Artillerie bezeichnet den Sammelbegriff für großkalibrige Geschütze, in diesem Sinne werden Geschütztypen zusammengefasst, etwa Schiffsartillerie, Küstenartillerie oder die Truppengattung des Heeres.
Truppengattung
Die Artillerie ist eine Truppengattung des Heeres. Der Name "Artillerie" leitet sich entweder von den lat. Wörtern "ars" und "tollere" (oder auch "telorum" - Geschosse) ab und bedeutet daher soviel wie die "Kunst des Werfens." Andere Theorien besagen, dass das lat. Wort "arcus" - Bogen für den bogenförmigen Wurf eines Geschützes Grundlage für die Bezeichnung sei.
Man unterscheidet historisch zwischen:
- Wurfmaschinen, die von der Antike bis zum 16. Jahrhundert verwendet wurden.
- Die Rohrartillerie wird seit dem 15. Jahrhundert benutzt. Sie ist mit Geschützen ausgestattet und bildete im Laufe der Geschichte verschiedene Untergruppen heraus:
- Fußartillerie (weil die Artilleristen zu Fuß gehen mussten, während die Geschütze gezogen wurden)
- schwerer Artillerie (im Feld noch einsetzbar)
- Festungsartillerie,
- Feldartillerie (die Artilleristen waren ebenfalls mobilisiert) mit
- leichter Artillerie
- fahrender Artillerie und
- reitender Artillerie
- Fußartillerie (weil die Artilleristen zu Fuß gehen mussten, während die Geschütze gezogen wurden)
- Raketenartillerie (seit dem Zweiten Weltkrieg)
- Aufklärende Artillerie (seit dem Ersten Weltkrieg) die mittels Radar, Licht- oder Schallmesstechnik gegnerische Bewegungen und eigenes Feuer vermisst, mittels Drohnen kann die Aufklärung in die Tiefe des Raumes erfolgen, weiterhin verfügt die Artillerie über Ausrüstung zur Bestimmung von Wetterdaten. Vermessungsaufgaben werden ebenso von der Artillerie wahrgenommen, wobei in der Bundeswehr eine eigene Topographietruppe existiert, die seit 2002 jedoch nicht mehr der Artillerie angegliedert ist.
Jede Truppengattung hat ihren eigenen Schlachtruf - so auch die Artilleristen: "Zu-Gleich!" Er dient gleichzeitig zur Erkennung, Verbrüderung und Motivation. Er erkläret sich aus der - teilweise heute noch notwendigen - gemeinsamen Anstrengung der Geschützbesatzung bei dessen Bedienung. Dabei geht es einerseits um das Ansetzen des Geschosses (manchmal immerhin bis zu 50 Kg schwer), um es anschließend mit einem sog. "Ansetzer" in das Rohr zu drücken, und andererseits um das Reinigen des Rohres nach dem Schießen. Dazu wird vor allem im Feld eine Stange mit Bürstenkopf durch das Rohr gezogen. Dies ist nur unter der gemeinsamen und gleichzeitigen Anstrengung der Besatzung möglich. Der Ruf dient daher zur gemeinsamen Koordinierung.
Verwendete Munition
Je nach Ziel können unterschiedliche Munitionssorten bzw. Zünder verwendet werden:
- Sprenggeschoss, wirkt durch Spreng- und Splitterwirkung, je nach Zünder kann das Geschoss über dem Ziel, im Moment des Aufschlages oder mittels Verzögerung nach Eindringen in das Ziel zur Detonation gebracht werden. Bei geeigneten Fallwinkeln und Beschaffenheit des Bodens können bei Verzögerungszündern auch Abpraller entstehen.
- Panzerbrechendes Geschoss, ursprünglich als Vollkugel, hat heute einen massiven Kern mit weicher Spitze zum Durchschlagen von Panzerungen
- Cargogeschosse:
- Schrapnell, mit Kugeln o. ä. gefülltes Geschoss, welches vor dem Ziel explodiert und dieses durch Splitterwirkung zerstört (gebräuchlich bis ca. 1916)
- Bombletgeschoss, stößt über dem Ziel eine Anzahl von einzelnen Hohlladungs-Sprengkörpern aus, die sich dadurch verteilen.
- SMArt (Suchzündermunition Artillerie) Munition, dient zur gezielten Bekämpfung einzelner, gepanzerter Fahrzeuge. Ein Geschoss enthält 2 Subgeschosse die autonom fungieren und getrennte Ziele bekämpfen können.
