Inquisition

Kirchliches Gremium zur Verfolgung Andersdenkender
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Die Inquisition (lateinisch: Erforschung) war eine Einrichtung der katholischen Kirche zur Unterdrückung der Ketzerei.

Geschichte

Vorbemerkung: Die Gründung der Inquisition als Institution erfolgte im 13. Jahrhundert und bezieht ihr Wesen aus dem mittelalterlichen Weltbild. Die Inquisitoren bezogen sich dabei auf Bibelstellen und Kirchenväter, insbesondere Augustinus.

Das neue Testament

Von Auseinandersetzungen innerhalb der Urgemeinde zeugen eine Reihe biblischer Urteilssätze, die im Mittelalter auf den Umgang der Kirche mit Häretikern augelegt wurden.

Die Exkommunikation als Übergabe an den Satan wird durch den Apostel Paulus gleichsam als pädagogische Maßnahme empfohlen "damit sie in Zucht genommen werden und nicht mehr lästern" (1. Timotheus 1,20), von der Inquisition als geistlichen und weltlichen Ruin durchgeführt.

Jesus, der den Abgefallenen im Gleichnis sagt "Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen" (Johannes 15,6), wird von der Inquisition wörtlich interpretiert.

Frühe Kirche

Es hat zu allen Zeiten Gruppen mit einer besonderen Lehre gegeben, die die Ansicht vertraten, dass sie die einzigen wirklichen Christen seien (Marcion, Montanismus, und ebenso gab es praktisch von Anfang an Gruppen, die das Christentum mit andern Religionen vermischten (Gnosis, Manichäismus).

Es gab bereits im zweiten und dritten Jahrhundert einen gewissen Konsens im Christentum darüber, was die allgemeine christliche Lehre ist, was als Variante akzeptiert werden kann, und was die Lehre einer Randgruppe ist, z.B. bei von Irenäus von Lyon.

Ab dem vierten Jahrhundert, beginnend mit dem Konzil von Nicäa 325 konnten die Bischöfe der damaligen Welt zusammenkommen, um auf einem Konzil über Fragen der Lehre zu entscheiden. Solchen Entscheiden gingen oft lange und heftige Auseinandersetzungen voraus, und in einigen Fällen trennten sich Gruppen aufgrund von solchen Lehrentscheidungen von der allgemeinen Kirche, z.B. nach dem Konzil von Chalcedon.

Der Kirche stand zur damaligen Zeit als Sanktionsmöglichkeit nur die Exkommunikation zur Verfügung.

Die Verbannung des Arius nach dem Konzil von Nicea lässt sich aufgrund der innigen Verwobenheit von Weltlichem und Geistlichem in jener Epoche nicht sicher als eine rein weltliche Strafe sehen,die Kaiser Konstantin I. verhängte, weil er in Arius eine Gefahr für die Einheit des Reichs sah. Aus ähnlichen Gründen haben er und seine Nachfolger im vierten Jahrhundert auch Athanasius und zahlreiche andere orthodoxe Bischöfe verbannt. Näheres siehe: Bann

Augustinus als "Theologe der Inquisition"

Die Inquisition bezog sich auf Schriften von Augustinus von Hippo, die er aus der konkreten (teilweise für ihn lebensgefährlichen) Auseinandersetzung mit den Donatisten heraus geschrieben hat.

  • Ursprünglich suchte Augustin die Häretiker zu überzeugen.
  • Später, empfahl er "gemäßigte Strenge" (temperata servitas),
  • Schließlich Maßnahmen der weltlichen Macht wie Geißelung, Busse und Verbannung, in Extremfällen auch die Todesstrafe.

