Ungarneinfälle

Schlacht der Ungarnkriege
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Die Ungarnkriege waren eine im Jahre 899 begonnene Serie von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den noch nicht sesshaften Ungarn, den Magyaren, und ihren Nachbarn. Am häufigsten kam es dabei zu Zusammenstößen mit dem Ostfrankenreich, bis die Magyaren 955 bei der Schlacht auf dem Lechfeld eine vernichtende Niederlage hinnehmen mussten.

Erste Begegnungen unter Markgraf Luitpold von Bayern

 
Darstellung eines chasarischen Kriegers, von denen die Magyaren Kriegsführung und Heeresstruktur übernommen hatten.

Krieger des Reitervolks der Magyaren erscheinen erstmals in den Jahren 892 – 894 als Söldner für Kaiser Arnulf. Doch nach ihrem Zug über die Karpaten beginnen sie im Jahr 899 mit einem Einfall in Italien, bei dem sie dem Heer des lombardischen König Berengars I. eine herbe Niederlage zufügen, eine Serie von stetigen Beutezügen nach Westen.

Nach dem Tod von Kaiser Arnulf fallen die Magyaren erstmals in Bayern ein. Einem bayrischen Heerbann unter Markgraf Luitpold und Bischof Richard von Passau gelingt es am 20. November am Nordufer der Donau, eine Einheit von 1.200 Kriegern niederzumachen, während die Mehrheit der Magyaren bereits beutebeladen zurückgekehrt war.

Im Folgejahr 901 wiederholt sich die Situation, als die Bayern am 11. April an der Fischa, einem Nebenfluss der Donau, das Heer der Ungarn, das sich auf dem Rückweg befindet, erneut schlagen. Der größte Coup gelingt jedoch 904 oder 906, als der Kende Kursan einem Hinterhalt der Bayern zum Opfer fällt. Die Bayern luden die Magyaren zu einem Gastmahl und erschlugen den Fürsten Kursan und sein Gefolge. Davon unbeeindruckt zerschlagen die Magyaren 906 das mährische Reich und fallen nach Sachsen ein.

Durch ihre Siege übermäßig selbstbewusst geworden, wagen die Bayern 907 eine Invasion auf magyarisches Gebiet, die für sie in der Katastrophe endet. In der Schlacht von Pressburg wird das Heer eingekesselt und vernichtet. Luitpold fällt und mit ihm die obersten Würdenträger Bayerns.

Unklar ist, ob und inwieweit der Tod des bedeutendsten Großfürsten der Ungarn Árpád im selben Jahr mit dieser Schlacht in Zusammenhang steht.

Das ambivalente Vorgehen unter Arnulf dem Bösen

 
Siegel Konrad I.

Der neue Herzog der Bayern beginnt sofort mit dem Aufstellen eines Reiterheeres gegen die Magyaren. Dafür führte er eine neue Belehnungspflicht ein, wonach jeder weltliche oder geistliche Grundherr pro zehn Bauern einen Reiter zu stellen hatte, was ihm die Geistlichkeit jedoch verweigerte.

Als die Ungarn 908 Sachsen heimgesucht hatten, fielen sie 909 wieder plündernd in Bayern ein und drangen bis Freising und Schwaben vor. Auch Arnulf nutzte die verschlechterte Manövrierfähigkeit der beladenen Magyaren auf dem Rückweg und schlug sie und ihren Anführer Szabolcs am 11. August an der Rott zwischen Eggenfelden und Pfarrkirchen.

Die Niederlage kann jedoch nicht bedeutend gewesen sein, da die Magyaren bereits 910 erneut einfallen, ein Heer der Schwaben aufreiben, wobei der Pfalzgraf Gozbert fällt, und am 22. Juni das fränkische Heer unter Ludwig dem Kind auf dem Lechfeld besiegen. Bei Neuching gelingt es Arnulf mit seinen Bayern zwar, einer Einheit der Magyaren eine Niederlage beizubringen, doch das Jahr 910 wird deutlich durch Scheitern auf dem Lechfeld überschattet.

Nachdem die Magyaren 912 einen Beutezug nach Franken und Thüringen unternommen hatten, ziehen sie 913 wieder durch Bayern und Schwaben. Wieder versperrt ihnen Arnulf mit einem starken Heer zusammen mit dem schwäbischen Pfalzgrafen Erchanger den Rückweg. Diesmal ist der Sieg deutlich - angeblich überlebten nur 30 Magyaren. Zumindest scheint es in der Folge der Schlacht zu einem Abkommen mit den Magyaren gekommen zu sein, wahrscheinlich um die Auslieferung gefangener magyarischer Führer.

Nach seinem gescheiterten Aufstand gegen König Konrad I. nutzt Arnulf 914 seine neuen diplomatischen Beziehungen und flieht zu den Ungarn. Doch auch in den folgenden 13 Jahren bleibt Bayern, durch Arnulfs Abkommen geschützt, von weiteren Einfällen verschont.

Die Kampagnen von Heinrich dem Vogler

 
Heinrich wird beim Vogelstellen im Wald die Königskrone angetragen (nach einem Gemälde von Hermann Vogel, um 1900)

Nachdem die Magyaren in den Jahren nach Arnulfs Flucht Bayern verschonen, wird die Belastung für die übrigen Stämme umso stärker. Der Herzog der Sachsen Heinrich hatte 913 bereits ein Heer der Ungarn bei Merseburg gestellt. 915 verwüsten die Magyaren Schwaben, Thüringen und Sachsen. 917 zerstören sie Basel und dringen bis ins Elsass und nach Lothringen vor. Auch das Jahr von Heinrichs Krönung zum König 919 ist begleitet von einem größeren Einfall der Magyaren.

