Die evangelische Hauptkirche St. Michaelis, genannt „Michel“, ist die bekannteste Kirche Hamburgs und ein Wahrzeichen der Hansestadt, da sie von Seeleuten auf einlaufenden Schiffen gut sichtbar ist. Sie gilt als bedeutendste Barockkirche Norddeutschlands und ist dem Erzengel Michael geweiht, der als große Bronzestatue über dem Hauptportal hängt. Er ist dargestellt in Siegerpose über dem Teufel. Der Michel steht in der südlichen Neustadt zwischen Ludwig-Erhard-Straße, Krayenkamp und Englischer Planke.




Architektur
St. Michaelis ist ein in Backsteinbauweise errichteter, barocker Zentralbau mit monumentalem Westturm. Das von Ernst Georg Sonnin und Johann Leonhard Prey entworfene Gebäude wurde 1762 fertiggestellt.
Der 132 Meter hohe, charakteristische Kirchturm zählt zu den höchsten der Welt und er ist der zweithöchste in Hamburg. Der Hauptteil des Turmschaftes ist aus Kostengründen nicht in Stein ausgeführt, sondern besteht aus einer kupferverkleideten Holzkonstruktion (jetzt Stahlkonstruktion).
Der Turm prägt die Silhouette der Stadt und galt schon früh als Orientierungsmarke für die auf der Elbe nach Hamburg segelnden Schiffe. In 82 m Höhe ist die Turmplattform, die einen weiten Ausblick über die Stadt bietet, man kann sie zu Fuß über 453 Stufen oder mit einem Fahrstuhl erreichen.
Uhr
Die Uhr im Kirchturm ist die größte ihrer Art in Deutschland. Sie misst im Durchmesser 8 Meter, der große Zeiger hat eine Länge von 4,91 Metern, der kleine 3,60 m und beide wiegen zusammen 130 Kilogramm. Sie wurde von der Straßburger Firma Ungerer, deren Inhaber der Großvater des bekannten Grafikers Tomi Ungerer war, hergestellt.
Geläut
Am 31. März 2000 wurde die große Jahrtausendglocke in der Glockengießerei A. Bachert in Heilbronn gegossen und eingeweiht. Sie ersetzt die große Michel-Glocke, die 1917 abgenommen, eingeschmolzen und zu Kriegszwecken verwendet wurde. Allerdings ist sie aufgrund der zu häufigen Nutzung und einer schlechten Gussqualität am unteren Rand gesprungen und kann deshalb zur Zeit nicht geläutet werden. Die anderen Glocken wurden von der Glockengießerei Schilling (Apolda) gegossen.
1. Jahrtausendglocke
- Schlagton: f°
- Gewicht: 7 542 kg; Durchmesser: 234 cm; Gussjahr: 2000
- Inschrift: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir; denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.“
- Funktion: Läutet am Karfreitag, Buß- und Bettag und zu Beerdigungen.
2. Bürgerglocke
- Schlagton: a°
- Gewicht: 4 900 kg; Durchmesser: 200 cm; Gussjahr: 1924
- Inschrift: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“
3. Schiffahrtsglocke
- Schlagton: c′
- Gewicht: 2 850 kg; Durchmesser: 166 cm; Gussjahr: 1924
- Inschrift: „Fahret auf in die Höhe.“
4. Gemeindeältestenglocke
- Schlagton: d′
- Gewicht: 2 012 kg; Durchmesser: 147 cm; Gussjahr: 1910
- Inschrift: „Lobet, ihr Völker, unsern Gott; lasst seinen Ruhm weit erschallen.“
5. Pastorenglocke
- Schlagton: e′
- Gewicht: 1 350 kg; Durchmesser: 130 cm; Gussjahr: 1924
- Inschrift: „Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet.“
- Funktion: Läutet zum «Feierabend».
6. Kirchenvorsteherglocke
- Schlagton: f′
- Gewicht: 1 103 kg; Durchmesser: 116 cm; Gussjahr: 1910
- Inschrift: „Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinen Namen, du Höchster.“
Das volle Geläut (Plenum) erklingt zu allen Sonn- und Feiertagsgottesdiensten (30 bzw. 10 Min. vor Beginn) sowie zu Trauungen.
Maße
Mit 2500 Sitzplätzen ist der Michel die größte Hamburger Kirche und die jüngste der fünf Hamburger Hauptkirchen. Der Kirchenraum hat einen kreuzförmigen Grundriss mit 51 m Breite, 71 m Länge und 27 m Höhe. Die marmorne Kanzel bildet das Zentrum des Raumes. In der Krypta befindet sich eine Ausstellung zu der Baugeschichte mit Modellen der Kirche.
