B. F. Skinner

US-amerikanischer Vertreter des Behaviorismus, prägte den Begriff „operante Konditionierung“ (1904–1990)
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Burrhus Frederic Skinner (* 20. März 1904 Susquehanna/Pennsylvania, † 18. August 1990 in Cambridge / Massachusetts) war der prominenteste Vertreter des Behaviorismus in den USA, prägte den Begriff "operante Konditionierung, erfand das sog. programmierte Lernen und verfasste den weltweit beachteten utopischen Roman "Futurum Zwei".

Werdegang

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Burrhus Frederic Skinner

Nach dem Besuch der High School absolvierte B. F. Skinner in Clinton / New York bis 1926 ein kunst- und sprachwissenschaftliches Studium. Er wollte Schriftsteller werden, brachte jedoch nur ein Dutzend Artikel in Zeitungen unter, so dass er in New York als Gehilfe in einer Buchhandlung zu arbeiten begann. Der Biographie seiner Tochter Julie S. Vargas zufolge wurde er erst dort auf die Schriften von Iwan Petrowitsch Pawlow und John B. Watson aufmerksam und schrieb sich daher ab 1928 an der Harvard University im Fach Psychologie ein. Damals war dort gerade eine neue verhaltensphysiologische Abteilung eingerichtet worden, deren Leiter William Crozier Tiere „als Ganzes“ zu analysieren versuchte, also ohne Betrachtung von Vorgängen in deren Innerem. Skinner wurde zu eigenen Experimenten ermuntert und entwickelte letztlich eine (gleichermaßen simple wie geniale) Apparatur, mit deren Hilfe das Verhalten von Testtieren im Prinzip auch heute noch quantitativ erfasst wird - auch viele deutsche Universitäten und Schulen verwenden derartige Apparaturen im Rahmen von Praktika.

Die Skinner-Box

Solch ein Lernexperiment kann folgenden Ablauf haben: Ein Tier wird in einen speziellen Testkäfig gesetzt, in den mindestens ein kleiner Hebel hineinragt (heute wird eine solche Testapparatur als „Skinner-Box“ bezeichnet); jeder Hebeldruck des Testtieres wird übersetzt in die Aufwärtsbewegung eines Schreibstiftes, unter dem ein Papierstreifen horizontal zur Seite bewegt wird. So entsteht eine „Lernkurve“, in der die Reaktion des Tieres in Abhängigkeit von der Dauer des Lerntests dokumentiert wird – je steiler die Kurve nach oben geht, desto schneller hat das Tier die vom Testleiter erwünschte Aktion gelernt. Eine solche Aktion kann zum Beispiel wie folgt aussehen: Das Testtier drückt nach dem Aufleuchten eines Lämpchens oder nach einem akustischen Signal den Hebel.

Lernen aufgund von Belohnung

Skinner entdeckte bei seinen Experimenten, dass die Häufigkeit der Hebeldrücke seiner Ratten nicht allein von vorhergehenden Stimuli abhängig war (wie dies Watson und Pawlov betont hatten), sondern auch – und vor allem – von Reizen, die erst nach einem Hebeldruck folgten: Er untersuchte also keine Verhaltensweisen, die (wie die Reflexe) nach dem relativ starren Prinzip „Reiz – Reaktion“ abliefen, sondern durch Umwelteinflüsse (sprich: die auf eine Reaktion folgenden Konsequenzen) beeinflusst wurden - zum Beispiel durch eine Futterbelohnung. Skinner prägte für die so beim Testtier aufgebauten Bewegungsabfolgen den Fachausdruck „operantes Verhalten“. Den Vorgang, in dessen Verlauf das operante Verhalten erzeugt wird, bezeichnete er als „operante Konditionierung“; das Wort „lernen“ verbietet sich hier, da es innere (mentale) Vorgänge im Tier beschreibt, die im Rahmen der Skinner‘schen Lerntheorie aber gerade bewusst ausgeblendet wurden.

