alkoholiker oder Schürzenjäger abqualifiziert worden. Boon schrieb im Juli 1948 an Mook, dass Emotionalität anscheinend schwerer wiege als vernünftige Argumentation.[12]

Zweite "Polizeiaktion", 1948/1949

Der Aufbau von föderalen Strukturen an der Republik vorbei verlief nicht ohne Probleme, denn die dazu ausgesuchten einheimischen Politiker traten selbstbewusst auf und waren in den Augen niederländischer Beamter korrupt und inkompetent. Zeitlich waren die Niederlande dadurch unter Druck gesetzt, dass am 1. Januar 1949 – „Lingaddjati“ zufolge – die VSI errichtet sein sollten.

In den Niederlanden kam es am 7. Juli 1948 zu Neuwahlen, die für eine Änderung des Grundgesetzes vonnöten waren: Indien war der Verfassung nach Teil des Königreichs und sollte jetzt souverän werden, verbunden mit den Niederlanden nur durch die Union. Für die Änderung war eine Zweidrittelmehrheit verpflichtend, daher erweiterte die katholische Volkspartei ihre Koalition mit den Sozialdemokraten um die Liberalen und eine protestantische Partei. Den Sozialdemokraten wurde das Ministerpräsidentenamt gegeben. Die Katholiken erhielten das Kolonialministerium, und es wurde vereinbart, dass ein Katholik Van Mook ablösen werde. Die kolonial unerfahrenen Katholiken, so J. J. Woltjer, wollten sich von einer früheren, zurückhaltenderen Indienpolitik absetzen. Sie hielten es für zwecklos, mit der Republik Vereinbarungen zu treffen, da diese sich nicht daran halten würde - siehe die Unterwanderung niederländisch kontrollierter Gebiete.[13]

Im August 1948 erhielt Gouverneur van Mook die Ankündigung, dass man eine neue Spitze der Kolonialverwaltung suche, und offiziell am 4. November wurde der ehemalige Ministerpräsident Louis Beel sein Nachfolger. Bereits im September hatte Beel einen kommunistischen Aufstandsversuch auf dem Gebiet der Republik dazu ausnutzen wollen, die Republik militärisch zu vernichten. Dem widersetzte sich allerdings der neue Ministerpräsident, der Sozialdemokrat Willem Drees, außerdem hatte die Republik den Aufstand schon nach wenigen Tagen niedergeschlagen. Das hatte ihr das Vertrauen der westlichen Welt eingebracht.[14]

Eine letzte Chance sahen das Kabinett und Gouverneur Beel darin, die Weihnachtsferien der UN für eine zweite „Polizeiaktion“ zu nutzen. Nach dem 15. Dezember 1948 hätte man bis Mitte Januar Zeit zur Beseitigung der Republik und der Schaffung neuer Tatsachen. Die Verärgerung der UN, der USA, Indiens, Australiens und anderer wichtiger Mächte glaubte man in Kauf nehmen zu können. Ministerpräsident Drees meinte, ohne Krieg würde „man das indonesische Volk sich selbst überlassen, mit der Folge: erst Anarchie und dann Diktatur“.[15]

Am 19. Dezember begann die zweite „Polizeiaktion“, mit einer schnellen Besetzung von strategisch wichtigen Punkten und einem Fallschirmjägereinsatz über dem Flughafen bei Yogyakarta. Präsident Sukarno, Ministerpräsident Hatta und etliche Minister wurden verhaftet, der Armeebefehlshaber hingegen hatte eine Flucht vorgezogen. Trotz gegenteiliger Vermutung des niederländischen Armeebefehlshaber brachte die Verhaftung der Regierung kein Ende des indonesischen Guerillakrieges, und die Vereinten Nationen beschlossen am 28. Dezember zwei Resolutionen gegen den niederländischen Angriffskrieg. Gewerkschafter in den USA hatten sogar gefordert, den Niederlanden die Marshallplan-Hilfe zu verweigern. Auch die indonesischen Politiker, die in der VSI mit den Niederländern zusammenarbeiten wollten, lehnten den Krieg ab.

Unabhängigkeit

Datei:Bung Hatta.jpg
Mohammad Hatta, Vizepräsident Indonesiens
 
Die "Vereinigten Staaten von Indonesien" im Dezember 1949. Rot eingezeichnet ist die "Republik".

Nachdem die Regierung der Republik im März 1949 wieder freigelassen worden war, kam es am 14. April 1949 zu erneuten niederländisch-indonesischen Verhandlungen, in Batavia. Sie standen allerdings vor dem Problem, dass die Politiker der Republik wieder nach Yogyakarta gelassen werden wollten, bevor man andere Fragen besprechen würde. Hatta und der niederländische Abgesandte Van Rooijen vereinbarten, dass die Republik nach ihrer Rückkehr nach Yogyakarta an einem Runden Tisch teilnehmen und die Niederländer keine neuen Marionettenstaaten bilden werden. Im Van-Rooijen-Roem-Abkommen vom 7. Mai gestanden die Niederlande der Republik unter anderem zu, im provisorischen VSI-Parlament die Hälfte der Sitze zu erhalten. Am 10./11. August 1949 wurde ein Waffenstillstand angenommen.

