La Madeleine
La Madeleine ist ein tausende von Jahren bis in die frühe Neuzeit benutzter Siedlungsplatz ca. 5 km nordöstlich von Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil an einer engen Schleife der Vésère im Périgord, Département Dordogne in der Aquitaine. Das neolithische Zeitalter Magdalénien erhielt seinen Namen von der bedeutenden Fundstelle im Abri unterhalb der der hl. Magdalena gewidmeten Kapelle des troglodytischen Dorfes.
Geschichtliches
Vor Millionen von Jahren, beim Zurückzug des Meeres aus dem aquitanischen Becken haben Vésère, Dordogen, Lot und Tarn tiefe Gräben in die Gesteinsschichten aus Kalken und Kreiden gezogen, und dabei die heute bekannten Mäander der Flusstäler, mit deren Steilwänden und Abris (Fels-Überhänge) gebildet.
Vor rund 17.000 Jahren ließen sich Cro-Magnon –Menschen ( genannt nach dem Fundort Cro-Magnon in Les Ezies, Nachfolger der ausgestorbenen Neandertaler) in den Abris unter den nach Süden weisenden Steilfelsen von La Madeleine
in Höhe des Flusses Vésère nieder. Diese boten natürlichen Schutz gegen Witterungseinflüsse, die südliche
Ausrichtung wärmte den Siedlungsplatz. Die offenen Seiten der Abris konnte mit Reisig und Fellen oder ähnlichen Leichtkonstruktionen verschlossen werden. Hinzu kamen oft Höhlen, in denen sich die Menschen mit Hilfe von Feuer vor
Auf prähistorische Spuren stieß man in La Madeleine im Jahr 1860. Das Grab des „Kindes von La Madeleine“ war eine einmalige Entdeckung. Eine Grabungsschicht zwischen 20.000 und 12.000 vor Beginn unserer Zeitrechnung datiert, förderte eine Fülle von Pfeilspitzen, Stein- und Knochenwerkzeugen, Schmuck und Kleinkunstwerken zu Tage, wie ein 10 cm großer Bison, in dynamischer Haltung, auf Elfenbein, sh. Foto ganz oben). Diese Epoche des Jungpaläolithikums nannte man nach dem Fundort der für die Zeit repräsentativen Fundstücke, das Magdalénien. Eine große Auswahl dieser Fundstücke ist im neuen Nationalmuseum für Frühgeschichte in Les Eyzies-de-Tayac ausgestellt.
Die Ausgrabungen von Ruinen römischer Dörfer und einer Villa nahe der Burg Petit Marzac, oberhalb der Siedlungsstätte, erinnern an die Besetzung der Aquitaine durch die Römer.
In den späteren Jahrhunderten mussten sich die Bewohner des Périgords nicht nur vor Raubtieren, sondern auch vor den kriegerischen Einfällen der Normannen, Vikingern und Sarazenen schützen. Im 8. Jh. ist die Entstehung der troglodytischen Besiedlungen der Steilfelsen von La Madeleine nachgewiesen. Man nutze dazu vorhandene nartürlich entstandene Aushöhlungen und Abris, ein gutes Stück oberhalb des Talgrundes oder Flussbettes, die dann den Bedürfnissen der künftigen Bewohner entsprechend ausgeweitet und geformt wurden. Die einzige offene Seite der Höhlung wurde mit einer Konstruktion, dem bekannten Fachwerk ähnlich, aus Holzgefachen, Flechtwerk und Strohlehm verschlossen . Es gab darin sicher auch Fenster- und Türöffnungen. Komfortablere Behausungen oder Betriebe waren mit Außenwänden aus Steinmauerwerk abgeschlossen. Die Grundrissunterteilung erfolgte mit leichten Wänden aus Flechtwerk und Strohlehm oder auch aus Steinmauerwerk.
Höhlungen größerer Höhe erhielten Zwischendecken aus Holzbalken oder hatten natürliche Felszwischendecken. Die untere Etage war vorgesehen für die Haustiere, wie Schafe, Schweine und Geflügel. Die obere für den Schlaf der Menschen.
Die Zugänge zu den troglodytischen Behausungen wurden meist eng gehalten und man benutze häufig Holzstege oder Leitern. Solche eher komplizierten Zugänge konnten mit verhältnismäßig geringem Aufwand verteidigt oder entfernt werden. Im Mittelalter wurden daraus die Zugbrücken.
Die Ursprünge der kleinen Burg „Petit Marzac“ oben auf dem Felsrücken liegen schon im 8. Jh. Die Burg verschaffte dem Dorf La Madeleine im Tal größeren Einfluss, im Vergleich zu anderen Siedlungen.
