Rat für deutsche Rechtschreibung

Zusammengesetzter Rat, zuständig für die Weiterentwicklung der deutschen Orthographie
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Der Rat für deutsche Rechtschreibung wurde als Nachfolger der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung von Deutschland, Österreich, der Schweiz, Südtirol, Liechtenstein und der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens gemeinsam eingerichtet, nachdem es besonders im Sommer 2004 wiederum zu einer hitzigen Debatte über den Sinn der Rechtschreibreform gekommen war, in der sich z. B. der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Christian Wulff, und mehrere Publizisten (Stefan Aust vom Spiegel-Verlag, Mathias Döpfner vom Axel-Springer-Verlag [1]) öffentlich für die Rückkehr zur traditionellen Rechtschreibung ausgesprochen hatten. Jedoch wurden nur die Zeitungen und Zeitschriften des Axel-Springer-Verlags umgestellt. Nachdem die Ministerpräsidentenkonferenz im November 2004 die Reform einstimmig bestätigt hatte, wurde der Rat für deutsche Rechtschreibung, in dem auch Kritiker der Reform vermehrt vertreten sind, als Nachfolger der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung gegründet.

Zusammensetzung

Der Rat besteht aus insgesamt 39 Mitgliedern. 18 von ihnen kommen aus Deutschland, neun jeweils aus Österreich und der Schweiz sowie ein Vertreter jeweils aus Liechtenstein, Bozen-Südtirol und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Beschlüsse werden mit einer Zweidrittelmehrheit gefasst. Der Rat konstituierte sich am 17. Dezember 2004. Vorsitzender des Rates ist der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair. Dem Rat gehören nahezu ausschließlich Befürworter der Rechtschreibreform an. Der Reformkritiker Theodor Ickler verließ den Rat im Februar 2006.

Auftrag

Auf der Website des Rats für deutsche Rechtschreibung wird der Auftrag wie folgt beschrieben [2]: »Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln. Er tritt mindestens zweimal im Jahr zu einer Sitzung zusammen. Sitzungsort ist in der Regel das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim, an dem die Geschäftsstelle des Rats für deutsche Rechtschreibung eingerichtet ist.«

Der Auftrag zur Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum ist jedoch inzwischen nicht mehr durchführbar, da die seit der Zweiten Orthographischen Konferenz im Jahr 1901 erzielte Einheitlichkeit gerade durch die umstrittene und schlecht akzeptierte Rechtschreibreform von 1996 verlorenging, was sich in der vielfachen Wiedereinführung von Hausorthographien ausdrückt. Ein realistisches Ziel wäre die Wiederherstellung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum. Bisher hat sich der Rat folglich hauptsächlich mit zum Teil umfangreichen Korrekturen von Mängeln im Regelwerk der Rechtschreibreform befasst und dazu die nachfolgend dargestellten Korrekturvorschläge erarbeitet.

Korrekturvorschläge

Im April 2005 hatte der Rat erste Vorschläge zur Korrektur der Rechtschreibreform veröffentlicht, die sich mit der Getrennt- und Zusammenschreibung befassten. So sollen z. B. wieder mehr Verben oder Verben in Kombination mit Adjektiven zusammengeschrieben werden, die zusammen eine andere Bedeutung haben als isoliert. Zum Beispiel: gemäß der Reform von 1996 „heilig sprechen“, laut den Vorschlägen „heiligsprechen“. Auch „kennen lernen“ kann demnach wieder zusammengeschrieben werden. Die mit der Reform eingeführte Schreibweise „Leid tun“ wurde hingegen gestrichen und durch „leidtun“ ersetzt. Die vor der Reform übliche Schreibweise „leid tun“ soll aber weiterhin als falsch gelten.

Hans Zehetmairs Ankündigung, „krankschreiben“ solle „wieder zusammengeschrieben werden“, ist jedoch dahingehend falsch, als dass „krankschreiben“ erst seit der Reform von 1996 zusammengeschrieben werden soll (traditionelle Rechtschreibung: „krank schreiben“). In diesem Fall wird die reformierte Schreibweise beibehalten.

