Computus (Osterrechnung)

eine Kurzbezeichnung für die Osterrechnung, die Vorschrift zur Berechnung des jährlich veränderlichen Osterdatums
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Komputistik (v. lat.: computus = "Berechnung") war die mittelalterliche Kalender- und Osterrechnung, die zur Berechnung des Osterfestes, also des Ostersonntags diente. Sie erstellte Übersichten, die als Ostertafel oder Osterzyklus bezeichnet werden.

Osterstreit

Die innerkirchlichen Streitigkeiten um eine richtige Bestimmung des Ostertermins wird Oster(fest)streit genannt. Schon seit dem beginnenden 2. Jahrhundert sind Unterschiede in der terminlichen Praxis beim Feiern des Osterfestes feststellbar. Diese Unterschiede hielten bis in das 8. Jahrhundert an. Erst zu diesem Zeitpunkt hatte sich der 532-jährige, alexandrinisch-römische Osterzyklus auch in ganz Europa durchgesetzt. Die Einheitlichkeit des Ostertermins war damit erreicht.

Im Osterfeststreit kann eine qualitative und eine quantitative Ebene unterschieden werden.

Bei der qualitativen ging es unter anderem um folgende Fragestellungen:

  • Ostertermin an einem Sonntag; zeitliches Zusammenfallen von Ostern und Passah;
  • Beachtung der Tagundnachtgleiche;
  • Einheitlichkeit in der Osterrechnung.

Auf der quantitativen Ebene wurden Ostertafeln und Osterzyklen erprobt und verbreitet.

Somit kristallisierten sich folgende Richtungen (u. a. Häresien) heraus:

Demgegenüber setzt sich schon im 2. Jahrhundert (z.T. mit dem Osterfest überhaupt) der Sonntag als Festtag in Jerusalem, Alexandrien und Rom durch.

Seit dem Beginn des 3. Jahrhunderts bemüht man sich, das Osterfest mit Hilfe von Osterzyklen vorauszubestimmen. Miteinander konkurrierende Osterzyklen sind z.B. der alexandrinische und der 84-jährige, römische Zyklus, der auch nach der Übernahme der alexandrinischen Berechnungsmethode durch Rom in Irland und England zunächst vorherrschend blieb.

In Gallien zeigte die dort vom 5. bis zum 8. Jahrhundert verwendete Osterberechnung des Victorius von Aquitanien ebenfalls Abweichungen vom alexandrinischen 532-Jahres-Zyklus. Ein 95-Jahres-Zyklus wurde noch im 6. Jahrhundert in Italien und Afrika benutzt, ein 112-jähriger Osterzyklus in Gallien und Spanien (Ostertafeln, Osterzyklen).

Fassbar wird der Streit um den richtigen Ostertermin in den Jahren 387, 417, 444 und 455. In Rom wurde Ostern am 21.3.387 und 25.3.417 gefeiert, in Alexandrien am 25.4.387 bzw. am 22.4.417; im Jahre 387 feierten auch viele Kirchen Ostern am 18.4. Bzgl. der Jahre 444 und 455 setzte Papst Leo der Große nach langem Hin und Her das alexandrinische Osterdatum durch.

Für den Termin des Ostersonntages gilt aber gemäß den Beschlüssen des Ersten Konzils von Nicäa (325) (u. a. lt. Beda Venerabilis): Der Ostersonntag ist der Sonntag unmittelbar nach dem ersten Frühlingsvollmond. Daraus folgt:

  • 1. Ostern muss auf einen Sonntag fallen;
  • 2. Ostern wird nach der Tagundnachtgleiche (Äquinoktium) gefeiert;
  • 3. Ostern wird nach dem Frühlingsvollmond begangen, der auf die Tagundnachtgleiche fällt oder der der erste nach der Tagundnachtgleiche ist.