Tauben im Kriegsdienst

Aufgrund seiner erfolgreichen tierpsychologischen Arbeiten konnte er nach dem Doktorexamen (1931) in Harvard fünf Jahre lang eigenständig forschen, wechselte 1936 aber als Dozent (und später Professor) für Psychologie an die Universität von Minnesota in Minneapolis, wo er seine experimentellen Studien allerdings nicht mehr fortführte. Erst 1944, als Deutschland im 2. Weltkrieg bereits ferngesteuerte Bomben gegen Ziele in England einsetzte (V2-Raketen, die noch im Flug gelenkt werden konnten), während die anglo-amerikanischen Alliierten noch nicht einmal über erste Ansätze für derart innovative Kriegsgeräte verfügten, reaktivierte Skinner seine Experimentierfreudigkeit: Er ging auf die Suche nach finanzieller Unterstützung für ein (heute grotesk anmutendes) streng geheimes militärisches Projekt. Skinner dressierte Tauben, deren Pickbewegungen dazu genutzt werden sollten, eine Fernrakete auf Kurs zu halten; offenbar plante er, jeder Rakete eine Taube beizugesellen – man entschied sich dann aber für radargestützte Fernlenksysteme. Gleichwohl blieben Tauben für Skinner auch in späteren Jahren die wichtigsten Modellorganismen für seine Verhaltensstudien; jedenfalls führte er niemals wieder Experimente mit Ratten durch. Es existieren außerordentlich einrucksvolle Filmaufnahmen von konditionierten Tauben, anhand derer man beispielsweise das Entstehen von abergläubischem Verhalten nachvollziehen kann.

Leben in einer geplanten Gesellschaft

1948 kehrte Skinner als Ordinarius für Psychologie nach Harvard zurück und hielt dieser Hochschule bis zu seiner Emeritierung (1974) die Treue. Ebenfalls 1948 entstand, noch unter dem Eindruck hunderttausender Kriegsheimkehrer, sein Roman „Walden Two“ (deutsch: „Futurum Zwei“), der das Leben einer durch operante Konditionierung geformten Gemeinschaft schildert und bis heute weltweite Beachtung findet. Dieser noch immer lesenwerte utopische Roman wurde Skinners bekanntestes Werk, wegen der in ihm propagierten, von vielen als manipulativ bewerteten Sozial- und Verhaltenstechniken wird er aber weithin – gegen Skinners Intentionen – als „negative Utopie“ empfunden: Der Roman (und auch Skinner selbst) lässt die Frage offen, wer das Recht (die Allmacht) haben soll, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen festzulegen, die hernach das Zusammenleben der Angehörigen dieser Gesellschaft bis ins Kleinste bestimmen, also auch die ethischen Normen.

Programmiertes Lernen und Sprachlabors

In den 1950er-Jahren entwickelte Skinner auf der Grundlage seiner tierexperimentellen Studien und seiner schon in „Futurum Zwei“ beschriebenen lerntheoretischen Erwägungen sog. Lernmaschinen und die Methode des „programmierten Lernens“, die darauf beruht, den gesamten Lernstoff in kleine Untereinheiten zu zerlegen, deren korrekte Wiedergabe „belohnt“ wird durch die Erlaubnis, den nächsten Lernschritt zu unternehmen, so dass man im Selbststudium schrittweise sich Wissen selbst aneignen und den Lernerfolg auch selbst kontrollieren kann. Diese Vorgehensweise war in den 1960er-Jahren auch in Deutschland unter jungen Lehrkräften recht populär, geriet dann aber weitgehend in Vergessenheit und feierte erst durch die "modernen" PC-gestützten Sprachlernprogramme ein gewisses Comeback. Auch die sogenannten Sprachlabors verdanken ihre Existenz letztlich B. F. Skinner.

B. F. Skinner schrieb bis ins hohe Alter Bücher und Aufsätze, selbst nachdem 1989 eine Leukämie bei ihm diagnostiziert worden war. Zehn Tage vor seinem Tod hielt er seinen letzten Vortrag vor der American Psychological Association. Seine Tochter hielt fest: „He finished the article from which the talk was taken on August 18, 1990, the day he died.“ Schöner kann ein Forscherleben wohl nicht enden.

Operante Konditionierung: ein kurzer Überblick

B. F. Skinner prägte den Begriff der "operanten Konditionierung" und stellte diese Form des Lernens der "klassischen Konditionierung" gegenüber.