Die Inquisition griff insbesondere zwei Argumente von Augustinus heraus:

  • Einem Abtrünnigen sei der rechte Weg zu zeigen, wenn er diesen nicht gehen wolle, auch unter Zwang, sei ein Akt christlicher Nächstenliebe. Häretiker seien verirrte Schafe, die die kirchlichen Hirten notfalls mit Stock und Knüppel wie züchtigende Eltern gegenüber dem Kinde zur Herde zurückführen würden. Folter sei legitim, da sie nur das sündige Fleisch, nicht aber die Seele schädige. In der Konsequenz sei es besser, die Häretiker zu verbrennen, als "in den Verirrungen zu erstarren". Die Häretiker "töten die Seelen der Menschen, während die Obrigkeit nur ihre Leiber der Folter unterwirft; sie rufen ewigen Tod hervor, aber beklagen sich dann, wenn die Behörden sie dem zeitlichen Tod überantworten".
  • Die Androhung der Folter stelle den Häretiker nachdrücklich vor die Entscheidung, entweder in seiner Verirrung zu verharren, z.B. weil er die Verachtung seiner Genossen fürchtet, sowie den "Feuerofen der Qual" samt dem Verlust des Lebens in Kauf zu nehmen, oder aber "klüger zu werden" um in den Schoß der Kirche zurückzukehren.

Die Inquisition übersah allerdings Aussagen, die ihre Sicht in Frage stellten, wie etwa die von Augustinus in Corrigi eos volumus, non necari, nec disciplinam circa eos negligi volumus, nec suppliciis quibus digni sunt exerceri. "Wir möchten sie verbessert haben, nicht getötet; wir wünschen uns den Triumph der Kirchenzucht, nicht den Tod, den sie verdienen." oder Johannes Chrysostomos: Einen Ketzer zum Tod verurteilen, ist ein Vergehen ohne mögliche Wiedergutmachung und die energischen Proteste von Ambrosius von Mailand und Martin von Tours gegen die Hinrichtung eines Häretikers durch den Kaiser.

Mittelalter

Im Mittelalter bildete sich im Westen parallel zum aufkommenden Frankenreich eine zentrale, von Rom aus hierarchisch organisierte Kirche. Auch nach der Teilung des Frankenreichs blieb die Identifikation der Könige und Kaiser mit dem Christentum bestehen und die enge Verbindung von Kirche und weltlicher Herrschaft brachte es dazu, dass abweichende Gruppen nicht nur als Risiko für die Einheit der Kirche, sondern auch als Gefahr für die öffentliche Ordnung gesehen wurden.

Ketzerverfolgungen mit Hinrichtungen gab es in Frankreich, Deutschland und Italien schon seit der Jahrtausendwende, sowohl durch weltliche Herrscher wie auch durch lokale kirchliche Autoritäten.

Heinrich der Löwe anerbot sich 1147 zu einem Kreuzzug gegen die teilweise christianisierte Wenden.

1150 wird die Zwangstaufe (letztmalig) im Decretum Gratiani verboten.

Gegen Ketzer ging man zunächst per ad hoc Anzeige vor. 1184 wurde eine Kommission in Reaktion auf die Katharer-Bewegung in Südfrankreich gegründet, die mit der Beseitigung dieser Gruppen verschwand. Papst Lucius III. (1181 - 1185) erklärte in Zusammenarbeit mit Friedrich Barbarossa mit der Bulle Ad abolendam, dass Ketzer mit dem ewigen Kirchenbann zu bestrafen seien.

Das 4. Laterankonzil forderte 1215 gegen verurteilte Ketzer Einzug des Eigentums, Verbannung, und Ausschluss vom Begräbnis in geweihter Erde.

1224 erließ Kaiser Friedrich II. ein Edikt zur Ketzerverbrennung. Dahinter steht, dass bereits die heidnischen Germanen Zauberei mit dem Feuertod bestraft hatten, und die Ketzerei als schlimmer als Zauberei angesehen wurde.

Das Edikt Friedrichs wurde von Gregor IX. akzeptiert, aber er verlangte, dass nur die Kirche entscheiden kann, wer ein unverbesserlicher und rückfälliger Ketzer ist.

Gründung der Inquisition

Thomas von Aquin als Theoretiker der Inquisition

Der bedeutende Theologe Thomas von Aquin legt mit dem Satz ?Accipere fidem est voluntatis, sed tenere fidem iam acceptam est necessitatis.? (Die Annahme des Glaubens ist freiwillig, den angenommenen Glauben beizubehalten notwendig.) den theoretischen Grundstein der mittelalterlichen Inquisition. Für Häretiker fordert er die Exkommunikation und die Todesstrafe.

