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Epilepsie

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Unter der Epilepsie (griechisch επιληψία, früher auch deutsch Fallsucht) versteht man eine Krankheit, deren Kennzeichen eine wiederholt auftretende anfallsartige elektrische Entladung in größeren Bereichen des Gehirns mit einem vorübergehenden Ausfall von Hirnfunktionen ist.

Einzeln auftretende Krampfanfälle können auch bei Nicht-Epileptikern auftreten, beispielsweise als Folge von Stress oder Erschöpfung.

Anfallsformen

Generell werden zwei Anfallsformen unterschieden:

  • Grand Mal (franz. Großes Übel):

Der Grand Mal ist die bekannteste Form des epileptischen Anfalls, er geht einher mit einem Bewusstseinsverlust und einem Sturz. Er dauert meist einige, wenige Minuten, während denen der Körper des Epileptikers von schweren Muskelkonvulsionen geschüttelt wird. Anschließend erwacht der Betroffene, zumeist verwirrt und körperlich stark erschöpft.

  • Petit Mal (franz. Kleines Übel):

Der Petit Mal unterscheidet sich vom Grand Mal vor allem durch seine Dauer, meist dauert er nur Sekunden oder gar Bruchteile davon und betrifft auch meistens nur Körperpartien. Vom Petit Mal gibt es zahlreiche verschiedene Formen und Zwischenformen:

  • Propulsiv-Petit-mal
  • Retropulsiv-Petit-mal
  • Impulsives Petit mal
  • Psychomotorische Anfälle
  • Absence

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist das zwischen einem lokalisierten, d.h. nur von begrenzten Bereichen des Gehirns ausgehenden oder generalisierten, also das gesamte Gehirn betreffenden, Krampfanfall.

Eine potenziell lebensbedrohliche Sonderform des epileptischen Anfalls (sowohl beim Grand Mal als auch beim Petit Mal) ist der Status epilepticus.

Epilepsieursachen

Nur in etwa 30 - 50 % aller Fälle lässt sich eine Ursache für Epilepsie finden. Bekannte Ursachen sind vor allem Geburtstraumata, Tumore im Gehirn, Stoffwechselerkrankungen, Schlafentzug, künstlich induzierte Schädigungen von Gehirn und Nerven (zum Beispiel bei schwerem Alkoholismus) und Narben im Gehirn beispielsweise nach Apoplex oder nach Meningitis, selten auch Vererbung.

Behandlung

Epilepsie ist bis heute nicht heilbar, aber seit der Entwicklung von valproatbasierten Arzneimitteln Anfang der 80er Jahre kann oft Anfallsfreiheit als Voraussetzung für ein "ganz normales Leben" erreicht werden.

Akutbehandlung

Ein akuter epileptischer Anfall kann nötigenfalls medikamentös unterbrochen werden, z.B. durch Gabe von Diazepam (s.u.). In der Regel ist aber kein Eingreifen nötig, und der Anfall endet (maximal) nach wenigen Minuten von selbst. Viele EpileptikerInnen empfinden es sogar als unangenehm und belastend, wenn bei einem "einfachen" Anfall der Notarzt gerufen oder gar eine Klinikeinweisung veranlasst wird. Die nötigen Hilfsmaßnahmen bestehen regelmäßig in der Verhinderung von Verletzungen (Abpolstern, Entfernen von umgebenden Gegenständen, kein Festhalten!).

Grundlegend anders ist beim Status epilepticus zu handeln. Wenn mehrere Anfälle kurz hintereinander erfolgen, sollte dringend ärztliche Hilfe angefordert werden.

Untersuchungsmethoden

Antiepileptika

Bei einem Anfall werden Benzodiazepine mit antikonvulsiven Eigenschaften wie die folgenden verabreicht:

Zur Vorbeugung werden hingegen diese verabreicht:

siehe auch: Antikonvulsivum

Sonstige Methoden der Epilepsiebehandlung

  • Stereotaktische Ausschaltung von elektrischen Foci
  • Operative Eingriffe (vor allem bei schläfenlappenbasierten Formen anwendbar)
  • Verhaltenstherapie (mit oder ohne Biofeedback) kann den Betroffenen ermöglichen, auf Vorzeichens eines Anfalls zu reagieren und diesen zu verhindern oder abzumildern
  • Vagus-Stimulation ("Hirnschrittmacher") reizen mit elektrische Stimuli den Vagusnerv, der die Erregung ins Gehirn weiterleitet. Entweder in festen Intervallen oder auf Anforderung bei Anfallsvorgefühl.