Am Runden Tisch in Den Haag, der seit dem 23. August 1949 tagte, nahmen Ministerpräsident Drees, die Republik Indonesien, die UN-Kommission für Indonesien sowie die „nichtrepublikanischen“ Teilstaaten teil, die durch die zweite „Polizeiaktion“ in die Arme der Republik getrieben worden waren. Die Niederländisch-Indonesische Union wurde in der „schwachen“ Form realisiert, wie sie die Republik schon 1946 anzunehmen bereit gewesen war, wenngleich nun unter der niederländischen Krone. Die schwierige Neuguinea-Frage wurde dadurch vermieden, dass die Niederlande noch die Herrschaft über den Westteil der Insel behalten würden. Erst später sollte über dessen Zukunft entschieden werden.

Im niederländischen Parlament sprach der ehemalige Ministerpräsident Gerbrandy von einer Kapitulation gegenüber einer von „Japan-Kollaborateuren gegründeten Republik“ und einer Auslieferung Indiens an „die dämonischen Mächte, die in Asien zu Gange sind“. Oppositionsführer J. Schouten meinte, die Union sei so leicht wie eine Feder. Am 9. Dezember nahm die Zweite Kammer die Verhandlungsergebnisse aber an (mit 71 gegen 29 Stimmen), die Erste Kammer am 19. Dezember 1949. Im indonesischen Parlament konnten, nach den Schwierigkeiten durch den Krieg, noch 319 Abgeordnete versammelt werden. Von ihnen stimmten 226 für die Ergebnisse. Die Unterzeichnung der Souveränitätsübergabe fand am 27. Dezember 1949 in Amsterdam statt.

Folgen

Mit der Souveränitätsübergabe war die Republik Indonesia Serikat zustandegekommen, die Republik der Vereinigten Staaten von Indonesien. Einen Tag danach wurde Präsident Sukarno triumphal in Jakarta empfangen, wie Batavia nun hieß. Schon im Januar 1950 kam es zu einen Putschversuch, der von einem Niederländer (Raymond Westerling) angeführt wurde. Sukarno nahm dies zum Anlass, Indonesien zu einem Einheitsstaat zu machen. 1956 enteignete er niederländische Firmen, und bald darauf wurde er immer deutlicher zum Diktator.

Nach 1945 waren ungefähr 110.000 Niederländer und indische Nederlanders (die aus gemischten Beziehungen stammten) in die Niederlande gekommen, mit der Absicht, nach einer Erholung von den Ereignissen zurück nach Indien zu gehen. Nach 1949 kamen weitere hunderttausend, und 1956 nochmals ungefähr fünfzigtausend. Außerdem suchten ehemalige einheimische Soldaten der Niederlande sowie ihre Familien kurzzeitig Zuflucht in den Niederlanden, nachdem 1950 die Republik der Süd-Molukken von Indonesien einverleibt worden war. Entgegen anderer Absichten blieben auch diese rund 13.000 Menschen im Land, denen die niederländische Regierung versprochen hatte, sich für ihre Rückkehr auf die Molukken einzusetzen.

Die Neuguinea-Frage, die 1949 bei der Souveränitätsübergabe noch ausgeklammert worden war, wurde nicht wie geplant 1950 gelöst. Das als niederländische Kolonie weitergeführte Gebiet blieb bis 1962 ein Streitobjekt zwischen den Niederlanden und Indonesien. Schließlich kam das Gebiet über die Vereinten Nationen zu Indonesien.

Historische Beurteilung

Durch die großen Gruppen Rückkehrer oder Einwanderer – die Niederlande hatten damals knapp zehn Millionen Einwohner – blieb die Kolonialvergangenheit lange Zeit im kollektiven Gedächtnis der Niederlande. Auch über die Entwicklungshilfe an Indonesien waren beide Länder miteinander verbunden. Noch 1987/88 kam es zu einem Skandal, als der Historiker Loe de Jong den entsprechenden Band seiner Geschichte über den Zweiten Weltkrieg vorlegte (Het Koninkrijk der Nederlanden in de Tweede Wereldoorlog). Noch vor der Veröffentlichung hatte ein Oberst a.D. das Kapitel über "Kriegsverbrechen" in Zeitungen kritisiert, das er vertraulich zum Probelesen bekommen hatte. Er wollte allenfalls "Exzesse" der niederländischen Kolonialarmee einräumen.[16] Doch erst gegen 1995, zum 50. Jahrestag der Ausrufung der Republik, wurden die Ereignisse verstärkt besprochen, darunter die Kriegsverbrechen auf beiden Seiten.

