Das Flugtagunglück von Ramstein gehört zu den schlimmsten Flugzeugkatastrophen, die sich je im Rahmen einer Flugschau ereigneten. Am 28. August 1988 prallten drei Militärflugzeuge der italienischen Kunstflugstaffel Frecce Tricolori während eines feierlich begangenen Flugtages auf dem US-Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Ramstein-Miesenbach bei Kaiserslautern – der Ramstein Air Base – bei einem komplexen Flugmanöver in ca. 50m Flughöhe vor den Zuschauern zusammen. Durch das Unglück starben nach offiziellen Angaben der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung 70 Menschen, unter ihnen alle drei beteiligten Piloten. Ein brennendes Flugzeug stürzte in die Zuschauermenge. In den Flammen kamen 67 Menschen ums Leben, 345 weitere wurden schwer verletzt. Viele Opfer dieser Katastrophe fordern heute noch Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Unglücksursache war augenscheinlich, dass der Solopilot mit seiner Düsenmaschine zu früh (ca. vier Sekunden), zu nah und in zu tiefer Flugbahn den Kreuzungspunkt der Flugfigur erreichte. Durch diese Gegebenheit kollidierte die Solomaschine des Typs Aermacchi MB 339 beim sogenannten durchstoßenen Herz mit dem Führungsflugzeug der von links kommenden Fünferformation. Dieses wiederum riss sofort die linke Flügelmaschine neben sich mit. Beide Maschinen der Fünferformation zerschellten parallel zur Start- und Landebahn, während das Wrack des Soloflugzeugs seine ursprüngliche Flugbahn in Richtung Publikum beibehielt, und ca. 50 m vor der Absperrung aufschlug, explodierte und in einer Wolke aus brennendem Kerosin und Wrackteilen noch weit in die dichtgedrängte Menge raste. Die wenigen Sekunden, in denen sich die Katastrophe abspielte, ließen den Zuschauern keine Zeit zu fliehen. Die sieben verbliebenen, zum Teil beschädigten Maschinen der Frecce Tricolori sammelten sich über der Airbase – die drei Maschinen der betroffenen Fünferformation hatten den weißen Rauch als Zeichen, daß mit ihren Maschinen etwas nicht stimmte, an – und landeten anschließend auf dem Flugplatz Sembach, da die Start- und Landebahn der Airbase mit Wrackteilen übersät war.
Das Flugschauunglück, an das ein Gedenkstein in der Zufahrt zu Ramsteins Fliegerhorst erinnert, ging nicht zuletzt wegen vieler schwerwiegender Pannen in die Geschichte ein. Einerseits ließen die Amerikaner die vor der Wache aufgefahrenen Rettungskräfte nicht sofort auf den Flugplatz, andere, wie das THW aus Kaiserslautern, wurden gar nicht hinzugerufen, sondern mussten einsatzbereit auf ihrer Wache verbleiben; durch mangelhafte Sofortversorgung starben deshalb mehrere Menschen oder erlitten bleibende Schäden. Injektionsnadeln der Deutschen passten nicht auf die Infusionen der Amerikaner und umgekehrt. Noch Stunden später irrten Personenbusse mit unterschiedlich schwer verletzten Personen z. B. durch Mannheim auf der Suche nach einer Klinik. Andererseits lernte man dort auch die Wichtigkeit von psychologischer Nachbetreuung der Opfer und Rettungskräfte; davon waren viele später traumatisiert, mehrere begingen Suizid.
Zeitverlauf
Schon in den frühen Morgenstunden reisten Tausende von Flugtagbesuchern an. Die Gesamtzahl der Besucher zum Zeitpunkt des Unglücks wird auf 350.000 geschätzt.
- 15:40 Beginn der Flugvorführung der Frecce Tricolori
- 15:44 Bei der zweiten Flugfigur – dem durchstoßenen Herzen – kollidieren drei der beteiligten zehn Flugzeuge. Eines davon stürzt direkt vor der Zuschauermenge zu Boden.
