Livisch (līvõ kēļ) wird vom Volk der Liven in der lettischen Provinz Kurland (lett. Kurzeme) gesprochen, also auf der Halbinsel, die die Rigaer Bucht von der Ostsee abtrennt. Früher sprach man es ebenfalls, wie der Name vermuten lässt, in Livland; dort ist es aber schon seit längerem ausgestorben.
Livisch (Līvõ kēļ) | ||
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Gesprochen in |
Lettland | |
Sprecher | 10 | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache in | nirgendwo Amtssprache | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
– | |
ISO 639-2 | (B) fiu (andere finnisch-ugr. Sprachen) | (T) |
Sprache
Livisch gehört zu den finno-ugrischen Sprachen und hat die typischen Eigenschaften dieser Sprachfamilie; so z. B. ein ausgeprägtes Kasussystem. Es hat allerdings während der langen Isolation unter einer lettischsprachigen Bevölkerung auch zahlreiche Elemente des Lettischen übernommen. Zahlreiche Lehnwörter stammen auch aus dem Deutschen, so viele Eigennamen (Dišler < Tischler, Šaltjar < Schaltjahr).
Status
Je nach Erhebungsmethode sprechen heute noch etwa fünf bis zwanzig Personen Livisch; die Sprache ist also aktuell hochgradig vom Aussterben bedroht und beschränkt sich auf das lettische Kurland um Mazirbe bei Ventspils. Die Liven sind inzwischen alle lettischsprachig. Dennoch sind sie in Lettland offiziell als nationale Minderheit anerkannt (Eintragung im Pass, die auf die livische Nationalität des Bürgers hinweist).
An der Universität Riga wird seit 2005 von Valts Ernštreits Livisch gelehrt. Er gab auch eine Sammlung mit Gedichten in livischer Sprache heraus sowie ein Lettisch-Livisch-Englisches Wörterbuch. Bereits seit 1939 gibt es ein Livisch-Deutsches Wörterbuch.
Geschichte
Noch im 19. Jahrhundert sprachen schätzungsweise 2.000 Menschen Livisch. Verschiedene geschichtliche Ereignisse haben fast zum völligen Aussterben der am nächsten mit dem Estnischen verwandten Sprache geführt:
- Livland zählt (Schätzung Vääri, 1966) im 13. Jahrhundert um die 30.000 Livischsprecher.
- Widerstand gegen die Einfälle der Deutschen: Um das Jahr 1200 erobern der Schwertbrüderorden, der Deutsche Orden und der ihm unterstellte Livonische Orden Livland. Auseinandersetzungen zwischen dem Bischof von Riga und dem Orden.
- 1522: Einführung der Reformation. Kurland wird Dänemark zugeschlagen.
- 1557: Russische Invasion.
- 1558–1583: Livländischer Krieg. Die Russen, Schweden, Dänen und Polen sind daran beteiligt.
- 1721: Friede von Nystad. Livland und Kurland werden Provinz des zaristischen Russlands.
- 1918: Gründung Lettlands. Neuere Blütezeit des Livischen.
- Zweiter Weltkrieg und Sowjetunion: Marginalisierung des Livischen.
Siehe auch
Min izāmō – die Nationalhymne der Liven
Literatur
- Fanny de Sivers: Parlons live. Editions l’Harmattan, Paris 2001. ISBN 2-7475-1337-8
- Anders Johan Sjögren: Livisches Wörterbuch. Livische Grammatik. Gesammelte Schriften Bd 2. Hrsg. v. F. J. Wiedemann. Imperatorskaja Akademija Nauk. Eggers, St. Petersburg 1861, 1868, Zentralantiquariat, Leipzig 1969 (Nachdr.).
- Lauri Kettunen: Livisches Wörterbuch mit grammatischer Einleitung. Lexica Societatis Fenno-Ugricae. Bd 5. Helsinki 1938.
- Lauri Kettunen: Untersuchungen über die livische Sprache. Eesti Vabariigi Tartu Ülikooli Toimetused. Bd 8,3. Tartu 1925.
- O. Loorits: Volkslieder der Liven. Gelehrte estnische Gesellschaft. Bd 28. Mattiesen, Tartu 1936.
- Laakso Johanna: Rückläufiges Wörterbuch des Livischen, anhand des Livischen Wörterbuches von Lauri Kettunen. Lexica Societatis Fenno-Ugricae. Bd 5,2. Suomalais-ugrilainen seura, Helsinki 1988. ISBN 951-9403-20-5
Weblinks
- Umfangreiche Linkliste
- Dreisprachige estnisch-russisch-englische Seite über die Liven
- Artikel zu livischer Geschichte in Central Europe Review (englisch)
- Seite mit Sprachproben in Livisch (Deutsch, Real-Audio, Real-Video)
- Ethnologue-Report für Livisch