1231 setzte Papst Gregor IX. eine ständige Kommission zur Bekämpfung der Häresie ein und erließ eine Verordnung, die lebenslängliche Haft mit dem Verlust des Heils für Ketzer androhte, und die Höchststrafe für Rückfällige. Papst Gregor entband die Bischöfe und Erzbischöfe von der Untersuchungspflicht und beauftragte damit allein die Dominikaner, wenn auch viele Inquisitoren Mitglieder anderer Orden oder des weltlichen Klerus waren.

1235 setzte Papst Gregor IX. offiziell die Inquisition ein. Diese übergab nach der befragenden "Beweis"aufnahme den überführten Ketzer der weltliche Macht, die die Bestrafungen ausführte.

1238 ordnete Kaiser Friedrich II. die Todesstrafe durch Verbrennen an gegen alle überführten Ketzer.

1252 genehmigt Papst Innozenz IV. die Folter zur Wahrheitsfindung, die in der weltlichen Justiz der damaligen Zeit üblich war.

Ende des 13. Jahrhunderts war die Inquisition eine allgemeine Einrichtung, die in in vielen Regionen über ein Amt zu ihrer Unterstützung verfügte.

Die Inquisitionsprozesse waren im zeitgenössischen Rechtswesen fair, insbesondere auch verglichen mit der späteren Hexenverfolgung. Ein Angeklagter hatte z.B. das Recht, seine Feinde aufzuzählen, und wenn diese mit den Anklägern identisch waren, wurde die Anklage niedergeschlagen. Falsche Ankläger wurden hart bestraft.

In der Mehrheit der Fälle wurde nicht mit dem Tod bestraft, sondern gute Werke wie Gottesdienstbesuch, Stiftungen, Wallfahrten oder Teilnahme an Kreuzzügen, verordnet. Geldbussen oder Pranger waren auch häufige Strafen.

Die mittelalterliche Inquisition beschränkte sich geographisch auf Zentral- und Südeuropa - in den skandinavischen Ländern gab es sie nicht und in England nur vereinzelte Fälle.

Verfolgungen ausgesetzt sahen sich als hauptsächlich als häretisch eingestufte christliche Gruppen wie die Waldenser, Katharer (Albigenser), Beginen, Begharden, , und Hussiten, aber auch kleinere Gruppen oder einzelne Leute mit abweichenden Ansichten, z.B. Abälard oder Savonarola.

Besonders rücksichtslos war die Inquisition in den Fällen, wo parallel eine weltliche Macht eine politische Agenda hatte, z.B. bei Savonarola oder Jeanne d'Arc.

Die spanische Inquisition

Die gefürchtete spanische Inquisition war nicht allein eine kirchliche Einrichtung. Sie wurde 1481 durch Ferdinand und Isabella eingerichtet, um solche Juden und Mauren aufzuspüren und zu bestrafen, die öffentlich zum Christentum konvertiert waren, aber privat ihre vorherige Religion weiter ausübten und so per definitionem Ketzer blieben.

In Spanien erfolgten neben strengen Maßnahmen der Inquisition gegen zum Christentum konvertierte Muslime (Moriscos) und Juden (Conversos) und ihre Nachkommen rassistisch motivierte Pogrome seitens der Bevölkerung, deren Ausschreitungen selbst Papst Nikolaus V. zunächst als Diskriminierungen verurteilte. Anfang des 17. Jahrhunderts ließ König Philipp III. alle Moriscos aus Spanien vertreiben. (weiteres dazu siehe: Christenverfolgung)

Vor ihrer Vertreibung aus dem Land 1492, waren nichtkonvertierte Juden oder Moslems auch noch nicht von der Inquisition betroffen. Am 31. Juli 1826 gab es im spanischen Valencia ein letztes Todesurteil der Inquisition. 1830 wurde sie abgeschafft.

Von 1478 bis 1530 waren über 90 % der Angeklagten zum Christentum konvertierte Juden, die angeblich an ihrem früheren Glauben festhielten. In der Hälfte aller Fälle (ca. 900 allein in Toledo) wurden sie beim so genannten "Autodafe" zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. In Guadalupe waren 82 % der Beschuldigten zum Tode verurteilt worden. Der Anteil der konvertierten Juden nahm mit der Zeit ab, denn die meisten waren längst vertrieben worden. Zwischen 1721 und 1725 wurden noch 160 Juden hingerichtet. Die meisten Ketzer waren aber inzwischen ganz "normale" Gotteslästerer, Humanisten, "Lutheranos" und so genannte Bigamisten.

