Seele

Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge beim Menschen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. November 2007 um 00:19 Uhr durch Wikigerman (Diskussion | Beiträge) (Religionen: "Theologische Darstellungen" eingefügt und Abschnitt dahin verschoben). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Seele ist aus philosophischer und religiöser Sicht der immaterielle Sitz von Empfindungen und Charaktermerkmalen.

Die wissenschaftlich-medizinische Sicht wird unter Psyche behandelt und bezieht sich auf die Affekt-, Gefühls- und Wahrnehmungswelt von Lebewesen.

Etymologie

Das deutsche Wort Seele stammt vom althochdeutschen se(u)la ab, was ebenfalls in der Bedeutung Seele verwendet wurde und wahrscheinlich auf zum See gehörend zurückgeführt werden kann (unklare Herkunft). Nach germanischer Vorstellung waren die Seelen der Ungeborenen und Verstorbenen nämlich Teil eines Mediums ähnlich dem Wasser. Der griechische Begriff Psyche (ψυχή) bedeutet Hauch, Atem**.

Religionen

Seele in der Bibel

Biblische Wortbedeutung: Im Alten Testament hat das Wort Seele seinen Ursprung im hebräischen נפש (näfäsch), das mit atmen (nafasch) zusammenhängt. Im Neuen Testament steht das griechische ψυχή (Psyche).

Nach 1. Mose 2,7 bläst Gott dem Menschen Geist (Lebensodem)[1] in den Körper. Dadurch wird er zu einer lebendigen Seele. Die Seele, entstanden also aus der Verbindung von Körper und Geist, zerfällt nach dem Tod in ihre Bestandteile (Apg. 2,27; 3,23; Matth. 10:28): Der Körper geht zurück zur Erde, der Geist zu Gott (Prediger 12:7). Die Seele ist dann nicht mehr wahrnehmbar, im "Unwahrnehmbaren" (so die wörtliche Übertragung des griechischen "Hades" bzw. des hebräischen "Scheol", oft mit "Totenreich" übersetzt). In den Hades gehen die Seelen aller Menschen, ob gläubig oder nicht (Hiob 3,11-19).

Theologische Darstellungen

Die Seele in der Bibel ist der Sitz der Gefühle und des Charakters oder ein Bild für das Lebewesen selbst. Seele wird verwendet, wenn es um das Verlangen des Menschen, um sein „vitales Selbst“ geht [2]. Sie ist also die Empfindung, die erst durch die Verbindung eines organischen Körpers mit Odem oder Geist (Lebenskraft) entsteht. „Meine Seele“ (z.B. in den Psalmen) steht für „mein Leben“ oder einfach mit der Bedeutung „Ich“. Aber auch Tiere haben eine Seele, da sie Empfindungen wahrnehmen können (1. Mose 1,20: hier ist von Seelen die Rede, obwohl oft anders übersetzt wird [3])

Hinduismus und Buddhismus

In der deutschsprachigen Literatur wird üblicherweise der hinduistische Begriff Atman als Seele übersetzt. Er steht für das ewige, unzerstörbare Selbst eines Menschen, das beim Tod den Körper verläßt und bei der Wiedergeburt den neuen Körper betritt. Der Buddhismus kennt keine unsterbliche Seele, sondern definiert im Anatman geradezu das Gegenstück in Form der Nichtseele.

Philosophie

Die philosophischen Sichtweisen lassen sich als Varianten des Leib-Seele-Problems auffassen.

Einige klassische Philosophen (insbesondere Platon, Descartes sowie Thomas von Aquin) lehren die Unsterblichkeit der Seele. Diese folge aus der Tatsache, dass die Seele eine immaterielle, nicht zusammengesetzte Substanz ist. Da sie nicht aus Teilen bestehe, könne sie auch nicht in solche zerfallen und vergehen.

Eine Antithese der modernen Philosophie besagt, dass das Wesen der Seele einem Computerprogramm gleiche. Schaltet man den Computer aus (entsprechend dem körperlichen Tod), so bleibe auch das Programm nicht erhalten (die Existenz der Seele erlischt). Diese Vorstellung ist mit einer modernen naturwissenschaftlichen Sichtweise vereinbar und ermöglicht so einen Gewinn an Anschaulichkeit - die Anschauung muss jedoch als unvereinbar mit einer modernen Sichtweise der Psychosomatischen Medizin bezeichnet werden, in der gerade das Maschinenparadigma den Unterschied zu einer apparatenhaften psychischen Sichtweise herausstellt.