Osterrechnung (julianisch)

Hauptartikel: Osterdatum

Aus Beschlüssen von Nicaea folgt die mittelalterlich-julianische Osterrechnung innerhalb des Julianischen Kalenders. Die mittelalterlichen Gelehrten hatten dabei eine Fülle von Kennziffern zur Verfügung, die die Lage eines Jahres innerhalb des 28-jährigen Sonnenzirkels und des 19-jährigen Mondzyklus festlegten und zur Ermittlung des Ostersonntags beitrugen. Die Kennziffern waren u. a.: Claves terminorum, Epakte, Festzahl, Goldene Zahl, Indiktion, Inkarnationsjahre, Konkurrente, Lunarbuchstaben, Osterbuchstaben, Ostergrenze, Regulare, Sonnenzirkel, Sonntagsbuchstabe. Die Kennzahlen fanden bei der abzählend vorgehenden, mittelalterlichen Komputistik Verwendung.

Eigentlich ist der sog. metonische Kalenderzyklus mit sieben 13-Mondmonat-Jahren in 19 Sonnenjahren schon seit dem 6. Jahrhundert vor Christus bekannt. Nur dieser Zyklus garantiert eine genügend genaue Übereinstimmung zwischen Sonnen- und Mondjahr. Er wurde im neubabylonischen Reich unter König Nabonid verwendet, auch im alten China und im antiken Griechenland. Später fand er auch Eingang in den jüdischen Kalender und wird heute innerhalb des gregorianischen Mondkalenders gebraucht.

Die Christen im Orient wandten sich sehr schnell und konsequent diesem Zyklus zu, richteten ihre Ostertafeln metonisch aus und fanden schließlich den alexandrinischen 532-Jahres-Zyklus, der den Mondkalender mit dem Sonnenzyklus verbindet. Victorius von Aquitanien (5.Jahrhundert) kannte diese alexandrinischen Ostertafeln und Dionysius Exiguus (6.Jahrhundert) dessen Schriften. Erst Beda Venerabilis erreichte es, dass man auch im Abendland alle nicht-metonischen Zyklen verwarf.

Der 19-Jahres-Zyklus unterteilt sich in zwei ungenauere Unterzyklen: elf Jahren mit 136 Monden und acht Jahren zu 99 Monden. Letzterer, der sog. Oktaetris, wurde sehr lange in Rom angewendet. Er liefert aber nur recht ungenaue Ergebnisse.

Im 4. und 5. Jahrhundert gebrauchte Rom offiziell auch in einem „idealistischen“ 84-Jahre-Zyklus, der die Zahl sieben mit der Zahl zwölf multipliziert, und versuchte so die Osterdaten zu regeln. Genaue Ergebnisse liefert dieser Zyklus aber natürlich nicht.


Jahres-Zyklus
Herleitung
Komputist
Jahrhundert
Alexandrinisch gemäß metonischem Zyklus
76-Jahres-Zyklus
04 * 19  = 076
Anatolios
3. Jahrhundert
95-Jahres-Zyklus
05 * 19  = 095
Theophilos
4. Jahrhundert
532-Jahres-Zyklus
28 * 19  = 532
Anianos
5. Jahrhundert
Römische Experimente mit Oktaetris-Zyklen
8-Jahres-Zyklus
01 * 08  = 008
Oktaeteris
2. Jahrhundert
16-Jahres-Zyklus
02 * 08  = 016
Hippolyt von Rom
3. Jahrhundert
112-Jahres-Zyklus
07 * 16  = 112
Hippolyt von Rom
3. Jahrhundert
"Idealistisch":  Sieben mal zwölf Jahre-Zyklus
84-Jahres-Zyklus
07 * 12  = 084
Laterculus
3. Jahrhundert

Ostertafeln

Die Ostertafeln hatten einen unterschiedlichen Aufbau. Die Ostertafeln des alexandrinischen Patriarchen Theophilos gaben, wie auch deren Fortschreibung durch seinen Nachfolger Kyrillos, die Jahre fortlaufend gemäß der Diokletianischen Ära an, dann auch Indiktion, Epakte, Konkurrente, Jahr im Mondzyklus, Datum des Vollmondes, Ostersonntag und das Mondalter am Ostersonntag. Diese Tafeln umfassten insgesamt sieben metonische Zyklen. Ein achter Zyklus wurde von einem unbekannten Komputisten angefügt. Letzterer endet im Jahr 247 nach Diocletian (=531 n. Chr.). Alle acht Zyklen lagen Dionysius Exiguus dann bei seinen neuen Berechnungen vor.