- Nukleargeschoss (Einsatz ist der deutsche Bundeswehr verboten, es war geplant, im Einsatzfall das Geschütz vorzubereiten und einzurichten danach sollten Amerikanische Soldaten das Geschütz übernehmen und bedienen)
- Nebelgeschoss
- Leuchtgeschoss
- Spezielle Munition, die bspw. Flugblätter enthält
- Minen werden meist mittels Artillerieraketen verschossen.
- Für Ausbildungszwecke existieren Exerzier- und Üb-Geschosse.
Einsatzgrundsätze
Aufstellung
Artilleriegeschütze wurden ursprünglich offen aufgestellt und direkt gerichtet (mit Sicht auf das Ziel) und feuerten in der Regel auf Kernschussweite. Mit fortschreitender Entwicklung der Geschütze, die zu höherer Reichweite und Zielgenauigkeit führte, wurden offene Artilleriestellungen einfache Ziele für die feindliche Artillerie. Deshalb wird die Rohrartillerie seit den ersten Monaten des Ersten Weltkrieges ausschließlich in verdeckter Stellung eingesetzt, d.h. aus der Feuerstellung ist das Ziel nicht zu sehen. Durch die hohe Reichweite können mehrere Artilleriestellungen auf das gleiche Ziel schießen und der Schwerpunkt des Feuerkampfes kann rasch verlegt werden. (Die Reichweite der modernen 155-mm -Panzerhaubitze 2000, dem modernsten Artilleriegeschütz der Welt, liegt bei 40 km, ebenso wie die modernen Raketenwerfer.) Die Stellungen der Rohrartillerie der Bundeswehr werden nach dem 1 Drittel 2 Drittel Prinzip ausgekundschaftet. Damit sollten die Stellungsräume 1 Drittel der mittleren Kampfentfernung hinter der FLOT liegen. Dadurch verbleiben 2 Drittel der mittleren Kampfentfernung für Feueraufträge.
Zielaufklärung
Durch den Übergang von der offenen Stellung in die verdeckte Stellung musste indirekt gerichtet werden, d. h. die Zielaufklärung erfolgt bei der Rohrartillerie meist durch vorgeschobene Beobachter (heute: Artilleriebeobachter), die die Position der Ziele ermitteln und das Schießergebnis korrigieren.
Diese Beobachter verfügen heutzutage meist über technische Mittel zur Entfernungs- und Richtungsmessung, teilweise können diese Geräte die Zielkoordinaten direkt an die Feuerleitrechner übertragen. Je nach Zielgröße wird das Feuer verschiedener Geschützzüge zusammengefasst, dabei kann das Feuer so koordiniert werden, dass die ersten Geschosse der verschiedenen Stellungen gleichzeitig im Ziel eintreffen. Weiterhin erfolgt die Zielaufklärung auch durch die technischen Mittel der aufklärenden Artillerie oder durch Meldungen der Kampftruppe. Wird nur nach Karte geschossen, so spricht man von Planschießen.
Durch die Verbesserung der technischen Aufklärung ist es teilweise möglich, ein Geschoss im Fluge zu vermessen und die Koordinaten der Feuerstellung zu errechnen. Durch die dadurch auftretende höhere Gefährdung werden die Geschütze in den Feuerstellungen in großen Abständen aufgestellt und eine Feuerstellung wird nach Erfüllung eines Feuerauftrages rasch gewechselt. Durch den Zwang zu hoher Beweglichkeit werden fast nur noch Geschütze auf Selbstfahrlafetten, nach Möglichkeit unter Panzerschutz (Panzerhaubitze) eingesetzt. Aus Gewichtsgründen kommen aber in Spezialaufgaben noch leichte Feldgeschütze zum Einsatz. (Luftverlastbarkeit)
Leichte Mörser (Granatwerfer) sind organisatorisch meist direkt der Kampftruppe, insbesondere der Infanterie, zugeordnet.
Feuerleitung
Da die Geschütze keine unmittelbare Sicht zum Ziel haben, muss die Erhöhung und die Richtung des Geschützes/Werfers errechnet werden. Dazu kommen heutzutage meist Feuerleitrechner zum Einsatz, es kann aber auch mittels Schusstafel manuell gerechnet werden.
Durch Anpassung der Rohrerhöhung und der Treibladung lassen sich Ziele hinter Deckungen bekämpfen, bzw. der Auftreffwinkel der Geschosse verändern.