Kirchenmusik
Der Michel besitzt drei Orgeln: die kleine Grollmann-Orgel im Altarraum, die Marcussen-Orgel auf der Konzertempore und die große Steinmeyer-Orgel mit ihren 85 Registern und 6665 Pfeifen. Seit über 250 Jahren besteht die Sitte des Turmblasens. Werktags um 10:00 Uhr und um 21:00 Uhr, sonntags nur um 12:00 Uhr wird unter der größten Turmuhr Deutschlands in alle Himmelsrichtungen ein Choral geblasen.
Die Kirchenmusik an der Michaeliskirche wurde bis 1822 vom Kantor des Johanneums wahrgenommen, darunter Georg Philipp Telemann und Carl Philipp Emanuel Bach. Bach ist in der Gruftkirche neben dem Baumeister Sonnin beigesetzt.
Heute sind die Kantoren KMD Christoph Schoener (seit 1998) mit Schwerpunkt auf Leitung der Chöre und KMD Manuel Gera (seit 2001) mit Schwerpunkt auf das Orgelspiel für die Kirchenmusik verantwortlich. Beide haben eine volle A-Stelle inne.
Geschichte
Der heutige Bau ist der dritte Kirchenbau an dieser Stelle.
Der erste Bau wurde von 1647 bis 1669 von Peter Marquardt und Christoph Corbinus errichtet. Er wurde die Kirche der Neustadt, die seit 1625 innerhalb der neuen Wallanlagen entstanden war und stetig an Bevölkerung zunahm. 1687 wurde der zweite Michel die fünfte Hauptkirche und die Neustadt ein eigenes Kirchspiel. Dieser Bau wurde am 10. März 1750 durch Blitzschlag zerstört.
1786 wurde der Neubau nach einem Entwurf von Johann Leonhard Prey und Ernst Georg Sonnin in der Form, wie wir die Kirche heute kennen, abgeschlossen. Im Jahr 1802 führte Johann Friedrich Benzenberg ein berühmtes gewordenes Freifall-Experiment im Turm durch. Am 3. Juli 1906 fing der Turm bei Bauarbeiten am Dachstuhl Feuer und brannte vollständig nieder. Auch das Kirchenschiff brannte bis auf die Grundmauern ab. Die Kirche wurde in selber Form wiederhergestellt, jedoch mit einem modernen Stahlskelett und keiner Holzkonstruktion mehr. Die Bauarbeiten dauerten 6 Jahre. Am 19. Oktober 1912 wurde der Michel wiedereröffnet.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die gesamte Umgebung stark zerstört, während die Kirche selbst zunächst fast unbeschädigt blieb. Erst 1944 und 1945 wurde schließlich auch das Hauptschiff getroffen. Die Schäden wurden bis etwa 1952 beseitigt. Seit 1983 wird der Michel fast kontinuierlich renoviert, nach der Erneuerung der Turmspitze wird derzeit das ebenfalls kupferne Dach des Hauptschiffes erneuert.
Medien
Über den Hamburger Michel gibt es mehrmals im Jahr Reportagen und Fernsehsendungen. In der Vorabendserie des Ersten "Großstadtrevier", sieht man oft Polizisten und Schauspieler im Michel zu verschiedenen Anlässen. Aus dem Michel werden oft Gottesdienste im Fernsehen live übertragen.
Der kleine Michel
200 m östlich der Michaeliskirche liegt der so genannte „Kleine Michel“', ursprünglich Friedhofskapelle und Zweitkirche der ev. luth. Michaelis-Gemeinde.
Diese Kirche wurde 1824 von der Stadt erworben und der katholischen Gemeinde geschenkt. Der heutige Bau wurde nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet und ist dem Heiligen Ansgar geweiht.
um 1600 - Bau einer (Friedhofs-) Kapelle mit Turm, Wetterfahne und Glocke
- 1605 - erster regulärer Gemeindegottesdienst
- 1647 - kauft die inzwischen entstandene Neustadt-Gemeinde der Altstadt-Gemeinde St. Nikolai diese erste Michaelis-Kirche Hamburgs ab, baut aber bereits wegen der zunehmenden Bevölkerung nebenan am Krayenkamp den
- 1661 - fertiggestellten ersten "Großen Michel". Der "Kleine Michel" verfällt und wird 1747 ganz abgetragen
- 1750 - brennt der "Große Michel" durch Blitzschlag am 10. März nieder.
- 1754 - wird der "Kleine Michel" durch eine private Donation von Senator Vogt als Notkirche für die Michaelisgemeinde wieder aufgebaut.
- 1762 - wird die neu errichtete große Michaeliskirche am 19. Oktober feierlich eingeweiht.
- 1807 - halten spanische Truppen Napoleons im beschlagnahmten "Kleinen Michel" den ersten katholischen Gottesdienst. Der Präfekt der französischen Truppen erklärt
- 1811 - den "Kleinen Michel" zur römisch-katholischen Kirche, die am 3. Februar auf den Namen St. Ansgar geweiht wird.