Zwischen dem 8. und 13. Jh. erfuhr das Dorf im Felshang beträchtlichen Aufschwung, Hier lebten nicht nur Landwirte, sondern auch Handelsleute mit ihren Familien. Ihr Alltag bestand aus Fischen, Viehzucht, Gemüseanbau, Handel und Bauarbeiten zum Erhalt und Erweiterung der Wohnstätten. Der Fluss spielte dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Er brachte nicht nur Nahrung und Wasser, sondern bot auch Schutz.
Der rege Bootsverkehr auf der Vésère mit den so genannten „Gabarres“ trug zum wirtschaftlichen Erfog bei. Von den Booten aus wurde nicht nur gefischt, sie waren auch geeignet für den Transport großer Mengen von Steinen, z.B. für den Burgenbau, ferner von Holz, Leder und anderer Handelsgüter.
Die Gründung und der Betrieb von troglodytischen Siedlungen ermöglichte die Entwicklung sozialer Strukturen.
!m 14. Jh. überzieht der Hundertjährige Krieg das Aquitaine mit Blut und Schrecken. Gleich zu Beginn brach der schwelende Konflikt zwischen Franzosen und Engländern wieder offen aus. Das Dorf La Madeleine und die Burg gehören zur Familie derer von Sireuil, die beides gegen englische Angreifer und marodierende Horden mehrfach verteidigen müssen. Die Technik des Verteidigungssystems wurde verstärkt. Löcher in den Felswänden deuten darauf hin, dass größere Verteidigungsanlagen bestanden, die über die Vézère hinaus ragten. Zu der Zeit war die „Hauptstraße“ des Dorfes voll mit Bewohnern, Soldaten und Zuchtvieh.
Im Jahr 1400 übernahm die Familie Beynac de Tayac die Burg, bis sie 1623 abbrannte und alle Bewohner Burg und Dorf verließen. Allein die Weber – Familie blieb vor Ort. Hin und wieder suchte Hirten oder Bauern nächtlichen Unterschlupf. Die letzten Bewohner verließen Anfang des 20. Jhs. La Madeleine.
Einzelheiten von La Madeleine
Erste Siedlungsstätte
Das troglodytische Dorf von La Madeleine gliedert sich grob in zwei mit Abstand voneinander getrennten Abschnitte . Die weiter östlich gelegene erste Siedlungsstätte ist in der Grundfläche ein recht großer Saal, der weit in den Felsenhintergrund hineinreicht. Auf der gesamten Bodenfläche verteilt sind lose herumliegende und aufgeschüttete Mauersteine, ergänzt durch riesige Felsbrocken, die sich einmal von der Decke gelöst haben. Aus den Steinhaufen ragen aufgemauerte Wandstücke heraus, aus denen man Grundrisse eines Wohnhauses erahnen kann. Es ist auch ein gemauerter Bogen eines ehemaligen Backofens erkennbar.
An der oberen Felswand sorgte eine ausgestemmte Rinne für die Wasserversorgung. Vor der Höhlung gibt es einen Platz für einen Beobachtungsposten aus einer Holzkonstruktion.
Zweite Siedlungsstätte
Wenn man dem Verbindungsweg zwischen den beiden Siedlungsstätten in westliche Richtung folgt, stößt man auf die zweite , wesentlich größere Siedlungsstätte, und die eigentliche „Hauptstraße“, die mit einer Holzbrücke (zur Verteidigung entfernbar) beginnt, und dann an allen Häusern des Siedlungsplatzes vorbeiführt. In die Straße eingestemmt sind Abflussrinnen, zur Ableitung von Regen- und Abwasser der Bewohner, und Pfostenlöcher für eine Die meisten Außenwände der toglodytischen Behausungen hat man in La Madeleine, möglicherweise auch erst später, deshalb mit massivem Mauerwerk ausgestattet, um die möglichen Angriffe auf die Siedlung vom Talgrund oder von Booten aus zu vereiteln. Zusammen mit der Überdachung der „Hauptstraße“ wurden so die Behausungen vor Pfeilschüssen , besonders solchen mit Brandsätzen, geschützt.
Erstes Haus
In der ersten offenen Höhlung gibt es eine Zwischendecke aus Fels, die in aufwendiger Stemmarbeit aus dem vollen Felsmaterial herausgearbeitet worden ist. Die niedrige Höhe der unteren Etage, lässt auf nur kleine Haustiere schließen. Es gibt hier auch in den Fels gestemmte Futtertröge. Die ersten Schichten der Außenwand weisen darauf hin, dass die gesamte Außenwand, bis unter die Außenkante der Felsdecke des Abris aus Steinmauerwerk bestand, wie auch bei den anschließenden beiden Häusern.