Um sichere Schussgrundlagen für das indirekte Richten zu besitzen, muss das Geschütz/ der Werfer eine vermessene Stellung beziehen. Die Vermessung wird durch den Einsatz von GPS allerdings zunehmend abgelöst. Das eigentliche herkömmliche Zielen erfolgt mit Hilfe von Festlegepunkten. Hierbei werden die Festlegewerte (Grundrichtung und Nordrichtung) des Geschützes/Werfers beim Richten über die Festlegepunkte unterlegt und dienen somit als Basis der folgenden Feueraufträge.
basierend auf diesen Koordinaten und den Zielkoordinaten werden
- Teilring, die Richtung der Waffe
- Erhöhung
- Treibladung errechnet
In diese Berechnung werden innenballistische Einflüsse (nur Rohrartillerie)
- Pulvertemperatur
- individueller Korrekturfaktor eines jeden Rohres
und außenballistische Einflüsse
- Geschossgewicht
- Luftdruck
- Luftfeuchtigkeit
- Windrichtung und Stärke
- Erddrehung (Corioliskraft)
einbezogen.
Bei Gefechten mit sich bewegendem Geschütz und Ziel (zum Beispiel auf See) müssen noch Korrekturen für Kurs und Geschwindigkeit des eigenen und des Zielschiffes angebracht werden. Außerdem müssen noch die Schiffsbewegungen durch Wellengang ausgeglichen werden.
Stehen die obigen Daten nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung, so wird durch Einschießen ein entsprechender Korrekturfaktor ermittelt. Speziell bei Gefechten auf See, wo die Entfernung zum Ziel nicht in ausreichender Genauigkeit bestimmt werden kann, wird das Einschießen folgendermaßen vorgenommen: Drei Schüsse werden abgefeuert, die in der Entfernung des Zieles sowie etwas weiter und etwas kürzer gezielt werden. Im Idealfall stimmt die berechnete Entfernung zum Ziel und das Ziel wird eingegabelt, das bedeutet, die drei Schüsse landen vor, auf und hinter dem Ziel, was man an den Wasserfontänen der Einschläge erkennen kann. Dann kann die Differenz der Schüsse der nächsten Salve entsprechend verkleinert werden.
Die Feuerleitung der Artillerie hatte auch einen Einfluß auf die Entwicklung der Informatik. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg war die Berechnung der Zielkoordinaten ein enormes Problem. Die Feuerleitung wurde noch anhand von Tabellen vorgenommen. Um eine numerische Berechnung möglich zu machen, wurde unter John von Neumann der erste Großcomputer entwickelt und in Betrieb genommen, der ENIAC. Er konnte die Flugbahn eines Projektils in wenigen Minuten bestimmen.
Geschichte
Als eigenständige Truppengattung hat sich die Deutsche Artillerie unter Friedrich dem Großen von Preußen herausgebildet. Vorher war die Artillerie eine Sondertruppe, deren Personal eine eigentümliche Mittelstellung zwischen Handwerkern, Alchimisten (Pulverzusammensetzung!) und Soldaten einnahmen.
"Höhepunkt" der Rohr-Artillerie war der erste Weltkrieg (1914-1918). Hier kamen alle Gattungen der Artillerie zum Einsatz. Dadurch änderte sich das Gesicht des Krieges nachhaltig: der jetzt besonders wirksame Einsatz von Granaten machte Bewegung in offenem Gelände sehr risikoreich und erzwang den Bau von Grabensystemen. Trotzdem gingen ca. 3/4 der Verluste der Kriegsparteien auf die Artillerie zurück, da auch neue Artillerie-Techniken und Taktiken, (etwa die "Feuerwalze"), sowie der verstärkte Einsatz von Sprenggeschossen erprobt und eingeführt wurden. Im Ersten Weltkrieg verschoss die Artillerie der Kriegsparteien zusammen etwa 850 Millionen Schuss. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde durch eine höhere Mobilität und Panzerung der Infanterie die Wirksamkeit der Artillerie beschränkt, und die mobile Kriegsführung wieder ermöglicht. Dementsprechend wurden auch die Mobilität und der Panzerschutz der Artillerie ständig erhöht.
Im Laufe der Truppenreduzierung der 1990er Jahre war die Artillerie als Truppengattung, obwohl ihre aufklärende Komponente gerade in den Auslandseinsätzen wertvolle Dienste zur Informationsbeschaffung leistet, besonders stark betroffen.