Victorius von Aquitanien kannte den 532-Jahre-Zyklus. Er versuchte eine neue Zeitrechnung seit Jesu Tod und Auferstehung zu begründen. Dionysius Exiguus, auch Denys der Kleine genannt, folgte ihm darin aber nicht. Eine andere Ostertafel des 5. Jahrhunderts, die Zeitzer, gibt als Jahreskennung das entsprechende Konsulat an.

Dionysius Exiguus begründete die Jahre der Inkarnationsära: 247 (=13*19 cf. Märtyrer Ära) + 15*19 = 532 (post Christum natum). Seine Ostertafeln bezogen sich auf die Jahre zwischen 532 und 626, also fünf metonische Zyklen. Andere Komputisten verlängerten diese später. Beda Venerabilis verteidigte und benutzte die dionysischen Berechnungen und schuf dann selbst einen kompletten zweiten alexandrinischen Zyklus des christlichen Mondkalenders, der von Anfang 532 bis Ende 1063 reichte.

Im Verlauf von Spätantike und Mittelalter entstand das (katholische) Kirchenjahr, in dem Ostern und die von diesem abhängigen beweglichen Feiertage (Herrenfeste) im liturgischen Mittelpunkt standen. Der Osterfestkreis als Teil des Kirchenjahres besteht aus den dem Ostersonntag in einer festen zeitlichen Distanz vorangehenden oder nachfolgenden Festtagen. Das sind (bezogen auf ein Gemeinjahr) unter anderem: Septuagesimae (-63 d), Esto mihi (-49 d), Aschermittwoch (-46 d), Ostersonntag (0 d), Himmelfahrt (+39 d), Pfingsten (+49 d), Trinitatis (+56 d), Fronleichnam (+60 d) (d=Tag; „-“ = vor Ostern; „+“ = nach Ostern). Die Zeit zwischen Septuagesimae und Aschermittwoch heißt dann Vorfastenzeit, die von Aschermittwoch bis Ostern 40-tägiges Fasten (Quadragesima), die zwischen Ostern und Pfingsten 50-tägige Osterzeit (Quinquagesima). Septuagesimae ist der 9. Sonntag vor Ostern, Esto mihi (als letzter Sonntag der Vorfastenzeit) der 7., Pfingstsonntag der 7. nach Ostern, Trinitatis der 8. Nur eingeschränkt mit dem Osterfestkreis verbunden sind die Daten der Quatember. Die durch die vier Jahreszeiten bestimmten Quatembertermine liegen dabei eine Woche nach Aschermittwoch, am Mittwoch nach Pfingsten, am Mittwoch zwischen dem 15. 9. und 21. 9. und am Mittwoch zwischen dem 14. 12. und 20. 12. Im Kirchenjahr sind die Quatember durch besondere Fastenzeiten (Quatemberfasten) ausgezeichnet.

Literatur

  • Arno Borst: Computus. Zeit und Zahl im Mittelalter, in: DA 44 (1988), S. 1-82
  • Arno Borst: Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas (= dtv 30746) , München 1999
  • Michael Buhlmann: Zeit und Zeitbewusstsein in einer mittelalterlichen Grundherrschaft, in: MaH 55 (2002), S. 43-73
  • Hermann Grotefend: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Hannover 13. Aufl. 1991
  • Aron J. Gurjewitsch: Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen, München 4. Aufl. 1989
  • Klaus Mainzer: Zeit. Von der Urzeit zur Computerzeit (= BSR 2011) , München 2. Aufl. 1996
  • Theodor Mommsen  In der Online-Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften:  Die Zeitzer Ostertafel von 447