Die Küche
Die Küche war noch bis in das 18. Jh. in Gebrauch. Die Küche war das Zentrum des Dorfes, von hier aus wurden alle beköstigt. Man sieht einen Backofen, einen Kamin zum Kochen und zum Räuchern von Fleisch und Fisch, und eine in den Fels geschlagene Truhe. Ferner gibt es in einer Raumecke auf dem Boden ein großes rundes Steingefäß. Die Bedeutung der in den Felsboden eingebrachten Löcher und Vertiefungen sind bis heute unklar. Der sich unter der Decke ansammelnde Rauch zog durch eine Öffnung über der Tür ins Freie. Die Felswand darüber trägt noch schwarze Russspuren.
Man kann davon ausgehen, dass die in der Küche agierenden Personen hohes Ansehen bei den Bewohnern hatten.
Das Weberhaus
In diesem Raum wohnte und arbeitete der Weber. Die Löcher und Vertiefungen im Boden sind vermutlich die Halterungen des Webstuhls und anderer Gerätschaften. Der Weber und seine Familie konnte aus Schafswolle, Flachs und Hanf Kleidung für alle Dorfbewohner anfertigen.
Die Kapelle Sainte-Madeleine
Hinter dem Weberhaus schließt die Kapelle Sainte-Madeleine unmittelbar an. In Folge der „Hauptstraße“ gibt es unterhalb der Kapelle einen Gewölbedurchlass, hinter dem die Straße zu den weiteren Behausungen der Siedlung führt Adelsfamilien aus Burg und Dorf ließen die alte troglodytische Kapelle ausbauen. Auf den Umrissen der bislang
romanischen Kapelle wurde eine zweite Kapelle, diesmal im gotischen Stil errichtet, gut an dem gotischen Kreuzrippengewölbe zu erkennen, zwei romanische Altäre unter den Fenstern der Ostwand. Die Wände schmückten Fresken, von denen nur noch eine sogenannte “Sonnenuhr“(?) erhalten ist.
Ein Dokument aus dem Jahr 1737 belegt: dass „die Burg und das umliegende Gebiet von Mademoiselle Elisabeth-Rosalie d’Estrée de Tourbe an Arnaud Simon-Claude de Estanges, Marquis de Sainte Alvère verkauft wurde, der dann die Kapelle den Dorfbewohnern öffnete und sie der Sainte-Madleine gewidmet hat.“ Auf der Gegenseite der Kapelle führt eine eingehauste Treppe ach Stufen hinauf zum Kirchenraum.
Weitere Behausungen
Hinter der Kapelle führt die „Hauptstraße“ weiter, in Fortsetzung des bisherigen Verlaufs. Hier kommen wieder ein Geschoß hohe Mauerwerks- Wände von Stallungen, und darauf aufliegende Deckenbalken für das zweite Geschoss, mit den Schlafstellen der Bewohner. Vor den Straßen-parallelen Wänden sieht man in der Oberfläche der Straße die Grundmauern vor Außenwänden, genau unter der äußeren Deckenkante des Abris.
Versammlungsplatz
Ein Stück weiter erweitert sich die „Hauptstraße“ zu einem Platz, auf dem man sich Versammlungen der Dorfbewohner und der Herrschaft der Burg vorstellen kann. Die im Boden aufgetragene Erhebung könnte einem Vortragenden, etwa Bürgermeister oder Richter, einen Überblick und besseres Gehör verschaffen.
Sporadischer Brunnen
Gleich dahinter befindet sich in Hüfthöhe ein Aushöhlung, ein Brunnen, der nur selten durch unbekannte Zuflüsse spontan aufsprudelt.
Spähernest
Am Ende der Straße sieht man hoch oben auf der senkrechten Felswand ein rechteckiges Fenster, mit einem Hohlraum dahinter. Dies war der wettergeschützte Platz eines Spähers, der von hier aus besten Überblick über die gesamte Flussschleife hatte. Dieser Platz ist einer von vielen, entlang der mäandrierenden Vésère, die so installiert sind, dass jeder Späher den nächsten flussab- oder flussaufwärts sehen und hören kann. Dieses System erlaubte es in unsicheren Zeiten mit Blashörnern oder Trompeten, im Dunkeln auch mit Fackeln Alarm zu signalisieren, der dann von allen Bewohnern der Dörfer am Fluss, soweit die Späherkette reicht, verstanden wird. Das war in Zeiten der Bedrohung durch die „Nordmänner“ , Sarazenen und später der Engländer von größter Bedeutung.