- 1814 - ziehen die französischen Truppen aus Hamburg ab. Stillschweigend wird hier aber auch weiterhin katholischer Gottesdienst gefeiert.
- 1824 - kaufen Senat und Bürgerschaft den "Kleinen Michel" der evangelischen "Großen Michaeliskirche" für 30.000 Mark ab und überlassen das Bauwerk den mittlerweile 6000 katholischen Mitbürgern der Stadt für einen Bruchteil der Kaufsumme.
- 1830 - wird die Kirche so durchgreifend renoviert, dass fast ein Neubau entsteht.
- 1865 - Zum 1000. Todestag Ansgars, des ersten Bischofs von Hamburg, schenkt Bischof Melchers von Osnabrück dem Kleinen Michel eine Unterarmreliquie des Heiligen. Sichtbar im Altar der Kirche ist sie das Grab des Hl. Ansgar für die Stadt und das Erzbistum Hamburg.
- 1945 - wird durch alliierte Sprengbomben am 11. März die barocke Kirche völlig zerstört.
- 1955 - wird die jetzige Kirche am 10. Juli auf den Fundamenten des ersten Kirchbaus in der Hamburger Neustadt eingeweiht. Der Bau wurde durch die tatkräftige Hilfe französischer Christen ermöglicht. Die wiederaufgebaute Kirche wurde daher auch dem Hl. Bernhard von Clairvaux geweiht.
- 1973 - wird neben der kleinen Michaeliskirche die Katholische Akademie Hamburg eingeweiht.
- 2005 - feiert die Gemeinde "400 Jahre Kleiner Michel"
Siehe auch
Ausgewählte Literatur (chronologisch)
- Johann Theodor Reinke: Lebensbeschreibung des ehrenwerthen Ernst Georg Sonnin, Baumeisters und Gelehrten in Hamburg, Hamburg 1824.
- Julius Faulwasser: Die St. Michaelis-Kirche zu Hamburg. Eine vaterländische Studie, Hamburg 1886.
- Julius Faulwasser: Die St. Michaeliskirche zu Hamburg, Hamburg 1901.
- Karl Reimer: St. Michaelis 1604-1904. Ein Überblick über die Geschichte der neustädtischen Gemeinde in Hamburg, Hamburg 1904.
- Walter H. Dammann: Die St. Michaeliskirche zu Hamburg und ihre Erbauer. Ein Beitrag zur Geschichte der neueren Protestantischen Kirchenbaukunst, Leipzig 1909.
- Horst Lutter: Die St. Michaeliskirche in Hamburg. Der Anteil der Baumeister Prey, Sonnin und Heumann an ihrer Gestaltung, Hamburg 1966 (Arbeiten zur Kirchengeschichte Hamburgs; 9).
- Reinhold Pabel: Der kleine und der große Michel, Hamburg 1985.
- Dieter Haas (Hg.): Der Turm. Hamburgs Michel, Gestalt und Geschichte. Beiträge von sechzehn Autoren, Festschrift, Hamburg 1986.
- Hermann Hipp: Freie und Hansestadt Hamburg. Geschichte, Kultur- und Stadtbaukunst an Elbe und Alster, Köln 1989 (Dumont-Dokumente: Dumont-Kunst-Reiseführer).
- Johannes Habich: Die grosse St.-Michaelis-Kirche zu Hamburg, 4. Aufl., München [u. a.], 1993 (Große Baudenkmäler; H. 310).
- Matthias Gretzschel: St. Michaelis. Der Hamburger Michel, Hamburg 1996.
- Hermann Heckmann: Baumeister des Barock und Rokoko in Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Lübeck, Hamburg, Berlin 2000.
Literatur (gegenwärtig im Buchhandel erhältlich)
- Helge Adolphsen: „O, wie so herrlich stehst Du da. Predigten im Hamburger Michel aus fünf Jahrhunderten'“, Murmann-Verlag, Hamburg 2006, ISBN 3-938-01779-1 [1]
- Semjon Aron Dreiling: „Pompöser Leichenzug zur schlichten Grabstätte. Die vergessenen Toten im Gruftgewölbe der Hamburger St.-Michaelis-Kirche 1762-1813“, Medien-Verlag Schubert, Hamburg 2006, ISBN 3-937843-09-4 [2]
- Joachim W. Frank, Iris Groschek, Rainer Hering, Volker Reissmann: „Der Michel brennt! Die Geschichte des Hamburger Wahrzeichens", Edition Temmen, Bremen 2006, ISBN 3-86108-085-0 [3]
Weblinks
- Pixel-den-Michel.de - Die neue Mitmach-Aktion für die Michel-Sanierung
- Homepage der Michaelis-Gemeinde
- Die Gewölbe unter St. Michaelis
- Aktuelle und historische Fotos der St. Michaeliskirche
- Luftbild
- Symposium: 100 Jahre nach dem Michelbrand
- Die Toten unter der Michaeliskirche, Artikel in der Welt am Sonntag