Stefan Banach

polnischer Mathematiker
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Stefan Banach (* 30. März 1892 in Krakau; † 31. August 1945 in Lwów (heute Lviv, Ukraine)) war ein polnischer Mathematiker.

Leben

Sein Vater war Stefan Greczek (wobei dies nicht völlig gesichert ist), seine Mutter Katarzyna Banach. Er wuchs in einer Pflegefamilie auf (bei Franciszka Plowa und ihrer Tochter, Maria Puchalska). Von 1902 bis 1910 besuchte er das Vierte Gymnasium in Krakau.

Nach der Matura arbeitete er in einer Krakauer Buchhandlung und studierte gleichzeitig als Autodidakt Mathematik. Zwischen 1911 und 1913 war er Student am Polytechnikum in Lwow und legte dort ein Teilexamen, das so genannte Halbdiplom, ab.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs arbeitete er als Aufseher beim Straßenbau. Nach seiner Rückkehr nach Krakau verdiente er seinen Lebensunterhalt mit Nachhilfestunden; er studierte weiterhin Mathematik auf eigene Faust.

Im Jahre 1916 lernte der Mathematiker Hugo Steinhaus Banach zufällig kennen und begann, sich für ihn zu interessieren. Ihre Bekanntschaft mündete in einer gemeinsamen Publikation und einer langjährigen Zusammenarbeit. Dank Steinhaus' Bemühungen erhielt Banach 1920 bis 1922 eine Assistenzstelle am Lehrstuhl für Mathematik an der Abteilung für Mechanik des Polytechnikums Lwow, bei Lomnicki.

1922 legte er an der Jan Kazimierz-Universität in Lwow seine Doktorprüfung ab. Der Titel seiner Doktorarbeit war "Sur les opérations dans les ensembles abstraits et leur application aux équations intégrales" (Über Operationen in abstrakten Mengen und ihre Anwendung auf Integralgleichungen) (Fundamenta Mathematicae 3, 1922). Mit den fundamentalen Sätzen, die diese Arbeit enthält, schuf er ein neues Gebiet der Mathematik, die Funktionalanalysis.

Er habilitierte sich im Jahre 1922 an der Jan Kazimierz-Universität (Beschluss des Abteilungsrates vom 30. Juni) und wurde dort am 22. Juli des gleichen Jahres außerordentlicher Professor. 1927 wurde er Ordinarius. Zwischen 1922 und 1939 war er Inhaber des zweiten Lehrstuhls für Mathematik an der Jan Kazimierz-Universität.

Nach dem Einmarsch der Roten Armee 1939 verblieb er an der Franka-Universität als Inhaber des ersten Lehrstuhls für Mathematische Analysis (1939-1941 und 1944-1945). Zwischen 1939 und 1941 war er zusätzlich Dekan der Philosophischen Abteilung dieser Universität.

Er war ein exzellenter Dozent, auch Autor vieler Lehrbücher, darunter sogar Schulbücher für Mittelschulen.

Seine ersten Arbeiten widmete er unter anderem den Fourierreihen; in der ersten gemeinsam mit Steinhaus verfassten Arbeit behandelte er die Frage nach der Konvergenz im Mittel der Teilsummen einer Fourierreihe und konnte sie definitiv negativ beantworteten. Außerdem arbeitete er über orthogonale Funktionen und Reihen, die Maxwell-Gleichungen, Ableitungen messbarer Funktionen und über Maßtheorie. In seiner Doktorarbeit, die 1922 erschien, und in der Monographie "Théorie des opérations linéaires" (Theorie der linearen Operationen) definierte er axiomatisch diejenigen Räume, die später nach ihm benannt wurden, die Banachräume. Er legte die endgültigen Grundlagen zur Funktionalanalysis und bewies ihre fundamentalen Sätze. Er führte die entsprechende Terminologie ein, die heute auf der ganzen Welt in der Funktionalanalysis verbindlich ist, und hielt zum ersten Male eine Vorlesung über dieses Gebiet.

1924 formulierte er zusammen mit seinem polnisch-amerikanischen Kollegen Alfred Tarski einen Satz, der als Banach-Tarski-Paradoxon berühmt wurde, und der zu den spektakulärsten Aussagen der modernen Mathematik zählt.

Er schuf über sechzig wissenschaftliche Arbeiten und fand zahlreiche neue Theoreme, die sich als von fundamentaler Bedeutung für viele Gebiete der Mathematik erwiesen. Banachs Arbeitsstil, seine außergewöhnliche wissenschaftliche Intuition, seine Direktheit und Offenheit erlaubten ihm, zusammen mit Steinhaus die mathematische Schule von Lwow zu begründen.

1924 wurde er korrespondierendes Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften, ab 1931 war er ordentliches Mitglied der Warschauer Wissenschaftlichen Gesellschaft, in der Wissenschaftlichen Gesellschaft Lwow ab 1923 angenommenes, ab 1927 aktives Mitglied, 1919 Gründungsmitglied der polnischen mathematischen Gesellschaft, 1932 bis 1936 ihr Vizepräsident, 1939 bis 1945 ihr Präsident.

1930 erhielt er den Wissenschaftspreis der Stadt Lwow. In den Jahren 1936 bis 1939 war er Vizepräsident des Mathematischen Komitees des Rates für exakte und angewandte Wissenschaften. 1939 sprach ihm die polnische Akademie der Wissenschaften ihren großen Preis zu. Im gleichen Jahr wurde er korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der Ukrainischen Sowjetrepublik.

In der deutschen Besatzungszeit verdiente er den Lebensunterhalt für seine Familie (seine Gattin Lucja und sein Sohn Stefan, später ein bekannter Neurochirurg), indem er für das R.-Weigl-Institut für Bakteriologie Blut für die Fütterung von Läusen spendete.

Am 31. August 1945 verstarb er in Lwow an Lungenkrebs und wurde im Riedl-Monument auf dem Lyczakowski-Friedhof in Lwow bestattet. Die polnische mathematische Gesellschaft schuf 1946 einen wissenschaftlichen Preis zu seinen Ehren; in Universitätstädten wurden Straßen nach ihm benannt, 1972 wurde das internationale Banach-Zentrum für Mathematik gegründet. Banach gilt heute allgemein als mathematisches Genie.

Quelle: Text von Zofia Pawlikowska-Brozek für die Enzyklopädie polnischer Mathematiker, Proszynski und S-ka (in Vorbereitung).

(Übersetzung aus der polnischen Wikipedia).