Am 12. April 2005 wurde außerdem bekanntgegeben, dass „unstrittige“ Teile der Reform laut Beschluss der Kultusministerkonferenz wie geplant zum 1. August 2005 in Schulen und Behörden verbindlich werden sollen, um Schüler und Lehrer nicht unnötig zu verunsichern. Hierzu gehören unter anderem die Schreibung von Doppel-s (ss) und Eszett (ß) gemäß der heyseschen s-Schreibung – zum Beispiel dass anstelle von daß –, die Regelung zum Zusammentreffen dreier gleicher Konsonanten, die Bindestrich-Schreibung, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Fremdwortschreibung. Bayern und Nordrhein-Westfalen kündigten jedoch an, sich nicht an diesen Beschluss zu halten, obwohl sie ihn selbst mitgetragen hatten. So haben bis zum August 2006 in diesen beiden Bundesländern weiterhin die Übergangsregelungen gegolten.

Am 4. Juni 2005 verabschiedete der Rat seinen Vorschlag zur Revision der Getrennt- und Zusammenschreibung, der den Usus der traditionellen Rechtschreibung weitgehend wiederherstellen sollte.

Am 25. November 2005 erfolgten schließlich auch Vorschläge des Rates zur Silbentrennung [3] und zur Zeichensetzung [4], die nur eine teilweise Rücknahme der ursprünglichen Reform von 1996 darstellen, da einerseits bei der Silbentrennung aus ästhetischen Gründen die Möglichkeit gestrichen wurde, Einzelvokale am Wortanfang oder -ende abzutrennen (A-bend, Bi-o), andererseits aber ck weiterhin so behandelt wird wie ch oder sch (Bä-cker, la-chen) und so weiterhin nicht mehr wie früher mit k-k getrennt wird (Bäk-ker).

Bei der Zeichensetzung beschloss man, dass bei selbstständigen Sätzen, die z. B. mit "und" oder "oder" verbunden sind, die Benutzung von Kommata zur Gliederung des Satzes weiterhin jedem freigestellt bleiben soll. Jedoch gilt diese freigestellte Kommasetzung nicht mehr bei Infinitivgruppen, wo die Zeichensetzung bislang ebenfalls jedem selbst überlassen war (Beispiel: Ich benutze die Wikipedia, um mich zu informieren).

Am 3. Februar 2006 legte der Rat Korrekturvorschläge zum Thema Groß- und Kleinschreibung vor. So soll die Großschreibung von „Du“ in Briefen sowie von Verbindungen des Typs „Schwarzes Brett“ oder „Erste Hilfe“ wieder zulässig sein. Die mit der Reform von 1996 eingeführten Schreibweisen „Pleite gehen“ und „Bankrott gehen“ sollen nun „pleitegehen“ und „bankrottgehen“ geschrieben werden, während man vor der Reform „pleite gehen“ und „bankrott gehen“ schrieb. Die mit der Reform von 1996 eingeführte Großschreibung von Tageszeiten wie „heute Morgen“ oder „morgen Abend“ soll beibehalten werden.

Diese Korrekturvorschläge des Rechtschreibrats sind Ende März 2006 von den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer einstimmig angenommen worden und zum 1. August 2006 in Kraft getreten.

Am 22. Juni 2007 traf sich der Rechtschreibrat zu seiner zehnten Sitzung. Es wurden keine Änderungen am Regelwerk beschlossen. Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Rates Zehetmair, ist die Rechtschreibreform nun nach der weitgehenden Übernahme des Regelwerks durch die FAZ auch bei den Printmedien „eingetütet“. Für die nächste Sitzung ist u.a. die Überprüfung der Laut-Buchstaben-Zuordnung (z.B. Gemse) geplant. [5][6]

Gleichnamiger Verein

Von der hier beschriebenen Institution ist der 2004 gegründete gleichnamige Verein Rat für deutsche Rechtschreibung e.V. zu unterscheiden.

Quellen

  1. Pressemitteilung der Axel Springer AG vom 06. August 2004
  2. Über den Rat für deutsche Rechtschreibung, Stand vom 28. Juli 2006.
  3. Zur Silbentrennung
  4. Zur Zeichensetzung
  5. Originalton der Pressekonferenz des Rechtschreibrates nach der Sitzung vom 22. Juni 2007 (MP3)
  6. Transkription der Pressekonferenz des Rechtschreibrates nach der Sitzung vom 22. Juni 2007