Homo oeconomicus

theoretisches Modell einer Person, die mit ihrem Handeln den größtmöglichen Nutzen für sich erreicht
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Homo oeconomicus bezeichnet in der Wirtschaftswissenschaft das theoretische Modell (den Normaltyp) eines Menschen, der seine Handlungen allein auf der Basis der ihm vorliegenden Informationen rational ausrichtet und seine Entscheidungen nach dem ökonomischen Prinzip zur Maximierung seines persönlichen Nutzens trifft.

Begriff und Definition

Der englische Ausdruck economic man findet sich erstmals 1888 in John Kells Ingrams „A History of Political Economy“; den lateinischen Term homo oeconomicus benutzte wohl zum ersten Mal Vilfredo Pareto in seinem „Manuale d´economia politicá“ (1906).

Nach Stephan Franz[1] bezeichnet der Homo oeconomicus einen (fiktiven) Akteur, der:

  • eigeninteressiert und
  • rational handelt
  • seinen eigenen Nutzen maximiert
  • auf Restriktionen reagiert
  • feststehende Präferenzen hat
  • und über (vollständige) Information verfügt.

Dies wird für viele Fragestellungen, in denen widerstreitende Interessen auftreten, als sachgerechte und praktikable Vereinfachung akzeptiert. Der Sinn des Modells des Homo oeconomicus liegt darin, dass man eine Annahme macht, wie sich beispielsweise ein Geschäftsmann, ein Kunde oder sonst ein wirtschaftlich handelnder Mensch unter bestimmten wirtschaftlichen Bedingungen (z. B. Marktbegebenheiten) verhalten wird. Damit lassen sich elementare wirtschaftliche Zusammenhänge in der Theorie durchsichtig beschreiben.

Ansätze, die in ihren Grundannahmen auf das Modell des Homo oeconomicus aufbauen, werden als Rational-Choice-Ansätze bezeichnet.

Kritik und neuere Ansätze

Mit der Etablierung der Experimentellen Ökonomik wurde das Konzept des Homo oeconomicus in den vergangen Jahren immer häufiger experimentell überprüft. Dabei zeigte sich, dass unter gewissen eng definierten Laborbedingungen dieses Konzept manchmal als eine geeignete Prognose für tatsächliches menschliches Verhalten herangezogen werden kann. In zahlreichen anderen Versuchen konnte diese Verhaltenshypothese jedoch nicht bestätigt werden. Zur Erklärung des beobachteten Laborverhaltens wird in diesen Fällen das Homo-oeconomicus-Modell häufig erweitert.

In der Neuen Institutionenökonomik bzw. der Transaktionskostentheorie werden Faktoren wie asymmetrische Information, begrenzte Rationalität und Opportunismus berücksichtigt, um zu realitätsnäheren Annahmen zu gelangen.

In der Spieltheorie wird der homo oeconomicus verändert. Er wird nun zum strategisch handelnden Wirtschaftssubjekt, das auch kurzfristige Verluste in Kauf nimmt, wenn dies der Verfolgung eines langfristigen Ziels dient. (vgl. Soziales Dilemma)

Die Evolutionsökonomik befasst sich mit beschränkt rationalen Verhaltensmustern des Menschen, deren Gründe unter anderem in der Komplexität der Entscheidungssituationen (Informationsbewertung, Bildung von Zukunftserwartungen etc.) liegen. Ralf Dahrendorf hat analog dazu für seine Rollentheorie den Begriff Homo sociologicus geprägt und verwendet.

Die Verhaltensökonomik geht davon aus, dass das beobachtete Verhalten in der Regel der Annahme des rationalen Nutzenmaximierers widerspreche, und sucht Erklärungen für irrationales Verhalten (vgl. Ultimatumspiel).

Missverständnisse

Das rein theoretische Modell des ausschließlich rationalen Homo oeconomicus wird zuweilen als Menschenbild fehlinterpretiert. Oft wird er als unsoziales oder amoralisches Wesen kritisiert. Auch Täuschung und Betrug liegen innerhalb des Spektrums rationaler Handlungsweisen zum eigenen Vorteil. Der Ökonom Fritz Machlup hat deshalb vorgeschlagen, ihn „homunculus oeconomicus“ zu nennen, damit begriffen werde, dass der homo oeconomicus keinen realen Menschen darstellen solle, sondern ein Modell [2].

Weitere Modelle

Andere Modelle in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind z.B. der

Siehe auch

Literatur

  • Alexander Dietz: Der homo oeconomicus. Gütersloh 2005.
  • Gebhard Kirchgässner: Homo oeconomicus - Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Tübingen 1991.
  • Reiner Manstetten: Das Menschenbild in der Ökonomie - Der homo oeconomicus und die Anthropologie von Adam Smith. Freiburg 2002.
  • J. Persky): Retrospectives: The ethology of Homo economicus, Journal of Economic Perspectives, 9(2), 1995, S. 221-231.
  • Helmut Woll: Menschenbilder in der Ökonomie, München 1994
  • Stefan Zabieglik: The Origins of the Term Homo Oeconomicus, in: Janina Kubka (Hrsgn.), Economics and Values, Danzig 2003, S. 123-131.

Einzelnachweise

  1. Stephan Franz: Grundlagen des ökonomischen Ansatzes: Das Erklärungskonzept des Homo Oeconomicus; in: W. Fuhrmann (Hrsg.), Working Paper, International Economics, Heft 2, 2004, Nr. 2004-02, Universität Potsdam
  2. http://www.uni-potsdam.de/u/makrooekonomie/docs/studoc/stud7.pdf Seite 3