Varia

SUDEP

Es gibt einen sog. SUDEP (sudden unexpected death in epilepsy: plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie). In einer Studie wurden als Risikofaktoren folgendes herausgestellt:

· Jüngeres Lebensalter

· Symptomatische Epilepsien mit nachweisbarer Gehirnveränderung

· Männliches Geschlecht

· Niedrige Serumkonzentration der eingenommenen Antiepileptika

· Generalisierte tonisch-klonische Anfälle

· Schlaf.

Für die Ursachen und Erfassung der Mortalität wird in Deutschland wenig getan, weshalb man sehr wenig in Literaturen findet.

Von den an Epilepsie Erkrankten ist die

Sterblichkeitsrate bei 6 von 1.000 Personen pro Jahr, bei Neuerkrankten/Jahr bei 60 von 100.000 Personen pro Jahr. Das Risiko für einen SUDEP ist bei ca. 0,5 von 1.000 bis 1:1.000 Personen pro Jahr; liegt eine schwere Epilepsie und/oder eine neurologische Beeinträchtigung vor, sind es sogar 5 zu 1.000 Personen pro Jahr. Die Zahl der beobachteten Todesfälle (SUDEP) zu der erwarteten Todesfälle (z. B. Alter, sehr schwere Nebenwirkungen) ist nur in Studienpopulation – und wie gesagt, wird dazu wenig in Deutschland getan, aber man möchte sich darum bemühen.


Geschichtliches

Da das Erscheinungsbild bei epileptischen Anfällen spektakulär sein kann, sind Epilepsiekranke im Lauf der Geschichte sowohl positiv wie negativ stigmatisiert worden. So galten Epilepsiekranke in manchen antiken Kulturen als Heilige, da ihnen der (scheinbare) Übergang in Trancezustände so leicht fiel. Bereits rund vierhundert Jahre vor Christus schrieb jedoch der griechische Arzt Hippokrates (ca. 460 - 375 v. Chr), dass das Gehirn verantwortlich für die "Heilige Krankheit" sei. Im Mittelalter wurde ein Anfall allerdings häufig als Besessenheit interpretiert und konnte für den Betroffenen gefährliche Konsequenzen haben, wie beispielsweise einen Exorzismus. In der Zeit des Nationalsozialismus galten Epilepsiekranke wie viele andere "Behinderte" als "unwertes Leben". Im Alten Rom mussten angehende Soldaten bei ihrer Musterung durch ein rotierendes Wagenrad in eine Lichtquelle (zum Beispiel die Sonne) schauen. Erlitten sie einen Anfall, wurden sie ausgemustert.

Dennoch gab es über alle Zeiten berühmte an Epilepsie Erkrankte wie beispielsweise Alexander den Großen, Julius Cäsar, Dostojewski oder Molière. Mit Pius IX. (1792 - 1878) gelangte ein Epileptiker sogar auf den Papststuhl, obwohl Personen mit einer Epilepsie lange Zeit als Besessene verfolgt wurden.

Recht

Hat ein Mensch öfters epileptische Anfälle und kann auch durch Behandlung nicht über mindestens ein Jahr anfallsfrei bleiben, dann darf er kein Auto fahren oder eine Tätigkeit verrichten, die ihn selbst oder andere gefährdet. Betroffene einer Epilepsie haben in Deutschland je nach Schwere der Erkrankung die Möglichkeit, auf Antrag einen Schwerbehindertenausweis zur Gewährung steuerlicher und beruflicher Nachteilsausgleiche zu erhalten. Viele Berufsunfähigkeitsversicherungen und auch Unfallversicherungen verweigern die Aufnahme von Epilepsieerkrankten, wenn diese nicht mindestens zwei Jahre anfallsfrei sind.

Sprachliches

Epileptiker

Die Bezeichnung "Epileptiker" ist bei Betroffenen häufig nicht sehr beliebt - es wird eher von z.B. "Menschen mit Epilepsie" gesprochen (siehe auch political correctness). Epilepsie ist nach wie vor ein riesiges Stigma; wenn man eine Epilepsie hat, ist man aber eben nicht nur "seine Epilepsie", sondern weiter auch alles andere.

Eine andere Möglichkeit, mit der Bezeichnung "Epileptiker" umzugehen, ist ihr offensiver Gebrauch - wie es zum Beispiel mit der Bezeichnung Queer geschah. Manchmal ist es kaum möglich, "alles andere" auch zu sein, sondern eher ist es erforderlich, das Andere als EpileptikerIn zu sein. Denn ein Leben mit Epilepsie - und nicht gegen sie - kann durch die Zumutung des Verzichts auf normalerweise selbstverständliche Sicherheiten tief greifende Veränderungen der Weltsicht und der Psyche mit sich bringen und einen Einfluss auf die persönliche Identität haben.

