Quantenmechanik
Quantenmechanik, eine Theorie der modernen Physik, formuliert in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, ist eine erfolgreiche Beschreibung des Verhaltens von Materie und Energie in kleinen Masstäben. Die Theorie erklärt und quantifiziert drei Effekte, die in der klassischen Physik nicht berücksichtigt werden:
- Die Werte von messbaren Grössen (Observablen) eines Systems, vor allem die totale Energie eines abgeschlossenen Systems, können nur bestimmte diskrete Werte annehmen. Die kleinsten Energiesprünge dieser Observablen werden Quanten genannt (lateinisch quantum, Menge), deswegen der Name Quantenmechanik.
- Materie zeigt unter bestimmten Umständen Wellencharakter (siehe Wellen-Teilchen-Dualität).
- Bestimmte Paare von Observablen, zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens, können nie beide gleichzeitig exakt gemessen werden (siehe Heisenbergsche Unschärferelation).
Jedoch beschränkt sich die Gültigkeit der Quantenmechanik nicht auf kleine Objekte. Zum einen ist die klassische Mechanik ein Grenzfall der Quantenmechanik (Korrespondenzprinzip), zum anderen gibt es auch makroskopische Quanteneffekte: Supraleitung, Superfluidität und Bose-Einstein-Kondensation.
Beschreibung der Theorie
In der Quantenmechanik werden diese Effekte beschrieben, indem der instantane Zustand eines Systems mit einer Wellenfunktion beschrieben wird, welche die Wahrscheinlichkeitsverteilung aller Observablen umfasst. Die Quantenmechanik macht nur Aussagen über diese Wahrscheinlichkeitsverteilungen, nicht über exakte Werte von Messgrössen. Der Wellencharakter der Materie wird dabei als Interferenzeffekt zwischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschrieben. Viele Systeme, die früher als bewegte Objekte gesehen wurden (zum Beispiel ein Elektron, welches um ein Proton kreist) werden nun als statisches System beschrieben (ein Proton umgeben von einer "Wahrscheinlichkeitswolke" welche die Wahrscheinlichkeit beschreibt, das Proton an einem bestimmten Ort zu finden). Wenn sich die Wahrscheinlichkeitsverteilungen zeitlich verändern, dann wird die Schrödingergleichung benutzt um die Entwicklung der Wellenfunktion zu beschreiben.
Mathematische Formulierung
In der mathematisch korrekten Formulierung von John von Neumann aus dem Jahre 1932 wird ein System durch einen komplexen separierbaren Hilbertraum beschrieben (typischerweise ein Raum von quadratintegrierbaren Wellenfunktionen). Ein Zustand ist dann ein Einheitsvektor in diesem Raum, und jede Observable wird durch einen selbstadjungierten linearen Operator auf diesem Raum beschrieben. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Observable in einem bestimmten Zustand kann mit der spektralen Zerlegung des zugehörigen Operators berechnet werden. Falls der Operator ein diskretes Spektrum besitzt, kann die Observable in einem gegebenen Zustand bei einer Messung nur diese diskreten Eigenwerte annehmen. Nachdem eine Messung ausgeführt wurde und ein Eigenwert gemessen wurde, hinterlässt die Messung das System in dem zugehörigen Eigenvektor des Eigenwertes; die Messung ist also irreversibel. Heisenbergs Unschärferelation wird damit zu einem Theorem über nichtkommutierbare Operatoren. Der Operator der totalen Energie wird Hamiltonoperator genannt.
Schlüsselexperimente
Viele grundlegende Eigenschaften der Quantenmechanik werden am Doppelspaltexperiment sichtbar, so z.B. die scheinbare Doppelnatur von physikalischen Objekten als Teilchen und Welle (Welle-Teilchen-Dualismus) und das unterschiedliche Verhalten des Systems mit und ohne Messung.
Das EPR-Experiment (ein Gedankenexperiment von Albert Einstein, Boris Podolski und Nathan Rosen) und damit zusammenhängend die bellsche Ungleichung und das Aspect-Experiment zeigen klar die Unverträglichkeit der Quantenmechanik mit lokalen verborgenen Variablen.
Erweiterungen
Die Quantenmechanik selbst ist die Grundlage der schwachen Wechselwirkung, der starken Wechselwirkung und einer vollständigeren Beschreibung des Elektromagnetismus (Quantenelektrodynamik). Bislang ist es nicht gelungen, die Gravitation quantenmechanisch abzuleiten.
Eine klassische Feldtheorie wird durch 'Quantisierung' in eine Quantenfeldtheorie umformuliert. Das Paradebeispiel ist der Elektromagnetismus, aus dem nach Quantisierung der Maxwellschen Gleichungen die Quantenelektrodynamik entsteht. Die Quantenelektrodynamik erklärt (zumindest prinzipiell) die chemischen Elemente und ihre Eigenschaften, sowie Wechselwirkungen zwischen Materie und elektromagnetischer Strahlung.
Analog erhält man bei Quantisierung der starken Wechselwirkung die Quantenchromodynamik, welche einen Teil der im Atomkern auftretenden Wechselwirkungen zwischen Protonen und Neutronen auf die subnuklearer Wechselwirkung zwischen Quarks und Gluonen reduziert.
