Das Zweite Vatikanische Konzil (Vaticanum II), welches von der katholischen Kirche als das 21. Ökumenische Konzil angesehen wird, fand vom 11. Oktober 1962 bis zum 8. Dezember 1965 statt. Es wurde von Papst Johannes XXIII. einberufen und nach dessen Tod 1963 durch Papst Paul VI. fortgesetzt und beendet. Es plädierte für Religionsfreiheit und verstärkten Dialog mit Andersgläubigen. Das Zweite Vatikanische Konzil wurde als so genanntes pastorales Konzil einberufen, um zu betonen, dass es keine neuen Dogmen verkündete und keine ausdrücklichen Lehrverurteilungen vornahm. Ein lehrmäßiger Aspekt seiner Aussagen ist dadurch jedoch nicht ausgeschlossen, sondern wird vorausgesetzt.
Dokumente
Statt dessen formulierte und veröffentlichte das Konzil 16 Dokumente:
Erste Sitzungsperiode
In der ersten Sitzungsperiode (11. Oktober bis 8. Dezember 1962) wurden keine Dokumente verabschiedet
Zweite Sitzungsperiode
In der zweiten Sitzungsperiode (29. September bis 4. Dezember 1963) wurden folgende Dokumente verabschiedet:
- Sacrosanctum Concilium: Konstitution über die heilige Liturgie; 22. November 1963
- Inter mirifica: Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel; 4. Dezember 1963
Dritte Sitzungsperiode
In der dritten Sitzungsperiode (14. September bis 21. November 1964) wurden folgende Dokumente verabschiedet:
- Unitatis redintegratio: Dekret über den Ökumenismus; 21. November 1964
- Orientalium Ecclesiarum: Dekret über die katholischen Ostkirchen; 21. November 1964
Vierte Sitzungsperiode
Die vierte Sitzungsperiode (14. September bis 8. Dezember 1965) hatte folgende Dokumente zum Ergebnis:
- Perfectae caritatis: Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens; 28. Oktober 1965
- Nostra aetate: Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen; 28. Oktober 1965
- Optatam totius: Dekret über die Ausbildung der Priester; 28. Oktober 1965
- Dei Verbum: Konstitution über die göttliche Offenbarung; 18. November 1965
- Apostolicam actuositatem: Dekret über das Laienapostolat; 18. November 1965
- Lumen Gentium: Konstitution über die Kirche; 19. November 1965
- Christus Dominus: Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche; 28. Oktober 1965
- Presbyterorum ordinis: Dekret über Dienst und Leben der Priester; 7. Dezember 1965
- Gravissimum educationis: Erklärung über die christliche Erziehung; 7. Dezember 1965
- Ad gentes: Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche; 7. Dezember 1965
- Dignitatis humanae: Erklärung über die Religionsfreiheit; 7. Dezember 1965
- Gaudium et spes: Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute; 7. Dezember 1965
Diese Dokumente behandeln insbesondere die praktische Umsetzung des katholischen Glaubens in unterschiedlichsten Bereichen:
- Riten: Beispielsweise wurde durch die Liturgiereform (auf Basis der Konstitution über die Heilige Liturgie) die lateinische Sprache als vorherrschende Liturgie-Sprache verdrängt. Diese Entwicklung ist jedoch über die ursprüngliche Intention des Konzils hinausgegangen, das in SC 36 feststellte: "Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht." Nicht Abschaffung des Lateins als Kirchensprache war das Ziel des 2. Vatikanischen Konzils, sondern die Möglichkeit, "ihr einen weiteren Raum zuzubilligen, vor allem in den Lesungen und Hinweisen und in einigen Orationen und Gesängen" (ebd.).
- Verhältnis zu anderen Religionen. Eine weitere Entwicklung seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil betrifft das Verhältnis der Katholischen Kirche gegenüber anderen Religionen. Während sich die Katholische Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil als alleinig wahre Kirche betrachtete, wird diese Sichtweise mit Berufung auf den "Geist des Konzils" von manchen Theologen relativiert. Diese Interpretation ist abgestützt von den Dokumenten Unitatis redintegratio (andere Konfessionen des Christentums) und Nostra aetate (andere Religionen). Im "Dekret über die Religionsfreiheit" (Dignitatis humanae) heißt es daneben: "Gott selbst hat dem Menschengeschlecht Kenntnis gegeben von dem Weg, auf dem die Menschen, ihm dienend, in Christus erlöst und selig werden können. Diese einzige wahre Religion, so glauben wir, ist verwirklicht in der katholischen, apostolischen Kirche, die von Jesus dem Herrn den Auftrag erhalten hat, sie unter allen Menschen zu verbreiten." (DH 1)
- Verhältnis des Einzelnen zur Katholischen Kirche. Das Konzil gesteht dem Einzelnen das Recht auf seinen Glauben auch dann zu, wenn dieser dem Katholischen Glauben widerspricht: "So bleibt das Recht auf religiöse Freiheit auch denjenigen erhalten, die ihrer Pflicht, die Wahrheit zu suchen und daran festzuhalten, nicht nachkommen" (DH I)
- Verhältnis der Kirche zum Staat. Das Konzil gibt den Anspruch der Katholischen Kirche auf, dass die Öffentlichkeit und alle staatlichen Gliederungen nach katholischen Grundsätzen handeln müssen.
