Gertrud Luckner

christliche Widerstandskämpferin, Pazifistin
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Gertrud Luckner (* 26. September 1900 in Liverpool, † 31. August 1995 in Freiburg im Breisgau) war eine christliche Widerstandskämpferin.

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Gertrud Luckner

Leben

Gertrud Luckner wurde als Jane Hartmann geboren und von ihren Pflegeeltern, denen sie kurz nach ihrer Geburt übergeben worden war und die sie vermutlich evangelisch hatten taufen lassen, erst im Alter von 22 Jahren adoptiert. Nach Besuch des Gymnasiums in Berlin und Königsberg nahm sie 1925 das Studium der Volkswirtschaft an der dortigen Universität auf. Ihren Lebensunterhalt musste sie sich mit Sprachkursen, Praktika in Familienfürsorge, Mütterberatung, Gesundheitsfürsorge und Berufsberatung sichern. Über die Universitat Frankfurt am Main, das Woodbrooke-College der Quäker in Birmingham, kam sie 1931 als fertige Diplom-Volkswirtin an die Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau, wo sie 1938 den Titel eines Dr.rer.pol. erwarb.

Gertrud Luckner war überzeugte Pazifistin, sie gehörte dem Friedensbund deutscher Katholiken und seit 1931 auch den Quäkern an. 1934 ließ sie sich katholisch taufen.

Mit diesen Aktivitäten war sie dem Regime, dessen verbrecherische Ziele sie bereits 1931 nach Lektüre von Hitlers "Mein Kampf" erkannt hatte, suspekt. Bereits 1933 wurde ihre Post von der Polizei überwacht.

Gertrud Luckner riet bereits kurz nach der so genannten Machtergreifung Juden zur Auswanderung und half ihnen dabei. Seit 1936 war sie von der Caritas angestellt und setzte dort unter der Leitung und dem Schutz des Caritaspräsidenten Benedikt Kreutz ihre Tätigkeit für verfolgte Juden fort. Der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber erteilte ihr zu ihrem Schutz im Dezember 1941 den bewusst verschwommen formulierten Ausweis, wonach sie "mit der Durchführung notwendiger Aufgaben der außerordentlichen Seelsorge" betraut sei. In rastlosen Reisen überbrachte sie die ihr anvertrauten umfangreichen Geld- und Sachmittel, stellte sich öffentlich auf die Seite der Juden, ging mit ihnen, nachdem sie 1941 zum Tragen des Judensterns gezwungen worden waren, spazieren oder begleitete sie in den Gottesdienst und half ihnen bei der nach Kriegsbeginn nur noch in geringfügigem Umfang durchführbaren Flucht in die Freiheit. 1942 schöpfte die Gestapo Verdacht und überwachte engmaschig ihre Kontakte. Die Machthaber vermuteten, sie betreibe über ihre "verwerfliche" Judenhilfe hinaus zusammen mit Erzbischof Gröber eine Nachrichtenzentrale ins Ausland und maßen der Angelegenheit eine große Bedeutung zu. Erst im März 1943 wurde sie verhaftet, über 8 Monate in verschiedenen Gefängnissen in Schutzhaft genommen und befragt und danach in das KZ Ravensbrück verbracht. Dort musste die den roten Winkel eines so genannten "Politischen" tragen, wurde zu schwerer Zwangsarbeit, u.a. für die Firma Siemens & Halske, verpflichtet und überlebte nur mit Hilfe anderer Leidensgenossinen, sei es der Liobaschwester Eva ("Placida") Laubhardt, der Quäkerin Hildegard Hansche, der Seelsorgehelferin Katharina Katzenmaier und unbekannten Wiener Kommunistinnen. Am 3.5.1945 wurde sie von der Roten Armee befreit.

Gertrud Luckner hat in der Zeit des Nationalsozialismus sehr vielen Menschen geholfen. Exakte Zahlen sind jedoch nicht belegbar.

Nach dem Krieg leitete sie die Verfolgtenfürsorge der Caritas. Nach ihrer Pensionierung 1968 arbeitete sie an der Herausgabe und Redaktion des „Freiburger Rundbrief zur Förderung der Freundschaft zwischen dem alten und neuen Gottesvolk - im Geist der beiden Testamente“.

1953 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, 1960 das Päpstliche Ehrenkreuz, 1966 zeichnete der Staat Israel sie in Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern aus, 1979 wurde sie Ehrenbürgerin von Freiburg im Breisgau.

Lebenslauf

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Überreichung des Ehrenbürgerbriefs
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Gertrud Luckner im Alter

26. Sept. 1900 Jane Hartmann (Gertrud Luckners Geburtsname) wird in Liverpool als Kind von Robert und Gertrude Hartmann geboren. Nachdem ihre Eltern von einer Reise nicht zurück kommen, wird sie vom deutschen Ehepaar Luckner in Pflege genommen.
1907 Familie Luckner übersiedelt nach Deutschland, Berlin.
1917 Übersiedlung nach Königsberg.
19. Sept. 1922 Jane Hartmann erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit.
15. Dez. 1922 Ehepaar Luckner adoptiert Jane, ihr Name daraufhin: Gertrud Jane Luckner.
1925 G. Luckner holt das Abitur nach und beginnt im Sommer mit dem Studium.
1927 Ihr Adoptivvater Karl Luckner stirbt.
23. Feb. 1928 Ihre Adoptivmutter Luise Luckner stirbt.
1931 Sie übersiedelt nach Freiburg im Breisgau.
9.-10. Nov. 1938 Mit der Reichskristallnacht beginnt die organisierte Hilfe Luckners.
1. Dez. 1938 Sie wird hauptamtliche Mitarbeiterin des deutschen Caritasverbandes.
1941 Frau Luckner bekommt die Spezialvollmacht von Erzbischof Gröber, Freiburg im Breisgau.
1942 Die Beschattung Luckners durch die Gestapo beginnt.
24. März 1943 Gertrud Luckner wird nach ihrer Verhaftung durch die Gestapo ins KZ Ravensbrück gebracht.
3. Mai 1945 Befreiung des Lagers.
1945 Sie beginnt erneut ihre Arbeit bei der Caritas.
1948 Erste Herausgabe des Freiburger Rundbriefes.
1951 Sie wird als erste deutsche Katholikin vom Staat Israel eingeladen.
1960 In der Nähe von Nazaret wird ein Gertrud-Luckner-Hain gepflanzt.
31. Dez. 1968 Gertrud Luckners Pensionierung
11. Juni 1979 Oberbürgermeister Keidel ernennt sie zur Ehrenbürgerin von Freiburg im Breisgau.
31. Aug. 1995 Gertrud Luckner stirbt im Alter von 95 Jahren in Freiburg im Breisgau und findet dort ihre letzte Ruhestätte.

Werke

  • Dissertation über „Die Selbsthilfe der Arbeitslosen in England und Wales - auf Grund der englischen Wirtschafts- und Ideengeschichte“
  • Behrend-Rosenfeld, Else/Gertrud Luckner (Hrsg.), Lebenszeichen aus Piaski. Briefe Deportierter aus dem Distrikt Lublin 1940-1943, München 1968.

Literatur

  • Borgstedt, Angela, „...zu dem Volk Israel in einer geheimnisvollen Weise hingezogen“. Der Einsatz von Hermann Maas und Gertrud Luckner für verfolgte Juden. In: Widerstand gegen die Judenverfolgung, hg. von Michael Kißener, Konstanz, 1996.
  • Hans-Josef Wollasch, ´´Gertrud Luckner ´´ in Zeitgeschichte in Lebensbildern, Band 9, hrg. von J.Aretz/R.Morsey/A.Rauscher, 1999 ISBN 3-402-06120-1

Siehe auch