Die schwache Wechselwirkung, deren bekanntester Effekt der Betazerfall ist, nimmt eine physikalisch geschlossene Formulierung nach Vereinheitlichung mit der Quantenelektrodynamik im elektroschwachen Standardmodell an.
Versuche, diese Quantenfeldtheorien mit der allgemeinen Relativitätstheorie (Gravitation) zu vereinen, sind bisher ohne Erfolg geblieben.
Anwendungen
Quantenmechanische Erklärungen für das verhalten von Transistoren und Dieden sind Grundlage aller modernen Technologie. Quantenmechanik war für die Entwicklung von Lasern, Elektronenmikroskopen, und für die Magnetresonanztomographie besonders wichtig. Rechnergestützte Chemie ist eigentlich angewandte Quantenmechanik auf einem Computer. Es werden grosse Anstrengungen unternommen, einen Quantencomputer zu bauen, welcher durch die Wahrscheinlichkeitsnatur der Quantenmechanik hochparallel arbeiten würde, durch Ausnutzung der verschiedenen Eigenzustände eines quantenmechanischen Systems.
Philosophische Konsequenzen
Quantenmechanik hat eine heftige philosophische Debatte ausgelöst. Das grundlegende Problem ist das der Kausalität und des Determinismus bei der Messung: Während sich die Wahrscheinlichkeitsfunktionen des ungemessenen Systems deterministisch verhalten, sind die Observablen zufällig auf die möglichen Eigenwerte verteilt, und die weitere Entwicklung des Systems hängt vom tatsächlich gemessenen Wert ab. Deswegen behauptete Albert Einstein, die Quantenmechanik sei unvollständig ("Gott würfelt nicht"). Er akzeptierte die heute allgemein anerkannte Kopenhagener Interpretation von Niels Bohr nicht, welche aussagt, dass die Quantentheorie alles beschreibt was es über ein System zu wissen gibt und dass die Messvorgänge irreduzibel sind und nicht nur unser beschränktes Wissen reflektieren. Diese Interpretation hat im weiteren zur Folge, dass der Akt des Beobachtens die Schrödingergleichung umgeht und das System instantan in einen Eigenzustand fällt (der sogenannte Zusammenbruch der Wellenfunktion). Everetts neuere Viele-Welten-Interpretation behauptet dass alle von der Quantentheorie nicht ausgeschlossenen Möglichkeiten tatsächlich alle gleichzeitig geschehen, und zwar in einem Viel-Welt-Universum von meist unabhängigen Paralleluniversen. Damit ist das Universum wieder deterministisch. Die Tatsache, dass wir Zufälligkeit beobachten, ist dann darauf zurückzuführen, dass wir nur ein Universum beobachten können, während andere Kopien von uns in anderen Universen anderes beobachten. In Everetts Interpretation ist die Messung ein Vorgang, welcher von einer regulären Schrödingergleichung beschrieben werden kann und keine spezielle Behandlung verlangt.
Geschichte
Beim Versuch die richtige Frequenzabhängigkeit der Energie zu finden, die ein schwarzer Körper bei einer bestimmten Temperatur ausstrahlt, hat Max Planck um 1900 die Idee eingeführt, dass Strahlungsenergie quantisiert sei. Im Jahre 1905 hat Albert Einstein den photoelektrischen Effekt damit erklärt, indem er postulierte, dass die Lichtenergie aus Quanten, sogenannten Photonen besteht. 1913 leitete Niels Bohr die Spektrallinien des Wasserstoffes aus Quantisierungsüberlegungen ab. Louis de Broglie hat seine Theorie der Materie als Wellen im Jahre 1924 weitergeführt. Ab 1925 hat Werner Heisenberg seine Matrixmethode entwickelt während Erwin Schrödinger Wellenmechanik und die Schrödingergleichung eingeführt hat. Später zeigte sich, dass beide Ansätze äquivalent waren - beide sprechen über Operatoren auf einem Hilbertraum. Heisenberg formulierte seine Unschärferelation im Jahre 1927, und die Kopenhagener Interpretation hat etwa um die gleiche Zeit Form angenommen. Paul Dirac hat 1928 die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie vereinheitlicht. 1932 hat John von Neumann die strikte mathematische Basis für obige Theorie formuliert. Quantenelektrodynamik wurde beginnend im Jahre 1940 vollständig von Richard Feynman, Dyson, Schwinger und Tomonaga entwickelt. Die Viele-Welten-Interpretation wurde 1956 von Hugh Everett III formuliert (unter dem Namen "Relative State Interpretation", also "Relativer-Zustand-Interpretation"). Die Quantenchromodynamik wurde 1964 von Greenberg und Nambu vorgeschlagen.
Einige Zitate
- Ich mag sie nicht, und es tut mir leid jemals etwas damit zu tun gehabt zu haben.
- Erwin Schrödinger über Quantenmechanik
- Diejenigen die nicht schockiert sind wenn sie zum ersten mal mit Quantenmechanik zu tun haben, haben sie nicht verstanden.
- Niels Henrik David Bohr
- Gott würfelt nicht mit dem Universum.
- Albert Einstein