Die Bezeichnung "EpileptikerIn" (mit Binnen-I) kann nach Ansicht einiger Menschen bestehenden - geschlechtlich unspezifizierten und damit im Patriarchat männlichen - Stereotypen insofern entgegen wirken als sie darauf hinweist, dass es sich bei "Epileptikern" auch um Frauen handeln kann.


An Epilepsie erkranken, Epilepsiekranke

Eine Bezeichnung von Epilepsiekranken als "krank" liegt nahe, weil die meisten Betroffenen mit (einer) Epilepsie/n aus medizinischer Sicht dauerhaft den Status von PatientInnen inne haben. Andererseits wirft die Bezeichnung verschiedene Fragen auf. Unter Anderem:

  • Wenn schon die Epilepsie die Bezeichnung "krank" für einen Menschen rechtfertigt: Welches Wort sollte dann jemand, der oder die gerade einen Anfall hinter sich hat, verwenden, um sein oder ihr Befinden zu bezeichnen?
  • Kann ein Mensch ein Leben lang "krank" sein? Wie sinnvoll wäre ein lebenslängliches Selbstgefühl als "krank"?
  • Wie nennt man ein epileptisches Kind mit Masern? Krankes krankes Kind?

Unter Epilepsie leiden

Das Wort "Leiden" genießt im Zusammenhang mit chronischen "Krankheiten" nicht nur bezüglich der Epilepsie eine weite Verbreitung. Einige Menschen behaupten, es sei möglich, Schmerzen zu haben, ohne unter ihnen zu leiden; es sei auch möglich, traurig zu sein, ohne unter der Traurigkeit zu leiden; es sei nicht möglich, ein Leben lang Epilepsie zu haben, und ständig unter ihr zu leiden.

Wortschöpfungen

In englischsprachigen Epilepsie-Foren im Internet wird manchmal der Ausdruck verwendet: "I had an E" - "Ich hatte ein E". Das "E" gibt es als großes und als kleines.

Die Austauschmöglichkeiten von Epilepsiekranken im Internet können dazu beitragen, dass sich nach und nach Begriffe entwickeln, mit denen sich epileptische Befindlichkeiten genauer beschreiben lassen als bisher. Begriffsentwicklungen erfordern eine Vergesellschaftung der Erfahrungen, die Epilepsiekranke bisher nicht herstellen konnten.

Computerspiele & Medien

Bildschirme können durch Hell-Dunkel-Wechsel, durch wechselnde Farbkombinationen und durch Muster epileptische Anfälle provozieren.

Hell-Dunkel-Wechsel sind, wenn der Wechsel nur wenige Male pro Sekunde stattfindet, für die meisten Menschen gefahrlos. Die Wechsel wirken anregend und motivieren zum Beispiel Kinder dazu, mit einem Stock an Lattenzäunen entlang zu laufen, oder Jugendliche, in die Disko zu gehen. Durch sehr schnelle Farb- und Hell-Dunkel-Wechsel löste 1997 in Japan die Kindersendung "Pocket Monsters" bei über 600 ZuschauerInnen ohne epileptische Vorgeschichte, zumeist Kindern, epileptische Reaktionen aus, so dass 200 von ihnen im Krankenhaus übernachten mussten.

Ähnliche Wirkungen sind bei Computerspielen möglich. In vielen Handbüchern zu Computerspielen findet sich daher an prominenter Stelle eine Epilepsiewarnung. Die besondere Reaktionsbereitschaft auf Lichtreize wird Photosensibilität genannt. Menschen, die auch ohne Lichtreizung epileptische Anfälle haben, können je nach Anfallsform gar nicht, nur eingeschränkt oder ohne Probleme Computerspiele spielen. Die Photosensibilität tritt bei diesen Menschen zu über 90% mit idiopathisch-generalisierter Epilepsie auf, selten jedoch bei der fokalen Anfallsform.

Röhrenbildschirme wie zum Beispiel herkömmliche Fernsehgeräte und Computer-Monitore mit Kathodenstrahlröhre, evtl. auch Kinos, können unabhängig davon, ob sie ruhige oder schnelle Bilder zeigen, epileptische Anfälle auslösen. Diese Systeme erzeugen durch sehr schnelle Lichtwechsel den Eindruck eines stehenden Bildes. Da sich bei diesen Systemen keine deutlichen Warnungen finden und gewisse Anfallsformen leicht mit vegetativen Störungen oder Kreislaufproblemen verwechselt werden, besteht die Möglichkeit, dass das Problem nicht erkannt wird. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass das Problem auch von NeurologInnen nicht erkannt wird. In diesem Fall werden vermeidbarerweise Antiepileptika genommen. Technisch ist das Problem häufig durch die Verwendung von Flachbildschirmen oder Bildschirmen mit hohen Bildwiederholfrequenzen lösbar.