Steuerverweigerung

Weigerung, dem Staat Steuern zu zahlen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. November 2007 um 01:28 Uhr durch Krähenfüßchen (Diskussion | Beiträge) (rev.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Steuerverweigerung bezeichnet meist die grundsätzliche Weigerung eines Staatsbürgers, dem Staat Steuern zu zahlen.

Geschichte

Das Thema der Steuerverweigerung und des Steuerwiderstandes zieht sich durch die gesamte Geschichte der Steuereintreibung und -erhebung.

Beispiele:

  • Steuerstreik in den Niederlanden gegen die spanische Steuererhebung. Er endete 1581 unter der Führung des Prinzen Wilhelm von Nassau-Oranien mit der Unabhängigkeitserklärung der Nordniederlande.
  • Steuerstreiks und Steuerboykotts der amerikanischen Kolonisten gegen britische Steuern (1764 bis 1776), vor allem gegen die Stempelsteuer und die Teesteuer (Boston Tea Party) dehnten sich zur Freiheitsbewegung aus und führten 1776 zur Unabhängigkeitserklärung, mit der Folge der Loslösung der amerikanischen Kolonien vom Mutterland und der Gründung der Vereinigten Staaten.
  • Die französische Revolution begann damit, dass am 17.6.1789 der erweiterte dritte Stand den allgemeinen Steuerstreik als Protest gegen Adel und Klerus ausrief.
  • Am 8.11.1848 entmachtete Friedrich Wilhelm III die preußische Nationalversammlung die Nationalversammlung von Berlin nach Brandenburg zu verlegen. Als die Deputierten darauf hin die allgemeine Steuerverweigerung beschlossen, wurde die Sitzung durch das Militär gesprengt.
  • Ein wesentliches Detail des indischen Unabhängigkeitskampfes war der gewaltfreie Kampf Mohandas Gandhis gegen die britische Salzsteuer.

Situation in Deutschland

In Deutschland kam die Diskussion zuletzt im Rahmen gesteigerter Rüstungsausgaben (Nato-Doppelbeschluss 1986) in Bewegung, vor allem weil zu dieser Zeit auch die 'Die Grünen' noch daran beteiligt waren. Bürger klagten aufgrund der grundgesetzlichen Gewissensfreiheit und ihrem Konflikt mit der Zahlung von Steuern militärische Zwecke unterstützen zu müssen.

Gestützt wird diese Rechtsauffassung unter anderem durch eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichtes von 1960 im Zusammenhang mit der Kriegsdienstverweigerung in dem es den Begriff der Gewissensverletzung definierte: „'Gewissensentscheidung' im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG jede ernste sittliche, das heißt an den Kategorien von ‚Gut‘ und ‚Böse‘ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.“[1]

So stellte sich die grundsätzliche Frage: Kann es sein, dass der Bürger dem Staat wegen seines Gewissens die Zahlung von Steuern verweigern darf? Die Gerichte wiesen die Klagen einhellig zurück.

Diese Debatte spitzte sich 1991 durch eine juristische Auseinandersetzung zu. Der grüne Rechtspolitiker und Richter Paul Tiedemann sorgte mit seiner These für Aufregung, dass die verfassungsmäßig verankerte Gewissensfreiheit schon de lege lata (nach geltendem Recht) das Recht umfasse, die Steuer aus Gewissensgründen zu verweigern. Er bezog sich vor allem darauf, dass die Gewissensfreiheit im Grundgesetz nicht durch ein anderes Gesetz einschränkbar ist. [2]

Klagen zur Steuerverweigerung wurden wegen „verfassungsimmanenter Schranken“ abgewiesen. In Literatur und Rechtsprechung wird das Recht auf Steuerverweigerung fast immer mit der Begründung abgelehnt, dass der Steuerverweigerer auf die Steuerverwendung durchgreifen wolle. Der Rechtswissenschaftler Harald Maihold hält es für einen „Trick in der herrschenden Argumentation“, dass die rechtliche Zurechnungsregel der Parlamentshoheit zum Inhalt des Gewissens werde.[2]

