Dieter Baumann Baumann, *1965 im Februar 2003 |
Dieter Baumann (* 09. Februar 1965 in Blaustein) ist der erfolgreichste Langstreckenläufer der deutschen Sportgeschichte. Der Leichtathlet konnte alleine 40 nationale Meistertitel verbuchen. Auf seiner Spezialstrecke, dem 5000-m-Lauf errang er zwei olympische Medaillen: 1988 in Seoul musste er noch mit Silber vorlieb nehmen, 1992 in Barcelona errang er in einem dramatischen Spurtfinale dann die Goldmedaille. Im Jahr seines Olympiasieges wurde er auch zum Sportler des Jahres gewählt. Weitere Erfolge sind die Europameisterschaft 1994 und der Sieg beim Weltcup 1998.
Der Schwabe zählte zu den beliebtesten deutschen Sportlern, bis eine Doping-Affäre im Jahre 1999 die öffentliche Meinung spaltete. Zu Beginn der Affäre erhielt der Sportler noch breite Unterstützung von weiten Teilen der Öffentlichkeit; auch die meisten Medienvertreter hielten am weitgehend integren Bild des Läufers fest. Erst ein reisserischer Aufmacher ("Neue Dopingbeweise: Ein Kronzeuge packt aus!") der Zeitung Bild am Sonntag im Dezember 1999 sorgte für einen Umschwung der Stimmung. Obwohl sich heraustellte, dass die Titelgeschichte vermeintliche Beweise des Wissenschaftsjournalisten Peter Udelhoven falsch referiert und in einen spekulativen Zusammenhang gesetzt hatte (- das Blatt wurde gerichtlich zum Druck einer Gegendarstellung verpflichtet), hatte sich durch die Mediengewalt des Blattes das öffentliche Bild des gefallenen Sporthelden unwiderruflich etabliert. So hat sich der Fakt, dass Baumann schlussendlich einen Freispruch vor den entscheidenden Gremien des DLV durchsetzen konnte, bis auf dem heutigen Tag nicht im öffentlichen Bewußtsein festsetzen können.
Bei der auffälligen Substanz handelte es sich um Stoffwechselprodukte von Nandrolon; eine mögliche Quelle des Stoffes wurde nach Baumanns Strafanzeige gegen Unbekannt bei kriminalpolizeilichen Ermittlungen in seiner Zahnpasta gefunden. Unklar bleibt in den Augen einer breiten Öffentlichkeit, ob der Dopingfund in der Tube
- (a) auf ein wissentliche Leistungsmanipulation des Sportlers zurückgeht,
- (b) zur Verschleierung der eigentlichen Quelle diente, oder ob
- (c) die Anschlagtheorie des Sportlers dadurch glaubhaft untermauert wird. Die Vermutung, dass
- (d) eine produktionelle Verunreinigung von industriell hergestellter Zahnpasta möglich ist, wurde durch Tests entkräftet.
Im Widerspruch zum juristisch gebotenen Grundsatz, dass nach erfolgloser Tätersuche nicht etwa das Opfer eines Anschlags zum einzig plausiblen Täter gemacht werden sollte, wird immer noch von den unterschiedlichsten Seiten unterstellt, Baumann habe - aus welchen Gründen auch immer - seine Zahnpaste selbst präpariert. Auf der anderen Seite verlieren sich Mutmaßungen über die mögliche Motivlage eines potentiellen Saboteurs allzu leicht in der zweifelhaften Logik von Verschwörungstheorien. Der Betroffene selbst sieht in der natürlichen Groteske der Zahnpasta-Spur einen durchaus kalkulierten Teil des angenommenen Anschlags. Er weiss, dass die "Sache mit der Tube" sich für viele zwangsläufig wie eine Lachnummer generieren muss.
Trotz anhaltender Unschuldsbekundungen und einem Freispruch durch den deutschen Verband hatte der Sportler eine mehrjährige Dopingsperre zu verbüßen, die nach einer Kontroverse mit dem Internationalen Leichtathletik-Verband IAAF nochmals verlängert wurde. Die angestrebte Teilnahme an den vierten Olypischen Spielen des Sportlers wurde durch die fehlende Freigabe der IAAF verhindert. Anfang 2002 feierte er ein viel beachtetes Comeback. Der erfolgreiche Umstieg auf die Marathonstrecke gelang ihm jedoch nicht, und er beendete Ende 2003 nach 22 Jahren Leistungssport seine aktive Karriere.
Baumann ist auch als Buchautor in Erscheinung getreten, dessen Veröffentlichungen sich aus dem Einerlei üblicher Sportlerbücher hervorheben. Insbesondere die beiden autobiographischen Publikationen dokumentieren, dass der Sportler Baumann es nie gescheut hat, sich mit Funktionären und Verbänden anzulegen. Auch dann nicht, wenn ein taktisches Einlenken für seine sportliche Karriere von Nutzen gewesen wäre. Dem Deutschen Leichathletik-Verband galt er bis zuletzt als "schwieriger Athlet", der nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Die besondere Tragik, dass Baumann als vorderster Kämpfer für Doping-Trainingskontrollen ausgerechnet zum spektakulärsten deutschen Dopingfall seit Katrin Krabbe wurde, gibt der Biographie des Sportlers streckenweise eine Dramatik, die der Läufer in seinen Bekenntnissen zu verarbeiten weiß.
- "Ich laufe keinem hinterher", 1995 - Autobiographie
- "Lebenslauf", 2002 - Autobiographie
- "Laufen Sie mit", 2003 - Lauf-Ratgeber
Seit 1995 ist er journalistisch tätig als Kolumnist für die TAZ und das Fachblatt Runner's World.