Als Heinrich bei Werla an der Oker einen wichtigen Fürsten der Magyaren gefangen nehmen kann, handelt er einen 10jährigen Waffenstillstand für Sachsen aus, den er nutzt, eine Heeresreform durchzuführen und neue Burgen zu errichten. Die Burgenordnung von 926 sieht den Bau von Fluchtburgen, deren Verproviantierung und Ausstattung sowie den Aufbau eines Reiterheeres vor.

So bleibt es nicht aus, dass die Ungarn sich wieder Süddeutschland zuwenden. 926 bestürmen sie Augsburg, das von Bischof Ulrich verteidigt wird. Am 1. Mai plündern sie die Fürstabtei St. Gallen. Herzog Arnulf, der inzwischen wieder in Bayern weilt, sieht sich gezwungen, sich durch Tributzahlungen einen Frieden zu erkaufen.

Am Ingelheimer Hoftag 927 beschließen Heinrich und Arnulf ein gemeinsames Vorgehen gegen die Magyaren. König Heinrich verweigerte den Tribut an die Ungarn. Dies entsprach einer Kriegserklärung. Am 15. März 933 trifft das ostfränkische Heer bei Riade an der Unstrut auf die Ungarn. Die Schlacht bei Riade endet mit einem eindeutigen Sieg für Heinrich. Die Magyaren werden vom Schlachtfeld getrieben und ihr Lager erobert. Zu Lebzeiten Heinrichs werden sie nicht mehr im ostfränkischen Reich erscheinen.

Die endgültige Abwehr unter Otto dem Großen

 
Ottos Sieg über Berengar II. (Illustration einer Handschrift, um 1200)

Die Niederlage bei Riade halten die Magyaren nicht davon ab, 934 zusammen mit den Petschenegen einen Zug nach Byzanz zu unternehmen. 937 ziehen sie bis Frankreich und im Jahr 938 nutzen sie eine Erhebung gegen Otto, um in Sachsen einzufallen. Die neuen Burgen bieten den Verteidigern jedoch genug Spielraum, die Eindringlinge zurückzuschlagen.

Am 12. August 943 endet eine Offensive der Bayern mit einem Sieg Herzog Bertholds (Sohn von Liudolf, Bruder von Arnulf 938-947) auf der Welser Haide (Österreich). Er fügte den Magyaren eine schwere Niederlage zu. Dabei wurden sie erstmals nicht erst auf dem Rückzug getroffen. Daraus kann geschlossen werden, dass das Grenzland erfolgreich überwacht werden konnte. Im Jahr 947 stirbt der magyarische Anführer Szabolcs und Fajsz folgt ihm nach. Nach einem weiteren Sieg 948 ziehen die Bayern unter dem von Otto neu eingesetzten Herzog Heinrich 949 oder 950 bis nach Sopron.

Als sich 954 fast der gesamte Süden im liudolfionischen Aufstand gegen Otto erhebt, nutzen die Magyaren diese Chance und ziehen in ihrem bislang weitesten Zug über Bayern und Belgien bis Nordfrankreich, zurück über Oberitalien und Kroatien.

Als im Folgejahr 955 eine ungarische Gesandtschaft in Sachsen eine Erneuerung von Verträgen anbot, schlug Otto das Angebot aus. Durch den ungarischen Angriff mussten die wichtigsten Oppositionellen Ottos Heerfolge leisten. Otto stellte das magyarische Heer in der Schlacht auf dem Lechfeld. Anders als sein Vater bei Riade, gibt sich Otto nicht mit der Vertreibung zufrieden, sondern lässt den fliehenden Magyaren auflauern und diese niedermachen, bis das gesamte Heer aufgerieben ist. Diese Strategie der Vernichtung von Eindringlingen zeigt sich auch gegen die Abodriten in der Schlacht von Raxa, als 700 Soldaten enthauptet wurden.

Infolge der Schlacht auf dem Lechfeld beginnen die Magyaren einen sesshafteren Lebenswandel zu entwickeln. Das spätere Königreich Ungarn kann entstehen, während weitere Beutezüge nach Westen ausbleiben.

Literatur

  • K.J. Leyser: Medieval Germany and ist Neighbours 900-1250. London 1982, “The Battle at the Lech, 955, a study in Tenth-Century Warfare”
  • Maximilian Georg Kellner: Die Ungarneinfälle im Bild der Quellen bis 1150. Von der „Gens detestanda“ zur „Gens ad fidem Christi conversa“, München 1997 (= Studia Hungarica 46)
  • Ferenc Majoros/Bernd Rill: Bayern und die Magyaren. Pustet, Regensburg 1991.
  • Herwig Wolfram: Salzburg, Bayern, Österreich. Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und die Quellen ihrer Zeit, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforscung, Ergänzungsband 31, Wien 1995, 49 ff.
  • Herwig Wolfram: Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung. Österreichische Geschichte 378-907, Wien 1995, 212 ff.
  • Friedrich Kurze (Hrsg): Annales Fuldenses sive annales regni Francorum Orientalis. Monumenta Germaniae Historica Scriptores rerum Germanicarum 7, Hannover 1891, (Nachdruck 1993).
  • Reinhold Rau (Hrsg): Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte 3 (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 7), Darmstadt 1992, S. 325-327.