Fritz Mauthner

deutschsprachiger Philosoph, Schriftsteller und Publizist
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. November 2007 um 12:05 Uhr durch 89.56.146.56 (Diskussion) (defaultsort, weblink). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Fritz Mauthner (* 22. November 1849 in Horschitz, Böhmen, Österreich-Ungarn; † 29. Juni 1923 in Meersburg) war ein deutschsprachiger Philosoph und Schriftsteller.

Fritz Mauthner

Leben

Fritz Mauthner wurde in Horschitz bei Königgrätz in Böhmen als viertes von sechs Kindern des Tuchfabrikanten Emmanuel und seiner Frau Amalie geboren. Die Eltern waren jüdischen Glaubens. Als Fritz sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Prag. Mauthner studierte Rechtswissenschaft in Prag, brach das Studium jedoch ab. Als besonders wichtig für Mauthners Weltbild gilt die Bekannschaft mit Ernst Mach. Dieser lehrte von 1867 bis 1875 in Prag Experimentalphysik. Um die Jahrhundertwende schrieb Mauthner in einem Brief an Mach, dass er von ihm den Anstoß dazu erhalten hätte, aus der Wissenschaft die latenten metaphysischen Grundlagen zu eliminieren.

1873 arbeitete er in einer juristischen Kanzlei, im gleichen Jahr entstand die erste Fassung der Kritik der Sprache (heute verschollen). Mauthner verfasste in dieser Phase erste Erzählungen und Feuilletons. Am 23. Mai fand die Uraufführung seines Schauspiels Anna am Deutschen Königlichen Landestheater Prag statt. 1876 ging Mauthner nach Berlin, um dort für das Berliner Tageblatt zu schreiben. Zwei Jahre später schloss er die Ehe mit der jüdischen Pianistin Jenny Ehrenberg, aus der sein einziges Kind, die Tochter Grete, hervorging. Mauthners Frau starb 1896. Ab 1878 veröffentlichte er im Deutschen Monatsblatt Parodien auf zeitgenössische Autoren wie Gustav Freytag, Paul Heyse, Arno Holz. Die Parodien erschienen später auch in Buchausgaben. Die Wirkung auf die damaligen Leser wird als sensationell beschrieben. Bis 1902 erreichte die Gesamtausgabe der Parodien 30 Auflagen.

Mauthner war 1880 eines der Gründungsmitglieder der Gesellschaft der Zwanglosen, der unter anderen Otto Brahm, Max Halbe, Maximilian Harden, Otto Erich Hartleben und Gerhart Hauptmann angehörten. 1882 erschien sein Roman Der neue Ahasver, 1887 der deutschnationale Roman Der letzte Deutsche von Blatna, 1888 die Pressesatire Schmock. Seit Oktober 1889 war Mauthner Herausgeber der Zeitschrift Deutschland. Insgesamt veröffentlichte er 1882 bis 1897 zwölf Romane, daneben Erzählungen und Lyrik. Von den Lesern wurde Mauthners Belletristik wohlwollend aufgenommen, während die Literaturkritiker überwiegend ablehnend reagierten.

Im Jahr 1892 zog er mit seiner Familie nach Berlin-Grunewald. Hier begann er mit der Niederschrift seiner Beiträge zu einer Kritik der Sprache. Mauthner intensivierte seine sprachkritischen Arbeiten, musste jedoch 1898 jegliche Arbeit unterbrechen, da er zu erblinden drohte. Danach arbeitete er mit Gustav Landauer zusammen. 1901 erschienen der erste und der zweite Band der Beiträge, ein Jahr später folgte der dritte. Die Ablehnung, die Mauthners Kritik der Sprache aus akademischen Kreisen entgegenschlug, enttäuschte ihn tief. 1905 versuchte Mauthner, durch einen Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln seine Depressionen zu lindern. Nachdem seine Tochter geheiratet hatte, verlegte Mauthner Ende 1905 seinen Wohnsitz nach Freiburg im Breisgau. Dort trat er der Kant-Gesellschaft bei und lernte 1906 Martin Buber kennen.