Die portugiesische Inquisition

Neben die spanische trat die portugiesische Inquisition, die mit dieser in der Verfolgungstätigkeit wetteiferte.

Die römische Inquisition

Die römische Inquisition, die 1542 gegründet wurde, ist von den drei Varianten die mildeste und vergleichsweise humane anzusehen.

Der Inquisitor befragte den Angeklagten in Anwesenheit von mindestens zwei Zeugen. Dem Beschuldigten wurde eine Zusammenfassung der Anklagen vorgelegt, dieser musste beeiden, dass er die Wahrheit sagte. Verschiedene Mittel wurden angewandt, um ein Geständnis des Beschuldigten zu erhalten. Zwar hatte die Folter keine Tradition im christlichen kanonischen Gesetz, kam aber Mitte des 13. Jahrhunderts auf. Die Ergebnisse der Inquisition wurden vor einem Publikum vorgetragen; die Büßer schworen auf Knien mit auf die Bibel gelegter Hand ab.

Das Strafmaß erstreckte sich vom Kirchenbesuch über Pilgerfahrten und zum Kreuztragen, Gefängnis (i. d. R. lebenslänglich) und, wenn der Beschuldigte nicht abschwören wollte, bis zur Hinrichtung.

Die Hinrichtung erfolgte durch das Verbrennen am Pfahl durch die weltlichen Behörden. In einigen Fällen, als der Beschuldigte gestorben war, bevor das Verfahren eingeleitet werden konnte, geschah es, dass der Tote oder seine Überreste exhumiert und verbrannt wurden. Die Hinrichtung oder lebenslängliche Gefangenschaft war stets mit der Beschlagnahme des Eigentums des Verurteilten verbunden.

Im nördlichen Europa hatte Inquisition geringe Bedeutung: In England wurde sie nie eingeführt, und in Skandinavien hatte sie kaum eine spürbare Auswirkungen (obgleich sie über die Voraussetzungen zur Hexenverfolgung verfügt haben soll).

Inquisition gegen Protestanten

Mit der päpstlichen Bulle "Licet ab initio" 21. Juli 1542 des Papst Paul III. richtete sich die Inquisition nun auch direkt gegen Protestanten. Sie endete erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Spanien, wo sie von Tomas de Torquemada als staatliches Terror-Instrument am Leben erhalten worden war.

Gegenwart

Papst Paul III. hatte 1542 eine ständige Kardinalskongregation gegründet (Congregatio Romanae et universalis Inquisitionis), die den Glauben unverletzt zu halten und zu verteidigen, sowie Irrlehren und falsche Lehren zu überprüfen und zu verwerfen. 1908 wurde sie von Pius X. umbenannt in Sacra Congregatio Sancti Officii oder kurz Sanctum Officium. Diese Kongregation wurde zum Aufsichtsorgan der lokalen Inquisitionen. Der Papst selbst trug den Titel Präfekt nahm aber keine Tätigkeit wahr. Stattdessen ernannte er einen Kardinal zum Sekretär. Letzter Sekretär des Sanctum Offizium war der zu Lebzeiten gefürchtete, heute fast unbekannte, Kardinal Alfredo Ottaviani.

Papst Paul VI. restrukturierte 1965 im Rahmen einer Kurienreform auch dieses Dikasterium. Es verlor seine Sonderstellung als oberste Kongregation (lat. suprema Congregatio]] und in „Kongregation für die Glaubenslehre“ umbenannt. Präfekt ist seitdem nicht mehr der Papst selbst, sondern - wie bei allen anderen Kongregationen auch - ein Kurienkardinal (z.Zt. der deutsche Joseph Ratzinger). Die Kongregation besteht heute aus 25 Mitgliedern (Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe aus 14 verschiedenen Nationen). Hinzu kommen 38 Mitarbeiter und 28 Konsultoren (Berater, i.d.R. Theologieprofessoren unterschiedlicher Fachrichtungen).

Siehe auch: Hexenverfolgung,