Platon und Aristoteles

Platon (427-347 v.Chr) unterteilt die Seele in drei Teile, von denen nur die Vernunftseele unsterblich sei:

  • Vernunftseele (logistikon) wie Denken, Erkenntnis, Vernunft
  • Affektseele (thymoeides) wie Vertrauen, Zuneigung, Liebe, Angst, Hass, Neid
  • Triebseele (epithymetikon) wie Nahrungs-, Sex-, Schlaftrieb

Für Aristoteles (384-322 v.Chr) bedeutet Psychologie die Untersuchung der Seele (Vgl. De Anima). Seinem Grundsatz treu bleibend, dass Form und Stoff bei endlichen Wesen immer als Einheit existieren, definierte Aristoteles die Seele als "Funktionsweise eines Körpers, die so organisiert ist, dass sie Träger vitaler Funktionen sein kann". d.h. lebendig zu sein heißt beseelt zu sein. Dabei unterscheidet er vor allem drei Stufen: Alles Lebendige hat das Ernährungs- und Fortpflanzungsvermögen, das schließt die Pflanzen mit ein. Alle Tiere (Aristoteles spricht hier von zôon, d.h. Lebewesen) besitzen das Wahrnehmungsvermögen. Der Mensch (und möglicherweise noch ein "ehrwürdigeres Wesen"; De. an. II 3, 414b18f.) besitzt das Denken.

Seele und Körper verhalten sich wie Form und Materie. Damit widerspricht er der Pythagoreischen Lehre von der Seele als einer spirituellen, im Körper gefangenen Einheit. Aristoteles Lehre ist eine Synthese der früheren Vorstellung, dass die Seele nicht unabhängig vom Körper existieren kann, und der platonischen Idee von der Seele als einer gesonderten, nichtkörperlichen Ganzheit. Im Gegensatz zu Platon ist die Seele nach Aristoteles vergänglich. (In der Überlieferung wurde nur darüber diskutiert, ob nach Aristoteles ein bestimmter Teil des Verstandes unsterblich ist.)

Aufgrund der Funktionsweise der Seele werden die moralischen und intellektuellen Seiten der Menschheit entwickelt. Nach Aristoteles ist das menschliche Denken in seiner höchsten Form (griechisch: nous poetickos, "aktives Denken") nicht auf einen bloßen mechanisch-physischen Vorgang reduzierbar. Jedoch setzt ein solches Denken auch ein individuelles "passives Denken" voraus, welches über die physische Natur der Dinge nicht hinausgehen kann. Somit hat Aristoteles die Beziehung zwischen dem menschlichen Verständnis und den Sinnen, entsprechend der späteren empirischen Auffassung, dass sich Wissen i.a. auf Sinneserfahrung stützt, klar dargelegt. Er schrieb: "Nichts existiert im Denken, was nicht schon vorher in den Sinnen existiert hätte". Siehe auch Empirismus.

Epikur

Epikurs (341-270 v.Chr.) materialistische Weltanschauung besagt, dass das All aus Körpern und Leerem besteht. Weiterhin gibt es solche Körper, die zusammengesetzt sind und solche, aus denen die Zusammensetzungen gebildet sind. Letztere überdauern die Auflösung der Zusammensetzungen, da sie von Natur aus voll und nicht auflösbar sind. Wenn sich nicht alles zum Nichtseienden wandeln soll, dann können sie weder zerteilbar, noch veränderlich sein. Wenn etwas die Auflösung des Zusammengesetzten überdauert, dann müssen die Ursprünge unzerteilbare körperliche Naturen sein. Diese müssen in ihrer Gestalt sehr verschieden sein, da es nicht möglich ist, dass die Zusammensetzungen so unterschiedlich sind, obwohl sie aus den gleichen Körpern entstehen. Die Atome bewegen sich nun in einem fort. So ist auch die Seele, in der das Wahrnehmungsvermögen sitzt, nach Epikur ein feinteiliger Körper, vergleichbar mit einem warmen Hauch. Sie ist der Gesamtzusammensetzung beigestreut und wenn sich diese auflöst, so zerstreut sich auch die Seele, hat damit nicht mehr dieselben Fähigkeiten und besitzt auch kein Wahrnehmungsvermögen mehr

Lukrez

Lucretius Carus, (dt. Lukrez, 96-55 v.Chr.) unterstützt die materialistische Theorie Epikurs. Er beschreibt die Seele als Lebensluft und Wärme, die den Körper beim Tod merklich verlassen. Er spricht auch von Wärmeatomen und dem letzten Odem (Atem). Lukrez trennt Seele, Geist und Verstand voneinander doch betont, dass sie so eng verbunden sind, als wären sie ein Wesen. Zusammen lenken und regieren Seele, Geist und Verstand den Körper. Lukrez sagt, dass eine Wirkung (Lenkung des Körpers) nur durch eine Ursache oder "Berührung" ausgelöst werden kann und die Seele als Materie somit bewiesen ist. Der Geist und der Verstand sitzen in der Brust. Die Seele fließt in den Adern und Sehnen. Die Seele ist laut Lukrez zusammengesetzt aus sehr kleinen und runden Atomen, da nur sie so flink wie Gefühle sein können. Nach dem Tod entweichen Seele, Geist und Verstand aus dem Körper. Aufgrund der Kleinheit derer Atome kann man den Verlust nicht messen.

