Elektrokonvulsionstherapie

psychiatrische Behandlung mit Auslösung kurzer Krampfanfälle durch elektrische Hirnreizung
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Die Elektrokrampftherapie (EKT), auch Elektrokonvulsionstherapie, früher auch Elektroschocktherapie, ist eine medizinische Methode zur Behandlung von psychischen Störungen. An den Kopf des Patienten werden zwei Elektroden angelegt, die einen kurzzeitigen elektrischen Wechselstrom oder einzelne Stromimpulse durch das Gehirn leiten. Dies führt zu einem Krampfanfall des Patienten, vergleichbar mit einem großen Anfall eines Epileptikers. Der Patient wird zur Behandlung in eine ca. 5-minütige Kurznarkose versetzt, und es wird ein Medikament verabreicht, das die Muskeln lähmt, damit es während der Behandlung zu keinen Verletzungen kommt. In der Regel wird diese Behandlung ca. 6 mal wiederholt.

Wirkungen und Nebenwirkungen

Der Wirkmechanismus der Elektrokrampftherapie ist bis heute nicht restlos geklärt. Durch die Auslösung eines so genannten generalisierten Krampfanfalles, den man sich als eine Art Kurzschluß im Gehirn vorstellen kann, kommt es zu einer raschen De- und Repolarisierung der elektrisch leitenden Hirnzellen sowie einer kompletten Ausschüttung der wichtigsten Neurotransmitter. Bestimmte psychiatrische Symptome, wie Wahn, Depressivität, insbesondere schwere depressive Hemmung und andere reduzieren sich nach einer Reihe solcher Anfälle deutlich oder verschwinden ganz. Man vermutet, daß durch die Auslösung der unkontrollierten elektrischen Entladungen im Gehirn die Organisation der Neurotransmitter und Hormone so durcheinandergerät, daß es zu einer Neuorganisation im Nervensystem kommt und das Wachstum neuer Nervenzellen begünstigt wird. Dies ist jedoch nicht erwiesen.

Als mögliche Nebenwirkungen der Elektrokrampftherapie werden neben den Narkoserisiken vor allem Kopfschmerzen (in einem Drittel der behandelten Fälle), Gedächtnisverlust, ein Nachlassen der intellektuellen Leistungsfähigkeit, Veränderung der Persönlichkeit und eine Schädigung des Gehirns durch kleine Blutungen genannt.

Die Blutungen wurden in Tierversuchen (schon bei geringeren Strömen als bei der Behandlung von Menschen) und bei Autopsien von kurz nach einer Elektrorkampftherapie verstorbenen Menschen nachgewiesen. Sie werden vermutlich dadurch hervorgerufen, dass auch die Muskelzellen der Blutgefäße durch den elektrischen Strom verkrampfen.

Der Gedächtnisverlust bezieht sich hautpsächlich auf die Zeit vor der Behandlung und ist umso stärker, je öfter die Behandlung durchgeführt wird, und je kürzer die zu erinnernde Information vor der Behandlung abgespeichert wurde. Aber auch nach der Behandlung Erlerntes bleibt manchmal schlechter im Gedächtnis. Besonders deutlich ist der Gedächtnisverlust, wenn der Strom quer durch das Gehirn geschickt wird. Um dies zu verhindern, wird der Strom heute hauptsächlich nur noch auf der Seite des Gehirns konzentriert, die für die sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten von geringerer Bedeutung ist (meistens die rechte Seite). Kritiker der EKT-Methode wenden ein, auf diese Weise sei der Gedächtnisverlust nicht verringert, sondern nur weniger offensichtlich und von den Betroffenen schwerer in Worte zu fassen. Von einigen Kritikern wird der Gedächtnisverlust als Ursache für die Verbesserung schwerer Depressionen nach einer EKT-Behandlung angesehen: Der Patient erinnere sich einfach nicht mehr die Faktoren, die zur Ausbildung der Depression geführt hätten.

Geschichtliche Entwicklung

Der italienische Psychiater Ugo Cerletti entwickelte 1938 die Elektrokrampftherapie. Zum Vorbild nahm er sich dabei die in den Schlachthöfen praktizierten Betäubung der Tiere durch Elektroschocks. Die ersten Versuche unternahm er an einem ihm von der Polizei zur Verfügung gestellen psychisch gesunden Mann gegen dessen Willen.

In den folgenden Jahren erlebte die Elektrokrampftherapie einen starken Aufschwung. Zu dieser Zeit standen noch kaum geeignete Psychopharmaka als Behandlungsalternativen zur Verfügung. Die Behandlungen wurden noch ohne Narkose durchgeführt. Die in diesem Fall äußerst unangenehme Prozedur wurde von Psychiatriepatienten als Mittel zur Kontrolle und Bestrafung empfunden und zum Teil vom Psychatriepersonal in diesem Sinn praktiziert.

Als seit Beginn der 1950er Jahre die Nebenwirkungen immer deutlicher wurden und neue Psychopharmaka auf den Markt kamen, ging die Anzahl der EKT-Anwendungen zurück. Die Methode wurde aber noch bis etwa 1970 bei vielen Geisteskrankheiten angewendet. Neben vielen unbekannten Patienten beklagte sich auch Ernest Hemingway, der wegen schwerer Depressionen mit Elektroschocks behandelt wurde, über Gedächtnisverlust, der ihm die schriftstellerische Arbeit unmöglich mache. Kurz nach der letzten Behandlung nahm er sich 1961 das Leben. Die öffentliche Meinung wandte sich nicht zuletzt durch solche Vorfälle zunehmend gegen die EKT-Behandlung.

Anwendungen in der Gegenwart

Nachdem viele Kliniken in Abwägung der Risiken und unter dem öffentlichen Druck auf die Elektrokrampftherapie vollständig verzichtet hatten, wird diese Behandlungsmethode seit einigen Jahren wieder neu etabliert. Sie wird für eine kleine Gruppe von Erkrankungen als Ergänzung zu psychotherapeutischen, soziotherapeutischen oder pharmakotherapeutischen Behandlungsansätzen empfohlen. Zu diesen Erkrankungen werden wahnbildende schwere Depression, die therapieresistente Depression mit oder ohne Suizidalität, die sogenannte Katatonie und eine therapieresistente psychotische Störung mit paranoid-halluzinatorischer Symptomatik gezählt. Grundsätzlich sollen nach Ansicht der EKT-Befürworter alle diese Erkrankungen heute vorrangig mit hochdifferenzierten Medikamenten aus der Gruppe der Neuroleptika oder Antidepressiva behandelt werden, und nur, falls diese an ihre Grenzen kommen, mit der Elektrokrampftherapie.