In der Rechtssprechung wird Steuerverweigerung als Verstoß gegen das für die Steuerverwendung geltende Zweckbindungsverbot von Steuern gewertet, auch Non-Affektations-Prinzip genannt. Harald Maihold sieht in der Schrankendiskussion einen Subsumtionsfehler, da nicht einschränkbare Grundrechte auch nicht durch nachrangige Artikel des Grundgesetzes beeinträchtigt werden dürften, wenn der Gesetzgeber nicht zwischen verschiedenen Grundrechten abwägen muss, um beide im größt möglichen Umfang sicher zu stellen. So gesehen, sei die Frage der Steuerverweigerung trotz der vielen Urteile gerichtlich noch gar nicht entschieden.[2] Als Lösung für das Steuerverwendungsproblem wurde entsprechend über sogenannte „Friedensfonds“ diskutiert, um Steuern zweckgebunden verbuchen zu können. Der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff schreibt: „Wo der Staat über Alternativen verfügt muss er diese bereitstellen.“[3] Die Verpflichtung des Staates, gewissensneutrale Alternativen bereitzustellen wird nicht nur von Moraltheologen, sondern auch von einigen Staatsrechtlern bejaht.[4] Prominente Befürworter sind Erhard Eppler und die Juristin Herta Däubler-Gmelin.

Das BVerfG kommentiert zu einer späteren Klage bezüglich seiner Entscheidung von 1992, die Steuerverweigerung aus Gewissensgründen habe keine Aussicht auf Erfolg, weil eine strikte Trennung zwischen Erhebung und Verwendungsentscheidung gelte. Nach Meinung des Gerichts sichere die strikte Trennung von Steuererhebung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung die rechtsstaatliche Distanz und Unabhängigkeit des Staates gegenüber dem ihn finanzierenden Steuerpflichtigen. Auf der Grundlage dieser Trennung sei für den einzelnen Steuerpflichtigen weder rechtserheblich noch ersichtlich, in welchen Haushalt seine Einkommensteuerzahlungen fließen und welchem konkreten Verwendungszweck sie dienen. Die Pflicht zur Steuerzahlung lasse mithin den Schutzbereich des Grundrechts der Gewissensfreiheit unberührt.[5] Gänzlich anderer Auffassung sind Steuerverweigerer, die damit argumentieren, dass sie die Verantwortung nicht abgeben können. Man könne zwar die Steuerverwendung an einen Volksvertreter delegieren, aber nicht die Verantwortung, da alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe (Art. 20(2) GG).[6]

Literatur

  • Jakob Venedey: John Hampden und die Lehre vom gesetzlichen Widerstande. Belle-Vue bei Constanz: 1844 (2. Auflage, EA 1943)
  • Karl Marx: Rede in der Assisenverhandlung am 8. Februar 1849 in Köln. [vgl. MEW Bd. 6, S. 240]
  • Henry David Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. (EA 1849, dt. 1967)
  • Wolfgang Krauß (Hrsg.) Was gehört dem Kaiser? Das Problem mit den Kriegssteuern, 127 S., Agape Verlag, Weisenheim am Berg, 1984

Einzelnachweise

  1. Siehe BVerfGE 12,45, ähnlich BVerwGE 7,245f.
  2. a b c Harald Maihold: Geld, Gesetz, Gewissen
  3. Eberhard Schockenhoff: „Wie gewiss ist das Gewissen? Eine ethische Orientierung“ Herder Verlag, 2003, ISBN 978-3451276965
  4. http://mensch-sein.de/downloads/steuer.pdf
  5. BVerfG Aktenzeichen 2 BvR 478/92
  6. Sepp Rottmayr, Gudrun Schneeweiß: VON DER KRIEGSSTEUER ZUR ZIVILSTEUER