Verlauf
Das Konzil wurde am 11. Oktober 1962 begonnen. An diesem Tag hielt Papst Johannes XXIII. eine Rede. Es folgen insgesamt 4 Sitzungsperioden.
Verbindlichkeit
Während in der Vorbereitungsphase noch klar zwischen rein pastoralen Dokumenten, disziplinären Dekreten und dogmatischen Konstitutionen unterschieden wurde, ging diese Unterscheidung im Verlauf des Konzils im Bewußtsein vieler verloren. Das Konzil verzichtete darauf, Dogmen zu verkünden. Die Dokumente des Konzils haben somit keinen dogmatischen Status, sie sind - soweit sie die Lehre betreffen - jedoch verbindlich entsprechend der vom Konzil selbst kundgetanen Auffassung und Absicht. Aus diesem Grund wurde das gesamte Konzil als pastoral bezeichnet.
Teilnehmer
Bekannte Teilnehmer waren beispielsweise:
- Augustin Bea, Präsident des Sekretariats für die Förderung der Einheit der Christen
- Michael Browne, Leitungsfunktion bei der Erarbeitung diverser Schemata.
- Giacomo Lercaro, "Moderator".
- Alfredo Ottaviani, Vorsitzender der Konzilskommission.
- Sebastian Tromp, Sekretär der Konzilskommission.
- Karl Rahner
- Joseph Frings, Erzbischof von Köln
- Otto Spülbeck, Bischof von Meißen
- Julius Döpfner, "Moderator", Erzbischof von München und Freising
Kritische Bilanz
Das II. Vatikanische Konzil kann als das wichtigste kirchenpolitische Ereignis des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Eine gewisse theologische Erneuerung von mehr als 1/2 Jahrhundert wurde "ratifiziert" und eine gewisse neo"scholastische" Theologie eliminiert. Wenn man eine kritische Bilanz ziehen möchte, so wären folgende Aspekte zu nennen:
- Der pastorale Ansatz des Konzils (Vat. II hat sich nicht in die Streitigkeiten der einzelnen theol. Schulen verwickeln lassen)
- Historischer Ansatz (Einsichten der historischen Forschung werden berücksichtigt)
- Biblischer Ansatz (die Bibel ist mehr als ein Zitaten-Reservoir)
- Patristischer Ansatz (die Kirchenväter sind privilegierte Zeugen, nach den biblischen Autoren)
- Ökumenische Öffnung (Nicht-Katholiken waren als Beobachter eingeladen)
- Öffnung zur Welt (Gaudium et Spes)
- Dialog mit den Nichtchristen (Es gibt ethische und religiöse Werte außerhalb)
- Neuer Stil (Die Anathema-Formeln befinden sich dort nicht mehr)
Die postkonziliäre Zeit hat uns bekanntlich einige Überraschungen bereitgehalten. Nicht nur war das optimistische Grundklima, das vor allem Gaudium et Spes beeinflusst hat, durch die Krisen (Vietnam-Krieg, Mai 68, Ölkrise) erschüttert. Auch sorgten die Reaktionen einiger großer Theologen für Aufregung: Congar und de Lubac kritisieren einen gewissen Horizontalismus. Eine Kleruskrise macht sich breit, Berufungskrise. Die Gläubigen spalten sich in eine traditionalistische (denen das Konzil zu kompromissbereit war) und eine progressive Tendenz (denen das Konzil nicht weit genug ging. Man könnte noch die Wiedergeburt der Utopien nennen oder die Revolution der Humanwissenschaften: Wie kann man nach Sigmund Freud und Karl Marx an Gott glauben? Alles wird in Frage gestellt. Man könnte sagen, dass die Kirche im Vat. II der Gesellschaft den Dialog angeboten hat und die Gesellschaft hat die Kirche beim Wort genommen.
Literatur
- Karl Rahner, Herbert Vorgrimler: Kleines Konzilskompendium. 31. Aufl. Herder, Freiburg 2004 ISBN 3451277352
- Helmut Krätzl: Im Sprung gehemmt - Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt, Verlag St. Gabriel, Mödling, 4. Auflage 1999, ISBN 3-85264-567-0
Siehe auch
Weblinks
- Alle Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils
- IKvu-SPECIAL "Zweites Vatikanisches Konzil"
- Ecclesia Semper Reformanda - Das 2. Vatikanische Konzil
- 'Traditionalist' Errors Interpreting Vatican II (Part I)
- 'Traditionalist' Errors Interpreting Vatican II (Part II)