Die Burg „Petit Marzac“ und ihr Verteidigungssystem
Die Burg ist direkt auf den Felsboden gebaut und nimmt eine Grundfläche von 400 Quadratmetern ein, ohne die Gräben. Der Grundriss der Burg ist rechteckig, ihre lange Seite zur Vésère hin steht unmittelbar auf der Kante der 40 Meter senkrecht abfallenden Felswand. Vom Fluss aus gesehen ist der Übergang von Felswand und Burgmauerwerk fließend, die Mauern scheinen aus der Steilwand empor zu wachsen. Am östliche Ende dieser Außenwand und in dessen Verlängerung springt ein schmales Bauteil vor, an seinem Ende ein schlanker Rundturm. Diese Konstruktion ist eine Art Vorwerk (Barbacane) zur Überwachung und Verteidigung des unmittelbar angrenzenden Burgeingangs, immer ein vermeintlicher Schwachpunkt im Verteidigungssystem, der zuerst angegriffen wird. Gleichzeitig konnte man von ihm den Zugang über den Steg zum troglodytischen Dorfteil 2 und zur „Hauptstraße“ kontrollieren.
Das Eingangsportal zur Burg war so bemessen, auch Berittene und Fuhrwerke es passieren konnten. Vor dem Portal die übliche Zugbrücke, die nach Bedarf hochgezogen oder herabgelassen wurde.
Die Burg ist ein dreigliedriges Veteidigungssystem aus Vorburg, Fluchtburg und der letzten Rückzugsmöglichkeit, dem Donjon (Bergfried).
Die Vorburg ist der geräumigste Teil der Festung gleich hinter dem Portal, in L - förmigem Grundriss, mit Gebäuden für den täglichen Bedarf der Wehrkräfte, der Pferde, der Nahrungstiere und sonstiger Vorräte.
Von ihm wird zweiseitig eingeschlossen, die quadratische Fluchtburg, die ohne Verteidigungsfall zusammen mit dem Donjon, zum Wohnen und Schlafen der Herrschaft diente. Im Fall der Überwältigung von Portal und Vorburg durch die Angreifer, zogen sich die verbliebenen Verteidiger hierhin zurück, ein kleiner Rundturm auf der Mauerecke gab zusätzlichen Schutz. Zur Flucht der letzten Verteidiger verhalf ein in den Felsboden eingebrachter Gang, aus der Vorburg bis in den Donjon.
In der bergseitigen westlichen Ecke der Burg steht der massive runde Donjon, das Gebäude mit den dicksten und höchsten Mauern , das etwa hälftig, einmal hinter und andermal vor den Wehrmauern errichtet ist. Der Donjon und seine höchstgelegenen Räume waren die letzte Zuflucht der Bewohner der Burg. Die vor die Außenmauer vorspringende Bauweise des Turms sorgt für eine weiträumige Übersicht der Umgebung aus den Schießscharten und entsprechender Abdeckung des Schussfeldes der Verteidiger. Unterhalb des Donjons gibt es ein in den Felsboden gestemmtes Trinkwasserreservoir, ehemals gespeist von einer Quelle oberhalb der Burg. Damit war die Versorgung mit dem kostbaren Nass bis zuletzt gesichert. Die Quelle diente auch dem ganzen Dorf für eine sichere Trinkwasserversorgung.
Vor den drei nicht an die Steilwand grenzenden Wehrmauern der Burg hielten tief ausgehobenen Wassergräben die Angreifer auf Abstand. Die laufende Bewachung der Burg konnte sich auf die Wehrgänge dieser drei Seiten beschränken, da die Flussseite wegen der hohen Felswände ohnehin nicht angegriffen wurde.
Heute sieht man nur noch die übrig gebliebenen Ruinen der Burganlage und ihrer Wehrgräben, weitgehend überwuchert von der grünen Vegetation, die bei der Zerlegung der Mauerwerksteile durch sprengendes Wurzelwerk „keine Gnade kennt.“
Der Gemüsegarten
Gegenüber dem Burgeingang zwischen den beiden Siedlungsstätten gab es den Gemüsegarten, der heute noch gepflegt wird. Hier wurden nicht nur Gemüse für die Ernährung, der Bevölkerung, sondern auch medizinische Heilpflanzen kultiviert. Bei Anwachsen der Bevölkerung wurden zusätzlich auch Felder außerhalb der Siedlungsstätten angelegt. Der Garten liegt etwas versteckt, so dass er bei Feindangriff noch genutzt werden kann. Vorstellbar ist auch, dass der Garten eine Art Kommunikationszentrum der Dorfbevölkerung war, vielleicht eine Art Marktplatz, in dessen Nähe das Vieh an Steinringen festgebunden werden konnte.