Die klassische Konditionierung, die zuerst von Iwan Petrowitsch Pawlow erforscht wurde, nutzt die Existenz einer bereits vorhandenen Abfolge von Reiz und Reaktion (schon das Riechen von leckerer Nahrung hat zur Folge, dass Speichelfluss einsetzt). Der Versuchsleiter bietet sodann parallel zum gewöhnlichen Reiz stets einen völlig andersartigen Reiz (zum Beispiel einen Glockenton), mit der Folge, dass nach erfolgreicher Konditionierung schon beim Ertönen der Glocke der Speichelfluss einsetzt.

Im Unterschied zur klassischen Konditionierung kommt bei der operanten Konditionierung ein weiteres Element hinzu: die der Reaktion folgende Konsequenz. Am wirkungsvollsten haben sich auch im Tierexperiment angenehme Konsequenzen ("positive Verstärkung") herausgestellt, also eine Belohnung zum Beispiel durch Futter. Allerdings können auch Vermeidungsreaktionen konditioniert werden, bei Katzen und anderen Haustieren zum Beispiel mit Hilfe einer Bestrafung durch Wasserspritzer.

Während die klassische Konditionierung also stets auf einem bereits weitgehend vorhandenen Verhaltensrepertoir aufbaut und dieses im Grunde nur variiert, können mit Hilfe der operanten Konditionierung sehr vielfältige neue Verhaltensmuster erzeugt werden (gleichwohl müsssen natürlich auch hier die grundlegenden Bewegungsabfolgen zumindest als physiologisch möglich schon vorher existieren). Das Abrichten von Pferden und das erfolgreiche Absolvieren einer "Hundeschule" basiert seit langem schon vollständig auf den von B. F. Skinner systematisch erforschten Techniken der Verhaltensformung.


Formelhaft beschreiben kann man die beiden Varianten der Konditionierung so:

S ⇒ R (Stimulus - Response; Reiz - Reaktion)

S ⇒ R ⇒ C (hinzu kommt: Consequence; Konsequenz), wobei "C" in jedem Fall zurückwirkt auf "R": entweder positiv oder negativ (entweder wird sich die Auftretenswahrscheinlichkeit für die Abfolge S-R-C dank einer Belohnung erhöhen und aufgrund einer Bestrafung vermindern)

Schriften

  • B. F. Skinner: A case history in scientific method. in: American Psychologist 1956,11, S. 221-33. (enthält eine Beschreibung seiner wissenschaftlichen Anfänge mit der „Skinner-Box“)
  • B. F. Skinner: The Behavior of Organisms: An Experimental Analysis. 1938 erstveröffentlicht, 1991 und 1999 nachgedruckt durch die B. F. Skinner Foundation; Hardcover ISBN 1-58390-007-1, Paperback ISBN 0-87411-487-X (enthält eine Übersicht über seine frühen Studien in Harvard)
  • B. F. Skinner: The Technology of Teaching. 1968 erstveröffentlicht, 2003 nachgedruckt durch die B. F. Skinner Foundation; Library of Congress Card Number 68-12340 E 81290 (enthält eine Zusammenfassung seiner Schriften zum „programmierten Lernen“)
  • B. F. Skinner: Futurum Zwei. (dt. Fassung von: „Walden Two“) 1994: Reinbek (Rowohlt-Taschenbuch), ISBN 3-803-20103-9 (inzwischen gleichfalls vergriffene Neuausgabe des Taschenbuchs von 1973)
  • B. F. Skinner: Jenseits von Freiheit und Würde. (dt. Fassung von: „Beyond Freedom and Dignity") 1982: Reinbek (Rowohlt), ISBN 3-498-06101-1
  • B. F. Skinner: Was ist Behaviorismus? (dt. Fassung von: „About Behaviorism“) 1982: Reinbek (Rowohlt), ISBN 3-498-06124-0
  • B. F. Skinner: Wissenschaft und menschliches Verhalten. Science and Human Behavior. 1982: München (Kindler), ISBN 3-463-00562-X
  • B. F. Skinner: Die Funktion der Verstärkung in der Verhaltenswissenschaft. 1982: München (Kindler), ISBN 3-463-00587-5

siehe auch: Psychologie, Lernen