Obwohl die finanzielle Frage nur im Sommer 1948 von ausschlaggebender Bedeutung für die Indienpolitik Den Haags war, hält sich bis heute in der Öffentlichkeit die Meinung, die Angst vor einer wirtschaftlichen Katastrophe habe im Vordergrund gestanden (Indie verloren, rampspoed geboren). Schon ein 1945 veröffentlichter Bericht von zwei Wirtschaftsexperten besagte jedoch, dass die Niederlande 1938 zwar vierzehn Prozent ihres Nationaleinkommens in Indien verdient hatten. Ihrer Meinung nach wäre ein Ende der Kolonialzeit aber keine wirtschaftliche Katastrophe, da die jahrhundertelange wirtschaftliche Zusammenarbeit die Kolonialzeit überdauern würde.[17] Woltjers weist darauf hin, dass die niederländische Wirtschaft gegen die Konfrontation und für eine Zusammenarbeit mit der Republik war.[18]

Der tatsächliche Grund für die starre Haltung der niederländischen Politiker war der befürchtete Prestigeverlust: Ohne diese Kolonie würde das Land auf das außenpolitische Niveau von Dänemark fallen; außerdem meinte man gemäß einem niederländischen Sendungsbewusstsein, als zivilisierte Macht ein Recht darauf zu haben, andere Völker zu erziehen. Damals waren die Katholische Volkspartei und die Sozialdemokraten an der Macht; Woltjers meint, die Volkspartei sei enttäuscht gewesen, dass sie der Politik nur wenig einen eigenen Dreh geben konnte, die Sozialdemokratie habe eine indonesische Diktatur befürchtet.[19]

Woltjers gesteht der niederländischen Seite zu, dass sie die Fehler der Republik sah und helfen wollte, notfalls gewaltsam, indem man die radikalen Republikaner durch gemäßigte ersetzte. Aber: "Wie viele gerechtfertigte Klagen über die Zustände in der Republik auch einzubringen waren, sie symbolisierte das indonesische Selbstwertgefühl." Dieses Gefühl war nicht in Einklang zu bringen mit der untergeordneten Position, die z.B. im Linggadjati-Abkommen der Republik zugedacht war.[20]

Duco Hellema reiht die Indonesien-Frage in den größeren Kontext der niederländischen Außenpolitik und verwirft die oft gemachte Vereinfachung, 1948/49 habe man die Asien-Politik abrupt gegen eine atlantische Politik eingetauscht. Vielmehr stünden beide Tendenzen noch lange nebeneinander, letztlich bis zum Verlust von Neu-Guinea 1962. Die Indonesien-Frage war damals eine große außenpolitische Bürde; die Niederlande haben wegen ihrer Meinungsverschiedenheiten mit dem Westen 1949 sogar gezweifelt, ob sie der NATO beitreten sollten.[21]

Einzelnachweise

  1. H. W. van den Doel: Het Rijk van Insulinde. Opkomst en ondergang van een Nederlandse kolonie, Amsterdam: Prometheus, 1996, S. 224.
  2. Nach Loe de Jong, Het Koninkrijk der Nederlanden in de Tweede Wereldoorlog. Die indonesische Regierung hat zu Beginn der 1950-er Jahre von vier Millionen Opfern gesprochen. Siehe: NIOD, Veel gestelde vragen, Cijfers Japanse bezetting, Pacific-oorlog en Indonesische onafhankelijkheidsstrijd.
  3. H. W. van den Doel: Het Rijk van Insulinde. Opkomst en ondergang van een Nederlandse kolonie, Amsterdam: Prometheus, 1996, S. 272/273.
  4. H. W. van den Doel: Het Rijk van Insulinde. Opkomst en ondergang van een Nederlandse kolonie, Amsterdam: Prometheus, 1996, S. 262.
  5. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 261.
  6. H. W. van den Doel: Het Rijk van Insulinde. Opkomst en ondergang van een Nederlandse kolonie, Amsterdam: Prometheus, 1996, S. 280.
  7. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 262.
  8. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 263.
  9. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 267.
  10. H. W. van den Doel: Afscheid van Indie, Amsterdam: Prometheus, 2000, S. 256.
  11. H. W. van den Doel: Afscheid van Indie, Amsterdam: Prometheus, 2000, S. 283.
  12. H. W. van den Doel: Afscheid van Indie, Amsterdam: Prometheus, 2000, S. 293.
  13. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 289/290.
  14. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 290/291.
  15. Zitiert nach: H. W. van den Doel: Afscheid van Indie, Amsterdam: Prometheus, 2000, S. 320.
  16. Loe de Jong: Het Koninkrijk der Nederlanden in de Tweede Wereldoorlog, Band 14: Reaktionen, 2. Hälfte, Den Haag 1991, S. 900-928.
  17. H. W. van den Doel: Afscheid van Indie, Amsterdam: Prometheus, 2000, S. 299.
  18. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 318.
  19. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 311, 317.
  20. J. J. Woltjers: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 305/306.
  21. Duco Hellema: Neutraliteit & Vrijhandel. De geschiedenis van de Nederlandse buitenlandse betrekkingen, Utrecht: Spectrum, 2001, S. 138, 155/157.

Literatur

  • J. J. Woltjer: Recent verleden. Nederland in de twintigste eeuw, Amsterdam: Balans, 1992, S. 258-333
  • H. W. van den Doel: Het Rijk van Insulinde. Opkomst en ondergang van een Nederlandse kolonie, Amsterdam: Prometheus, 1996
  • H. W. van den Doel: Afscheid van Indie, Amsterdam: Prometheus, 2000