Plotin

Der Neuplatoniker Plotin (205-270) lehrt, dass die menschlichen Seelen durch den Geist aus dem transzendenten unbeschreiblichen Einen (griech. hén) entstehen und diesem wesensgleich sind. Der Mensch hat durch den Eigensinn der Seelen die Freiheit zwischen Gut und Böse zu wählen. Das Böse verursacht die Trennung vieler Seelen von dem Einen, welches sie nicht mehr erkennen können. Plotin geht von einem übergeordneten Weltgeist (griech. noûs) aus, eine Ebene tiefer liegt die Weltseele (griech. psyché), die die physischen Welt (griech. kosmos) ausströmt.

Julien de La Mettrie

Julien Offray de La Mettrie (1709-1751) vertritt eine materialistische und monistische Position. Nach seiner Auffassung ist die Seele lediglich ein empfindlicher materieller Teil des Gehirns. Die Seele als eine vom Körper unabhängige Instanz im Sinne Descartes' wird von ihm verworfen. De la Mettrie betrachtet die Seele als die Haupttriebfeder des Körpers, welche die restlichen Teile des Körpers steuert. Die verschiedenen Zustände der Seele stehen immer in einer Wechselbeziehung mit dem Zustand des Körpers und andersherum, so beeinflussen sie sich gegenseitig.

Kant

Nach der Philosophie von Immanuel Kant (1724-1804) sind Existenz und Unsterblichkeit der Seele durch die Vernunft nicht beweisbar, sondern ein Postulat der praktischen Vernunft. Kant versteht unter einem Postulat etwas, das die Vernunft aus vernünftigen Gründen voraussetzen muss, es aus sich selbst jedoch nicht herleiten kann. Konsequentes moralisches Handeln ist laut Kant ohne die Annahme der Existenz Gottes und der Unsterblichkeit der Seele nicht möglich. Beides sind für Kant Postulate der praktischen Vernunft.

Schopenhauer

Arthur Schopenhauer (1788-1860) vertritt den Standpunkt, dass das unverwechselbar Eigene eines Menschen sich im Willen seinen Weg schafft und vollständig mit ihm durchsetzt ist. Daher ist für ihn der Begriff Seele mit Wille gleichgesetzt, weil die Seele im Willen zum Ausdruck kommt.

"Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will." Arthur Schopenhauer

Dabei wird hier der ursächliche Grund des Willensaktes selbst offen gelassen. Das bedeutet: Die Ursache des Willens bleibt für den Menschen, rein rational betrachtet, unergründlich.

John C. Eccles

John C. Eccles war der prominenteste und wohl letzte Hirnforscher, der noch von einer übernatürlichen Seele ausging. Er war der Ansicht, das die Seele mit verschiedenen Teilen des Hirns interagiert.[4][5][6]

Die Hirnforschung ist seit der Verfügbarkeit bildgebender Verfahren stark von dem Standpunkt geprägt, dass nur Aussagen über Vorgänge gemacht werden dürfen, die gemessen werden können. Sie sucht also nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins rein auf der Grundlage von Meßtechniken, ohne dabei materialistische oder dualistische Annahmen zur Natur des Bewusstseins zu machen.

Literatur

  • Johann Figl, Hans-Dieter Klein (Hrsg.): Der Begriff der Seele in der Religionswissenschaft. Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 3-8260-2377-3.
  • Simon L. Frank: Über die Seele des Menschen. Einführung in die philosophische Psychologie. Alber, Freiburg im Breisgau 2003, ISBN 3-495-47936-8.
  • Hans-Dieter Klein (Hrsg.): Der Begriff der Seele in der Philosophiegeschichte. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, ISBN 3-8260-2796-5.
  • Klaus Kremer (Hrsg.): Seele. Ihre Wirklichkeit, ihr Verhältnis zum Leib und zur menschlichen Person (Studien zur Problemgeschichte der antiken und mittelalterlichen Philosophie; Bd. 10). Brill, Leiden 1984, ISBN 90-04-06965-8.
  • Caspar Söling: Das Gehirn-Seele-Problem. Neurobiologie und theologische Anthropologie. Schöningh, Paderborn 1995, ISBN 3-506-78586-9.

Quellen

  1. [1] Blue Letter Bible: Hebräischer Grundtext mit Referenzierung nach Strong zu Gen. 2:7; s. H5397: Geist
  2. [2] Studylight: The Old Testament Hebrew Lexicon
  3. [3] Blue Letter Bible: Hebräischer Grundtext mit Referenzierung nach Strong zu Gen. 1:20; s. H5315: Seele
  4. Karl R. Popper, John C. Eccles: The self and its brain (Springer-Verlag, 1977)
  5. John C. Eccles: How the Self Controls its Brain (Berlin: Springer-Verlag, 1994), ISBN 3-540-56290-7.
  6. Donald E. Watson, Bernard O. Williams: Eccles' Model of the Self Controlling Its Brain. NeuroQuantology 1 (Januar 2003), S. 119–128.
Wiktionary: Seele – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Seele – Zitate


Vorlage:Link FA