Tivoli (Gotha)

Gebäude in Gotha, Thüringen, Deutschland
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Das Gothaer Tivoli in Gotha ist das Gründungshaus der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), des unmittelbaren Vorgängers der SPD. Das Jahr 1875 wird als das eigentliche Konstituierungsdatum genannt, als am Ende des Vereinigungsparteitages vom 22. bis 27. Mai in Gotha sich der ADAV und die Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) zusammenschlossen.

Geschichte des Gebäudes

In der damaligen Sundhäuser Allee wurde 1830 das Gebäude als Gasthaus mit Ausschank, Gasträumen und Saal mit Orchesterempore erbaut. Ab 1848 wurde der „Kaltwasser'sche Saal“ von Ottilie Kaltwasser als Restaurant betrieben. Das Haus bekam seinen Namen „Tivoli“ im Jahr 1885. Da sich gegenüber die „Tivoli-Brauerei Gotha“ befand, erhielt nach Überlieferungen, das „Tivoli“ seinen Namen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Stadt Gotha neuer Eigentümer. Bis zum zweiten Weltkrieg befand sich im Gebäude ein Kindergarten. Der Saal wurde für verschiedene Stadtversammlungen der Stadt Gotha genutzt. 1956 wurde das Gebäude durch seine historische Geschichte zur „Arbeitergedenkstätte Tivoli“ umbenannt. In den weiteren Jahren wurden dringende Sanierungsarbeiten durchgeführt und der „Kaltwassersche Saal“ annähernd in den Originalzustand zurückversetzt.

Die Gründung der SAP im Tivoli

 
Köpfe der frühen deutschen Arbeiterbewegung (August Bebel, Wilhelm Liebknecht - obere Reihe, Karl Marx - Mitte, Carl Wilhelm Tölcke, Ferdinand Lassalle - untere Reihe)

Im Jahr 1873 näherten sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein allmählich an. Es wurden Wege zur Einigung gesucht und gefunden. Das hatte mehrere Gründe – wie zum Beispiel die Reichsgründung, Bismarcks Herrschaft und nicht zuletzt die beginnende Wirtschaftskrise in Deutschland. Es fand am 14. und 15. Februar 1875 eine Vorkonferenz statt. Es wurde während dieser Vorkonferenz der Programmentwurf erarbeitet. Nachdem August Bebel diesen Entwurf las, verfasste er einen Gegenentwurf. Dieser wurde allerdings mehrheitlich von der SDAP abgelehnt. Auch Karl Marx übte am Entwurf Kritik. In einem Brief an Wilhelm Bracke schrieb er die Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei.[1] Dadurch das sich diese „Randglossen“ mit den Grundfragen der deutschen Arbeiterbewegung und deren bürgerlichen Ideologien auseinander setzten, erlangte diese theoretische Schrift als Kritik des Gothaer Programms historische Bedeutung. Das Programm wurde am 25. Mai 1875 einstimmig im „Gothaer Vereinigungs-Congreß“ angenommen. Damit war die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) gegründet.

Mit ungefähr 25.000 Mitgliedern und 129 Delegierten war das Ereignis im Gothaer Tivoli der Ursprung der Sozialdemokratischen Partei in Deutschland. Zu den Reichtagswahlen 1877 konnten eine halbe Million Wähler gewonnen werden. Das Gothaer Programm forderte einen „freien Staat“ und eine „sozialistische Gesellschaft“. [2]

Wiedergründung der SPD Thüringen im Tivoli

Nach 115 Jahren wurde im Tivoli Gotha erneut sozialdemokratische Geschichte geschrieben. Es wurde am 27. Januar 1990 der 1. Landesverband der SPD in der damaligen DDR gegründet. Als Ehrengäste waren Willy Brandt und Egon Bahr vertreten. Auszug aus der Rede von Willy Brandt: „Liebe Freunde, ich bedanke mich für die Einladung. Ich bringe herzliche Grüße der weit über Europa hinausreichenden Gemeinschaft von Sozialdemokraten in vielen Teilen der Welt. Ich verbinde damit meine guten Wünsche für die Sozialdemokraten in diesem deutschen Herzland Thüringen.“ [3]

Förderverein Gothaer Tivoli e.V.

Der Verein mit zur Zeit 39 Mitgliedern wurde 1992 in Gotha gegründet. Das Ziel des Vereins ist unter anderem, dass historische Gebäude zu erhalten. Eine wichtige Aufgabe des Vereins ist es, dass geschichtlich Interessierte aus Deutschland und der Welt, sich mit diesem historischen Versammlungsgebäude beschäftigen können.

Literaturverzeichnis

  • Marlies Mikolajczak: 1875-2000: 125 Jahre Gothaer Parteitag und Gothaer Programm; Gothaer Tivoli Geburtsstätte der Sozialdemokratie. 1. Auflage. Druck & Werbung, Gotha 2000.
  • Susanne Miller; Heinrich Potthoff: Kleine Geschichte der SPD: Darst. und Dokumentation 1848-1990. 7. Auflage. J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 1991, ISBN 3-87831-350-0, S. 539.
  • Thomas Meyer, Susanne Miller, Joachim Rohlfes (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Darstellung, Chronologie, Dokumente. 3.Bde. Bonn 1984, ISBN 3-923423-11-X (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 207).

Siehe auch

Einzelnachweis

  1. Förderverein Gothaer Tivoli e.V. (Redaktion): 125 Jahre Gothaer Parteitag und Gothaer Programm; Gothaer Tivoli. Hrsg.: Förderverein Gothaer Tivoli e.V. Druck & Werbung, Gotha 2000, S. 7 (Zweite Seite aus Karl Marx Brief an Wilhelm Bracke mit den „Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei“).
  2. Prof. Dr. Arno Klönne: 125 Jahre Gothaer Parteitag und Gothaer Programm; Gothaer Tivoli. Hrsg.: Förderverein Gothaer Tivoli e.V. Druck & Werbung, Gotha 2000, S. 10 (Die Geburtsstunde der deutschen Sozialdemokratie).
  3. Förderverein Gothaer Tivoli e.V. (Redaktion): 125 Jahre Gothaer Parteitag und Gothaer Programm; Gothaer Tivoli. Hrsg.: Förderverein Gothaer Tivoli e.V. Druck & Werbung, Gotha 2000, S. 20 (Rede auf dem Wiedergründungsparteitag der SPD Thüringen (Auszüge)).