- 15:46 Beginn der Löscharbeiten
- 15:48 Das erste amerikanische Rettungsfahrzeug trifft am Unglücksort ein
- 15:51 Der erste amerikanische Rettungshubschrauber trifft ein.
- 15:52 Ein zweiter amerikanischer Rettungshubschrauber trifft ein.
- 15:54 Der erste der beiden Rettungshubschrauber fliegt wieder ab. Die Löscharbeiten werden beendet.
- 16:10 Der Rettungshubschrauber Christoph 5 aus Ludwigshafen landet.
- 16:11 Der Rettungshubschrauber Christoph 16 aus Saarbrücken landet.
- 16:13 10 amerikanische und deutsche Rettungsfahrzeuge treffen ein.
- 16:28 Ca. 10-15 weitere Rettungsfahrzeuge treffen ein. Bis zu diesem Zeitpunkt sind 8 Rettungshubschrauber (US, ADAC, SAR) an der Unglücksstelle.
- 16:33 Der erste Rettungshubschrauber der Rettungsflugwacht trifft ein
- 16:35 Der Notarzt eines Rettungshubschraubers über Funk: Wir suchen ständig verbrannte Patienten, die uns von den Amerikanern aus der Hand gerissen werden und vollkommen unversorgt abtransportiert werden. Man hat uns gesagt, es wäre niemand mehr da.
- 16:40 Der erste Tieflader zum Abtransport von Toten fährt vor.
- 16:45 Ein zweiter Tieflader zum Transport von Toten trifft ein.
- 16:47 Zu diesem Zeitpunkt hatte die Rettungsleitstelle in Kaiserslautern keine Angaben über das Ausmaß des Unglücks, wie aus dem Funkverkehr ersichtlich ist: Ja, das ist das Problem. Wir wissen noch gar nicht, was da vorliegt, wie viele Verletzte und was da alles ist. Der Leitende Notarzt hat noch keine Rückmeldung gegeben. Er will sich erst ein Bild verschaffen.
- 17:00 Etwa um diese Uhrzeit treffen am Unglücksort mehrere Notärzte mit Rettungshubschraubern ein. Diese dazu später: Bei dem Eintreffen etwa kurz nach 17:00 Uhr waren dort keine Verletzten mehr zu finden. Wir konnten sehen, dass die letzten Schwerverletzten in amerikanische Hubschrauber verladen wurden. Wir konnten noch einzelne Pritschenfahrzeuge sehen, auf denen Verletzte lagen, die abgefahren wurden. Nachdem es nicht gelang, einen Einsatzleiter bzw. einen Ansprechpartner zu finden [...] haben wir uns auf eigene Initiative hin mit dem Rettungshubschrauber zum Johannis-Krankenhaus nach Landstuhl begeben. Auf mehrfaches Befragen verschiedener Einsatzkräfte, Sanitäter und Polizeibeamten konnte niemand einen Einsatzleiter nennen. Ich habe auch nach einem Leitenden Notarzt gefragt, um koordinierend in die Rettungsmaßnahme eingreifen zu können. Es gab keinen.
- 18:05 Ein an den Rettungsmaßnahmen beteiligter Rettungshubschrauber landet am amerikanischen Militärkrankenhaus in Landstuhl. Dazu der Notarzt später: Wir haben dort eine Vielzahl von schwerst verbrannten, schwer verletzten Patienten, die völlig unversorgt waren, vorgefunden. [...] Als ich in Landstuhl landete, lagen Schwerstverbrannte unversorgt teilweise auf Bretterbohlen, und keinerlei Ärzte waren vor Ort. Nachdem ich eine Verletzte versorgt und der Krankenschwester, die mit uns geflogen war, zur Überwachung gegeben hatte, bin ich noch 10 Minuten auf dem Hubschrauberlandeplatz des Militärkrankenhauses umher gelaufen und habe mehrere Verletzte versorgt und zu keinem Zeitpunkt einen amerikanischen Kollegen getroffen.
- 18:20 Abtransport der Leichen mit den beiden Tiefladern.