 
Grabstein von Fritz Mauthner und Hedwig Mauthner (Harriet Straub) auf dem Friedhof in Meersburg (Inschrift: Vom Menschsein erlöst)

1907 begegnete Mauthner Hedwig Luitgardis Silles O'Cunningham (1872-1945). Mit ihr zog er 1909 nach Meersburg am Bodensee, wo beide bald darauf heirateten. Zu dieser Zeit entstand die von Martin Buber angeregte und Gustav Landauer gewidmete Monographie Die Sprache. Anschließend wurde seine Arbeit am Wörterbuch der Philosophie konkret. Dessen erster Band erschien 1909, der zweite folgte 1911. Der letzte Tod des Gautama Buddha wurde 1912 beendet.

Mit Beginn des Weltkrieges 1914 begannen Auseinandersetzungen mit seinem Freud Gustav Landauer. Während Landauer Krieg generell missbilligte, schrieb Mauthner ab 1915 Propaganda-Artikel für den Krieg im Berliner Tageblatt. Nach der deutschen Niederlage, die für ihn eine Katastrophe war, versöhnte sich Mauthner mit Landauer. Zum endgültigen Bruch kam es allerdings, als Landauer sich kurz darauf 1919 an der Münchener Räterepublik beteiligte. Mauthner wurde im selben Jahr Ehrenbürger von Meersburg. Von 1920 bis 1923 erschien Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland in vier Bänden. Kurz vor seinem Tod am 29. Juni 1923 arbeitete Mauthner an seinen Drei Bildern der Welt, die posthum erschienen.

Zitat

Zum Hasse, zum höhnischen Lachen bringt uns die Sprache durch die ihr innewohnende Frechheit. Sie hat uns frech verraten; jetzt kennen wir sie. Und in den lichten Augenblicken dieser furchtbaren Einsicht toben wir gegen die Sprache wie gegen den nächsten Menschen, der uns um unseren Glauben, um unsere Liebe, um unsere Hoffnung betrogen hat.

(F. M., Beiträge zu einer Kritik der Sprache I, Das Schweigen)

Werke

Romane, Novellen, Erzählungen, Satiren

  • Nach berühmten Mustern, Satire 1878, 1889, Gesamtausg. 1897
  • Einsame Fahrten, 1879
  • Vom armen Franischko, Erzählung 1879
  • Die Sonntage der Baronin, 1881
  • Der neue Ahasver, 1882
  • Dilettantenspiegel, Satire 1883
  • Gräfin Salamanca, 1884
  • Xanthippe, 1884
  • Berlin W. (Romantrilogie): Quartett, 1886; Die Fanfare, 1888; Der Villenhof, 1890
  • Der letzte Deutsche von Blatna, Roman 1887
  • Schmock oder die Karriere der Gegenwart. Satire. Berlin 1888
  • Der Pegasus, 1889
  • Die erste Bank, Berlin, 1889
  • Zehn Geschichten, 1891
  • Glück im Spiel, 1891
  • Hypatia, 1892
  • Lügenohr, 1892 (unter dem Titel: Aus dem Märchenbuch der Wahrheit, 1899)
  • Kraft, Roman 1894
  • Die Geisterseher, Roman 1894
  • Die bunte Reihe, 1896
  • Der steinerne Riese, Novelle, 1896
  • Die böhmische Handschrift, Novelle 1897
  • Der wilde Jockey und anderes, 1897
  • Der letzte Tod des Gautamo Buddha, Roman 1913
  • Der goldene Fiedelbogen, 1917

Dramen

  • Anna, 1874
  • Lyrik
  • Die große Revolution, 1872

Essays und theoretische Schriften

  • Kleiner Krieg, 1879
  • Credo, 1886
  • Von Keller zu Zola. Kritische Aufsätze. Berlin 1887
  • Tote Symbole, 1892
  • Zum Streit um die Bühne, 1893
  • Totengespräche, 1906
  • Gespräche im Himmel und andere Ketzereien, 1914

Sprachphilosophische und kulturgeschichtliche Werke

  • Beiträge zu einer Kritik der Sprache (3 Bde., 1901-1902, Neuauflage 1982)
  • Aristoteles, 1904
  • Spinoza, 1906
  • Die Sprache, 1907
  • Wörterbuch der Philosophie, 1910-11, 1923-24
  • Schopenhauer, 1911
  • Der letzte Tod des Gautama Buddha, 1913
  • Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland (4 Bände), 1920-23
  • Muttersprache und Vaterland, 1920
  • Die drei Bilder der Welt. Ein sprachkritischer Versuch. (Aus dem Nachlass herausgeg.) Erlangen 1925

Übersetzungen

Herausgebertätigkeit

  • Deutschland. Wochenschrift für Kunst und Literatur, 1889-1890
  • Das Magazin für die Literatur des In- und Auslandes, 1991 (mit O.Neumann-Hofer)
  • Bibliothek der Philosophen, ab 1911

Sammelausgaben

  • Ausgewählte Schriften, 6 Bde., 1919

Sonstiges

  • Erinnerungen. Bd. 1: Prager Jugendjahre, Autobiographie, München: 1918
  • Selbstbiographie 1922, in: Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 3.

Literatur

  • Andreas Berlage: Empfindung, Ich und Sprache um 1900. Ernst Mach, Hermann Bahr und Fritz Mauthner im Zusammenhang. Frankfurt am Main u. a.: Lang 1994. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 20: Philosophie; 414) ISBN 3-631-45792-8
  • Walter Eschenbacher: Fritz Mauthner und die deutsche Literatur um 1900. Eine Untersuchung zur Sprachkrise der Jahrhundertwende. Frankfurt am Main u. a.: Lang 1977. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1; Deutsche Sprache und Literatur; 163) ISBN 3-261-02044-X
  • Lars Gustafsson: Sprache und Lüge. Drei sprachphilosophische Extremisten: Friedrich Nietzsche, Alexander Bryan Johnson, Fritz Mauthner. München u. a.: Hanser 1980. ISBN 3-446-12951-0
  • Joachim Kühn: Gescheiterte Sprachkritik. Fritz Mauthners Leben und Werk. Berlin: Walter de Gruyter 1975. ISBN3-11-005833-2
  • Martin Kurzreiter: Sprachkritik als Ideologiekritik bei Fritz Mauthner. Frankfurt am Main u. a.: Lang 1993. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1; Deutsche Sprache und Literatur; 1361) ISBN 3-631-45522-4
  • Elisabeth Leinfellner: Brückenschlag zwischen den Disziplinen. Fritz Mauthner als Schriftsteller, Kritiker und Kulturtheoretiker. Wuppertal: Arco-Verl. 2004. ISBN 3-9808410-5-7
  • Elisabeth Leinfellner (Hrsg.): Fritz Mauthner. Das Werk eines kritischen Denkers. Wien u. a.: Böhlau 1995. ISBN 3-205-98433-1
  • Helmut Henne, Christine Kaiser (Hrsg.): Fritz Mauthner - Sprache, Literatur, Kritik. Festakt und Symposion zu seinem 150. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer 2000. (= Reihe Germanistische Linguistik; 224) ISBN 3-484-31224-6
  • Michael Thalken: Ein bewegliches Heer von Metaphern. Sprachkritisches Sprechen bei Friedrich Nietzsche, Gustav Gerber, Fritz Mauthner und Karl Kraus. Frankfurt am Main u. a.: Lang 1999. (= Literatur als Sprache; 12) ISBN 3-631-34415-5
  • Bettina Ullmann: Fritz Mauthners Kunst- und Kulturvorstellungen. Zwischen Traditionalität und Modernität. Frankfurt am Main u. a.: Lang 2000. (= Hamburger Beiträge zur Germanistik; 29) ISBN 3-631-35793-1
  • Almut Vierhufe: Parodie und Sprachkritik. Untersuchungen zu Fritz Mauthners "Nach berühmten Mustern". Tübingen: Niemeyer 1999. (= Reihe Germanistische Linguistik; 209) ISBN 3-484-31209-2