- 18:30 Am Klinikum in Ludwigshafen kommt ein Bus mit Verletzten an. Ein Professor des Klinikums dazu später: In dem Bus befanden sich fünf Schwerstverletzte. Es war kein Arzt bei diesem Transport. Lediglich ein ortsunkundiger und des Deutschen nicht mächtiger Fahrer hatte offensichtlich eine Irrfahrt durch Ludwigshafen gemacht, bis er das Krankenhaus fand.
Opfer
Dem Unglück fielen nach offiziellen Angabe 70 Menschen (67 Flugtagbesucher sowie 3 Piloten) zum Opfer. Von Seiten des US-Militärs wurden keine Toten gemeldet. Diese Angabe wurde jedoch nach dem Unglück bezweifelt, da Augenzeugen auch von toten US-Soldaten berichteten. Es gab 1.000 Verletzte. In Krankenhäusern mussten 450 Verletzte versorgt werden, die sich schon nach der ersten Nacht auf 46 Kliniken im gesamten Bundesgebiet und einer Spezialklinik in Frankreich verteilten.
Kommunikation
Das Telefonnetz rund um den Unglücksort war überlastet und brach zusammen. Funkamateure, die bei der Flugschau vor Ort waren, gaben über mobile und portable Stationen Notrufe ab. Im weiteren Verlauf nahmen Funkamateure aus der gesamten Region den Notfunkverkehr auf und leiteten Nachrichten weiter, organisierten dringend benötigte Blutkonserven und überbrachten Angehörigen Nachrichten von Überlebenden.
Folgen
Flugschauen
Als Reaktion auf den Unfall wurden zunächst Kunstflugvorführungen in Deutschland generell verboten. Erst drei Jahre später wurden sie mit strengen Sicherheitsauflagen wieder erlaubt:
- Es müssen eine Mindestflughöhe und ein Mindestabstand zum Publikum eingehalten werden.
- Es dürfen keine Manöver mehr über oder in Richtung der Zuschauermenge durchgeführt werden.
- Alle Manöver müssen vorher genehmigt werden (was aber auch schon 1988 in Ramstein der Fall war).
- Im Formationsverband dürfen nur Vorbeiflüge, Loopings und Rollen gezeigt werden, bei denen die Flugzeuge fest ihren Platz innerhalb der Gruppe halten. Begegnungsmanöver sind bis heute grundsätzlich verboten.
- Militärische Verbandskunstflugstaffeln auf Düsenjets sind bis heute nur auf der ILA Berlin unter strengsten Sicherheitsauflagen zugelassen.
- Erst im Jahr 2000 zur ILA Berlin flog das erste Mal seit "Ramstein" eine militärische Kunstflugstaffel auf Düsenjets - die Patrouille de France - wieder in Deutschland.
Medizintechnik
Die damals im deutschen Raum noch verbreiteten Infusionskanülen mit Rekordkonus wurden ersetzt durch solche mit international genormtem Luer-Konus, um in Zukunft die Kompatibilität zwischen deutschen und ausländischen Rettungsdiensten sicherzustellen.
Verschwörungstheorie
Wie bei vielen größeren Unglücken, tauchten auch zu dem Flugtagunglück irgendwann eine bzw. mehrere Verschwörungstheorien mit unterschiedlichen Details auf.
Eine Theorie geht davon aus, das Unglück von Ramstein war in Wirklichkeit eine Verschwörung mit dem Ziel, Piloten zum Schweigen zu bringen, die im Juni 1980 an einer Geheimmission zur Ermordung von Libyens Präsident Gaddafi beteiligt gewesen sein sollen. Dazu wird ein Zusammenhang zu den Theorien um den Flugzeugabsturz von Ustica angenommen.
Weblinks
Fotos:
- http://www.crashdehabsheim.net/autre%20crash%20ramstein.htm
- http://www.robert-stetter.de/Ramstein/ramstein_d.html
- http://jeanclaudeboetsch.free.fr/photosgaleries/diverscrashs/ramstein%2002.jpg
Private (Opfer-)Homepages: